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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.01.2002
Aktenzeichen: 16 Wx 187/01
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, BGB, WEG


Vorschriften:

ZPO § 62
ZPO § 265 Abs. 2
FGG § 12
FGG § 15
FGG § 141a
BGB § 684
BGB §§ 812 ff.
WEG § 48
WEG § 16 Abs. 2
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 187/01

In der Wohnungseigentumssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 18.01.2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 16.07.2001 - 8 T 62/01 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6.517,62 € (= 12.747,35 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind bzw. waren Mitglieder der im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft. Wegen einer beschlossenen Dachsanierung, die in den Händen eines weiteren Miteigentümers, des Herrn M. H., eines Architekten und Vaters des Antragstellers lag, hatte die Gemeinschaft im Mai 1999 die Einrichtung eines Kontos beschlossen, das treuhänderisch von Herrn H. sen. und dem Antragsgegner M. verwaltet wurde. In der Folgezeit wurden von diesem Konto Akontozahlungen an die mit der Durchführung der Arbeiten beauftragte Firma L. & R. geleistet.

Im Herbst 1999 kann es sodann zu Verzögerungen bei den Dachdeckerarbeiten, die ihre Ursache u. a. in finanziellen Schwierigkeiten der Firma L. & R. hatten. Unter dem 23.11.1999 erteilte diese Firma hinsichtlich der abgeschlossenen Arbeiten an der Dachfläche 1 eine Schlussrechnung, die abzüglich der von der Eigentümergemeinschaft geleisteten Akontozahlungen einen noch offenen Betrag von 16.926,40 DM aufwies, der ebenfalls von dem Treuhandkonto bezahlt wurde. Die Zahlung einer weiteren Akontoforderung wegen der noch durchzuführenden Arbeiten an der Dachfläche 2 lehnte Herr H. sen. nach Rücksprache mit dem Antragsgegner M. ab.

Nach Abschluss der Dachdeckerarbeiten legte Herr H. sen. unter dem 23.03.2000 seine Schlussabrechnung vor, die mit einem noch von der Eigentümergemeinschaft zu zahlenden Betrag von 18.601,99 DM abschließt. Diese Schlussabrechnung wurde in der Eigentümerversammlung vom 16.05.2000 erörtert; eine Beschlussfassung hierüber erfolgte indes nicht.

Der Antragsteller begehrt von den Antragsgegnern die Zustimmung zur Auszahlung des noch auf dem Treuhandkonto für die Baumaßnahme befindlichen Betrages von 10.367,19 DM sowie die anteilige Erstattung weiterer Kosten. Hierzu hat er behauptet, er habe, um überhaupt eine Fortführung der Arbeiten zu ermöglichen, ab Oktober 1999 an den Mitinhaber L. der Dachdeckerfirma in der Abrechnung seines Vaters nicht aufgeführte weitere Beträge von insgesamt 14.000,00 DM und an zwei Mitarbeiter der Firma insgesamt 5.900,00 DM gezahlt. Ferner habe er, da die Dachdeckerfirma hierfür keine Mittel gehabt habe, restliche Biberschwanzdachziegel für 1.729,25 DM gekauft und bei der Herstellerfirma in Süddeutschland abgeholt sowie Kleinmaterial für mehr als 2.000,00 DM eingekauft, also insgesamt mindestens 23.629,25 DM aufgewandt.

Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragsteller blieb ohne Erfolg. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt er seine Erstattungsansprüche weiter.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses; denn dieser ist nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 27 FGG, 550 ZPO). Das Landgericht hat die Sache zu Lasten des Antragstellers durchentschieden, obwohl er die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe schlüssig dargelegt hatte, welche die Antragsgegner rechtserheblich bestritten hatten, so dass bei zutreffender rechtlicher Beurteilung eine umfassende Sachaufklärung erforderlich gewesen wäre und demgemäß nunmehr nachzuholen ist.

1.

Rechtlich zutreffend und insoweit nicht angefochten ist die Auffassung des Landgerichts, dass für die vorliegende Streitigkeit gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG die WEG-Gerichte zuständig sind. Entsprechendes gilt, soweit es ausgeführt hat, dass für die in Betracht kommenden Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) die einzelnen Wohnungseigentümer entsprechend ihrer Quote nach § 16 Abs. 2 WEG anteilig haften und es möglich ist, nur die Wohnungseigentümer in Anspruch zu nehmen, die vorprozessual ihre Zahlungspflicht verneint haben. Die nur quotenmäßig verpflichteten Wohnungseigentümer sind keine notwendigen Streitgenossen i. S. d. entsprechend anzuwendenden § 62 ZPO. Die Veräußerung ihrer Eigentumswohnung durch die Antragsgegner Sch. und S. hat in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren.

2.

