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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 15.02.2002
Aktenzeichen: 16 Wx 232/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB, WEG, ZPO
Vorschriften:
FGG § 27 | |
BGB § 1004 | |
WEG § 47 | |
WEG § 48 | |
WEG § 5 Abs. 4 | |
WEG § 10 Abs. 1 | |
WEG § 15 Abs. 1 | |
WEG § 15 Abs. 3 | |
WEG § 13 Abs. 1 | |
ZPO § 550 a.F. |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In dem Wohnungseigentumsverfahren
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Jennissen am 15.2. 2002
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner vom 17.9. 2001 werden die Beschlüsse der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 30.8.2001 - 2 T 32/01 - und des Amtsgerichts Aachen vom 25.1.2001 - 12 UR II 40 /00 WEG teilweise abgeändert.
Der Antrag des Antragstellers vom 11.3.2000 wird auch insoweit zurückgewiesen, als die Untersagung der Nutzung der im Erdgeschoss des Hauses E. Straße 266, A., gelegenenen Wohnräume als Patentanwaltskanzei mit Büropersonal und Publikumsverkehr begehrt wird.
Auf den in 2. Instanz gestellten Antrag der Antragsgegner werden der Antragsteller und die Beteiligte zu 3. verpflichtet, ihre Zustimmung zur Nutzung der obenbezeichneten Erdgeschoßwohnung als Patentanwaltskanzlei durch Herrn Dr. H.-D. J. zu erteilen, soweit diese Nutzung sich im Rahmen der üblichen Bürozeiten hält und die übrigen Wohnungseigentümer durch diese Nutzung nicht mehr beeinträchtigt werden als durch eine Nutzung als Wohnung.
Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Von den gesamten Kosten des Verfahrens ( aller Instanzen ) tragen der Antragsteller 5/6, die Antragsgegner 1/6; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 5.113,- € ( 10.000,- DM )
Gründe:
I.
Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft E. Straße 266 in A., die aus zwei mit getrennten Eingängen ausgestatteten Wohneinheiten besteht. Die der Begründung des Wohneigentums zugrunde liegende Teilungserklärung sieht unter der Gebrauchsregelung Ziff. III, § 2 u. a. vor:
Die Vermietung der Wohnung ist zulässig. Die Vermietung sowie die Ausübung eines Berufes oder Gewerbes in der Wohnung bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des anderen Eigentümers. Die Zustimmung kann mit Auflagen verbunden bzw. auf jederzeitigem Widerruf erteilt werden.
Ferner ist in § 3 bestimmt, dass die Veräußerung des Wohnungseigentums der Zustimmung des anderen Miteigentümers bedarf und diese Zustimmung nur aus wichtigem Grund versagt werden darf ( § 3 Ziff. 1 und 2 ) .
Die Antragsgegner erwarben 1999 die im Erdgeschoss gelegene Wohnung Nr. 1. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen traten die Antragsgegner auch an den Antragsteller und die Beteiligte zu 3. wegen der erforderlichen Zustimmung zur Veräußerung sowie einer Zustimmung zur beruflichen Nutzung durch den Sohn der Antragsgegner heran. Der Ablauf der Verhandlungen i.e. ist streitig zwischen den Beteiligten. Am 5.2.1999 gaben der Antragsteller und die Beteiligte zu 3. ihre Einverständniserklärung mit der Übertragung der Wohnung 1 ab, sowie dazu, dass sie "einer beruflichen und privaten Nutzung der Wohnung durch Herrn Dr. H.-D. J. persönlich" zustimmen, wenn die Nutzung "ohne Büropersonal und ohne Publikumsverkehr erfolgt" ( vgl. Bl. 13 GA ). Diese Erklärung war zuvor von dem Sohn der Antragsgegner, der von Beruf Patentanwalt ist, abgefaßt und dem Antragsteller und der Beteiligten zu 3. zugeleitet worden.
