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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.11.2003
Aktenzeichen: 16 Wx 204/03
Rechtsgebiete: PsychKG NW, ZPO, BGB


Vorschriften:

PsychKG NW § 11
PsychKG NW § 11 Abs. 1
PsychKG NW § 11 Abs. 3
PsychKG NW § 12
ZPO § 559 n. F.
ZPO § 561 a. F.
BGB § 1896 Abs. 2
BGB § 1906
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 204/03

In dem Unterbringungsverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Reinemund

am 10.November 2003

beschlossen:

Tenor:

Die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23.10.2003 - 6 T 359/03 - wird zurückgewiesen.

Rechtsbeschwerdewert: 3.000,- €

Gründe:

Bei der Beklagten besteht nach fachärztlicher Diagnose eine manisch-depressive Psychose. Durch Beschluss vom 5.10.2003 ordnete das Amtsgericht Gummersbach auf den Antrag des Beteiligten zu 3) auf der Grundlage der §§ 11, 12 PsychKG NW im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Betroffenen wegen akuter Fremd- und Eigengefährdung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses für die Dauer von längstens 6 Wochen mit sofortiger Wirkung an. Das Landgericht hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen.

Die zulässige weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen ist unbegründet. Einen Rechtsfehler, auf den die Rechtsbeschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§§ 27 Abs. 1 FGG, 545, 546, 559 ZPO), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

Das Landgericht hat ausgeführt: Die Unterbringung der Betroffenen, die nach dem dem Antrag des Beteiligten zu 3) beigefügten Attest des Dr. B. vom 5.10.03 an einer manisch-depressiven Psychose leide, durch die sie sowohl fremd- als auch eigengefährdet sei, sei nach § 11 PsychKG NW nach wie vor erforderlich. Zur Aufnahme in das Krankenhaus habe geführt, dass die Betroffene in der Nacht im Straßenverkehr vor Autos gelaufen sei, so dass eine gegenwärtige Gefahr für sich und andere bestanden habe, die nicht anders als durch die Unterbringung habe abgewendet werden können. Nach der weiteren Stellungnahme der behandelnden Krankenhausärzte vom 23.10.2003 bestehe die Gefahr fort, denn die krankheitsuneinsichtige Betroffene sei in hohem Maße selbstgefährdet, so dass ihre Unterbringung aus ärztlicher Sicht nach wie vor zwingend notwendig erscheine.

Die Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Nach § 561 ZPO a. F. wie auch nach § 559 ZPO n. F. sind der Beurteilung durch die dritte Instanz die verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen der zweiten Instanz zugrunde zu legen. Auf der Basis des vom Landgericht verfahrensfehlerfrei ermittelten Sachverhalts sind seine rechtlichen Schlussfolgerungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Nach § 11 Abs. 1 PsychKG NW ist die Unterbringung von Personen, die an einer Psychose leiden, zulässig, wenn und solange durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten gegenwärtig eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer besteht, die nicht anders abgewendet werden kann. Gegenwärtig ist die Gefahr gemäß Abs. 2 der genannten Vorschrift dann, wenn ein schadensstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist. Für die Gewissheit des Gefahreneintritts genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit jederzeitigen Eintritts. Berücksichtigung können auch die Persönlichkeit des Betroffenen, seine aktuelle Befindlichkeit und seine zu erwartenden Lebensumstände finden (vgl. BayObLG NJW 2000, 881). Danach ist hier die Unterbringung der Betroffenen mit Recht angeordnet worden.

Mit der weiteren Beschwerde wird ohne Erfolg die Annahme der Selbstgefährdung der Betroffenen mit der Begründung gerügt, die Vorinstanzen hätten ihre Äußerung, sie habe sich nur vor den gewaltsamen Angriffen ihres Ehemanns schützen wollen, völlig unberücksichtigt gelassen. Die Angaben der Betroffenen waren bereits vor Ort durch die herbeigerufenen Polizeibeamten überprüft worden, die Entsprechendes nicht feststellen konnten: Der Ehemann wurde festschlafend angetroffen, zudem sei das Auftreten der Betroffenen, die entsprechend ihrer manischen Phase hyperaktiv und auch verbal sehr aggressiv war, keinesfalls als äußerst verängstigt einzuschätzen gewesen. Durch ihr unkontrolliertes Auftreten auf der stark befahrenen O. Straße, zunächst als Fußgänger und dann durch ihr Ansinnen, in ihrem orientierungslosen Zustand mit ihrem Pkw fahren zu wollen, habe sie eine Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer dargestellt (Bl.42 GA). Ähnliches hatte sich gemäß dem Bericht ihres Mannes schon einige Monate zuvor im Mai 2003 zugetragen, als die Betroffene in sehr erregtem Zustand nur mit T-Shirt und Schlüpfer bekleidet durch G. gelaufen war und dann mit ihrem Auto hatte fahren wollen, woraufhin sie vom psychiatrischen Dienst wegen der Gefahr für sich und andere zwangsweise in das Krankenhaus eingewiesen worden war (Bl. 63 GA). Damit ist die von den Vorinstanzen aufgrund ihrer manischen Psychose, infolge deren unkontrollierte Handlungen vollzogen werden, angenommene erhebliche Eigengefährdung, die der Betroffenen durch das planlose Herumirren ohne Beachtung des Straßenverkehrs drohte, wie auch der Fremdgefährdung - wie gefährlich insbesondere sog. Falschfahrer sind, ist allgemein bekannt - rechtlich nicht zu beanstanden. Die derzeitig fortbestehende Eigengefährdung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Betroffene gemäß dem Bericht der Krankenhausärzte unverändert jegliche gebotene Medikation verweigert und vor einer völlig ungeklärten Lebenssituation mit fehlender Perspektive aufgrund der Distanzierung und des familiären Bruchs, nämlich des Auszugs des Ehemanns und der Tochter, steht (Bl. 61 GA).

