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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.01.2003
Aktenzeichen: 16 Wx 112/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 1
WEG § 21 Abs. 3
WEG § 23 Abs. 1
WEG § 28 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 112/02

In der Wohnungseigentumssache

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Manteufel

am 17.01.2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin werden unter Abänderung der Beschlüsse des Amtsgerichts Bonn vom 07.09.2001 - 28 II 24/01 WEG - und des Landgerichts Bonn vom 10.05.2002 - 8 T 227/01 - die Anträge vom 05.02.2001 zurückgewiesen.

Alle Antragsteller haben die in erster Instanz entstandenen Gerichtskosten zu tragen; diejenigen der beiden Beschwerdeinstanzen fallen den Antragstellern zu 2. und 3. zur Last.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.596,77 € festgesetzt.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Antrag auf Zustimmung zur Jahresabrechnung 1998

Der Antrag auf Zustimmung der Antragsgegnerin zur Jahresabrechnung ist dahin auszulegen, dass damit die gerichtliche Ersetzung des Eigentümerbeschlusses über deren Genehmigung nach § 28 Abs. 5 WEG angestrebt wird; denn dies ist letztlich das Ziel des Begehrens. Auch braucht die Antragsgegnerin nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller zu 2. und 3., die den Antrag nur noch weiterverfolgen, nicht zuzustimmen, da ihr Stimmrecht wegen eines Wohngeldrückstandes nach § 17 Nr. 3, Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung geruht hat.

Es kann offen bleiben, ob eine im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer liegende ordnungsgemäße Verwaltung eine gerichtliche Ersetzung gebietet; denn es fehlt bereits an der Zulässigkeit des Antrags.

Die Antragsteller haben kein rechtlich geschütztes Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung.

Aus dem Regelungszusammenhang der §§ 21 Abs. 1, Abs. 3, 23 Abs. 1, 25, 26, 28 Abs. 4 WEG folgt, dass vor einer gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung eine Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft zu erfolgen hat, also die hierfür zuständige Eigentümerversammlung hiermit zu befassen ist und die gerichtliche Ersetzung eines Beschlusses nur subsidiär als letztes Mittel in Betracht kommt. Einer vorherigen Einschaltung der Eigentümerversammlung bedarf es nur dann nicht, wenn wegen der Stimmrechtsverhältnisse nicht mit einer Beschlussfassung zu rechnen ist und ohne weitere Aufklärung feststeht, dass der antragstellende Wohnungseigentümer keine Mehrheit in der Eigentümerversammlung finden wird (vgl. KG ZMR 1999, 509; OLG Düsseldorf WE 1994, 375; Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 21 Rdn. 85 f.). Hierfür bedarf es indes besonderer Umstände, zumal nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshof auch sogenannte Nichtbeschlüsse nach § 23 Abs. 4 WEG anfechtbar sind und derjenige, der für den Beschlussgegenstand keine Mehrheit gefunden hat, ggfls. auf diesem Weg einen etwaigen sich aus § 21 Abs. 4 WEG ergebenden Anspruch durchsetzen kann (vgl. BGH NZM 2001, 961 = ZMR 2001, 809; BayObLG NZM 2002, 346 = ZMR 2002, 532).

Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Ersetzung des Beschlusses über die Genehmigung der Jahresabrechnung können vorliegend nicht festgestellt werden.

Nach den sowohl in diesem Verfahren wie auch in dem Parallelverfahren auf Zahlung von Vorauszahlungen auf das Wohngeld für die Jahre 1999 und 2000 (16 Wx 112/02) in den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen bestand ein Wohngeldrückstand der Antragsgegnerin. Dies hatte gem. § 17 Nr. 3 Abs. 3 der von ihr selbst stammenden Gemeinschaftsordnung die Folge, dass ihr Stimmrecht ruhte (vgl. zur Zulässigkeit einer entsprechenden Vereinbarung Bärmann/Pick/Merle a. a. O. § 25 Rdn. 156 a. E.). Da die Antragsgegnerin mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile hält, führte dies zunächst dazu, dass nach der h. M., welche § 25 Abs. 3 nur für den Fall eines gesetzlichen Stimmrechtsausschlusses, nicht aber auch im Falle eines Ruhens eines Stimmrechts für unanwendbar hält, die Versammlung vom 20.12.2000 nicht beschlussfähig war (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 1999, 137 = NZM 1999, 270, Bärmann/Pick/Merle a. a. O. § 25 Rdn. 80; a. A. KG NJW-RR 194, 659 = KGR 1994, 16). Die Verwalterin handelte daher sachgerecht, wenn sie eingangs der Versammlung auf die fehlende Beschlussfähigkeit hinwies. Die Beschlussfähigkeit einer Versammlung ist zwar für jeden einzelnen Tagesordnungspunkt gesondert festzustellen. Vorliegend waren aber alle Punkte gleich zu behandeln, da bei keinem ein Stimmrechtsausschluss in Betracht kam, bei dem dann § 25 Abs. 3 WEG nicht anzuwenden gewesen wäre. Im Hinblick darauf, dass auch die in dem Einladungsschreiben bereits enthaltene Eventualeinberufung einer zweiten Versammlung am gleichen Tag zu einer späteren Uhrzeit wegen Fehlens einer entsprechenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung unzulässig war, konnte deshalb in der Versammlung vom 20.12.2000 keine Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 1998 erfolgen.

