Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 01.12.2000
Aktenzeichen: 16 Wx 153/00
Rechtsgebiete: FGG, WEG, KostO, BRAGO, ZPO


Vorschriften:

FGG § 20 a Abs. 2
FGG § 27 Abs. 2
FGG § 29
WEG § 45 Abs. 1
WEG § 48 Abs. 1 S. 1
WEG § 47 S. 1
WEG § 48 Abs. 3
WEG § 47 S. 2
WEG § 47
KostO § 32
BRAGO § 6
BRAGO § 33 Abs. 3
BRAGO § 53
ZPO §§ 91 ff.
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 275
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 153/00 8 T 112/00 - LG Bonn - 5 II 27/99 WEG - AG Rheinbach -

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage pp.

an der beteiligt sind

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

am 01.12.2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 8 T 112/00 - dahingehend abgeändert, dass die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner erster Instanz den Antragstellern auferlegt werden.

Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Antragsteller zu 26 % und die Antragsgegner zu 74 % zu tragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten für die dritte Instanz wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.087,58 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller haben gegen die Antragsgegner zunächst im Mahnverfahren einen Anspruch auf Zahlung einer Nachzahlung von 2.190,09 DM zuzüglich Zinsen und Mahnkosten aus der am 17.03.1999 beschlossenen Jahresabrechnung für 1998 geltend gemacht. Nach Eingang der Anspruchsbegründung hat das Amtsgericht diese mit einer am 03.03.2000 den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner zugestellten Verfügung zur Stellungnahme binnen drei Wochen übermittelt. Nachdem innerhalb der gesetzten Frist keine Äußerung der Antragsgegner eingegangen war, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 29.03.2000 dem Antrag entsprochen. Mit ihrer hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde haben die Antragsgegner sich unter Vorlage des Kaufvertrags und eines Grundbuchauszuges darauf berufen, dass sie ihre Wohnung am 25.02.1997 verkauft hätten und der Eigentumswechsel bereits am 10.06.1997 im Grundbuch eingetragen worden sei. Daraufhin haben die Antragsgegner auf Anraten der Kammer in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag in der Hauptsache zurückgenommen und das Landgericht hat mit Beschluss vom 06.09.2000 die Gerichtskosten des Verfahrens der ersten Instanz den Antragstellern und diejenigen des Beschwerdeverfahrens den Antragsgegnern auferlegt. Von einer Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es abgesehen. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde wenden sich die Antragsgegner gegen die Belastung mit den Gerichtskosten zweiter Instanz und gegen die fehlende Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde gegen die erstmalige isolierte Kostenentscheidung des Landgerichts ist gem. den §§ 20 a Abs. 2, 27 Abs. 2, 29 FGG, § 45 Abs. 1 WEG zulässig. Der Wert der Beschwer in der Hauptsache der Antragsgegner hätte mehr als 1.500,00 DM betragen. Ihre Kostenbeschwer beläuft sich auf mehr als 200,00 DM.

Bei einem Wert bis 4.000,00 DM beträgt eine volle Gebühr nach § 48 Abs. 1 S. 1 WEG i. V. m. § 32 KostO 35,00 DM. Infolge der Rücknahme ermäßigt sich diese Gebühr gem. § 48 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 4 auf die Hälfte, also auf 17,50 DM. Hinzu kommen 11,00 DM Zustellkosten, insgesamt also 28,50 DM

Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner sind für die erste Instanz relativ gering, da nur eine Verfahrensgebühr nach einem Wert bis 2.400,00 DM entstanden ist. Unter Einbeziehung des Mehrvertretungszuschlags gem. § 6 BRAGO wurde ein Betrag von 285,94 DM errechnet. Dagegen sind für die zweite Instanz wegen der zusätzlichen Erörterungsgebühr und der Mehrkosten gem. den §§ 33 Abs. 3, 53 BRAGO wegen der Beauftragung von Unterbevollmächtigten für die Vertretung der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung relativ hohe Kosten von 773,14 DM entstanden. Unter Einbeziehung der Gerichtskosten errechnet sich somit eine Beschwer von 976,60 DM.

III.

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde nur einen Teilerfolg. Den Antragsgegnern sind die in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten gem. § 47 S. 2 WEG zu erstatten. Im übrigen enthält die angefochtene Entscheidung keine Rechtsfehler zu Lasten der Antragsgegner.

