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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.01.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 267/06
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 267/06

In der Freiheitsentziehungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Jennissen, Dr. Ahn-Roth und Wurm am 29.01.2006

beschlossen:

Tenor:

Die Untätigkeitsbeschwerde des Betroffenen vom 12.12.2006 wird als unzulässig verworfen.

Das Beschwerdeverfahren zur Untätigkeitsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Seine außergerichtlichen Kosten, die im Verfahren zur Untätigkeitsbeschwerde entstanden sind, trägt der Betroffene selbst.

Gründe:

I.

Gegen den Betroffenen, der seit März 2005 vollziehbar ausreisepflichtig ist, verhängte das Amtsgericht mit Beschluss vom 27.07.2006 Abschiebehaft nach § 62 Abs. 2 AufenthG bis längstens 26.10.2006. Gegen diese Entscheidung wendete sich der Betroffene mit sofortiger Beschwerde vom 07.08.2006. Der Antragsteller hat zu dem Beschwerdevorbringen am 16.08.2006 Stellung genommen. Nach einer beim Landgericht eingereichten - erfolglosen - Sachstandsanfrage vom 20.09.2006 verbunden mit der Bitte um umgehende Entscheidung hat der Betroffene durch seinen Verfahrensbevollmächtigten eine am 15.12.2006 eingegangene Untätigkeitsbeschwerde vom 12.12.2006 beim Landgericht und zugleich beim Oberlandesgericht eingelegt. Der Betroffene war bereits am 23.10.2006 mit dem Ziel der Abschiebung aus der Haft entlassen worden. Mit Beschluss vom 15.12.2006 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde vom 07.08.2006 als in der Sache unbegründet zurückgewiesen.

Auf Hinweis des Senats, dass sich die Untätigkeitsbeschwerde durch die Entscheidung vom 15.12.2006 erledigt habe, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 03.01.2007 die Hauptsache für erledigt erklärt, "soweit dem Landgericht bzw. der Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen der offensichtlichen Untätigkeit" auferlegt werden. Der Vorsitzende des Senats hat auf Bedenken gegen diesen Antrag aufmerksam gemacht.

II.

Die Untätigkeitsbeschwerde ist unzulässig, da inzwischen das Landgericht über die Erstbeschwerde entschieden hat und somit nicht mehr untätig geblieben ist.

Der Betroffene hat keine wirksame Erledigungserklärung abgegeben, weil die von ihm erstrebte Kostenauferlegung nicht erfolgen kann, so dass die Bedingung, unter der der Antrag steht, nicht eingetreten ist. Auf die Frage, ob die Verknüpfung des Antrags mit einer erstrebten Kostenregelung schon grundsätzlich der Wirksamkeit entgegen steht, kommt es deshalb nicht mehr an.

1.

a. Die Untätigkeitsbeschwerde vom 12.12.2006 war zunächst zulässig .

Zur Frage der Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde schließt sich der Senat der inzwischen auch von anderen Obergerichten vertretenen Meinung an, dass eine - gesetzlich nicht vorgesehene - Untätigkeitsbeschwerde dann als statthaft zu behandeln ist, wenn eine über das Normalmaß hinausgehende, den Parteien unzumutbare Verzögerung dargetan wird und die Untätigkeit des Gerichts sich bei objektiver Betrachtung als Verweigerung des Rechtsschutzes darstellt (vgl. OLG Zweibrücken, NJW-RR 2003, 1653; OLG Bamberg, FamRZ 2003, 1310; OLG des Landes Sachsen-Anhalt vom 11.10.2005 und vom 1.11.2005, beide OLGR Naumburg 2006, 408; ebenso Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 565 Rdnr. 21 für das Verfahren nach der ZPO; anders noch OLG Stuttgart vom 20.01.1998, FamRZ 1998, 1128).

Die Voraussetzungen für eine Statthaftigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde waren hier gegeben. Die Untätigkeit der Zivilkammer stellt sich in Anbetracht der Umstände des Falles als Verweigerung des Rechtsschutzes dar. Der seit dem 27.07.2006 inhaftierte Betroffene hat sich mit der rechtzeitig eingelegten Erstbeschwerde vom 07.08.2006 gegen die bis zum 26.10.2006 befristete Abschiebungshaft gewandt. Darüber wurde während eines Zeitraumes von vier Monaten keine Entscheidung getroffen. Eine solche Verzögerung stellt sich für den inhaftierten Betroffenen als nicht mehr zumutbar dar. Dies gilt schon unabhängig davon, dass seine Abschiebung für Oktober vorgesehen war, also zwei Monate nach Rechtsmitteleinlegung anstand.

b.