Rechtlich fehlerhaft ist indes die Auffassung des Landgerichts, den von dem Antragsteller dargelegten Zahlungen komme schon deshalb keine Erfüllungswirkung zu, weil die Zahlungen an der Buchhaltung vorbei erfolgt seien und die Wohnungseigentümergemeinschaft möglicherweise befürchten müsse, evtl. von dem Insolvenzverwalter erneut in Anspruch genommen zu werden.

Die von dem Landgericht aufgezeigte Gefahr einer weiteren Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft betrifft nicht alle nach dem Sachvortrag des Antragstellers geleisteten Zahlungen, da der Buchhalter der Fa. L. & R. gegenüber den Antragsgegnern eingeräumt hat, die am 30.11.1999 gezahlten 9.000,00 DM erhalten zu haben und zudem der Antragsteller Mittel zum Ankauf von Materialien verauslagt haben will. Die entsprechenden Erwägungen des Landgerichts vermögen daher ohnehin nicht die vollständige Zurückweisung des Antrags zu rechtfertigen. Sie stehen zudem auf keiner tragfähigen Tatsachengrundlage; denn es ist unaufgeklärt geblieben, welche Rechtsform die Fa. L. & R. hatte und ob sie überhaupt noch existent bzw. - falls es sich um eine GmbH gehandelt haben sollte - inzwischen wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a FGG im Handelsregister gelöscht ist. Ohne Feststellungen hierzu lässt sich, sofern sie für erforderlich erachtet wird, eine Prognose zu einer etwaigen Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht treffen.

Des weiteren hat das Landgericht nicht bedacht, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragstellers ohnehin alle Zahlungen ohne Berechnung der Mehrwertsteuer erfolgen sollten, mithin auch wegen der "offiziellen" Zahlungen keine ordnungsgemäße Verbuchung zu erwarten war. Vor allem aber hängt die Erfüllungswirkung einer tatsächlich auf eine bestimmte Verbindlichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft geleisteten Zahlung nur davon ab, dass mit einer entsprechenden Zweckbestimmung gezahlt worden ist, und nicht davon, ob und in welcher Weise diese beim Zahlungsempfänger verbucht werden sollte (§ 362 Abs. 1 BGB i. V. m. § 366 Abs. 1 BGB). Dafür, dass tatsächlich die von dem Antragsteller behaupteten Zahlungen erfolgt sind, streiten die von ihm in Kopie vorgelegten Quittungen, deren Echtheit zwar bestritten, aber einer Beweisführung nach den §§ 12, 15 FGG durch Vorlage der Originalurkunden, ggfls. einer Schriftvergleichung bzw. Einholung eines Gutachtens und Vernehmung des Herrn L. zugänglich ist. Zusätzliche Beweiserhebungen, deren Ergebnis möglicherweise Rückschlüsse auf die Echtheit der Quittungen im übrigen zulässt, hat der Antragsteller wegen der beiden seiner Darstellung nach an die Arbeiter "A. und B." geleisteten Zahlungen angeregt, über die sich auch eine der Quittungen verhält (GA 68, 78). Entsprechendes gilt wegen der an sich unstreitigen Zahlung über 9.000,00 DM, zu deren - auch für die übrigen Zahlungen relevanten - Hintergrund und Anlass der Antragsteller die Zeugin G. benannt hat (GA 90).

3.

Soweit das Landgericht meint, der Antragsteller habe für eine Zahlung auf eine fremde Schuld hinreichende Tatsachen nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, überspannt es die Anforderungen an die Darlegungslast. Es trägt zudem dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung und lässt in seine Würdigung des Tatsachenvortrags Fakten einfließen, die erst im Rahmen einer Beweiswürdigung Relevanz erlangen können.

In WEG-Verfahren als echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit trifft die Beteiligten eine Darlegungslast. Es obliegt ihnen, durch Vorbringen des ihnen bekannten Sachverhalts und Angabe der ihnen bekannten Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür zu liefern, in welche Richtung es Ermittlungen anzustellen hat. Diese besteht in Streitverfahren nur insoweit, als der Vortrag der Beteiligten oder der im übrigen festgestellte Sachverhalt hierzu Anlass gibt. Dabei kann das Gericht davon ausgehen, dass die Beteiligten die ihnen vorteilhaften Umstände von sich aus vorbringen und geeignete Beweismittel dafür benennen. Insgesamt sind die Beteiligten gehalten, durch substantiierten Sachvortrag die Voraussetzungen für eine etwaige amtswegige Sachaufklärung zu schaffen. Ungeachtet dieser Mitwirkungspflichten kann aber nicht wegen fehlender Substantiierung zu Lasten eines Beteiligten entschieden werden, solange noch weitere gerichtliche Ermittlungsmöglichkeiten bestehen. So ist den tatsächlichen Grundlagen geltend gemachter Ansprüche über die bloße Schlüssigkeitsprüfung hinaus auch dann weiter nachzugehen, wenn die Antragsbegründung in tatsächlicher Hinsicht Lücken oder Widersprüche enthält, die weiterer Aufklärung bedürfen. (vgl. zum Ganzen Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 44 Rdn. 7 mit Nachweisen aus der Rspr.).