Entscheidungsunerheblich muss schließlich bleiben, dass das Landgericht dem Umstand, dass die Betroffene mit Wirkung vom 3.1.2003 eine umfassende Vorsorgevollmacht gemäß § 1896 Abs. 2 BGB erteilt hat, die u.a. auch den Bereich der Gesundheitsfürsorge wie der Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Unterbringung erfasst, nicht Rechnung getragen, d.h. ihm unberücksichtigt gelassen hatte. Der Ansicht der Rechtsbeschwerde, eine Unterbringung wegen Selbstgefährdung sei ohne die Zustimmung des Vorsorgebevollmächtigten rechtswidrig, ist nicht zu folgen. Der Vorsorgebevollmächtigte mag zwar, wenn er die Entlassung der Betroffenen trotz möglicherweise bestehender Selbstgefährdung fordert, damit deren wirksam geäußerten Willen zum Ausdruck bringen, trotz einer möglicherweise bestehenden Selbstgefährdung nicht untergebracht zu werden. Nicht richtig ist indes, dass der Wille - wie der Rechtsbeschwerdeführer meint - nicht ignoriert werden könne, da in unserer Rechtsordnung jeder das Recht habe, sich selbst zu gefährden. Der Umstand steht der Unterbringung durch staatlichen Eingriff nicht entgegen. Die Bestimmungen des PsychKG sind für unbedingt notwendige, in der Regel kurzfristige Kriseninterventionen mit Schutzfunktion für die Betroffenen und Dritte gedacht. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung nach den aufgrund des Betreuungsgesetzes von 1990 geänderten Bestimmungen des PsychKG NRW vom 17.12.1999 ist - anders noch nach dem früheren landesrechtlichen PsychKG (vgl. Beschluss des OLG Hamm vom 23.9.99 = FamRZ 2000, 1122 = BtPrax 2000,36 = NJW-FER 2000, 86; Parensen, PsychKG NRW S.131) - deshalb einer solchen nach dem Betreuungsgesetz nicht mehr generell subsidiär (vgl. Palandt/Diederichsen BGB § 1906 Rdnr. 1; Dodegge/Zimmermann PsychKG NRW § 11 Rdnr. 17). Das lässt sich aus § 11 Abs. 3 PsychKG NRW herleiten, wonach die Unterbringung aufzuheben ist, wenn Maßnahmen nach den in § 1 Abs. 3 genannten Bestimmungen (etwa die privatrechtliche Unterbringung nach § 1906 BGB) erfolgt sind. Ist aus der Sicht des vom Ordnungsamt angerufenen Gerichts wegen einer akuten Fremd- und/oder Selbstgefährdung eine geschlossene Unterbringung der Betroffenen zur Gefahrenabwehr erforderlich, scheidet die öffentlich-rechtliche Unterbringung nur dann aus oder ist aufzuheben, wenn der Betreuer bzw. - wie hier - der Vorsorgebevollmächtigte die Beseitigung der Gefährdung mit gleicher Wirksamkeit anstrebt und etwa durch privatrechtliche Unterbringung nach § 1906 BGB gewährleistet. Solches ist hier aber nicht der Fall, wenn der Vorsorgebevollmächtigte der Betroffenen - die von ihm in der Vorsorgevollmacht übernommenen Verpflichtung verkennend - nur die Verlegung von der geschlossenen in eine offene Station des Krankenhauses verlangt, die die Betroffene jederzeit verlassen kann. Nach Abschnitt I. H. dieser Vollmacht obliegt ihm nämlich die Entscheidung zu freiheitsentziehenden Maßnahmen einschließlich der geschlossenen Unterbringung in einer Klinik gegen oder ohne den Willen der Betroffenen, wenn diese - wie hier - zu ihrem Wohl wegen des begründeten Verdachts einer erheblichen Eigen- oder Fremdgefährdung erforderlich erscheinen (Bl. 12 GA).

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