Bei der Kostenentscheidung des Landgerichts handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Derartige Entscheidungen dürfen durch das Rechtsbeschwerdegericht nur auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüft werden, nämlich darauf, ob von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Verfahrenssätze verstoßen wurde oder ob der Tatrichter von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden oder die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreitenden und damit rechtlich fehlerhaften Gebrauch gemacht hat. Liegen derartige Ermessensfehler vor, ist das Rechtsbeschwerdegericht befugt, die Kostenentscheidung zu ändern und kann dabei auch neu vorgetragene Tatsachen berücksichtigen, soweit sie keine weiteren Ermittlungen erforderlich machen. (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 47 Rdn. 57 m. weiteren Nachweisen).

1.

Gemessen an diesen Maßstäben war es ermessensfehlerhaft wegen der ersten Instanz von einer Kostenerstattungsanordnung abzusehen.

Das Landgericht geht zwar in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon aus, dass wegen des Ausscheidens der Antragsgegner aus der Eigentümergemeinschaft vor Rechtshängigkeit und der damit fehlenden Zuständigkeit der WEG-Gerichte, die sich erst in zweiter Instanz herausgestellt hat, nach Rücknahme des Antrags wegen der Kosten § 47 WEG anzuwenden ist. Ferner nimmt es mit Recht an, dass nach § 47 S. 2 WEG die Erstattung außergerichtlicher Kosten nur ausnahmsweise erfolgen kann und hierfür eine Antragsrücknahme noch nicht ausreicht (Senat in st. Rspr. z. B. ZMR 2000, 485; ZMR 1999, 786 = NZM 1999, 855). Es hat indes nicht bedacht, dass vorliegend eine atypische Situation besteht. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass das WEG-Verfahren zu Unrecht gewählt wurde. In einem derartigen Fall können die Antragsteller kostenmäßig nicht günstiger gestellt werden als bei der Wahl der zutreffenden Verfahrensart, und ihnen sind alle Kosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner dann aufzuerlegen, wenn sie ihnen im streitigen Verfahren nach den §§ 91 ff. ZPO aufzuerlegen gewesen wären (Senat OLGR Köln 1996, 55). Hinzu kommt, dass Verfahrensgegenstand ein Wohngeldanspruch war, also ein Fall vorliegt, in dem ohnehin wegen der Erstattung außergerichtlicher Kosten regelmäßig zivilprozessuale Grundsätze entsprechend gelten (vgl. z. B. Senat OLGR Köln 1999, 61 = NZM 1999, 1155 [LS] mit weiteren Nachweisen).

In einem Zivilprozess wären den Antragsgegnern die Kosten zu erstatten gewesen, da der Antrag unbegründet war. Es liegt auf der Hand, dass bereits im Jahre 1997 aus der Gemeinschaft ausgeschiedene Wohnungseigentümer nicht für Kosten haften, die erst im Jahre 1998 entstanden sind. Dies haben die Antragsteller selbst nicht anders gesehen, indem sie sich bereits mit Schriftsatz vom 25.08.2000, also bereits vor der mündlichen Verhandlung des Landgerichts nur noch mit der Kostenlast befasst und ausgeführt haben, wenn die Antragsgegner nach der Einladung zu der Eigentümerversammlung vom 17.03.1998 auf ihr Ausscheiden hingewiesen hätten, wäre ein gerichtliches Verfahren nicht notwendig gewesen. Eine Pflicht der Antragsgegner, den Verwalter einer Eigentümergemeinschaft, mit der sie bereits seit Mitte 1997 nichts mehr zu tun hatten, darauf hinzuweisen, dass die Einladung wohl irrtümlich erfolgt sein müsse, bestand indes nicht.

2.

Dagegen war es ermessensfehlerfrei, den Antragsgegnern in entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO die Gerichtskosten des Verfahrens der Erstbeschwerde aufzuerlegen.