Der Sohn der Antragsgegner hat bisher die Wohnung für seine Tätigkeit als Patentanwalt genutzt und dort eine Sekretärin beschäftigt sowie Mandanten empfangen. Über die derzeitige Nutzung besteht keine Einigkeit zwischen den Beteiligten. Im Juli 1999 stellten die Antragsgegner an dem Gartentor des Anwesens zur Straße hin ein auf einem Holzpfahl befestigtes Schild mit einem deutlichen Hinweis auf die Hausnummer 266 auf, das zunächst ca. 0,50 m breit war und nun auf DIN A 4 -Format verkleinert worden ist.
Dem Antrag des Antragstellers auf Entfernung des Schildes sowie auf Untersagung der Nutzung der Wohnung 1 als Patentanwaltskanzlei mit Büropersonal und Publikumsverkehr hat das Amtsgericht stattgegeben, indem es die Antragsgegner verpflichtet hat, dafür Sorge zu tragen, dass bei der derzeitigen Nutzung kein Büropersonal in den Räumen arbeitet und keine Mandanten empfangen werden. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegner sowie ihr Antrag auf Verpflichtung des Antragstellers und der Beteiligten zu 3., einer Nutzung als Patentanwaltskanzlei ohne Auflagen zuzustimmen, blieb ohne Erfolg. Mit ihrer weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsgegner, die die Meinung vertreten, diese enge Auslegung der Teilungserklärung bzw. der Erklärung vom 5.2.1999 verstoße gegen die guten Sitten und widerspreche der Rechtsprechung, ihren ursprünglichen Ablehnungsantrag weiter. Eine Nutzung als Patentanwaltskanzlei beeinträchtige die Interessen der Miteigentümer nicht.
II.
1.
Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Der Zulässigkeit steht nicht fehlendes Rechtsschutzbedürfnis entgegen. Eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten liegt nicht vor. Das Verfahren hat sich auch in der Sache nicht durch einer Verlagerung der beruflichen Tätigkeit des Sohnes der Antragsgegner an eine andere Örtlichkeit erledigt, so dass eine Erledigterklärung von Amts wegen in Betracht käme. Selbst wenn derzeit eine andere Nutzung vorläge - was die Antragsgegner teilweise bestreiten -, bestünde gleichwohl ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers, da wegen des Rechtsstandpunktes der Gegenseite jederzeit die Gefahr einer erneuten Nutzung als Rechtsanwaltsbüro besteht.
2.
Das Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg. Die landgerichtliche Entscheidung hält der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand, §§ 27 FGG, 550 a. F. ZPO. Die Antragsgegner sind berechtigt, ihre Erdgeschosswohnung als Patentanwaltskanzlei zu nutzen bzw. entsprechend zu vermieten, da auch eine andere Nutzung als zu Wohnzwecken zulässig ist, sofern dadurch andere Wohnungseigentümer nicht mehr als durch eine Wohnnutzung beeinträchtigt werden. Die Regelung unter Ziff. III § 2 der Teilungserklärung steht dem nicht entgegen. Die Antragsgegner sind hingegen verpflichtet, das von ihnen angebrachte Hausnummernschild als nicht vereinbarte bauliche Anlage ( § 22 Abs.1 WEG ) zu entfernen.
Zutreffend sind beide Vorinstanzen davon ausgegangen, dass dem Antragsteller ein Beseitigungsanspruch nach §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 BGB hinsichtlich des am Eingang aufgestellten Schildes zusteht. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, dass es sich um eine wenig geschmackvolle, störende bauliche Anlage handelt, ist als festgestellter Sachverhalt nur in eingeschränktem Maße überprüfungsfähig. Dieser vom Tatsachengericht festgestellte Sachverhalt wird vom Rechtsbeschwerdegericht dahin überprüft, ob der Sachverhalt ausreichend erforscht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und ob nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Verfahrensvorschriften sowie Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen wurde. Die vom Tatsachengericht gezogene Schlussfolgerung muß nicht zwingend sein, vielmehr reicht es aus, wenn diese schlüssig und möglich ist ( vgl. Keidel/Kuntze/Kahl, FGG, 14. Aufl., 27 Rz. 42 mit zahlreichen Nachweisen ). Diesen Anforderungen genügen die landgerichtlichen Feststellungen. Das ohne vorangegangene Vereinbarung mit den übrigen Eigentümern aufgestellte Schild ist mithin zu entfernen.
