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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.10.2001
Aktenzeichen: 16 Wx 235/01
Rechtsgebiete: FEVG, VwGO, AuslG, AsylVfG, FGG


Vorschriften:

FEVG § 14
FEVG § 15
FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1
VwGO § 123
AuslG § 57 Abs. 2 Nr. 1
AuslG § 57 Abs. 2 S. 3
AuslG § 42 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AsylVfG § 75
AsylVfG § 71 Abs. 8
AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 2
AsylVfG § 14 Abs. 4 Nr. 4
AsylVfG § 14 Abs. 4 Nr. 5
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 235/01

In der Freiheitsentziehungssache

betreffend

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 24.10.2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 02.10.2001 - 6 T 375/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen für die angeordnete Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG festgestellt. Der schon nach seiner eigenen Einlassung illegal in die Bundesrepublik eingereiste Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig.

Der Senat hat zwar aus § 71 Abs. 5 S. 2 AsylVfG hergeleitet, dass ein Asylfolgeantrag vorübergehend die aufgrund der unerlaubten Einreise nach § 42 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG gegebene Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht beseitige und der Ausländer mit Stellung eines Asylfolgeantrages eine Rechtsstellung erhalte, die einer Duldung entspreche mit der Folge, dass eine Haftanordnung nicht mehr auf den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Nr. 1 AuslG, sondern nur auf die weiteren Haftgründe der Nrn 2. bis 5. dieser Norm gestützt werden könne, von denen vorliegend allenfalls eine Gefahr, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen will, nach Nr. 5 einschlägig sein könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 19.03.2001 - 16 Wx 48/01 -; ebenso LG Berlin InfAuslR 1999, 90 = NVwZ-Beilage 4/1999, 39). An dieser Auffassung hält der Senat indes nicht mehr fest, sondern folgt der vom Bundesverfassungsgericht gebilligten überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Hiernach verleiht ein Asylfolgeantrag kein Aufenthaltsrecht, und zwar unbeschadet des zeitweise bestehenden Schutzes des § 71 Abs. 5 S. 2 AsylVfG, wonach in dem - auch hier gegebenen - Fall eines Folgeantrags innerhalb von zwei Jahren, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrages ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, die Abschiebung grundsätzlich erst nach Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens nicht vorliegen, vollzogen werden darf. Hierin wird nur ein zeitweises Vollstreckungshindernis für die Abschiebung gesehen, durch das die Vollziehbarkeit nicht beseitigt wird. Dies wird nachvollziehbar daraus hergeleitet, dass - vorbehaltlich der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens - nach § 71 Abs. 8 AsylVfG ein Asylfolgeantrag der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegensteht, wobei das Gesetz anders als etwa in § 14 Abs. 4 Nrn. 4 und 5 AsylVfG gerade nicht zwischen den verschiedenen Haftgründen differenziert (vgl. BVerfG, Beschluss vom Beschluss vom 22. 1. 2001 - 2 BvR 783/ 00 - ; BayObLG NVwZ-Beilage Nr. 5/1998, 55; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22. Januar 2001 - 3 W 7/01 -; Renner, AuslR 7. Auflage, § 55 AsylVfG Rdn. 10 f; Melchior Abschiebungshaft 01/2001 S. 1130)

Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 8 AsylVfG liegen vor. Aus dem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde ergibt sich, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt hat. Einen Anspruch darauf, ein Asylfolgeverfahren in Freiheit zu betreiben, hat der Betroffene gerade nicht. Die von ihm beabsichtigte Klage hat wegen § 75 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung. Auch gibt es - bisher - keine verwaltungsgerichtliche Entscheidung, mit der diese Wirkung hergestellt wird.

Rechtlich zutreffend hat das Landgericht weiter ausgeführt, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 AuslG die Rechtsfolge der Anordnung der Sicherungshaft noch nicht auslösen kann. Vielmehr ist der Wortlaut dieser Norm nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform auszulegen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es ausschließlich, die Abschiebung zu sichern. Will sich der Ausländer im Einzelfall offensichtlich nicht der Abschiebung entziehen, ist allein die Erfüllung der tatbestandlichen Merkmale des § 57 Abs. 2 Satz 1 AuslG nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend, um zwingend die Rechtsfolge der Anordnung der Sicherungshaft auszulösen; denn diese ist in derartigen Fällen zur Sicherung der Abschiebung nicht erforderlich (vgl. BVerfG NVwZ-Beilage Nr. 8/1994, 57; BayObLG InfAuslR 2001,177; Senat, Beschlüsse vom 15.06.2001 - 16 Wx 120/01 - und 12.09.2001 - 16 Wx 235/01 - ). Zur Frage der Erforderlichkeit der Haftanordnung bedarf es einer Würdigung der Gesamtumstände, in die entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde die Umstände im Zusammenhang mit dem ersten Asylverfahren, insbesondere dessen Betreiben unter einem nach eigener heutiger Darstellung falschem Namen sowie des Verlassens der Bundesrepublik Deutschland sehr wohl einzubeziehen waren. Diese Würdigung hat das Landgericht, auf dessen Ausführungen Bezug genommen wird, rechtsfehlerfrei vorgenommen.

Hieraus folgt zugleich, dass der Betroffene nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will, so dass auch die Voraussetzungen, nach denen gem. § 57 Abs. 2 S. 3 AuslG ausnahmsweise von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nr. 1 abgesehen werden kann, nicht vorliegen.

Wegen der Dauer der Haft ist es entgegen der Meinung des Antragsteller keineswegs so, dass eine Sicherungshaft von drei Monaten grundsätzlich zulässig ist. Zulässig ist wegen des einschneidenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG immer nur die Haft, die unter Beachtung des aus diesem Grundrecht folgenden Beschleunigungsgebots unbedingt erforderlich ist, um die Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen (vgl. z.B. BayObLGZ 1998, 130, 132 mit weiteren Nachweisen). Gemessen hieran war eine Sicherungshaft von drei Monaten nach dem Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Antragstellung entschieden zu lang und hätte so nicht erlassen werden dürfte; denn der Betroffene verfügt über einen gültigen Pass und hätte ohne Schwierigkeiten innerhalb kurzer Zeit nach Jugoslawien abgeschoben werden können, wie auch der Umstand zeigt, dass hierfür der 11.10.2001 eingeplant war, also letztlich eine Haftdauer von einem Monat ausreichend gewesen wäre. Eine Haftanordnung von drei Monaten quasi auf "Vorrat" ist in einer derartigen Situation einer voraussichtlich problemlosen Abschiebung normalerweise unzulässig. Sie kann dazu führen, dass die ansonsten im Rahmen eines Verlängerungsantrags mögliche und wegen Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG notwendige gerichtliche Überprüfung, ob die Ausländerbehörden ihrer Pflicht zur größtmöglichen Beschleunigung nachgekommen sind, letztlich nicht durchführbar ist.

Infolge der Stellung des Asylfolgeantrags und der Inanspruchnahme von einstweiligem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz durch den Betroffenen hat sich die Situation indes geändert. Der Antragsteller hatte nunmehr das - siehe oben - zeitweilige Vollstreckungshindernis des Art. 71 Abs. 5 S. 2 AsylVfG zu beachten, was dazu geführt hat, dass die für den 11.10.2001 vorgesehene Abschiebung nicht erfolgen konnte. Eine weitere zeitliche Verzögerung ergibt sich daraus, dass die Entschließung des Verwaltungsgerichts zu einem Eilantrag des Antragstellers nach § 123 VwGO abzuwarten ist. Die Zusage des Antragstellers gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln, den Betroffenen bis zur Entscheidung über den Antrag nicht abzuschieben, ist sachgerecht und widerspricht nicht dem Beschleunigungsgebot, weil hiermit dem Verwaltungsgericht eine Prüfung des Eilantrags ohne zeitlichen Druck ermöglicht und deshalb nur Interessen des Betroffenen Rechnung getragen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 14, 15 FEVG, § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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