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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 16 Wx 193/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10
WEG § 16 II
WEG § 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 193/05

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Jennissen, Appel-Hamm und Wurm

am 30.11.2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 12.09.2005 - 29 T 14/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 16.12.2004 - 204 II 124/04 - wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten der Beschwerdeverfahren trägt die Antragsgegnerin.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.702,23 € festgesetzt.

Gründe:

In dieser Sache war vorab das Rubrum der in den Vorinstanzen ergangenen Entscheidungen, in denen die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft als Antragsteller aufgeführt sind, entsprechend § 319 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst Antragstellerin ist. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt einer Wohnungseigentümergemeinschaft Teilrechtsfähigkeit zu, und zwar dann, wenn es um deren Verwaltungsvermögen geht, was bei der Geltendmachung von Wohngeldansprüchen der Gemeinschaft der Fall ist. In diesem Rahmen ist sie dann selbst Verfahrensbeteiligte (BGH, Beschluss vom 02.06.2005 -V ZB 32/05).

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG) und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Amtsgericht hat dem Zahlungsbegehren der Antragstellerin zu Recht stattgegeben. Sie kann von der Antragsgegnerin die Zahlung der in den Wohnungseigentümerversammlungen vom 06.03. und 21.07.2003 beschlossenen Wohngeldbeiträge in Höhe von insgesamt 3.702,23 € (944,04 € + 2.758,19 €) verlangen (§ 16 Abs. 2 WEG entsprechend).

Die der geltend gemachten Forderung zugrunde liegenden Jahresabrechnungen 2001 und 2002 sind bindend, weil die entsprechenden Genehmigungsbeschlüsse nicht angefochten worden und damit bestandskräftig geworden sind. Der Geltung der Abrechnungen auch für die Antragsgegnerin steht entgegen den Ausführungen des Landgerichts nicht entgegen, dass sie noch nicht Mitglied der in Vollzug gesetzten realen Wohnungseigentümergemeinschaft sondern lediglich "werdende" Wohnungseigentümerin ist, deren Übereignungsanspruch durch eine Vormerkung gesichert ist und auf die Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr übergegangen sind. Als Mitglied einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft hatte die Antragsgegnerin vor rechtlicher Invollzugsetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft alle Rechte und Verpflichtungen eines Wohnungseigentümers erworben; sie war an den Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen und hatte ein eigenes Stimmrecht. Dies entspricht einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. Senatsbeschluss vom 02.02.2004 - 16 Wx 244/03, 17/04, 18/04 m.w.N. = ZMR 2004,183 f). Dieses Stimmrecht hat sie als werdende Wohnungseigentümerin nicht dadurch verloren, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft im August 2001 durch Eintragung des teilenden Grundstückseigentümers und eines weiteren Erwerbers im Grundbuch rechtlich in Vollzug gesetzt wurde. Seine bisherige gegenteilige Rechtsprechung (Senatsbeschluss vom 28.01.1999 - 16 Wx 3/99 = NZM 1999, 765 f.), auf die das Landgericht sich stützt, gibt der Senat hiermit ausdrücklich auf. Er teilt nunmehr die Rechtsauffassung, dass mit dem rechtlichen Entstehen der Eigentümergemeinschaft auf die bisherigen Mitglieder der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft, soweit sie nicht durch Eintragung im Grundbuch zur Volleigentümern geworden sind, die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes weiterhin entsprechend anzuwenden sind. Mit der Invollzugsetzung der tatsächlichen Wohnungseigentümergemeinschaft endete zwar die bis dahin bestehende faktische Wohnungseigentümergemeinschaft. Dies hat aber nicht zwingend zur Folge, dass ihre bisherigen Mitglieder die ihnen eingeräumten Rechte und Pflichten als Wohnungseigentümer verlieren und erst wieder mit ihrer Eintragung im Grundbuch erlangen. Dies hat das Bayerische Oberlandesgericht überzeugend damit begründet, dass ein Wechsel der rechtlichen Befugnisse und damit in der Person der für die Gemeinschaft maßgebenden Mitglieder nicht der Kontinuität und einer ordnungsgemäßen Verwaltung diene (vgl. BayObLGZ 1990, 101 ff., 105 = NJW 1990, 3216 ff.; BayObLG NJW - RR 1997, 1443, 1444; BayObLG ZMR 1998, 101; ebenso OLG Hamm WuM 2000, 319 ff.; OLG Karlsruhe ZMR 2003, 374 f.; OLG Zweibrücken NZM 1999, 322 f.; Thüringer Oberlandesgericht WuM 2001, 504 f.; Weitnauer WEG, 9. Aufl., nach § 10 Randziffer 5; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., vor § 43 Randziffer 6). Mit Invollzugsetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft setzt sich diese aus Volleigentümern und werdenden Wohnungseigentümern zusammen. Im Hinblick darauf, dass bis zur Eigentumsumschreibung aller werdender Wohnungseigentümer ein langer Zeitraum vergehen kann, in dem die Eigentümergemeinschaft zwischen Volleigentümern und faktischen Eigentümern tatsächlich praktiziert wird, kann ein dringendes Bedürfnis an einer einheitlichen Beurteilung der Beziehung aller Wohnungseigentümer untereinander und an einer gemeinschaftlichen Verwaltung nicht verneint werden.

Dass der werdende Wohnungseigentümer auch nach Invollzugsetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft sein zuvor erworbenes Stimmrecht behält, widerspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 01.12.1988 (BGHZ 106, 113 ff.) und vom 18.05.1989 (BGHZ 107, 285 ff.) sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Sie betreffen ausschließlich den Fall des werdenden Wohnungseigentümers, der bei in Vollzug gesetzter Gemeinschaft erworben hat. Es ging in den BGH-Entscheidungen allein um die Frage, ob derjenige, der bei voll eingerichteter Gemeinschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge eine Wohnung erwirbt, vor Umschreibung im Wohnungsgrundbuch unter bestimmten Voraussetzungen bereits ein Stimmrecht in der Eigentümerversammlung hat (BGHZ 106,113ff) bzw. ob er für Verbindlichkeiten haftet, die noch vor seinem Eigentumserwerb von der bereits in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft begründet worden und fällig geworden sind (BGHZ 107,285 ff). Nur diese Fragen hat der BGH verneint. Hier geht es demgegenüber darum, ob das Mitglied einer vor rechtlicher Invollzugsetzung bestehenden werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft sein eigenes Stimmrecht behält, wenn die Gemeinschaft rechtlich in Vollzug gesetzt wird. Die Begründung des Bundesgerichtshofes, die bei der Frage des Stimmrechts maßgeblich auf das Bedürfnis nach Klarheit über die Person desjenigen abstellt, der das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung ausüben könne, kann nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Hier ist vielmehr dem dringenden praktischen Bedürfnis der entsprechenden Anwendung zentraler Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes aus Gründen der Kontinuität und einer ordnungsgemäßen Verwaltung Vorrang einzuräumen (Vgl. BayObLG aaO; OLG Hamm aaO).

Die Antragsgegnerin wurde zu den Eigentümerversammlungen vom 06.03. und 21.07.2003 auch ordnungsgemäß geladen. Sie wurde mit Schreiben der Verwaltung vom 21.02. und 03.07.2002 als faktische Eigentümerin zu den jeweiligen Versammlungen der (faktischen und eingetragenen) Wohnungseigentümer eingeladen.

Die Jahresabrechnungen 2001 und 2002 sind deswegen auch für sie bindend, so dass auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin die Beschwerdeentscheidung abzuändern und die amtsgerichtliche Entscheidung wieder herzustellen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne dieser Vorschrift, der unterlegenen Antragsgegnerin die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht anzuordnen, weil die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Senates nicht von vornherein aussichtslos erschien.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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