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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 01.10.2002
Aktenzeichen: 16 Wx 13/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 271
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 13/02

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth am 1.Oktober 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers vom 11.1.2002 werden die Beschlüsse der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 14.12.2001 - 8 T 46/98 - und des Amtsgerichts Bonn vom 13.2.1998 - 28 II 97/98 - abgeändert. Der in der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.6.1996 gefasste Beschluss zu TOP 4 a) ( Treppenhausrenovierung ) wird für ungültig erklärt.

Die Gerichtskosten der Rechtsbeschwerde und der ersten Instanz fallen der Beteiligten zu 3) zur Last; die gerichtlichen Kosten 2. Instanz hat der Antragsteller zu tragen; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 1.382,75 Eur

Gründe:

I.

Die Beteiligten, Mitglieder und Verwalter einer großen Mehrhauswohnanlage, streiten um die Wirksamkeit eines Wohnungseigentümerbeschlusses, in dem die Renovierung des Treppenhauses im Haus C-Straße 10 beschlossen wurde.

Die der Begründung des Wohneigentums zugrunde liegende Teilungserklärung von 1978 sieht sieben Häuserblocks mit je 2 oder 3 Mehrfamilienhäusern vor. Die dem Antragsteller gehörende Wohnung gehört zu dem Block C-Straße 8, 10 und 12, der aus 12 gleich großen Wohnungen besteht. § 2 Abs. 2 der Teilungserklärung sieht vor, dass die Lasten und Kosten von den jeweiligen Eigentümern der in diesen befindlichen Sondereigentumseinheiten getragen werden. Ferner ist dort bestimmt, dass

" bei Abstimmungen in Angelegenheiten der einzelnen Blocks ... nur die Sondereigentümer der in ihnen befindlichen Einheiten im Verhältnis ihrer Anteile stimmberechtigt" sind, " sofern nicht Gesamtbelange - wenn auch nur mittelbar ... - mit berührt werden".

Bei der Versammlung am 11.6.1996 wurden von der Verwalterin 7 Eigentümer des Blocks C-Straße 8 - 12, u.a. der Antragsteller als anwesend aufgeführt. Über die Abstimmung zu TOP 4 a, die die Renovierung des Treppenhauses des Hauses 10 betraf, ist im Protokoll vermerkt: "einstimmig angenommen". Der Antragsteller hat diesen Beschluss angefochten und behauptet, er sei gerade während der fraglichen Abstimmung für kurze Zeit abwesend gewesen, und es hätten nur die Eigentümer des Hauses Nr. 10 abstimmen dürfen. Deshalb sei eine wirksame Beschlussfassung nicht zustande gekommen. Im Übrigen entspräche der geplante Neuanstrich des Treppenhauses mit Rauhputz nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Vorinstanzen haben seinen Antrag, den Beschluss zu TOP 4 a für ungültig zu erklären, abgewiesen. Dagegen wendet er sich mit weiterer Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel, das zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden ist, hat in der Sache Erfolg. Die landgerichtliche Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Der Beschluss vom 11.6.1996 zur Treppenhausrenovierung ( TOP 4 a ) ist wegen Beschlussunfähigkeit zur Frage der Treppenhausrenovierung für ungültig zu erklären.

1.

Soweit das bisherige Verfahren an einem Mangel leidet, weil der zu beteiligende Verwalter am Erstbeschwerdeverfahren ( anders als vor dem Amtsgericht ) nicht förmlich beteiligt wurde ( § 43 IV Nr. 2 WEG), ist dies im Ergebnis unschädlich. Die förmliche Beteiligung konnte im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden ( BGH NJW 98, 756; Senat vom 21.11.2001, NZM 02,458 ). Dies ist auch mit Verfügung vom 3.7.2002 geschehen. Der Beteiligten zu 3) wurde damit als Verwalterin rechtliches Gehör gewährt.

2.

