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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.09.2002
Aktenzeichen: 16 Wx 104/2002
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 43
FGG § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 104/2002

In der Betreuungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Reinemund

am 6.9.2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) werden die Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 13.5.2002 - 1 T 43/02 - und des Amtsgerichts Köln vom 07.11.2001- 54 XVII D 490/98 - aufgehoben und wird das Amtsgericht angewiesen, den Beteiligten zu 2) zu entlassen und als neue Betreuerin für die Betroffene gemäß ihrem Wunsch Frau Rechtsanwältin J. W. zu bestellen.

Rechtsbeschwerdewert: 4.000,- Euro

Gründe:

Für die Betroffene ist seit 1999 wegen eines vorwiegend amnestisch geprägten hirnorganischen Psychosyndroms Betreuung angeordnet mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge (einschließlich Postkontrolle), Vertretung bei Behörden, Sicherstellung der häuslichen Pflege und Versorgung und Zutrittsrecht zur Wohnung. Hinsichtlich des Aufgabenkreises Vermögenssorge ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Zum Betreuer wurde der Beteiligte zu 2) bestellt. Die Betroffene, die krankheitsuneinsichtig ist, hat sich in der Folgezeit mehrmals, aber jeweils ergebnislos, in entsprechenden Eingaben an das Gericht sowohl gegen die Betreuungsanordnung als auch gegen die Auswahl des Betreuers gewandt.

Das Amtsgericht hat den im August 2001 neuerlich gestellten Antrag der Betroffenen, den Beteiligten zu 2) zu entlassen und Frau Rechtsanwältin W. als Betreuerin einzusetzen, wiederum abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht nach persönlicher Anhörung der Betroffenen durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Ermessensfehlerfrei sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die von der Betroffenen gewünschte Auswechslung des Betreuers ihrem Wohl nach wie vor zuwiderlaufe. Im Hinblick auf den Grundsatz der Betreuerkontinuität fehle es hier an vernünftigen Gründen für den gewünschten Betreuerwechsel. Der Betreuer habe seit Übernahme der sehr umfangreichen Betreuung mit einem immensen Arbeitsaufwand zahlreiche Angelegenheiten der Betroffenen geregelt, was sich mangels ausreichender Mitwirkung der Betroffenen sehr schwierig gestaltet habe. Die von ihm erbrachte Einarbeitungs- und Organisationsarbeit, die u. a. in 16 Ordnern und 5 Anlagenordnern dokumentiert ist, müsste bei dem Betreuerwechsel in großen Teilen erneut erbracht werden, was kostenmäßig die Betreute nicht unerheblich belasten würde. Hinzukomme, dass die gewünschte, zweifelsfrei gut qualifizierte neue Betreuerin für Betreuungstätigkeit in anderen Betreuungsfällen nicht zur Verfügung stünde, was bei dem Mangel an gut qualifizierten Betreuern für schwierige Fälle nicht außer Acht zu lassen sei. Schließlich sei auch nicht erkennbar, dass sich das psychische Befinden der Betreuten und deren Akzeptanz der Betreuung durch den Betreuerwechsel verbessere. Der in ihrer Anhörung geäußerte Grund, ihr sei eine Frau lieber, sei nicht nur erstmals angegeben worden, sondern auch aus ihrem Vorverhalten nicht nachvollziehbar, weil sie im Betreuungsverfahren einige Male ihren Neffen als Betreuer ins Gespräch gebracht und sich bislang keineswegs gegen einen männlichen Betreuer und sich auch an männliche Rechtsanwälte gewandt habe. Es liege danach kein wichtiger Grund vor, der eine Entlassung des Betreuers aus seinem Amt rechtfertige.

Die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 FGG).

Rechtlich zu beanstanden ist, dass das Landgericht dem Vorschlag der Betreuten deshalb nicht gefolgt ist, weil es - rechtsirrig - meinte, für eine Ablösung des Beteiligten zu 2) und Bestellung der gewünschten neuen Betreuerin vernünftige und nachvollziehbare Gründe bzw. einen wichtigen Grund haben zu müssen. Im Entscheidungsfall brauchen für die Entlassung des bisherigen Betreuers nicht die Voraussetzungen des § 1908 b Abs. 1 BGB vorliegen. Es genügt vielmehr, wenn für den verlangten Betreuerwechsel die Voraussetzungen des alternativ in Betracht kommenden § 1908 b Abs. 3 BGB erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift kann das Vormundschaftsgericht den Betreuer entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt. So soll auch und vor allem dessen eigener Wille den Ausschlag geben für die Auswahl des Betreuers, allerdings muß auch hierbei das Wohl des Betreuten ganz im Vordergrund stehen. Der Rechtsgedanke des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB gilt entsprechend. Dementsprechend kann dem Wunsch des Betreuten nach einem Betreuerwechsel nur eingeschränkt stattgegeben werden, nämlich unter der Voraussetzung, dass der Betreute einen gleichgeeigneten Betreuer vorschlägt, der Vorschlag seinem ureigenen Willen entspricht und nicht auf den Einfluss eines Dritten zurückgeht (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 95,1234 m. w. N.), und der Betreuerwechsel seinem Wohl nicht zuwiderläuft (vgl. Senat zB in FamRZ 2000, 513 und 1999,811; BayObLG BtPrax 2000, 260). Das aber ist hier zu bejahen.