Hingegen kann den Antragsgegnern die Nutzung ihrer Erdgeschosswohnung als Patentanwaltskanzlei nicht verwehrt werden, sofern diese Nutzung nicht über das Maß hinausgeht, das bei Wohnzwecken üblich ist. Das ist bei der jetzigen Nutzung mit einer Büroangestellten und gelegentlichen Mandantenbesuchen jedenfalls nicht der Fall. Einer solchen Nutzung stehen weder die Gebrauchsregelungen der Teilungserklärung, noch die "Einverständniserklärung" vom 5.2.1999 entgegen.
Die Vorinstanzen haben deren Reichweite und rechtliche Bedeutung nicht zutreffend gewürdigt. Zwar sieht die Teilungserklärung unter II. vor, dass das Sondereigentum der Beteiligten als Wohnung genutzt werden soll. Dies wird nochmals ausdrücklich in der Gemeinschaftsordnung unter III. § 2 Nr. 3 zum Ausdruck gebracht, indem dort bestimmt ist, dass Wohnungen "grundsätzlich nur zu Wohnzwecken benutzt" werden dürfen und dass die Ausübung eines Berufes oder Gewerbes der vorherigen schriftlichen Zustimmung des anderen Eigentümers bedarf, die mit Auflagen verbunden bzw. auf jederzeitigen Widerruf erteilt werden kann. Hierbei handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter gem. §§ 5 Abs. 4 , 10 Abs. 1, 15 Abs. 1 WEG. Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte, der sich der Senat anschließt, auch eine Nutzung zu anderen als zu Wohnzwecken zulässig, sofern dadurch andere Wohnungseigentümer nicht mehr beeinträchtigt werden als durch eine der Zweckbestimmung entsprechenden Nutzung als Wohnung ( vgl. z.B. OLG Düsseldorf, ZMR 98,247; BayObLG, NZM 99, 130; BayObLG, FGPrax 97, 220; BayObLG, NJW-RR 96,1358; KG, NJW-RR 91, 1421 ). Denn nach § 13 Abs. 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer mit einem im Sondereigentum stehenden Gebäudeteil nach seinem Belieben verfahren, d. h. dieses selbst bewohnen, vermieten oder verpachten, soweit nicht das Gesetz oder die Rechte Dritter entgegenstehen. Gleichwohl ist es zulässig, die Überlassung der Wohnung an Dritte zur beispielsweisen gewerblichen Nutzung von der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer abhängig zu machen ( vgl. Bärmann/Pick, WEG, 8.Aufl., § 12 Rz. 64 m.w.N. ). Diese Zustimmung wiederum kann nur aus wichtigem Grund in entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 1 WEG ( Bärmann/Pick, a.a.O. ) versagt werden. Zwar sieht die hier vorliegende "Gebrauchsregelung" eine solche Beschränkung auf den Fall des wichtigen Grundes nicht ausdrücklich vor. Indes ist diese Vorschrift entsprechend dem erwähnten Verständnis eines Zustimmungserfordernisses auszulegen. Eine andere Auslegung würde die Rechte des einzelnen Eigentümers bezüglich der Nutzung seines Sondereigentums nämlich angesichts der gesetzlichen Regelung des § 13 Abs. 1 WEG zu weit einschränken. Mithin können auch die Eigentümer der vorliegenden Eigentümergemeinschaft die Zustimmung zu einer beruflichen oder gewerblichen Nutzung der Wohnung eines andern Miteigentümers nur dann versagen, wenn diese Nutzung über dasjenige Ausmaß hinausgeht, das bei einer üblichen Wohnnutzung zu erwarten ist.
