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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 16 Wx 27/01
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 47 | |
WEG § 16 Abs. 1 S. 1 | |
WEG § 48 Abs. 3 S. 2 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In der Wohnungseigentumssache
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth
am 05.07.2001
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.01.2001- 29 T 229/99 - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2. hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. sind die Mitglieder der "kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft 09 (Bürohochhaus 2)" der Wohnungseigentumsanlage "C.-C." in L.. Die Beteiligte zu 2. ist seit 1989 Eigentümerin des im 13. Obergeschoss gelegenen Teileigentums T 44, während der Beteiligte zu 1. im Jahre 1994 in der Zwangsversteigerung die im 13., 14. und 15. Obergeschoss gelegene Teileigentumseinheit T 45 erworben hat.
Ab dem 2. Obergeschoss weisen alle Geschosse des Objekts in etwa die gleiche Grundfläche von ca. 440 qm auf. Damit übereinstimmend sind in dem Kostenverteilungsschlüssel, der als Anlage Bestandteil der Gemeinschaftsordnung vom 30.11.1966 ist, vom 2. bis 12. Obergeschoss die Miteigentumsanteile sowie die prozentualen Anteile der einzelnen Einheiten an den Kosten und Lasten des allgemeinen Gemeinschaftseigentums sowie an den Rückstellungen und Rücklagen des Bürohochhauses 2 ungefähr gleich angegeben. Bezüglich der mit etwa 300 qm deutlich kleineren Einheit T 44 liegen die entsprechenden Zahlen in der gleichen Größenordnung wie in den Geschossen 2 bis 12, während die Schlüsselzahlen für die Einheit T 45 des Antragstellers deutlich günstiger sind, obwohl sie mit ca. 477 qm größer ist als die übrigen. Eine Teilfläche von 170 qm der Einheit T 45 ist allerdings nicht an die allgemeine Klimaanlage angeschlossen. Auch werden die in der obersten (15.) Etage gelegenen Räumlichkeiten dieser Einheit für gemeinschaftliche Zwecke genutzt (Maschinenraum für die Aufzüge; Funkstation einer Mobilfunkfirma, deren Vertragspartnerin die Gemeinschaft ist).
In der Eigentümerversammlung vom 03.12.1998 beschloss die "kleine" Eigentümergemeinschaft des Bürohochhauses 2 auf Antrag der Beteiligten zu 2. mehrheitlich eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels, der im Ergebnis eine an der Fläche der Einheiten bezogene Verringerung der Schlüssel für die Teileigentumseinheit T 44 und eine entsprechende Erhöhung der Schlüssel für die Einheit T 45 vorsah.
Einem hiergegen eingelegten Anfechtungsantrag der Beteiligten zu 1. hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18.09.1999 stattgegeben, weil die nach der Gemeinschaftsordnung erforderliche qualifizierte Mehrheit von 80 % aller Miteigentümer des Bürohochhauses 2 nicht erreicht sei. Gleichzeitig hat es einen Hilfsgegenantrag der Beteiligten zu 2. zurückgewiesen, den Beteiligten zu 1. zu verpflichten, einer näher bezeichneten Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zuzustimmen.
Die hiergegen eingelegte und auf die Zurückweisung des Hilfsgegenantrags beschränkte sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2. hatte keinen Erfolg. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt sie ihr Verpflichtungsbegehren weiter.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen, die allein Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein können (§§ 27 WEG, 550 ZPO), nicht zu beanstanden.
