Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 31.03.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 237/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 27
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 237/05

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Jennissen, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm

am 31.03.2006

beschlossen: Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Aachen vom 17. März 2005 - 12 II 67/04 - und der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 24.11.2005 - 2 T 82/05 - abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin 1.401,45 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31.01.2004 zu zahlen.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen. Die Gerichtskosten erster Instanz fallen der Antragstellerin zu 68 %, der Antragsgegnerin zu 32 % zur Last. Von den Gerichtskosten zweiter und dritter Instanz tragen die Antragstellerin 60 %, die Antragsgegnerin 40 %.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe:

Die nach den §§ 45 Abs. 1 WEG, 22, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 2005, 2061) ist die Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls teilrechtsfähig, soweit sie im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnimmt. Das ist hier der Fall. Die Antragstellerin nimmt die Beteiligte zu 2. auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen aus dem Verwaltervertrag in Anspruch. Hiervon ist unmittelbar nicht der einzelne Eigentümer, sondern der Verband als solcher betroffen.

Die hierzu erforderliche Umstellung der Parteibezeichnung auf Antragstellerseite kann nach überwiegender Meinung auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz erfolgen (vgl. OLG München, NZM 2006,110 m.w.N.). Die Identität der Beteiligten zu 1. wird dadurch nicht berührt.

2.

Entgegen der Meinung des Landgerichtes haftet die Antragsgegnerin wegen einer Pflichtverletzung aus dem Verwaltervertrag, die auch für den Schadenseintritt kausal geworden ist. Sie hat allerdings Schadensersatz nur in Höhe der im Verfahren vor dem AG Aachen 12 UR II 142/99 WEG entstandenen Kosten von insgesamt 2.741.- DM = 1.401,45 € zu leisten, dagegen nicht für gerichtliche und außergerichtliche Kosten, die in dem vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren AG Aachen 12 UR II 142/98 zulasten der Gemeinschaft angefallen sind.

a.

Die Antragsgegnerin als ehemalige Verwalterin war nicht befugt, ohne Ermächtigung durch einen Wohnungseigentümerbeschluss das Verfahren, das die Eigentümerin T gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft angestrengt hatte, für die Wohnungseigentümergemeinschaft nach Zustellung der Antragsschrift weiter zu betreiben, § 27 Abs. 1 und 2 WEG. Eine solche Befugnis ergibt sich weder aus den gesetzlichen Regelungen des WEG, noch der maßgeblichen Teilungserklärung. Diese sieht in § 16 Abs. 6 Ziff. b lediglich eine Ermächtigung zur Prozessführung gegenüber mit Wohngeld säumigen Wohnungseigentümern, jedoch keine generelle Befugnis zur Prozessführung für die Wohnungseigentümergemeinschaft vor.

Demnach hätte die ehemalige Verwalterin, als ihr am 18.10.1999 als Zustellungsbevollmächtigte (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG) die Antragsschrift vom 13.09.1999 zugestellt worden war, alle Eigentümer umgehend davon informieren, eine Wohnungseigentümerversammlung einberufen und in diesem Rahmen klären lassen müssen, wie die Wohnungseigentümergemeinschaft auf diesen an sie gerichteten Leistungsantrag, der eine fachgerechte Sanierung der Fenster- und Türelemente in der Wohnung T zum Inhalt hatte, zu reagieren beabsichtigte (vgl. zur Informationspflicht des Verwalters gegenüber der Gemeinschaft, Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 27 Rdnr. 116). Diese Maßnahmen hat sie unterlassen.

Hierzu muss nicht geklärt werden, in welchem Umfang die ehemalige Verwalterin in der damaligen Situation zu einer eingehenden rechtlichen Information hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Antrags der Eigentümerin T verpflichtet war. Jedenfalls hätte die Antragsgegnerin die Wohnungseigentümergemeinschaft darüber aufklären müssen, dass das Begehren der Antragstellerin T in Einklang mit den Regelungen der Teilungserklärung stand. Hingegen fehlte für eine Verteidigung eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage, so dass die Erfolgsaussichten für eine Ablehnung des Leistungsantrags äußerst gering waren.