Die landgerichtliche Entscheidung kann indes keinen Bestand haben, weil ihre Feststellungen zur Beschlussfähigkeit nicht berücksichtigen, dass für die hier zu entscheidende Frage auf den Block C-Straße 8 - 12 abzustellen ist, nicht auf die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft, wenngleich der Beschluss in der Sache ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

Die Teilungserklärung ( im Folgenden: TE ) v. 26.9.1978 sieht unter § 2 Abs. 2 vor, dass die jeweiligen Eigentümer eines Blocks die Lasten und Kosten dieses Blocks zu tragen haben; darunter fallen laut TE insbesondere "Instandhaltung- und Instandsetzungskosten, Elektrizitäts-, Wasser-, Heizungs-, Müllabfuhr- und Entwässerungskosten". Die hier zu entscheidende Renovierung des Treppenhauses Nr. 10 fällt unter die Instandhaltungskosten, betrifft mithin nur den Block der Häuser C-Straße 8 - 12. Weiter sieht die TE vor, dass bei Abstimmungen in diesen Angelegenheiten nur die Sondereigentümer der in diesem Block befindlichen Einheiten stimmberechtigt sind, sofern nicht Gesamtbelange berührt werden. Das ist hier nicht der Fall. Abstimmungsberechtigt waren damit ausschließlich sämtliche Eigentümer des Blocks C-Straße 8 - 12.

Die Abstimmungsberechtigung richtet sich - entgegen der Ansicht des Antragstellers - für diese Wohnanlage nicht nach einzelnen Wohnhäusern, wie es die Rechtsprechung in Einzelfällen bei großen Mehrhausanlagen bejaht hat ( z.B. BayObLG DNotZ 85, 414,415; NJW-RR 96,1101; BayObLGZ 75, 177,180; sog. Blockstimmrecht, vgl. Bärmann/Merle, 8. Aufl., § 25 Rz. 77 m.w.N.). Da die Teilungserklärung für die hier zu beurteilende Wohnungseigentümergemeinschaft ausdrücklich eine Abstimmung und Kostentragung nach einzelnen Wohnblocks vorsieht und diese regelmäßig aus 2 oder 3 Wohnhäusern bzw. ca. 12 Wohnungen bestehen, somit keine zu großen, unüberschaubaren Einheiten bilden, besteht hier kein Bedürfnis, von dieser Regelung der Teilungserklärung abzuweichen bzw. die Teilungserklärung ergänzend im Sinne der erwähnten Rechtsprechung auszulegen. Der hier im Blick stehende Gesichtspunkt der Vereinfachung und Entlastung des Verfahrens ist durch die in der Teilungserklärung vorgesehene Regelung hinreichend gewahrt.

Bei der Abstimmung richtet sich das Stimmrecht der Eigentümer nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung ( § 2 Abs. 2 TE ). Nach unbestrittenem Sachvortrag der Verwalterin und der vorliegenden TE befinden sich in dem hier interessierenden Block 12 Wohnungen in gleicher Größe, so dass allen Eigentümern das gleiche Stimmrecht zusteht.

Die für die Abstimmung erforderliche Beschlussfähigkeit nach § 15 Abs. 5 der Gemeinschaftsordnung - entsprechend § 25 Abs. 3 WEG - innerhalb der Gruppe der abstimmungsberechtigten Eigentümer des Blocks C-Straße 8 - 12 lässt sich indes nicht feststellen.

Die Verwalterin trägt zwar vor, bei der auf diesen Block beschränkten Abstimmung zu TOP 4 a seien 7 der 12 Eigentümer zugegen gewesen. Dagegen steht jedoch der Einwand des Antragstellers, er habe die Versammlung kurz verlassen und sei gerade während dieser Abstimmung nicht anwesend gewesen. Dies hätte zur Folge, dass nur die Hälfte der Eigentümer, also keine beschlussfähige Mehrheit bei der Abstimmung anwesend gewesen wären. Dieses Vorbringen lässt sich nicht widerlegen; bei Zweifeln über die Beschlussfähigkeit kann nicht von deren Vorliegen ausgegangen werden.