Vorliegend hat der Antragsteller klipp und klar sowie unter Wiedergabe des Grundes und des Anlasses vorgetragen, dass er die Gelder für die Fertigstellung der Dachflächen und gerade nicht - wie von den Antragsgegnern behauptet - für einen Dachsitz oder für sonstige "Sonderwünsche" verauslagt habe. Damit war das Vorbringen schlüssig; denn es erlaubte den Schluss auf eine bestimmte Rechtsfolge, nämlich dass für die Wohnungseigentümergemeinschaft Mittel verauslagt worden waren. Eine "Überprüfbarkeit" von Vorbringen, etwa anhand von Urkunden ist selbst im Zivilprozess keine Frage der Schlüssigkeit (BGH in st. Rspr., z. B. MDR 2000, 1392).

Das Landgericht und zuvor bereits das Amtsgericht waren damit in der Lage, dem streitigen Vortrag zu den Zahlungen gem. den §§ 12, 15 FGG durch Vernehmung der von dem Antragsteller bezeichneten Zeugen sowie durch Auflagen zu etwaigen unstimmigen Dingen, etwa zur Vorlage der Schlussrechnung für die Dachfläche 2 nachzugehen, sofern der Antragsteller diese und weitere Belege überhaupt hat. Nicht er, sondern sein Vater war ja Bauleiter. Im übrigen hat der Antragsteller nach seinem Vorbringen nicht etwa für 4.000,00 DM neue Dachflächenfenster einbauen lassen, sondern diesen Betrag aufwenden müssen, weil die vorhandenen Fenster infolge der Dachsanierung höher gesetzt werden mussten (GA 6). Es würde sich - unterstellt dieses Vorbringen ist richtig - bei diesen 4.000,00 DM gerade nicht um Kosten infolge eines "Sonderwunschs" des Antragstellers, sondern ebenfalls um solche handeln, die notwendige Folge der Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums sind und deshalb ebenfalls zu Lasten der Gemeinschaft gingen.

Entsprechendes gilt wegen der Auslagen für das Kleinmaterial. Wenn das Landgericht im Hinblick darauf, dass die jeweils mit einem Barzahlungsvermerk quittierten Rechnungen auf die Fa. L. & R., den Vater des Antragstellers bzw. eine "Fa. H." ausgestellt worden sind, nicht feststellen konnte, dass der Antragsteller sie beglichen hat, hätte es die Sache gem. den §§ 12, 15 FGG weiter aufklären können und müssen, etwa entsprechend der Beweisanregung des Antragstellers durch Vernehmung seines Vaters (GA 7).

4.

Wenn die Fa. L. & R. bzw. deren Mitarbeiter nur bereit waren, gegen Geld "bar auf die Hand" ihre Arbeiten fortzusetzen, konnte die Erfüllung dieses Wunsches durchaus im Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft liegen und die Voraussetzungen für Aufwendungsersatzansprüche aus berechtigter GoA vorliegen; denn bei einem Beharren auf den vertraglichen Abreden hätte möglicherweise ansonsten die Gefahr bestanden, dass die Dacheindeckung vor Beginn bzw. im Winter zum Erliegen kam, und außerdem - wozu ebenfalls noch Feststellungen zu treffen sind und ggfls. anhand der Register- und Insolvenzakten leicht getroffen werden können - eine naturgemäß mit erheblichen Mehrkosten verbundene Vergabe der Restarbeiten an eine Drittfirma notwendig wurde, ohne dass Aussicht auf Realisierung von Schadensersatzansprüchen gegen die zahlungsunfähige Firma L. & R. bestanden hätte, deren Mitinhaber L. jedenfalls im Dezember 2000 inhaftiert war.

Wegen der am 30.11.1999 gezahlten 9.000,00 DM hat das Landgericht allerdings mit Recht die Voraussetzungen für eine berechtigte GoA angezweifelt, nachdem die beiden von der Eigentümergemeinschaft treuhänderisch mit der Mittelverwendung beauftragten Miteigentümer, nämlich der Vater des Antragsteller und der Antragsgegner M. zuvor eine Freigabe von dem Baukonto verweigert hatten. Dem Antragsteller stände allerdings ein Bereicherungsanspruch nach den §§ 684, 812 ff. BGB zu, in dessen Rahmen er nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Umständen ebenfalls eine vollständige Erstattung seiner Aufwendungen erhalten kann, nämlich dann, wenn die Gemeinschaft diesen Betrag ohnehin für die Vollendung der Arbeiten hätte aufwenden müssen (vgl. BGH NJW 2001, 3184 = BauR 2001, 1412 = WM 2001, 1766). Letzteres wird ggfls. ebenfalls noch aufzuklären sein.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens war wegen des noch offenen Verfahrensausgangs dem Landgericht vorzubehalten.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 WEG und entspricht der Wertfestsetzung des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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