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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.06.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 104/06
Rechtsgebiete: VBVG


Vorschriften:

VBVG § 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 104/06

In der Betreuungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Jennissen, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm

am 09.06.2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 06.04.2006 - 3 T 422/05 - abgeändert und die sofortige Beschwerde des Betreuers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 19.10.2005 - 69 XVII L 539 - zurückgewiesen .

Gründe:

I.

Der Betroffene steht seit 23.07.2002 unter Betreuung, für die der Beteiligte zu 1. als Berufsbetreuer am 09.05.2003 im Anschluss an einen früheren Berufsbetreuer bestellt wurde. Der Betreute befand sich aufgrund eines Strafverfahrens vom 30.09.2004 bis 04.10.2004 in Untersuchungshaft in der JVA G, sodann ab 05.10.2004 in den Rheinischen Kliniken C, dem ein Unterbringungsbefehl gemäß § 126a StPO zugrunde lag. Nach der Hauptverhandlung am 30.11.2005 wurde der Betreute in die JVA I verlegt.

Der Betreuer hat mit Antrag vom 05.10.2005 seine Vergütung für den Zeitraum vom 01.07. bis 30.09.2005 geltend gemacht und hierzu den Status "mittellos/Wohnung" zugrunde gelegt. Das Amtsgericht hat hiervon abweichend eine Heimunterbringung angenommen und dementsprechend statt der beantragten 359,57 € lediglich 201,- € angesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte Erfolg, da das Landgericht dem Antrag des Beteiligten zu 1. gefolgt ist und in der Unterbringung in der Psychiatrischen Klinik keine Heimunterbringung gesehen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors, die rechtzeitig eingelegt worden ist. Der Bezirksrevisor ist der Ansicht, wegen der Dauer der Unterbringung, die 3 Monate überschreite, sei von einem Heimaufenthalt auszugehen, so dass weniger Arbeitsstunden abgerechnet werden müßten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg und führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die aufgrund eines Unterbringungsbefehls vollzogene Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus nur vorübergehender Natur sei und deshalb für den Betroffenen keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim begründet. Diese Ansicht ist in Hinblick auf die hier gegebene Dauer der Unterbringung nicht rechtsfehlerfrei.

Dem Betreuer steht ein Vergütungsanspruch lediglich in Höhe von 201, - € für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis 30.09.2005 zu, §§ 1908 i, 1836 Abs.1, 1836 d BGB, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 2, 3 VBVG. Die aufgrund eines Unterbringungsbefehls nach § 126a StPO im Abrechnungszeitraum bereits seit fast neun Monaten andauernde Unterbringung des Betreuten in einer psychiatrischen Klinik ist bei der Bemessung der Vergütung des Betreuers trotz der lediglich vorläufigen Regelung des Unterbringungsbefehls als Heimunterbringung gemäß § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VBVG anzusehen. Mithin sind - unter Berücksichtigung der Mittellosigkeit des Betreuten - als Zeitaufwand monatlich zwei Stunden anzusetzen.

Der Ansatz des Landgerichts, dass die Rheinischen Kliniken C die Voraussetzungen eines Heimes im Sinne des § 5 Abs. 3 VBVG erfüllen, ist zutreffend. Es handelt sich hierbei um eine Einrichtung im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 1 VBVG, der fast wörtlich mit § 1 Abs. 1 HeimG übereinstimmt. Die genannten Anforderungen an ein Heim erfüllt auch ein psychiatrisches Krankenhaus wie C. Auf § 1 Abs. 6 HeimG verweist § 5 Abs. 3 VBVG gerade nicht. Für die Entgeltlichkeit des Betriebs der Einrichtung ist es ausreichend, dass die Bewohner kraft Gesetzes zur Zahlung verpflichtet sind oder ein Dritter verpflichtet wird (vgl. Fröschle, Betreuungsrecht 2005, Rdnr. 294). Das ist hier der Fall, da staatliche Träger, sei es der Sozialhilfeträger oder die Landeskasse, zur Leistung verpflichtet sind.

Entscheidend ist, ob der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Heim begründet hat (so die BT-Drucksache 15/2494, S. 32; Dodegge, NJW 2005,1896 FN 22). Die Ansicht des Landgerichts, dass eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik aufgrund eines Unterbringungsbefehls nach § 126a StPO oder eine Untersuchungshaft aufgrund eines Haftbefehls gemäß § 112 StPO keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 VBVG begründen kann, ist für den Regelfall nicht zu beanstanden. Denn der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts verweist auf den Ort, an dem der Betroffene seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat. Bei nur vorübergehender Abwesenheit von diesem Ort aufgrund einer zwangsweisen vorübergehenden Unterbringung in einer Klinik oder Haftanstalt verändert sich dieser gewöhnliche Lebensmittelpunkt noch nicht (dazu Fröschle, Betreuungsrecht 2005, Rdnr. 301 ff). Beide Zwangsmaßnahmen dienen einer nur vorübergehenden Sicherung des Aufenthaltes des Betroffenen bis zu dessen Hauptverhandlung. Sie können bei Veränderung der Umstände jederzeit aufgehoben werden, so dass der Betroffene umgehend entlassen werden muss (vgl. §§ 126a Abs. 3, 120 StPO). Dieser - auch im Schrifttum (Fröschle, a.a.O., m.w.N.) vertretenen - Ansicht tritt der Senat bei.

Im vorliegenden Fall ist allerdings von dem Regelfall abzuweichen. Der Betroffene befand sich zu Beginn des hier abgerechneten Zeitraumes von 3 Monaten bereits seit fast 9 Monaten in der psychiatrischen Klinik. Aufgrund des Fehlens konkreter Anhaltspunkte für eine bevorstehende Entlassung stand Anfang Juli 2005 auch zu erwarten, dass der Betroffene jedenfalls in nächster Zeit weiterhin vorläufig untergebracht sein würde. Tatsächlich ist er vor seiner Hauptverhandlung im November 2005 nicht mehr entlassen worden.

Da der Betroffene bereits über ein halbes Jahr in der Einrichtung verbracht hatte und mit seinem weiteren Verbleib dort zu rechnen war, hatte sich sein gewöhnlicher Aufenthaltsort inzwischen in die dortige psychiatrische Klinik verlagert. Von einem nur vorübergehenden Verbleib kann deshalb bei dieser langen Zeitspanne nicht mehr ausgegangen werden. Für diese Beurteilung war für den Senat allerdings nicht die Frist des § 1 Abs. 4 HeimG von drei Monaten maßgebend, von der allein der Bezirksrevisor ausgeht. Vielmehr sind zur abschließenden Beurteilung des Aufenthaltsortes die Gesamtumstände von Bedeutung, wobei allein der Ablauf einer dreimonatigen Frist nicht aussagekräftig ist.

Damit bleibt es bei der vom Amtsgericht Aachen festgesetzten Vergütung.

Die Entscheidung ergeht kostenfrei.

Ende der Entscheidung

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