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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.07.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 124/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 181 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 26.04.2006 (29 T 84/06) aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde, an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

Der Antrag des Antragsgegners auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Der Geschäftswert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

1.

Die gemäß §§ 45 Abs. 2 WEG, 27 Abs. 1 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat jedenfalls insoweit Erfolg, als der angegriffene Beschluss aufgehoben wird.

Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht rechtsfehlerfrei, § 27 Abs. 1 FGG i. V. m. § 546 ZPO. Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist verfahrensfehlerhaft ohne Beweiserhebung als unzulässig zurückgewiesen worden. Zur Prüfung der rechtzeitigen Einlegung der Rechtsbeschwerde hätte das Beweisangebot des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Anbringung des Benachrichtigungsscheins über die Niederlegung im Schriftsatz vom 17.04.2006 nicht übergangen werden dürfen. Damit ist gegen den auch in Wohnungseigentumsverfahren - wenn auch eingeschränkt - geltenden Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG verstoßen worden, zugleich ist entscheidungserhebliches Vorbringen eines Beteiligten nicht berücksichtigt worden. Es lässt sich nicht ausschließen, dass das Landgericht nach Durchführung der Beweisaufnahme die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bejahen wird.

Da es für die Rechtzeitigkeit der Erstbeschwerde auf den Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung ankommt, ist der schlüssige Vortrag des Antragsgegners beachtlich, wonach die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung des Beschlusses vom 22.02.2006 nach § 181 Abs. 1 ZPO - entgegen der Angabe in der Zustellungsurkunde - erst am 04.03.2006 an der Haustür angebracht worden sein soll. In diesem Fall wäre die Zustellung gemäß § 181 Abs. 1 S. 4 ZPO erst am 04.03.2006 erfolgt; die am 17.03.2006 bei Gericht eingegangene Beschwerde wäre damit innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist gemäß § 45 Abs. 1 WEG i. V. m. § 22 Abs. 1 FGG eingelegt worden.

Der Antragsgegner hat hinreichende Anhaltspunkte für den späteren Zustellungszeitpunkt vorgetragen und dafür Zeugenbeweis angeboten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des in der Zustellungsurkunde vermerkten Datums vom 02.03.2006. Gemäß § 182 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 418 ZPO besitzt die Zustellungsurkunde die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde; der Gegenbeweis ist nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässig. Der Antragsgegner hat mit seinem Vorbringen den Gegenbeweis über schlichtes Bestreiten hinaus substantiiert angetreten. Er hat angeführt, dass seine von ihm als Zeugen benannten Nachbarn, nachdem bei diesen die Türklingel betätigt worden war, die Anbringung des Zettels am 04.03.2006 beobachtet haben (vgl. Schriftsatz vom 17.04.2006). Dem Vortrag des Antragsgegners steht nicht entgegen, dass er eine Kopie der schriftlichen Benachrichtigung nicht vorgelegt hat. Der Antragsgegner behauptet nämlich gar nicht, dass diese Mitteilung das Datum 04.03.2006 trägt, sondern läßt erkennen, dass auf der Benachrichtigung bereits das Datum 02.03.2006 angegeben war (dazu Schriftsatz vom 17.04.2006), während die Benachrichtigungsmitteilung erst zwei Tage später angebracht worden sein soll.

Im übrigen bietet der Vortrag des Antragsgegners auch Anlaß zur Überprüfung, ob die Benachrichtigung an der Haustür - so der Antragsgegner - oder an der Wohnungstür befestigt wurde, wie die Zustellungsurkunde erkennen läßt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes in § 181 Abs. 1 S.3 ZPO ist die schriftliche Mitteilung grundsätzlich an der Wohnungstür zu hinterlassen. Ob in Ausnahmefällen z.B. bei kleinen Mehrfamilienhäusern auch die Mitteilung an der Haustür ausreicht (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006, § 181 Rn. 11), bedarf hier keiner Entscheidung, da die örtlichen Verhältnisse nicht bekannt sind. Bei der erneuten Behandlung der Sache wird auch diese Frage aufzuklären sein, da eine Mitteilung an der Haustür eines größeren Mehrfamilienhauses nicht den Erfordernissen des § 181 Abs. 1 ZPO genügen dürfte mit der Folge, dass eine Ersatzzustellung in dieser Form unwirksam wäre.

Schließlich bietet der unter Zeugenbeweis gestellte Sachverhalt Anlass zu Zweifeln, ob nicht eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO möglich gewesen wäre, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der Zustellung nach § 181 ZPO führen würde. Denn nach der Darstellung des Antragsgegners wurde die Mitteilung von außen an die Haustüre geheftet, obwohl sich im Hausflur ein Briefkasten befand und Nachbarn anwesend waren, die dem Zusteller hätten die Haustür öffnen können. Für dieses Vorbringen spricht auch, dass die übrigen Zustellungen in diesem Verfahren als Ersatzzustellungen nach § 180 ZPO unter Nutzung des Briefkastens erfolgt sind.

2.

Der Antrag des Antragsgegners auf Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen. Prozesskostenhilfe gemäß § 14 FGG i. V. m. § 115 Abs. 4 ZPO kann nicht bewilligt werden, da die Gerichtskosten vier Monatsraten voraussichtlich nicht übersteigen. Für die Rechtsverfolgung im weiteren Beschwerdeverfahren sind bei einem Geschäftswert von 1.000,- € voraussichtlich lediglich Kosten in Höhe von insgesamt 30 € aufzubringen, § 48 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 WEG, § 32 Abs. 1 S. 1 KostO. Dies gilt auch dann, wenn die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird (BayObLG v. 25.02.1972, BayObLGE 1972, 69). Kosten für einen Rechtsanwalt fallen nicht an, da eine Beiordnung nicht beantragt wurde und aus anderen Gründen eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben ist, § 14 FGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO.

Die voraussichtlich anfallenden Kosten kann der Antragsgegner mit weniger als vier Monatsraten aufbringen. Gemäß § 115 Abs. 2 ZPO überschreiten selbst vier Monatsraten in der niedrigsten Höhe von 15 € bei einem einzusetzenden monatlichen Einkommen zwischen 16 € und 50 € die voraussichtlichen Kosten. Ausweislich der eingereichten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verfügt der Antragsgegner über ein höheres einzusetzendes Einkommen.

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