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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: 16 Wx 177/03
Rechtsgebiete: FEVG, AuslG, FGG, ZPO, BRAGO


Vorschriften:

FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1
FEVG § 16
FEVG § 15 Abs. 2
AuslG § 103 Abs. 2
FGG § 27
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 29
ZPO § 546
BRAGO § 8 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 177/03

In der Freiheitsentziehungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm am 17.09.2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13.08.2003 - 1 T 281/03 - dahingehend abgeändert, dass die Kostenentscheidung entfällt.

Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat dem Betroffenen 3/4 der im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Hauptsache keinen Erfolg. Allerdings wendet sich der Antragsteller mit Recht dagegen, dass ihm die Auslagen des Betroffenen im (Erst-)Beschwerdeverfahren auferlegt worden sind.

I.

In der Hauptsache wendet sich der Antragsteller mit Beweiseinreden gegen die Feststellung des Einzelrichters, dass aufgrund der im Beschwerdeverfahren durchgeführten Ermittlungen seiner Überzeugung nach der Betroffene sich nicht der Abschiebung entziehen werde. Damit kann der Antragsteller indes gem. § 27 Abs. 1 FGG i. V. m. § 546 ZPO nicht gehört werden. Die Tatsachenfeststellung ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters. Sie kann daher im Verfahren der weiteren Beschwerde nur auf eine etwaige Gesetzesverletzung überprüft werden, also darauf, ob Formvorschriften für die Beweisaufnahme nicht beachtet worden sind, ob bei der Beweiswürdigung gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen worden ist, ob die Beweiswürdigung auf einer rechtlichen Voraussetzung beruht, die nicht mit dem Gesetz in Einklang steht oder ob entscheidungserhebliche Tatsachen übergangen bzw. nicht vollständig ermittelt worden sind. Im Übrigen, also z. B. bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder eines Beteiligten ist die Beweiswürdigung einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdeverfahren entzogen (vgl. z. B. Bumiller/Winkler, FGG 7. Auflage, § 26 Rdn. 17).

Gemessen hieran ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Es ist seiner Pflicht zur Sachaufklärung (§ 12 FGG) erschöpfend nachgekommen. Weitere Ermittlungsansätze bestanden nicht. Insbesondere gilt dies hinsichtlich der nunmehr seitens des Antragstellers durchgeführten Recherchen, die wegen der fehlenden Möglichkeit des Senats zur eigenen Tatsachenfeststellung unbeachtlich sind. Für den Tatrichter gab es keine Anhaltspunkte für die nunmehr geltend gemachten Beweiseinreden. Es geht letztlich nur darum, ob dem Betroffenen und der Zeugin U. zur Ernsthaftigkeit ihrer Heiratsabsicht und einer deswegen im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstbeschwerdegericht fehlenden Entziehungsabsicht geglaubt werden kann oder nicht. Dazu kann und darf der Senat als Rechtsbeschwerdegericht keine Feststellungen treffen.

II.

Die Voraussetzungen für eine Erstattungsanordnung nach § 16 FEVG liegen wegen der dem Betroffenen im Erstbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten nicht vor.

Maßgeblich für eine Anwendung dieser Norm ist nicht die objektive Sachlage, wie sie sich nach Sachaufklärung für das Beschwerdegericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellt. Vielmehr kommt es grds. für die Frage, ob der Betroffene begründeten Anlass für die Stellung eines Haftantrags gegeben hatte, darauf an, wie die Behörde den Sachverhalt zur Zeit der Antragstellung beurteilen durfte, wenn sie alle ihr zumutbaren Ermittlungen angestellt hätte (vgl. BayObLG BayVBl. 1999, 27; 1997, 187; KG FGPrax 1998, 199 = KGReport 1998, 403; Marschner/Volkart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Auflage, § 16 FEVG Rdn. 3). Für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens ist insofern auf die Sachlage bzw. den Kenntnisstand im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen (vgl. BayObLG JurBüro 2001, 107; BayObLGZ 1998, 338; KG InfAuslR 2000, 230 = KGReport 2000, 184).

Hiernach ist die Anordnung einer Kostenerstattung nicht möglich. Der Antragsteller macht mit Recht geltend, dass er weder vor Einreichung des Haftantrages, noch im Termin des Amtsgerichts, noch bis zur Einlegung der Erstbeschwerde irgendwelche Anhaltspunkte dafür haben musste, dass die aufgrund des ihm bekannten Sachverhalts zweifellos vorliegenden Haftvoraussetzungen wegen einer bevorstehenden Heirat inzwischen entfallen sein konnten. Er wusste nichts von der Heiratsabsicht und brauchte hiervon nichts zu wissen, nachdem selbst der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen hiervon bei der telefonischen Erörterung mit der Haftrichterin anlässlich der Anhörung des Betroffenen nichts mitgeteilt hatte.

III.

Anders ist es indes wegen der Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Auch insofern kommt es darauf an, ob für den Antragsteller begründeter Anlass zur Einlegung des Rechtsmittels bestand (JurBüro 2001, 107). Dies war in der Hauptsache ersichtlich nicht der Fall, da der Antragsteller hätte wissen müssen, dass eine verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellung nicht im Rechtsbeschwerdeverfahren durch Beweiseinreden "ausgehebelt" werden kann. Gleichwohl kann der Betroffene nicht die gesamten ihm entstandenen Auslagen nach § 16 FEVG ersetzt verlangen, da der Antragsteller, der keine isolierte Kostenbeschwerde erheben konnte (vgl. BGHZ 131, 185), teilweise, nämlich mit seinen hilfsweise erhobenen Angriffen gegen die Auslagenentscheidung des Landgerichts, Erfolg gehabt hat. Der Senat hielt es daher für angemessen, nur eine Erstattung von 3/4 der dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten anzuordnen.

Wegen der Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist im Hinblick auf § 15 Abs. 2 FEVG eine Kostenentscheidung nicht veranlasst. Als Geschäftswert war der Regelwert des § 8 Abs. 2 S. 2 BRAGO anzusetzen.

Ende der Entscheidung

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