Damit war aber die Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft noch nicht abgeschlossen. Vielmehr war die Verwalterin nicht gehindert und im Verhältnis zu der Wohnungseigentümergemeinschaft auch gehalten, nunmehr korrekt zu einer zweiten Versammlung einzuladen, die sodann ohne Rücksicht auf die vertretenen Anteile beschlussfähig gewesen wäre, d. h. die drei ursprünglichen Antragsteller hätten wegen des ruhenden Stimmrechts der Antragsgegnerin ohne weiteres die Jahresabrechnung beschließen können und ein gerichtliches Verfahren hätte sich erübrigt. Gerade das Ruhen des Stimmrechts der Antragsgegnerin macht zudem deutlich, dass kein rechtlich geschütztes Interesse der Antragsteller daran bestehen konnte, sie als eine Miteigentümerin, die ohnehin ihr Stimmrecht nicht ausüben konnte, zur Zustimmung zu einer Verwaltungsmaßnahme verpflichten zu wollen.

Einer Einberufung einer zweiten Versammlung stand auch nicht die unzureichende Liquidität der Wohnungseigentümergemeinschaft entgegen; denn ein zusätzliches Entgelt hätte der Verwalterin nach den im Termin des Amtsgerichts vom 26.10.1999 getroffenen Vereinbarungen nur wegen einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zugestanden. Dies wäre bei einer bloßen Wiederholungsversammlung derjenigen vom 20.12.2000, bei der es sich um die erste überhaupt seit der Bestellung der Verwalterin und damit um die ordentliche nach § 24 Abs. 1 WEG handelte, nicht der Fall gewesen. So hat es die Verwalterin ursprünglich wohl auch selbst gesehen, indem sie - wenn auch unwirksam - vorsorglich bereits zu einer zweiten Versammlung für den 20.12.2000 eingeladen hatte.

Auch wäre die Verwalterin nicht an der Einberufung einer Wiederholungsversammlung gehindert gewesen, weil die Antragsgegnerin zu einer Versammlung auf den 12.12.2000 eingeladen hatte und in dieser Versammlung nach ihrem streitigen und unter Beweis gestellten Sachvortrag der Beschluss gefasst worden sein soll, dass der "Verwaltervertrag" aus wichtigem Grund fristlos "gekündigt" und die "Fa. L-Hausverwaltung, Inh. V P. O jun." zur Verwalterin bestellt werden soll. Selbst wenn diese "Kündigung" des "Verwaltervertrags" dahin auszulegen wäre, dass damit auch die Abberufung der Verwalterin gemeint gewesen sein soll, was offen bleiben kann, wäre die Beschlussfassung nichtig. Der Senat teilt im Ergebnis die entsprechende Auffassung des Landgerichts. Neben der Einladung durch eine unzuständige Person, die grundsätzlich nur zur Anfechtbarkeit führt (Senat OLGR 2002, 244), geht es vorliegend aus dem vom Landgericht im Einzelnen aufgeführten Gründen um eine rücksichtslose Durchsetzung nur eigener Interessen durch eine nach der von ihr selbst stammenden Gemeinschaftsordnung nicht stimmberechtigte Mehrheitseigentümerin, die zugleich eine mit ihr verflochtene Verwalterin einsetzt. Im Rahmen einer Gesamtschau des Inhalts und der Beweggründe erweisen sich daher die nach dem Sachvortrag der Antragsgegnerin am 12.12.2000 gefassten Beschlüsse als sittenwidrig i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB und damit als nichtig.

Der bereits Anfang 2000 unternommene Versuch, einen einstimmigen Beschluss aller Wohnungseigentümer im schriftlichen Verfahren zu erwirken, ersetzte die Befassung der Eigentümerversammlung mit der Angelegenheit nicht, was auch die Verwalterin gesehen hat, indem sie die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 1998 auf die Tagesordnung für die Versammlung vom 20.12.2000 gesetzt hat. Es ist das gute Recht eines jeden Wohnungseigentümers, eine Entschließung im schriftlichen Verfahren abzulehnen und auf einem Austausch von Argumenten in der Eigentümerversammlung zu bestehen. Dies war wohl auch die Auffassung der Verwalterin, indem sie richtigerweise die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 1998 auf die Tagesordnung der Versammlung vom 20.12.2000 gesetzt hat.

2. Antrag auf Zahlung des Abrechnungsguthabens

Insoweit sind die Antragsteller zu 2. und 3., die den Anspruch nur noch weiterverfolgen, aus den Gründen des Senatsbeschlusses von heute in der Parallelsache 16 Wx 111/02 nicht aktivlegitimiert. Die Antragsteller hätten die Möglichkeit gehabt, auch die vorliegend bereits vor der Einladung zu der Eigentümerversammlung vom 20.12.2000 erwogene gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs zusammen mit der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung zum Gegenstand der Tagesordnung zu machen und einen bzw. mehrere von ihnen oder die Verwalterin entsprechend zu ermächtigen.

3. Die fehlende Zulässigkeit der Anträge führt dazu, dass es auf die in den Eigentümerversammlungen vom 17.10.2002 und 28.11.2002 gefassten Beschlüsse nicht ankommt und deshalb die von den Antragstellern zu 2. und 3. angeregte Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommt.

Als Unterlegene haben die Antragsteller zu 2. und 3. gem. § 47 WEG die Gerichtskosten zu tragen, und zwar anders als in dem Parallelverfahren 16 Wx 111/02 auch alle Kosten der ersten Instanz. Der Antrag auf Zahlung des Abrechnungsbetrages war zwar auch vorliegend ursprünglich zulässig. Indes bestand von Anfang wegen der Unzulässigkeit des Antrags auf Zustimmung zu der Jahresabrechnung 1998 an ohne einen Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG kein Zahlungsanspruch.

Eine Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht angezeigt.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und entspricht den unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzungen der Vorinstanzen unter Abzug der bereits von dem Landgericht aberkannten 211,45 DM.

Ende der Entscheidung

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