Nach ständiger Rechtsprechung kann sich aus der zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern bestehenden Treuepflicht ein Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung ergeben, wenn die Versagung der Zustimmung wegen außergewöhnlicher Umstände grob unbillig wäre und damit ein Festhalten an der Vereinbarung gegen Treu und Glauben verstieße. Ein derartiger Anspruch ist allerdings auf besonders gelagerte Ausnahmefälle zu beschränken, weil jeder Wohnungseigentümer bei Erwerb in der Lage war, sich beispielsweise über den geltenden Kostenverteilungsschlüssel zu informieren und sich - etwa im Rahmen einer Rentabilitätsberechnung vor dem Kauf - hierauf einstellen kann, und umgekehrt ein durch den Schlüssel begünstigter Eigentümer sich - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - darauf verlassen können muss, dass das einmal Vereinbarte gilt und nicht ständig unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Änderung aus Billigkeitsgesichtspunkten steht (vgl. z. B. BGHZ 95, 137 = ZMR 1986, 19; BGHZ 130, 304 = NJW 1995, 2791 = MDR 1995, 1112; BayObLG NZM 2001, 290 = ZMR 2001, 473; BayObLG WuM 2001, 88; BayObLGR 1997, 10; Senatsbeschlüsse WE 1995, 155 = OLGR 1995, 194 u. OLGR 1998, 174 = NZM 1998, 484 = ZMR 1998, 799). Diese Voraussetzungen können normalerweise nicht nur dann in Betracht kommen, wenn sich - etwa wegen einer von der Teilungserklärung abweichenden Bauausführung oder einer Änderung der Zweckbestimmung - die Verhältnisse nachträglich geändert haben, sondern auch dann, wenn sich eine getroffene Regelung als von Anfang an als verfehlt oder unzweckmäßig erweist (vgl. BGHZ 95, 137 = ZMR 1986, 19; BayObLG MDR 1992, 27 = MDR 1992, 673; BayObLG WuM 2001, 88; Senatsbeschluss OLGR 1998, 174 = NZM 1998, 484 = ZMR 1998, 799).
Ob letzteres allerdings auch dann gilt, wenn - wie vorliegend - die Teilungserklärung eine sog. Öffnungsklausel enthält, also eine Änderung des Vereinbarten mit qualifizierter Mehrheit möglich ist und ein Wohnungseigentümer für sein Änderungsbegehren in der Wohnungseigentümerversammlung diese Mehrheit nicht erreicht hat, kann zweifelhaft sein (vgl. auch BayObLG BayObLGZ 2001, Nr. 22), bedarf aber keiner Entscheidung. Denn die Frage, ob eine in der Teilungserklärung enthaltene Regelung "wegen außergewöhnlicher Umstände grob unbillig" ist oder nicht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, liegt also primär auf tatrichterlichem Gebiet, so dass dem Tatrichter bei der Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ein nur einer Rechtskontrolle unterliegender Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist.
Einer derartigen Rechtskontrolle hält der angefochtene Beschluss stand. Das Landgericht hat die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für einen ausnahmsweisen Anspruch auf Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels nicht verkannt, sondern zutreffend angewandt. Es hat die für die Beurteilung relevanten Umstände verfahrensfehlerfrei festgestellt und bei der Würdigung dieser Fakten den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Es hat insbesondere hervorgehoben, dass es grundsätzlich der privatautonomen Gestaltungsautonomie unterliegt, die Miteigentumsanteile beziehungsweise hierauf aufbauend die Kostenverteilung zu regeln und es vielfältige Gründe dafür geben kann, von der gesetzlichen Regelung der Verteilung der Kosten entsprechend den Miteigentumsanteilen nach § 16 Abs. 1 S. 1 WEG abzuweichen bzw. die Miteigentumsanteile nicht starr nach der Nutzungsfläche zu bemessen. Es hat ferner aufgezeigt, dass es jedenfalls wegen der "Bevorzugung" des jetzt dem Beteiligten zu 1. gehörenden Teileigentums T 45 durchaus einen sachlichen Grund gibt, nämlich das Fehlen der Klimaanlage für einen Teil der Räumlichkeiten, obwohl auch deren Kosten entgegen der in der Vergangenheit geübten Praxis der Bildung von Untereinheiten von T 45 nach der Gemeinschaftsordnung nach dem Schlüssel für die gesamte Einheit umzulegen sind. Das, was die Beteiligte zu 2. demgegenüber als mögliche Gründe für die Entlastung der Teileigentumseinheit T 45 und Belastung von T 44 vorträgt, nämlich, dass der Geschäftsführer der Initiatorin des Objekts einen Teil von T 45 als Wohnung genutzt, während ansonsten seine Firma in T 45 und T 44 ihre Büros unterhalten habe, "offenbar" die Absicht gehabt habe, private Kosten zu minimieren bzw. in den gewerblichen Bereich zu verlagern, ist demgegenüber eine heute nicht mehr verifizierbare reine Spekulation.