Das Landgericht geht - und auch mit Recht - ersichtlich selbst davon aus, dass die von der Betreuten vorgeschlagene Betreuerin zur Führung der Betreuung nicht weniger geeignet ist und der Vorschlag der Betreuten ihrem ureigenen und unbeeinflussten Willen entspricht. Nicht zu folgen ist dem Landgericht indes in der Feststellung, dass wegen Fehlens vernünftiger und nachvollziehbarer Gründe für den gewünschten Betreuerwechsel dieser dem Wohl der Betreuten zuwiderlaufe.

Im Hinblick auf den unbedingten Vorrang der Wünsche der Betreuten bei der Auswahl des Betreuers (Senat, zB in NJWE-FER 99, 57) lässt sich dessen Ablehnung aus dem Gesichtspunkt des Wohls der Betreuten nur unter der Voraussetzung der Feststellung einer konkreten und auch nicht nur geringen Gefahr für deren Wohl im Falle des gewünschten Betreuerwechsels rechtfertigen (vgl. Senat aaO; BayObLG FamRZ 97, 136o; Palandt/Diederichsen BGB § 1897 Rdnr. 2o; Damrau/Zimmermann aaO § 1897 Rdnr. 11). Eine solche Gefahr ist hier weder nach den vom Landgericht angeführten Gründen noch im übrigen erkennbar. Insbesondere kann die auch vom Senat (zB in NJWE-FER 98, 129) stets hervorgehobene Bedeutung der Kontinuität für die betreffende Betreuung sowie die Qualität des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Betreuten und dem bisherigen Betreuer hier kein gegen den Betreuerwechsel sprechendes Kriterium sein, weil zu der gewünschten neuen Betreuerin, an die sich die Betreute, wie ihre Verfahrensbevollmächtigte vorträgt, mit ihren Sorgen und Wünschen und regelmäßig großem Gesprächsbedarf wendet, schon seit längerer Zeit unstreitig ein gutes Vertrauensverhältnis besteht. Ebenso wenig kann die kostenmäßige Belastung der Betreuten durch den bei der Einarbeitung anfallenden Zeitaufwand der neuen Betreuerin eine Rolle spielen, denn sie ist Inhaberin eines beträchtlichen Vermögens und bereits in hohem Alter (86 Jahre), so dass solche Kostenfragen für die Betreute nur von untergeordneter Bedeutung sein können. Ferner kann unterstellt werden, dass nicht erkennbar ist, dass sich das psychische Befinden der Betreuten und deren Akzeptanz der Betreuung durch den Betreuerwechsel verbessert, und der Wunsch nach einer Dame als Betreuerin nur vorgeschoben ist. Insgesamt würden zwar damit - insoweit ist die Auffassung des Landgerichts nicht zu beanstanden - objektiv keine vernünftigen und nachvollziehbaren Gründe für den Betreuerwechsel vorliegen. Die angeführten Umstände rechtfertigen indes nicht zugleich die Feststellung, dass das Wohl der Betreuten nennenswert beeinträchtigt ist, d.h. ihr ein ernsthafter nicht nur unerheblicher Schaden droht, wenn ihrem Vorschlag entsprochen wird. Danach ist unter den Umständen des vorliegenden Falles von Gesetzes wegen ihrem Wunsch, mag er letztlich auch auf die Hoffnung zurückgehen, dass Frau W. ihr helfen werde, die Betreuung zu beenden, wie der Beteiligte zu 2) vorträgt, Rechnung zu tragen.

Sonach waren auf die weitere Beschwerde die Beschlüsse des Landgerichts und des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen mit der Anweisung, den Beteiligten zu 2) als Betreuer zu entlassen und zur neuen Betreuerin an dessen Stelle auf Wunsch der Betreuten Rechtsanwältin J. W. bestellen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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