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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.03.2009
Aktenzeichen: 16 Wx 169/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 538
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts L vom 28.07.2008 - 29 T 123/07 - aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Landgericht - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 150.000 €.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde, die auch gegen eine Zurückverweisung zulässig ist (BayObLG, BayObLGR 1995, 2), ist formell nicht zu beanstanden.

Die Rechtsmittelgegnerin wird, soweit nicht einzelne Eigentümer eigene Rechtsanwälte beauftragt haben, durch ihre Verfahrensbevollmächtigten wirksam vertreten, wie bereits mit Verfügung vom 2.10.2008 dargelegt worden ist. Ob und mit welchen Anteilen die Fa. C bei dieser Bevollmächtigung mitgewirkt hat, kann dahin stehen. Auch wenn sie inzwischen im Handelsregister von Amts wegen gelöscht wurde, bleibt sie für laufende Prozesse parteifähig und bereits erteilte Prozessvollmachten wirken weiter (Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 74 Rdnr. 18).

II.

In der Sache hat das Rechtsmittel vorläufigen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts, die Sache aufgrund einer abweichenden rechtlichen Beurteilung und einer deshalb erforderlichen umfangreichen Sachaufklärung, an das Amtsgericht zurückzuverweisen, ist nicht rechtsfehlerfrei.

Das Landgericht hat ausgeführt, dass zwar die angefochtenen Beschlüsse aus der Eigentümerversammlung vom 21.12.2005 mangelhaft seien, weil die einberufende und die Versammlung leitende Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Verwalterin gewesen sei. Allerdings sei dieser Mangel wegen der gleichlautenden Beschlussfassung in der Versammlung vom 12.5.2006 nicht kausal geworden. Die bisher nicht durchgeführte materiell-rechtliche Überprüfung der angefochtenen Beschlüsse müsse nunmehr vor dem Amtsgericht erfolgen, andernfalls ginge den Beteiligten eine Instanz verloren. Diese Ausführungen berücksichtigen nicht hinreichend die Voraussetzungen einer Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht.

Rechtlich nicht zu beanstanden ist der Ansatz des Landgerichts, dass der formelle Mangel der Beschlüsse vom 21.12.2005 im Ergebnis nicht kausal geworden ist. Die Eigentümerversammlung hat in der vom Beiratsvorsitzenden einberufenen und von diesem auch geleiteten Versammlung am 12.05.2006 nochmals über dieselben Beschlüsse abgestimmt. Es handelte sich wiederum um die Wohngeldabrechnungen 2003 und 2004 sowie die Wirtschaftspläne 2005 und 2006. Formelle Mängel zur Einberufung und zum Ablauf der Versammlung sind nicht ersichtlich. Aufgrund der wiederholten Beschlussfassung bleibt die mangelhafte Beschlussfassung vom 21.12.2005 ohne Folgen. Nach ständiger Rechtsprechung beruht eine Beschlussfassung nicht auf einem formellen Mangel, wenn feststeht, dass der angefochtene Beschluss auch bei ordnungsgemäßer Einberufung ebenso gefasst worden wäre (BGH NJW 2002, 1647, 1651; Senat v. 9.1.1996, OLGR 1996, 209; BayObLG, NJW-RR 1997, 289; KG, ZMR 1999, 426; OLG Hamm, WE 1996, 33). Das hat das Landgericht im vorliegenden Fall zu Recht festgestellt. Sowohl in der Einladung zur Versammlung wie auch in der Versammlung wurde ausdrücklich auf die Formmängel der Beschlussfassung vom 21.12.2005 wegen der abgelaufenen Verwalterbestellung der Beteiligten zu 3. hingewiesen. Die Antragstellerin war in der Versammlung vom 12.05.2006 zugegen und hatte Gelegenheit, ihre Ansicht darzustellen. Gleichwohl stimmte eine deutliche Mehrheit der anwesenden und der vertretenen Wohnungseigentümer für die Genehmigung der Jahresabrechnungen 2003 und 2004 sowie der Wirtschaftspläne 2005 und 2006. Auch mit Blick auf die engen Anforderungen des OLG Hamm an die Feststellung der fehlenden Kausalität (vgl. OLG Hamm, a.a.O.), wonach die Anwesenheit des Anfechtenden in der Zweitversammlung erforderlich ist, sind die Voraussetzungen einer fehlenden Ursächlichkeit gegeben. Unschädlich für die Wirksamkeit der Abstimmung ist in diesem Zusammenhang das Abstimmungsverhalten des Beiratsvorsitzenden, der als Eigentümer und in Vertretung anderer Eigentümer über die zur Abstimmung gestellten Abrechnungen bzw. Wirtschaftspläne mit abstimmen durfte (Bärmann/Pick/Merle, WEG 9. Aufl., § 25 Rdnr. 108, 109).

