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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: 16 Wx 191/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 25
WEG § 26
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 191/04

In der Wohnungseigentumssache

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Heidkamp

am 17.12.2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Kerpen vom 01.12.2003 - 15 II 25/03 - und des Landgerichts Köln vom 13.08.2004 - 29 T 3/04 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 28.03.2003 gefasste Beschluss über die Wiederwahl des Antragsgegners zu 2. als Verwalter für die Zeit vom 01.04.2003 bis zum 31.03.2006 nichtig ist.

Der Antragsgegner zu 2. hat die Gerichtskosten des Verfahrens zu tragen und den übrigen Beteiligten, also den Antragstellern und den Antragsgegnern zu 1. die im Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert beträgt unter Abänderung der Wertfestsetzung des Amtsgerichts für alle Instanzen 30.000,00 €.

Gründe:

Die Antragsteller sind Mitglied der im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft. Zwischen ihnen und dem langjährigen Verwalter, dem Antragsgegner zu 2., bestehen schon seit einer Reihe von Jahren erhebliche Spannungen, die zu einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren geführt haben.

Im vorliegenden Verfahren fechten die Antragsteller den unter TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 28.03.2003 gefassten Beschluss über die Wiederwahl des Antragsgegners zu 2. als Verwalter für die Zeit vom 01.04.2003 bis zum 31.03.2006 an. Ferner begehren sie - gestützt auf nach der Wiederwahl entstandene Gründe - die Abberufung des Verwalters und die Bestellung eines Notverwalters. Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Eine hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihre Anträge weiter.

Das Rechtsmittel der Antragsteller ist in formeller Hinsicht unbedenklich. Die Zulässigkeit ihrer Anträge, die beide letztlich auf die Entfernung des Antragsgegners aus seinem Amt gerichtet sind, wäre dann zweifelhaft, wenn sie gleichrangig nebeneinander stehen würden; denn es könnte sich dann möglicherweise um unzulässige Alternativanträge handeln. Das Begehren der Antragsteller ist indes dahin auszulegen, dass sie den Antrag auf Abberufung des Antragsgegners zu 2. hilfsweise stellen; denn dieser Antrag, mit dem sie nur für die Zukunft die Beendigung des Verwalteramtes erreichen können, ist nicht so weitgehend wie der Anfechtungsantrag.

In der Sache sind die Entscheidungen des Amts- und Landgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

Der in erster Linie verfolgte Anfechtungsantrag ist mit der Maßgabe begründet, dass die Nichtigkeit des Beschlusses über die Wiederwahl des Antragsgegners zu 2. als Verwalter festzustellen ist.

Im Verfahren gem. § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG sind alle in Betracht kommenden Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe zu prüfen, da es sich nicht um unterschiedliche Verfahrensgegenstände handelt. Ein Beschlussanfechtungsantrag ist daher immer auch auf die Feststellung der Nichtigkeit des angefochtenen Eigentümerbeschlusses gerichtet, falls dieser an einem als Nichtigkeitsgrund einzuordnenden Mangel leiden sollte. (BGH NJW 2003, 3550 [3554]). Um einen derartigen Fall handelt es sich hier, weil einer Miteigentümerpartei, nämlich den Antragstellern zuvor vorsätzlich und unter Verletzung grundlegender Rechtsprinzipien die ihnen gesetzlich zustehende Mitwirkungsmöglichkeit an der Beschlussfassung genommen worden war.

In den Tatsacheninstanzen ist folgender Sachverhalt nicht hinreichend gewürdigt worden, den der Senat nunmehr selbst feststellen kann, da alle erheblichen Tatsachen zwischen den Beteiligten nicht im Streit sind:

Die Antragsteller haben sich seit dem Jahre 2000 in den Eigentümerversammlungen regelmäßig von einem ihrer drei Söhne haben vertreten lassen. Auch bei anderen Wohnungseigentümern sind seit Jahren Vertretungen durch Angehörige verfolgt, ohne dass der Antragsgegner zu 2. dies je beanstandet hätte, obwohl nach der Teilungserklärung eine Vertretung nur durch den Verwalter, den Ehegatten oder einen anderen Wohnungseigentümer möglich ist. Drei Stunden vor der Eigentümerversammlung vom 28.03.2003 haben die Antragsteller sodann dem Antragsgegner zu 2. die einem ihrer Söhne ausgestellte Vollmacht zugefaxt. Als der Sohn sodann zur Versammlung erschien, hielt der Antragsgegner ihm eine Kopie eines Auszugs aus der Teilungserklärung vor, auf der die Passage über die Vertretungsmöglichkeiten mit einem gelben Stift markiert worden war. Ferner ist der Vortrag in der Antragsschrift unbestritten geblieben, dass die von dem Sohn der Antragsteller beantragte Abstimmung über seine Teilnahme an der Versammlung von dem Antragsgegner zu 2. mit der suggestiven Frage eingeleitet worden ist, ob "etwa" einer der anwesenden Miteigentümer hierfür stimmen wolle. Nachdem sich sodann die Versammlung gegen eine Teilnahme ausgesprochen hatte, hat der Sohn der Antragsteller den Versammlungssaal verlassen. Demgegenüber hat der Antragsgegner es nicht beanstandet, dass mehrere andere Miteigentümer sich ebenfalls von Angehörigen vertreten ließen. Diese sind im Raum verblieben und haben mit abgestimmt.

Bereits das Amtsgericht hat dem Antragsgegner zu 2. mit Recht vorgehalten, dass er gegenüber Wohnungseigentümern nicht mit zweierlei Maß messen darf. Die Erwägung des Amtsgerichts, dem Vorgang komme kein besonderes Gewicht zu, weil die Entscheidung über die Teilnahme ganz kurzfristig hätte fallen müssen, stimmt indes nicht. Es handelt sich vielmehr um eine erkennbar vorbereitete Aktion, die zielgerichtet nur gegen die Antragsteller als missliebige Miteigentümer gerichtet war. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Antragsgegner eine Kopie mit der einschlägigen und bereits markierten Passage in der Teilungserklärung vorliegen hatte, und vor allem aus dem Versammlungsprotokoll, in dem der Antragsgegner zu 2. vermerkt hat, er sei nach der Eigentümerversammlung März 2002, also derjenigen des Vorjahres von verschiedenen Eigentümern auf die Vertretungsregelung in der Teilungserklärung hingewiesen worden. Der Antragsgegner zu 2. hatte daher hinreichend Zeit und Gelegenheit, um sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Konsequenzen es haben kann, dass er in den Jahren zuvor die Teilnahme nicht vertretungsberechtigter Angehöriger unbeanstandet gelassen hatte (vgl. hierzu etwa Weitnauer/Lüke, WEG 9. Auflage, § 25 Rdn. 16), und sich hierzu ggfls. rechtlich beraten zu lassen. Zum anderen hätte es für einen sachgerecht handelnden Verwalter nicht nur naheliegend sein müssen, sondern sich geradezu aufdrängen müssen, eine in Erwägung gezogene Änderung der bisherigen vereinbarungswidrigen Praxis bereits in der Einladung zur Eigentümerversammlung oder in sonstiger Weise anzukündigen, um betroffenen Miteigentümern die Möglichkeit zu geben, eine Stimmabgabe in der Versammlung sicherzustellen. Dies war aber nicht gewollt, sondern im Gegenteil der gezielte Ausschluss der - auch von dem größten Teil der Miteigentümer als Störenfriede angesehenen - Antragsteller, wie die Tatsache belegt, dass nur bei ihnen die nicht ordnungsgemäße Vertretung beanstandet und hierzu ein Geschäftsordnungsbeschluss in die Wege geleitet wurde, über den dann wieder Personen mit abstimmen konnten, bei denen der gleiche Vertretungsmangel vorlag.

Bei dieser Sachlage greift die Erwägung des Amtsgerichts, es könne wegen des "einstimmig" gefassten Beschlusses keine Kausalität zwischen dem "Messen mit zweierlei Maß" und der Entschließung über die Wiederbestellung des Antragsgegners zu 2. festgestellt werden, nicht ein. Der Grundsatz, dass formelle Mängel bei der Beschlussfassung dann unbeachtlich sind, wenn sie sich nicht auf die Beschlussfassung ausgewirkt haben, gilt nämlich dann nicht, wenn Mitwirkungsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers bewusst umgangen werden. Das Recht zur Teilnahme an der Eigentümerversammlung sowie das Stimmrecht gehören zu den Kernbereichen des Wohnungseigentums (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG 9. Auflage, § 23 Rdn. 129). Ein vorsätzlicher Verstoß hiergegen kann daher nicht sanktionslos bleiben und unter Berufung auf eine vermeintlich fehlende Kausalität des Verfahrensmangels für die Beschlussfassung geheilt werden. Vielmehr hat er die Nichtigkeit eines daraufhin gefassten Beschlusses zur Folge (Senat OLGReport Köln 2004, 68= ZMR 2004, 299 = NZM 2004, 793 mit Anm. Drasdo NJW-Spezial 2004, 340; OLG Celle OLGReport 2001, 219 u. 2002, 78; Weitnauer/Lüke a. a. O. § 24 Rdn. 8).

Ein solcher Ausschalten von Mietgliedsrechten liegt hier vor; denn der vorstehende Sachverhalt macht deutlich, dass die Vertretungsregelung in der Teilungserklärung nur vorgeschoben worden war, um einen unbequemen Wohnungseigentümer gezielt und unter bewusster Ungleichbehandlung gegenüber anderen Wohnungseigentümern "mundtot" zu machen. Die Vertretungsregelung hätte zudem schwerlich Grund für die Beanstandung der Vollmacht sein können; denn in dem hier gegebenen Fall, dass über mehrere Jahre eine der Teilungserklärung widersprechende Vertretung von Wohnungseigentümern hingenommen worden ist, ist entweder die Versammlung so vorzubereiten, dass - wie ausgeführt - rechtzeitig für eine ordnungsgemäße Vertretung Sorge getragen werden kann oder aber der Vertreter nach § 242 BGB zuzulassen (vgl. OLG Hamm OLGReport 1997,177 = NJW-RR 1997, 846). Hierüber hätte der Antragsgegner sich im Übrigen - wie ebenfalls ausgeführt - bereits im Vorfeld der Versammlung kundig machen können und müssen, bevor er nur bei einem von mehreren Bevollmächtigten die Vertretungsbefugnis beanstandete.

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass eine erneute Wiederwahl des Antragsgegners schwerlich ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen dürfte. Ein Verwalter, der sich bei der Vorbereitung einer Eigentümerversammlung und bei der Versammlungsleitung so von seinen Aversionen gegen einen Miteigentümer leiten lässt, dass elementare Mitwirkungsrechte unterlaufen werden und deshalb gefasste Beschlüsse nichtig sind, dürfte für die Verwaltung der betreffenden Wohnungseigentümergemeinschaft ungeeignet sein, und zwar unabhängig davon, ob diese Aversionen berechtigt sind oder nicht, und unabhängig davon, ob und inwieweit diese von den anderen Miteigentümern geteilt werden.

Wegen der Feststellung der Nichtigkeit des Bestellungsbeschlusses ist das Hilfsbegehren auf Abberufung des Antragsgegners zu 2. gegenstandslos. Für die Bestellung eines Notverwalters sind die Voraussetzungen derzeit nicht erkennbar. Falls sich hierfür demnächst ein Bedarf ergeben sollte, mag bei dem Amtsgericht ein neuer Antrag gestellt werden.

Im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 47 WEG sind auch etwaige materiellrechtliche Kostenerstattungsansprüche zu berücksichtigen (BGH NJW 1998, 755). Dies führt hier dazu, dass der Antragsgegner zu 2. die Gerichtskosten zu tragen und den übrigen Beteiligten deren außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat; denn das gerichtliche Verfahren ist Folge der aufgezeigten schuldhaften Pflichtverletzungen des Antragsgegners zu 2., so dass ihnen aus dem Verwaltervertrag i. V. m. § 280 BGB ein Schadensersatzanspruch zusteht. Dieser Anspruch ist auch nicht gem. § 254 BGB bei den Antragsgegnern zu 1. gemindert. Anders als der Antragsgegner zu 2., der genügend Zeit und Gelegenheit hatte, sich zu etwaigen Konsequenzen im Hinblick auf die von der Vertretungsregelung abweichende mehrjährige Praxis kundig zu machen, hatten die Teilnehmer der Versammlung, die über den Geschäftsordnungsantrag des Sohnes der Antragsteller zu befinden hatten, eine - zudem durch eine Suggestivfrage eingeleitete - Spontanentscheidung zu treffen. Auch brauchten sie in ihrer Gesamtheit nicht zu wissen, dass dem Antragsgegner zu 2. weitere Vollmachten nicht Vertretungsberechtigter vorlagen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG. Den Wert hat das Landgericht zutreffend anhand der Verwaltervergütung für die gesamte Bestellungszeit bemessen mit der Folge, dass die niedrigere erstinstanzliche Wertfestsetzung zu ändern war.

Ende der Entscheidung

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