Für die Beschlussfähigkeit der Versammlung ist es nicht ausreichend, dass zu Beginn der Versammlung eine ausreichende Zahl von Eigentümern anwesend ist. Es ist nämlich nicht auf die Gegebenheiten zu Beginn der gesamten Versammlung abzustellen, sondern die Beschlussfähigkeit muss bei jeder einzelnen Abstimmung gegeben sein (vgl. Senat v. 21.11.2001, NZM 02,458; Bärmann/Merle, a.a.O., § 25 Rz. 80 ff ). Bei Zweifeln an der Beschlussfähigkeit, insbesondere weil in der Zusammensetzung der Anwesenden eine Veränderung stattgefunden hat, hat der Versammlungsleiter vor der einzelnen Abstimmung noch einmal die Beschlussfähigkeit festzustellen. Bei der hier zu beurteilenden Abstimmung hätten sich dem Versammlungsleiter Zweifel an der erforderlichen Mehrheit aufdrängen müssen. Zum einen war die festgestellte Mehrheit von 7 Eigentümern zu der Gesamtzahl von 12 Stimmen die denkbar knappste Mehrheit, so dass sich jede Veränderung auswirken konnte. Zum anderen hat der Antragsteller selbst zu seiner Unterschrift in der Anwesenheitsliste vermerkt, dass er von 17.35 Uhr bis 17.44 Uhr nicht anwesend war ( s. S. 2 dieser Liste ). Auch aufgrund dieser Anmerkung hätte die Beschlussfähigkeit, bzw. die Uhrzeit der Abstimmung zu TOP 4a gesondert überprüft werden müssen.

Da vorliegend eine weitere Sachaufklärung nicht mehr möglich ist, kommt eine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Aufklärung nicht in Betracht. Der Senat kann in diesen Fällen ohne die sich aus § 27 FGG ergebenden Beschränkungen eigenständig den Sachverhalt feststellen und in der Sache entscheiden. Das ist hier der Fall.

Der Senat geht davon aus, dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr geklärt werden kann, ob der Antragsteller bei dieser Abstimmung anwesend war, also Beschlussfähigkeit vorlag. Der Antragsteller hat - erstmals - im Erstbeschwerdeverfahren behauptet, dass er vor der Abstimmung demonstrativ den Saal verlassen habe. Auf einen daraufhin ergangenen Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 17.7.1998 hat die Beteiligte zu 3) als Vertreter der übrigen Eigentümer diese Schilderung lediglich mit Nichtwissen bestritten, ohne näher auf dieses Vorbringen einzugehen. Nach diesem Parteivorbringen stehen sich die beiden Versionen widersprüchlich gegenüber, ohne dass für die eine oder andere Beweis angeboten worden wäre. Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen von Amts wegen vermag der Senat - auch in Anbetracht des Zeitablaufs - nicht zu erkennen. Es handelt sich nach der Behauptung des Antragstellers um eine kurze Zeitspanne, an die offensichtlich - so ergibt es sich jedenfalls nach dem Vortrag der Beteiligten zu 3 ) - der Versammlungsleiter bzw. -leiterin keine Erinnerung mehr hat.

Da nachträglich eine Aufklärung zu der Abwesenheitszeit des Antragstellers nicht mehr möglich ist, gehen diese Zweifel an der Beschlussfähigkeit zu lasten derjenigen, die sich auf die Wirksamkeit des Beschlusses berufen ( vgl. Senat v. 21.11.2001, a.a.O. ).

Damit ist von der Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 11.6.1996 zu TOP 4 a auszugehen, der nach der Anfechtung durch den Antragsteller für ungültig zu erklären ist. Auf die vom Antragsteller auch in Frage gestellte wirksame Vertretung der Eigentümer U. und S. kam es mithin nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 S. 1 WEG und berücksichtigt, dass der Antragsteller erst mit der Erstbeschwerde auf die durchgreifenden Zweifel an der Beschlussfähigkeit hingewiesen hat. Es entspricht billigem Ermessen, der Beteiligten zu 3) im Übrigen die Gerichtskosten aufzuerlegen, da sie als Verwalterin das Anfechtungsverfahren veranlasst hat. Der Berufsverwalter hat dafür zu sorgen, dass die in der Teilungserklärung enthaltenen Bestimmungen über die Abstimmung der Eigentümer eingehalten werden. Hat er dies -schuldhaft - versäumt, so wäre es unbillig, die Kosten allein den Wohnungseigentümern aufzuerlegen, da ein bestehender materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft bereits bei der gerichtlichen Kostenentscheidung berücksichtigt werden muss ( vgl. BGH, NJW 98, 756 ). Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand keine Veranlassung.

Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 48 WEG.

Ende der Entscheidung

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