Die vom Amtsgericht abweichende Beurteilung zur Kausalität der fehlerhaften Beschlussfassung berechtigt das Beschwerdegericht nicht, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Eine Zurückverweisung der Sache durch das Beschwerdegericht, das in vollem Umfang Tatsacheninstanz und zur Durchführung sämtlicher für erforderlich gehaltenen Ermittlungen verpflichtet ist, ist eine Ermessensentscheidung, die nur in Ausnahmefällen zulässig ist (z.B. BayObLG, BayObLGR 1995,2; OLG Frankfurt, FamRZ 1996, 819). Grundsätzlich ist eine Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht bei möglichen Fehlern der Vorinstanz allein in der Anwendung materiellen Rechts nicht gerechtfertigt; der Rechtsgedanke des § 538 ZPO findet entsprechende Anwendung (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1996, 819). Nach der erwähnten obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, sind die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung zur Zurückverweisung hier nicht gegeben. Eine ausnahmsweise Zurückverweisung ist nur zulässig, wenn das Verfahren des Gerichts erster Instanz an schwerwiegenden Verfahrensmängeln leidet (BayObLG, BayObLGR 1995, 2; BayObLG, NJW-RR 2002, 1086; OLG Frankfurt, FamRZ 1996, 819; OLG L, FamRZ 1971, 188). Soweit im Einzelfall darauf abgestellt wird, dass durch das Erstgericht eine ganz ungenügende Aufklärung des Sachverhalts erfolgt ist, so dass auch deshalb eine Zurückverweisung gerechtfertigt sein könnte (so BayObLG, NJW-RR 2002, 679), handelt es sich um einen Sonderfall, in dem das Obergericht als Erstbeschwerde entschieden hat. Im Übrigen werden beide Anforderungen hier nicht erfüllt.

Die Entscheidung des Amtsgerichts beruht nicht auf einem schwerwiegenden Verfahrensfehler. Das Erstgericht hat die Rechtsfolgen der mangelhaften Beschlussfassung vom 21.12.2005 anders beurteilt als das Landgericht. Diese Rechtsansicht ist zwar vorliegend nicht zutreffend, aber in Hinblick auf die strengen Anforderungen, die beispielsweise das OLG Hamm für die fehlende Ursächlichkeit stellt (OLG Hamm, WE 1996, 33), nicht völlig fernliegend. Die Entscheidung auf der Basis dieser Rechtsmeinung ist verfahrensfehlerfrei getroffen worden.

Das amtsgerichtliche Verfahren lässt darüber hinaus auch keine "ganz ungenügende Aufklärung des Sachverhalts" erkennen. Abgesehen davon, dass für das Amtsgericht - aus seiner Sicht konsequent - möglicher Vortrag zur Frage der materiellen Ungültigkeit der angefochtenen Beschlüsse unbeachtlich war, gab es bis zur Entscheidung des Amtsgerichts am 23.3.2007 keinen Vortrag der Antragstellerin zur materiell-rechtlichen Mangelhaftigkeit der angefochtenen Beschlüsse. Erst auf Aufforderung des Landgerichts, das die Frage der Ursächlichkeit anders beurteilte, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18.3.2008 erstmals zur materiell-rechtlichen Beurteilung vorgetragen. Für das Amtsgericht bestand deshalb kein Aufklärungsbedarf. Daran änderte auch der Schriftsatz der Eigentümer B vom 9.6.2006 nichts. Zwar haben diese auch materiell-rechtliche Gesichtspunkte zur Ungültigkeit der Beschlüsse vom 21.12.2005 im amtsgerichtlichen Verfahren vorgetragen. Auf diesen Vortrag hat sich jedoch die die Anfechtung geltend machende Antragstellerin vor dem Amtsgericht nicht mehr bezogen, obgleich ihr die Darlegungslast im Anfechtungsverfahren obliegt, aus welchen Gründen sie die Beschlüsse anfechten will (so Rspr. des Senats, Beschluss vom 20.09.2002, OLGR 2003,97). Im Übrigen haben die weiteren Beteiligten, insbes. die Antragsgegnerin nicht zu dem Vorbringen im Schriftsatz vom 9.6.2006 Stellung genommen, so dass auch deshalb für das Amtsgericht kein weiterer Aufklärungsbedarf bestand. Schließlich ist selbst in der Beschwerdeinstanz offen geblieben, ob und ggfs. in welchem Umfang wegen der materiell-rechtlichen Angriffe der Antragstellerin Aufklärungsbedarf besteht, denn im Beschwerdeverfahren hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls nicht dazu geäußert, ist indes auch nicht - soweit aus den Akten ersichtlich - zu einer Stellungnahme aufgefordert worden.

Da die Entscheidung des Amtsgerichts weder schwerwiegende Verfahrensfehler aufweist, noch an einer ungenügenden Sachaufklärung leidet, vielmehr dieser lediglich eine andere rechtliche Beurteilung zugrunde liegt, ist ein Ausnahmefall, der zu einer Zurückverweisung berechtigen würde, nicht gegeben. Das Landgericht als umfassende Tatsacheninstanz wird deshalb den Verfahrensstoff auf der Grundlage seines rechtlichen Ansatzes, dass es auf die materiell-rechtliche Fehlerfreiheit der Beschlüsse ankommt, zu überprüfen haben. Dass den Beteiligten in diesem Umfang nur eine Tatsacheninstanz zur Verfügung steht, ist eine hinnehmbare Folge der verschiedenen Rechtsansichten. Das Beschwerdegericht wird zugleich über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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