Das Landgericht hat sich des weiteren nicht nur mit der Feststellung begnügt, dass bei den Teileigentumseinheiten T 10 - 43 eine - bezogen auf die Nutzfläche - in etwa gleiche Belastung mit Kosten besteht, während die Mehrbelastung für T 44 und die korrespondierende Entlastung für T 45 jeweils 30 % beträgt, sondern auch die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob eine nicht mehr gerechtfertigte Mehrbelastung vorliegt, umfassend ausgewertet (BayObLG NJW-RR 1992, 342, 1995, 529 u. 1999, 886; OLG Düsseldorf DWE 1985, 122 u. NZM 1998, 867; KG NJW-RR 1991, 1169; Senat NZM 1998, 485). Ergänzend ist hierzu lediglich anzumerken, dass selbst für den Fall einer deutlich größeren Mehrbelastung, nämlich von bis zu 59 % in einer weiteren Entscheidung eine grobe Unbilligkeit verneint wurde (OLG Frankfurt, NZM 2001, 140).
All dies trägt die abschließende Feststellung des Landgerichts, die Mehrbelastung der Beteiligten zu 1. führe nicht zu unerträglichen, nicht mehr hinnehmbaren Ergebnissen. Darüber, ob sich hieraus ggfls. ein sachlicher Grund für eine beschlussweise Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ergibt und der Beteiligte zu 1. durch einen entsprechenden Beschluss nicht unbillig benachteiligt wird, was neben dem Quorum der Zustimmung von 80 % aller Miteigentümer des "Bürohochhauses 2" Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Änderung ist (vgl. hierzu BayObLG ZMR 2000, 187 = ZfIR 2000, 292 = DWE 2000, 76), hat der Senat nicht zu entscheiden. Ebenso wenig bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit der Hilfserwägung des Landgerichts, dass ein etwaiger Änderungsanspruch verwirkt sei, weil mehr als 20 Jahre lang nach dem bestehenden Kostenverteilungsschlüssel abgerechnet worden sei, sich die Beteiligte zu 2. die Untätigkeit ihrer Rechtsvorgänger zurechnen lassen müsse und sie es als im Immobilienvertrieb tätige Firma sich selbst zuzuschreiben habe, dass sie sich nicht bereits bei Erwerb des Objekts im Jahre 1989, sondern erst 1993 die Gemeinschaftsordnung habe vorlegen lassen. All dies trifft in rechtlicher bzw. tatsächlicher Hinsicht zu. Gleichwohl kann der Verwirkungstatbestand zweifelhaft sein, weil zu dem sogenannten Umstandsmoment, nämlich dazu, ob die übrigen Wohnungseigentümer, insbesondere der Beteiligte zu 1. bzw. dessen Rechtsvorgänger sich bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durften und eingerichtet haben, dass ein Anspruch auf Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels nicht geltend gemacht werde, keine Feststellungen getroffen sind.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, der unterlegenen Beteiligten zu 2. die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz aufzuerlegen. Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand keine Veranlassung.
Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 S. 2 WEG. Die Annahme eines Wertes von 50.000,00 DM durch das Landgericht ist wegen der Dauerwirkung, der ein etwaiger Erfolg des Verpflichtungsbegehrens zukäme, entgegen der Meinung des Beteiligten zu 1. in seiner Eingabe vom 06.02.2001 zumindest nicht zu hoch bemessen. Bei einer Kostenlast der Beteiligten zu 1. für das Abrechnungsjahr 1998 von 71.034,94 DM (GA 242 f.) käme es bei einer Änderung um 30 % bereits in einem Jahr zu einer Kostenverschiebung um mehr als 20.000,00 DM. Die von dem Beteiligten zu 1. genannten Kosten von 3.640,72 DM betreffen die für die Geschäftswertfestsetzung des vorliegenden Verfahrens nicht interessierende mittelbare Auswirkung der Gründe der Entscheidung des Landgerichts, nämlich dass entgegen der bisherigen Praxis nunmehr die gesamte Einheit T 45 mit den Kosten für die Klimaanlage belastet wird.
Ende der Entscheidung
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