Gegen die Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 97 Abs. 2 ZPO im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 47 S. 1 oder S. 2 WEG bestehen in rechtlicher Hinsicht trotz der Amtsermittlungspflicht des Gerichts keine Bedenken; denn im WEG-Verfahren als echtem Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit obliegt es den Beteiligten durch die Darlegung des ihnen bekannten Sachverhalts und Angabe der ihnen bekannten Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür zu liefern, in welcher Richtung es den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ggfls. die Sache weiter aufzuklären hat (vgl. hierzu Merle in Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 44 Rdn. 7 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere gilt dies in dem hier gegebenen Fall der Geltendmachung eines Wohngeldanspruchs, bei dem sich die Beteiligten praktisch wie zwei Parteien eines Zivilprozesses gegenüber stehen.

Fehler bei der Anwendung des Rechtsgedankens des § 97 Abs. 2 ZPO auf den vorliegenden Sachverhalt lassen sich ebenfalls nicht feststellen. Hierbei kann es offen bleiben, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch das Amtsgericht vorlagen, was zweifelhaft ist; denn die Verfahrensweise des Amtsgericht beruht zwar offensichtlich darauf, dass es wegen der fehlenden Begründung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid und der fehlenden Stellungnahme innerhalb der gesetzten Äußerungsfrist zu der Überzeugung gelangt war, dass es sich bei den Antragsgegnern um "säumige Schuldner" handelte und es daher geboten war, den Antragstellern möglichst schnell zu einem Titel zu verhelfen. Indes ist die Verfahrensweise des Amtsgerichts deshalb bedenklich, weil kein Hinweis darauf erfolgt ist, dass bei einer fehlenden Äußerung innerhalb der gesetzten Frist ggfls. eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen werde (vgl. hierzu BGH NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 78; Merle in Bärmann/Pick/Merle, a.a.O. § 44 Rdn. 21). Auch § 275 ZPO (Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens), an den sich die Verfahrensweise des Amtsgerichts ersichtlich anlehnt, sieht in Abs. 2 eine Belehrung über die Folgen der Versäumung der Notfrist zur Anzeige der Verteidigungsabsicht vor. All dies ändert indes nichts daran, dass die Antragsgegner innerhalb der gesetzten Frist von drei Wochen, die durchaus großzügig bemessen war, da die Antragsgegner bereits im Mahnverfahren einen Anwalt mit ihrer Vertretung beauftragt hatten, bei sorgfältiger und auf Förderung des Verfahrens bedachter Verfahrensführung (vgl. zu diesen Kriterien Zöller/Herget, ZPO 21. Auflage, § 97 Rdn. 7), sich ohne weiteres auf ein Ausscheiden aus der Eigentümergemeinschaft bereits im Jahre 1997 hätten berufen können. Hierfür hätten, falls ihr Verfahrensbevollmächtigter noch nicht über die einschlägigen Unterlagen und genauen Daten verfügte, ggfls. vorab einige wenige Sätze ausgereicht.

3.

Wegen der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner im Verfahren der Erstbeschwerde war es im Ergebnis richtig, dass das Amtsgericht trotz des den Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens nicht gerecht werdenden Ansatzes (vgl. oben Ziff. 1.) von einer Erstattungsanordnung abgesehen hat. Beide Beteiligte haben insoweit zur Entstehung von Gebührentatbeständen bei ihren Verfahrensbevollmächtigten beigetragen, nämlich die Antragsgegner infolge der fehlenden Äußerung innerhalb der vom Amtsgericht gesetzten Äußerungsfrist den Anfall der Verfahrensgebühr und die Antragsteller dadurch, dass sie trotz der von ihnen erkannten offensichtlichen Unbegründetheit ihres Begehrens nicht innerhalb der vom Landgericht mit Verfügung vom 23.05.2000 gesetzten Äußerungsfrist von drei Wochen sofort prozessuale Konsequenzen gezogen haben, den Anfall von zusätzlichen Kosten infolge der anschließenden Terminierung der Sache durch das Landgericht und die Erörterung der Sache mündlichen Verhandlung. Bei dieser Sachlage sieht der Senat, der auch in diesem Punkt aus den zu Ziff. 1. genannten Gründen selbst sein Ermessen auszuüben hat, keinen Anlass für die Anordnung einer Kostenerstattung.

4.

Wegen der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens waren die Gerichtskosten entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen zu verteilen; für eine Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten ist auch für diese Instanz kein Raum.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG.



Ende der Entscheidung

Zurück