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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 234/06
Rechtsgebiete: FEVG, AufenthG, AsylverfahrensG, FreihEntzG


Vorschriften:

FEVG § 16 Satz 1
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
AsylverfahrensG § 30
AsylverfahrensG § 31 Abs. 1
AsylverfahrensG § 31 Abs. 3
FreihEntzG § 14 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Auslagen des Betroffenen sind nicht zu erstatten.

Das gerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz ist kostenfrei.

Gründe:

I.

Nachdem sich die Hauptsache nach Erlass der Erstbeschwerdeentscheidung infolge der Haftentlassung erledigt und der Betroffene die sofortige weitere Beschwerde auf den Kostenpunkt, und zwar die "weiteren Kosten" beschränkt hat, hat der Senat, der diesen Antrag zugunsten des Betroffenen dahin auslegt, dass auch die Kosten der Erstbeschwerde gemeint sind, nur noch über die Kosten der beiden Rechtsmittelinstanzen zu befinden.

II.

Eine Überbürdung der dem Betroffenen entstandenen außergerichtlichen Kosten auf die Gebietskörperschaft, der die Ausländerbehörde angehört, kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 16 Satz 1 FEVG nicht vorliegen. Das Verfahren hat nicht ergeben, dass für die Behörde im Zeitpunkt der Einlegung der Rechtsmittel kein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags auf Anordnung von Sicherungshaft mehr bestand bzw. dieser Anlass entfallen war.

Die Voraussetzungen einer Kostenbelastung der antragstellenden Körperschaft richten sich nach dem entsprechend anzuwendenden § 16 Satz 1 FEVG. Zur Beurteilung dieser Frage ist maßgeblich darauf abzustellen, wie die Behörde den Sachverhalt zur Zeit der Antragstellung beurteilen durfte, wenn sie alle ihr zumutbaren Ermittlungen angestellt hätte (vgl. BayObLG BayVBl. 1999, 27; 1997, 187; KG FGPrax 1998, 199 = KGReport 1998, 403; Marschner/Volkart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Auflage, § 16 FEVG Rdn. 3). Für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens ist insofern auf die Sachlage bzw. den Kenntnisstand im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen (vgl. Senat OLGReport 2004, 126; BayObLG JurBüro 2001, 107; BayObLGZ 1998, 338; KG InfAuslR 2000, 230 = KGReport 2000, 184).

1.

Hiernach liegen die Voraussetzungen für eine Anordnung einer Kostenerstattung für das Verfahren der Erstbeschwerde und der Rechtsbeschwerde nicht vor. Zum Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung (Ende September) waren - abgesehen von den das Abschiebungsverbot begründenden Umständen - im übrigen sämtliche Voraussetzungen für eine Haftanordnung gegeben, wie sie in der Entscheidung des Amtsgerichts Aachen vom 05.09.2006 zutreffend aufgeführt sind.

Der Behörde war zu dieser Zeit nicht bekannt, dass sich die Augenerkrankung des Betroffenen so erheblich verschlechtert hatte, dass dadurch Umstände eingetreten waren, die zu einem Abschiebungsverbot führen könnten, § 60 Abs. 7 S. 1 AufentG. Der Betroffene hatte bei seiner Anhörung am 05.09.2006 keinerlei Angaben gemacht. Aus den aufgrund seiner früheren Aufenthalte vorliegenden Unterlagen war zwar bekannt, dass eine Erkrankung beider Augen bestand. Diese wurde in der letzten bekannten Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26.04.2004 als nicht so erheblich eingestuft, als dass sie ein Abschiebungshindernis begründen könnte, da zu dem damaligen Zeitpunkt die Entwicklung am rechten Auge noch nicht absehbar war. Mit der Beschwerdebegründung vom 19.09.2006 wurde noch kein neues ärztliches Attest zum Zustand des rechten Auges vorgelegt. Weitergehende, durch ärztliche Gutachten belegte Informationen enthielt auch der Asylfolgeantrag vom 19.09.2006 nicht, der der Beschwerdebegründung beigefügt war. Das entscheidende Gutachten, das zur Feststellung des Abschiebungsverbotes führte, datiert erst vom 04.10.2006.

Da im übrigen mit Stellung des Asylfolgeantrags die Prüfungszuständigkeit eines Abschiebungsverbotes auf das Bundesamt übergegangen war, §§ 30, 31 Abs. 1, Abs. 3 AsylverfahrensG, bestand für die Stadt Aachen bei diesem Sachstand auch keine Verpflichtung, zur Schwere der Augenerkrankung von sich aus weitere Ermittlungen anzustellen.

2.

Zum Zeitpunkt der Einlegung der weiteren Beschwerde, am 2. November 2006, stellte sich die Sachlage für die Ausländerbehörde nicht anders dar.

Der Ausländerbehörde waren auch zu diesem Zeitpunkt weder die ärztliche Stellungnahme vom 04.10.2006 noch der Schriftsatz vom 12.10.2006 bekannt, da dieser Schriftsatz, dem das Attest beigefügt war, vom Landgericht nicht an die Ausländerbehörde weitergeleitet worden war. Auch die Justizvollzugsanstalt Bürgen hat diese Bescheinigung lediglich dem Betroffenen bzw. seinem Rechtsanwalt übermittelt, da der Amtsarzt das Kurzgutachten auf Anforderung des Betroffenen erstellt hatte. Die Anstalt hatte zum damaligen Zeitpunkt auch keine Veranlassung zur Übermittlung der ärztlichen Stellungnahme an die Ausländerbehörde, denn eine Haftunfähigkeit ergab sich daraus nicht und die Frage eines Abschiebungsverbotes stellte sich erst in Zusammenhang dieser Erkrankung mit der ärztlichen Versorgung im Heimatland des Betroffenen, worüber die JVA keine Kenntnis hatte. Die Stadt Aachen als antragstellende Behörde musste ohne weitere Informationen zum damaligen Zeitpunkt auch keine Ermittlungen anstellen, da die Augenerkrankung als solche bekannt war und bisher nicht als Grund für ein Abschiebungsverbot ausreichte.

3.

Mit Gerichtskosten für die zweite und dritte Instanz kann der Betroffene nicht belastet werden. Für die dritte Instanz fallen ihm Gerichtskosten nicht zur Last, da nach Beschränkung des Rechtsmittels auf die Kosten keiner der in § 14 Abs. 3 FreihEntzG vorgesehenen Gebührentatbestände erfüllt ist (vgl. BayObLG, InfAuslR 2002, 311f). Des weiteren kann - auch in Hinblick auf den Schriftsatz des Betroffenen vom 12.10.2006, der wegen des beigefügten ärztlichen Attests Anlass zur Sachaufklärung hätte geben müssen - nicht festgestellt werden, dass die Haftanordnung Bestand gehabt hätte und daher zu Lasten des Betroffenen für das Erstbeschwerdeverfahren Gerichtsgebühren angefallen wären (§ 14 Abs. 2, 3 FEVG). Das Erstbeschwerdegericht hat es versäumt, den Betroffenen, der in erster Instanz wegen fehlenden anwaltlichen Beistands keine Angaben gemacht hat, mündlich anzuhören. Dies war hier schon in Anbetracht der behaupteten Verschlechterung des Gesundheitszustandes geboten, um den Sachverhalt sowohl wegen einer bisher angenommenen Fluchtgefahr als auch zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit weiter aufzuklären.

Für den Antragsteller besteht ohnehin Kostenfreiheit (§ 15 Abs. 2 FEVG).

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