Bei der hier zu beurteilenden Nutzung als Patentanwaltsbüro ist dies nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall. Neben dem Sohn der Antragsgegner, dem Mieter, werden die Räume ferner durch eine Sekretärin genutzt. Der Publikumsverkehr ist eher gering und liegt von Umfang her im unteren Bereich des Üblichen einer Rechtsanwaltskanzlei. Diese Art der Nutzung geht - was die Beeinträchtigungen der Miteigentümer betrifft - nicht über den Rahmen hinaus, den eine ( möglicherweise mehrköpfige ) Familie mit ihrer Wohnnutzung beansprucht.
Wichtige Gründe, um die Zustimmung zur Nutzung als Patentanwaltsbüro zu versagen, sind somit nicht gegeben. Da bereits die Zustimmung als solche nicht verweigert werden kann, kommt es auf die weiteren Einschränkungen einer möglichen Zustimmung, die III. § 1 Nr. 3 der Teilungserklärung vorsieht, nicht mehr an. Diese können nur dann relevant werden, wenn eine zustimmungsbedürftige Nutzung vorliegt, was hier nicht der Fall ist.
Die von dem Antragsgegner und der Beteiligten zu 3. abgegebene Einverständniserklärung ( Bl. 13 GA ) ändert nichts an dem Ergebnis. Entgegen der Meinung des Landgerichts handelt es sich um eine einseitige Erklärung der Eigentümer der Wohnung 2, die sich der Sohn der Antragsgegner weder konkludent noch ausdrücklich zu eigen gemacht hat. Zwar hat er diese Erklärung verfasst und sie dem Antragsteller und seiner Ehefrau zugeleitet. Dies erfolgte jedoch lediglich in Hinblick auf die angeführte Regelung in der Teilungserklärung, nach deren ausdrücklichen Wortlaut eine Zustimmung erforderlich war. Hingegen bestand aufgrund dieses formellen Erfordernisses keine Veranlassung für die Erwerber, die zukünftige Nutzung einverständlich zu regeln. Auch nach deren Interessenlage bestand kein Grund zu einem übereinstimmenden Einvernehmen bezüglich einer Nutzung, wie sie in der Erklärung vom 5.2.1999 festgelegt wurde. Das Interesse der Erwerber und Antragsgegner ging im Zweifel weiter, als es die dort festgelegte Nutzung vorsah. Diese stellte sich für die Erwerber als das Mindestergebnis ihrer Verhandlungen dar. Schließlich hätte es, wenn dies von allen Beteiligten gewollt gewesen wäre, nahe gelegen, dass auch die Antragsgegner oder ihr Sohn diese Erklärung unterschreiben. Dazu ist im Übrigen unbestritten vorgetragen worden, dass seitens der Erwerber trotz entsprechender Aufforderung diese Erklärung ausdrücklich nicht unterschrieben wurde.
Mithin besteht kein Untersagungsanspruch bezüglich der Büronutzung durch den Mieter der Antragsgegner. Vielmehr können die Antragsgegner die geltend gemachte Zustimmung auf Nutzung als Patentanwaltsbüro verlangen, allerdings mit der Einschränkung, dass diese Nutzung nicht den Rahmen dessen überschreiten darf, in dem eine Nutzung zu Wohnzwecken liegt, und dass die Nutzung sich im zeitlich üblichen Rahmen hält, d.h. sich auf die üblichen Bürozeiten beschränkt wird (vgl. dazu OLG Düsseldorf, ZMR 98, 247 ).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG in Anbetracht des teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten. Gründe, von dem Grundsatz der Nichterstattung außergerichtlicher Kosten abzuweichen, bestanden angesichts der kontroversen Rechtsansichten nicht.
Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 48 WEG und berücksichtigt auch, dass über einen Teil des Anspruchs bereits das Amtsgericht rechtskräftig entschieden hat.
Ende der Entscheidung
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