Die Untätigkeitsbeschwerde wäre auch begründet gewesen. Durch die überlange Verfahrensdauer wurde der Betroffene in seinem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt (st.Rspr. des BVerfG, zum Beispiel v. 11.12.2000, NJW 2001, 961; v. 15.11.200, NJW-RR 2002, 424; zuletzt NJW 2003,2672).

Das Landgericht hat ab Ende August 2006, nachdem der Betroffene sein Rechtsmittel begründet und der Antragsteller dazu Stellung genommen hatte, bis Mitte Dezember 2006 weder verfahrensfördernde Maßnahmen ergriffen, noch ist sonst ersichtlich, was einer Entscheidung entgegen gestanden hätte. Eine mehrmonatige Untätigkeit in einem Verfahren, das mit Freiheitsentzug des Betroffenen verbunden ist, ist nicht hinnehmbar. Zwar gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, in welchem Zeitrahmen die angerufenen Gerichte entscheiden müssen und welche Verfahrensdauer angemessen ist. Handelt es sich um ein Verfahren, in dem der Betroffene inhaftiert ist, so verlangt schon die Natur dieses Verfahrens als Haftsache eine beschleunigte Sachbehandlung durch die befaßten Gerichte. Wirkungsvoller Rechtsschutz bedeutet, dass das strittige Rechtsverhältnis in angemessener Zeit geklärt wird (vgl. BVerfG, NJW-RR, 2002, 424) . Darüber hinaus war - wie regelmäßig in Abschiebungshaftsachen - die gemäß § 62 Abs. 2 AufenthG angeordnete Haft bis zum 26.10.2006 befristet, so dass auch aus diesem Grund eine alsbaldige Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu treffen war. Jede Verfahrensverzögerung, die dazu führt, dass vor der Haftentlassung nicht mehr über die Erstbeschwerde entschieden wird, obwohl diese rechtzeitig und mit ausreichendem Zeitabstand zu einer etwaigen Entlassung eingelegt worden ist, bedeutet für den Betroffenen eine Rechtverweigerung. Im vorliegenden Fall sind keine Gründe ersichtlich, warum das Erstbeschwerdegericht nicht alsbald nach Begründung des Rechtsmittels und Stellungnahme des Rechtsmittelgegners über die Anordnung der Abschiebungshaft entschieden hat, um deren Berechtigung für den inhaftierten Betroffenen zu klären.

Die Begründetheit der Untätigkeitsbeschwerde hätte allerdings lediglich zur Folge, dass das Rechtsmittelgericht die untere Instanz zum Tätigwerden anweist, eine Entscheidung in der Sache wird das Rechtsmittelgericht in der Regel nicht treffen (vgl. OLG Bamberg, a.a.O., OLG Sachsen-Anhalt vom 11.10.2005, a.a.O.).

2.

Nachdem das Landgericht nunmehr über die Erstbeschwerde entschieden hat, ist die Untätigkeitsbeschwerde wegen Erledigung der Sache unzulässig, so dass nur noch über die Kosten zu entscheiden ist.

a.

Soweit der Antragsteller seinen Kostenantrag auch auf die Kosten der Erstbeschwerde erstreckt - die Formulierung ist insoweit mehrdeutig -, bleibt dieser erfolglos.

In der Sache ist die Erstbeschwerde zu Recht erfolglos geblieben. Hierzu wird auf die insoweit zutreffenden Gründe der Entscheidung vom 15.12.2006 Bezug genommen. Demzufolge waren dem Antragsgegner auch die Kosten des Erstbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, § 13a Abs. 1 S. 2 FGG.

b.

Gerichtskosten für die ursprünglich erfolgreiche Untätigkeitsbeschwerde werden entsprechend § 16 KostO nicht erhoben. c.

Der Betroffene und Antragsgegner hat ferner seine außergerichtlichen Auslagen, die ihm im Verfahren der Untätigkeitsbeschwerde entstanden sind, selbst zu tragen, § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG (ebenso OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Sachsen-Anhalt v. 20.12.2004, juris.testa-de.net/jportal). Für die vom Antragsgegner beantragte Kostenfolge ist keine gesetzliche Grundlage ersichtlich. Eine Auslagenauferlegung auf die Staatskasse sieht § 13 a Abs. 2 S. 1 FGG vor, wobei offen ist, ob dessen Voraussetzungen vorliegen. Diese Regelung findet indes nur Anwendung auf Entscheidungen in Betreuungs- oder Unterbringungssachen.

Ende der Entscheidung

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