Die Teilungserklärung sieht nur für Glasschäden an "Fenstern und Türen im räumlichen Bereich des Sondereigentums" eine Schadensbehebungspflicht für den Sondereigentümer vor. Im Übrigen obliegt die Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile des Gebäudes einschließlich der äußeren Fenster der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 7 Abs.1, Abs. 3). Die Bedeutung dieser unmissverständlichen Regelung sowie die Folgen für das von der Eigentümerin T angestrengte Verfahren mussten einer fachmännisch arbeitenden Verwalterin klar sein. Die Eigentümerin T verlangte die Beseitigung von Baumängeln in der über ihrer Wohnung liegenden Wohnung sowie in ihrer Wohnung, die zu Schäden an den Fensterelementen und an Feuchtigkeitsschäden an anderen Bauteilen ihrer Wohnung (Zimmerdecke, Innenwände) geführt hatten. Die Schadensursachen lagen jeweils in dem Gemeinschaftseigentum zuzurechnenden Bauteilen (Wasserablauf in der Loggia der darüber liegenden Wohnung; undichter Anschluss zwischen Fenster/Türanlage und Geschoßdecke; veraltete Fensterkonstruktion; undichte Isolierverglasung des Fensterelements in der Wohnung der Antragstellerin).

Eine Abweichung der in § 7 Teilungserklärung vorgesehenen Regelung ist weder als Abänderung der Teilungserklärung niedergelegt worden, noch jemals sonst vereinbart worden. Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommene "Übung", wonach jeder Eigentümer die Instandsetzung defekter Fenster selbst in Auftrag gegeben und bezahlt haben soll, hätte - ihr Vorliegen unterstellt - keine rechtliche Relevanz. Eine solche Handhabung würde der allein maßgeblichen Teilungserklärung widersprechen und weder die Eigentümer noch den Verwalter binden. Selbst wenn die Beteiligte zu 2. davon ausging, die beschriebene Übung sei jahrelang in der Wohnungseigentümergemeinschaft praktiziert worden, mußte ihr bei sorgfältiger Überprüfung der Sach- und Rechtslage klar sein, dass damit eine Abänderung der in der Teilungserklärung festgelegten Regelung nicht erfolgen konnte, und dass das Verlangen der Antragstellerin T in Einklang mit der Teilungserklärung steht.

Diese Rechtsfolge ergab sich im Übrigen auch schon deshalb, weil die fraglichen Schäden auf Baumängel am Gemeinschaftseigentum zurückzuführen waren. Dies hatte der im Beweisverfahren beauftragte Sachverständige I in seinem Gutachten vom Februar 1999 festgestellt, das der Beteiligten zu 2. vorlag. Auf diese für die Wohnungseigentümergemeinschaft problematische Sach- und Rechtslage hätte die damalige Verwalterin in Zusammenhang mit dem von der Eigentümerin T angestrengten Verfahren hinweisen und ggfs. zur Fortführung des Verfahrens eine Beschlussfassung veranlassen müssen.

Die Pflichtverletzung des Verwaltervertrages ist auch schuldhaft, zumindest fahrlässig erfolgt. Eine entsprechende Information - in Verbindung mit einer Eigentümerversammlung - wäre zeitlich noch vor dem Termin vom 18.11.1999 möglich gewesen. Selbst wenn aus organisatorischen Gründen eine Eigentümerversammlung nicht mehr vor diesem Termin hätte stattfinden können, wäre es ein leichtes gewesen, mit dieser Begründung eine Terminsverlegung zu erreichen.

b.

Der Senat bejaht auch - anders als die Vorinstanzen - eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und den als Schaden geltend gemachten Prozesskosten. Die Antragsgegnerin ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten ihrerseits eingetreten wäre, die Antragstellerin also trotz erteilter Informationen das Verfahren geführt hätte. Zugunsten der Antragstellerin, der gegenüber Aufklärungspflichten verletzt worden sind, greifen hier die Grundsätze des "aufklärungsrichtigen Verhaltens" ein, wonach ein Anscheinsbeweis dahin anzunehmen ist, dass für die Geschädigte bei entsprechender Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative in Betracht gekommen wäre (st. Rspr. des BGH, vgl. beispielsweise BGH, NJW 2002, 2703; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 280 Rdnr. 39 m.w.N.).

Diese Darlegungs- und Beweislast ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen.

Auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens und des Hinweises auf die behauptete Übung der Kostenübernahme durch die Sondereigentümer wird der Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Denn es sind keine vernünftigen Gründe erkennbar, die die Mehrheit der Eigentümer zu einer Verfahrensaufnahme hätten veranlassen können, die mit ihrem Ziel dem Wortlaut der Teilungserklärung und den gesetzlichen Vorgaben widerspricht. Selbst wenn die Einschätzung der Beteiligten zu 2. zu der erwähnten bisherigen "Übung" der Reparatur an Fenstern und Türen von einem Teil der Eigentümer geteilt worden sein sollte, bestand gleichwohl kein vernünftiges Interesse dieser - und erst recht nicht der weiteren - Eigentümer, diese rechtlich nicht abgesicherte Handhabung gerichtlich mit einem klaren Kostenrisiko überprüfen zu lassen. Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten stellte sich nämlich die behauptete Übung der Kostenübernahme durch die Sondereigentümer nicht als nur vorteilhaft dar. Soweit bislang noch keine Reparaturen erforderlich gewesen waren - und dies traf auf einen großen Teil der Eigentümer zu -, würden bei einer Kostenregelung entsprechend der Teilungserklärung den Sondereigentümern die unmittelbar auf sie entfallenden Kosten für die Fensterreparaturen erspart werden. Dem stehen zwar zukünftig höhere Gemeinschaftskosten gegenüber, allerdings werden sich auf Dauer diese beiden Positionen in etwa ausgleichen. Somit wäre auch unter wirtschaftlichen Aspekten kein Anreiz vorhanden, dieser Verfahrensaufnahme zuzustimmen.

Schließlich ist sowohl angesichts der Vielzahl der Abstimmungsberechtigten als auch wegen des Zeitablaufs das mögliche damalige Abstimmungsverhalten im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr rekonstruierbar. Dahingehende Beweisangebote sind schon wegen ihrer Ungeeignetheit nicht beachtlich.

Die Antragsgegnerin bleibt mithin mit ihrem Vorbringen, die Wohnungseigentümergemeinschaft hätte trotz des risikoreichen Verfahrensausgangs das Wohnungseigentumsverfahren vor dem AG Aachen - 12 UR II 142/99 - weiterbetrieben, beweisfällig.

Die ehemalige Verwalterin haftet für die zu lasten der Wohnungseigentümergemeinschaft angefallenen Kosten in dem Verfahren 12 UR II 142/99. Diese ergeben sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 08.05.2000, ergänzt durch Beschluss vom 19.05.2000:

Rechtsanwaltskosten 2 x 1.025 2.050,-DM

zuzügl. MWSt. 16 % 328,- DM

Gerichtskosten 352,- DM

Zustellkosten 11,- DM

Endsumme 2.741,- DM = 1.401,45 €

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB. Mit Schreiben vom 26. 01.2004 hat die Antragsgegnerin ernsthaft und endgültig eine Zahlung abgelehnt.

3.

Die Antragsgegnerin haftet hingegen nicht für die im selbständigen Beweisverfahren unter dem Aktenzeichen 12 UR II 142/98 WEG AG Aachen angefallenen Verfahrenskosten, die auch Bestandteil des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 08.05.2000 sind. Denn ein mögliches Fehlverhalten - wiederum in Form unterbliebener Information - hat sich für die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht ausgewirkt.

Die Antragstellerin konnte sich diesem Verfahren, in dem sie wiederum Antragsgegnerin war, nicht entziehen. Das mit Antrag der Eigentümerin T vom 11.11.1998 eingeleitete Beweisverfahren wurde entsprechend den Vorschriften der §§ 485 ff ZPO unabhängig von der Reaktion des Antragsgegners durchgeführt (vgl. §§ 491, 493 ZPO), so dass die Wohnungseigentümergemeinschaft auch bei rechtzeitiger Information keine Möglichkeit zur Abwendung dieses Verfahrens gehabt hätte.

Im Übrigen stand die Durchführung dieses Verfahrens auch im Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft, da auf diese Weise die Ursachen der Feuchtigkeitsschäden am Gemeinschaftseigentum geklärt wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG und berücksichtigt das anteilige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten in Bezug auf den jeweiligen Geschäftswert. In Anbetracht der unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung durch die Vorinstanzen besteht keine Veranlassung, von dem in § 47 WEG bestimmten Kostengrundsatz abzuweichen, wonach die Verfahrensbeteiligten die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.

Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 48 Abs. 3 WEG auf 3.558,98 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück