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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 26.05.2008
Aktenzeichen: 16 Wx 305/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, FGG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 185 Nr. 2
ZPO § 189
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 286 Abs. 4
FGG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.12.2007 - 29 T 260 - 262/07 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

Dem Antragsgegner wird für das Verfahren der Rechtsbeschwerde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T, X-Straße 27, xxxxx L, gewährt.

Geschäftswert: 4.016, 94 € bis zum 4. April 2008, sodann 2.280,39 €.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner, der Eigentümer einer Wohnung in der oben genannten Anlage ist, lebte mehrere Jahre - nach eigenen Angaben jedenfalls ab 2005 - in Bangkok/Thailand und kehrte Mitte 2007 nach Deutschland zurück. Die Antragstellerin verlangt in diesem Verfahren Wohngeldrückstände, und zwar für 2004 den sich aus der beschlossenen Jahresabrechnung ergebenden Rückstand in Höhe von 1.584,94 € sowie laufende Wohngeldzahlungen für 2005 und für 2006 bis einschließlich Juli 2006 von insgesamt 2.432,- €. Unter Angabe der Adresse des Antragsgegners in Thailand stellte die Antragstellerin beim Amtsgericht den entsprechenden Zahlungsantrag und beantragte darüber hinaus die öffentliche Zustellung dieses Antrags, weil eine Zustellung im Ausland nicht erfolgversprechend sei. Hierzu hat sie darauf verwiesen, dass ein Rechtshilfeersuchen in Thailand in absehbarer Zeit nicht erfolgreich durchgeführt werden könne. Das Amtsgericht hat den Zahlungsantrag öffentlich zustellen lassen, da nach einer Auskunft seinerseits für ein Rechtshilfeersuchen nach Thailand mit einer Erledigungsdauer von ca. 18 - 24 Monaten gerechnet werden müsse. Mit Beschluss vom Januar 2007 hat das Amtsgericht antragsgemäß den Antragsgegner zur Zahlung verpflichtet und zugleich die öffentliche Zustellung dieser Entscheidung verfügt, die mit Ablauf des 05.03.2007 erfolgt ist. Mit Schreiben vom 23.09.2007, eingegangen am 24.09.2007, legte der Antragsgegner, der durch Vollstreckungsmaßnahmen auf das Verfahren aufmerksam geworden war, sofortige Beschwerde und Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung ein. Er hat die Ansicht vertreten, die öffentliche Zustellung sei nicht zulässig gewesen, da seine Anschrift in Thailand bekannt war und unter dieser hätte zugestellt werden können. Ferner hat er zur Sache vorgetragen. Das Landgericht hat sein Rechtsmittel als verspätet verworfen und eine Wiedereinsetzung abgelehnt. Es hat die öffentliche Zustellung als wirksam angesehen; der Wiedereinsetzungsantrag sei verspätet gestellt worden. Gegen diese Entscheidung richtet sich das rechtzeitig eingelegte Rechtsmittel des Antragsgegners.

II.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache, da die Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist.

Die Erstbeschwerde des Antragsgegners ist entgegen der Meinung des Landgerichts nicht unzulässig, da wegen der Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen war. Der Senat ist an einer Entscheidung in der Sache gehindert, weil der Sachverhalt noch aufklärungsbedürftig ist.

1.

Die vom Amtsgericht angeordnete öffentliche Zustellung der Entscheidung vom 31.01.2007 ist unzulässig. Die Voraussetzungen der Regelung des § 185 Nr. 2 ZPO, auf die allein eine öffentliche Zustellung in diesem Fall gestützt werden kann und die auch im Wohnungseigentumsverfahren gilt, liegen nicht vor. Das Merkmal, dass die Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht, kann im Rechtshilfeverkehr mit Thailand nicht festgestellt werden. Zwar kann eine öffentliche Zustellung auch dann verfahrensfehlerfrei sein, wenn die erforderliche Auslandszustellung keine Erfolgsaussicht hat. Dies wird nicht nur in Fällen bejaht, in denen eine Zustellung in einen Staat erforderlich wäre, mit dem kein Rechtshilfeverkehr besteht, sondern auch dann, wenn die Durchführung der Zustellung unangemessen lange Zeit in Anspruch nimmt (vgl. Musielak/Wolst, ZPO, 5. Auflage, § 185 Rdnr. 6; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 185 Rdnr. 3). Nach welcher Zeitdauer eine Auslandszustellung wegen unzumutbarer Verzögerung nicht möglich oder nicht erfolgversprechend sein soll, ist nicht festgelegt und entscheidet sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Falles (jedenfalls mehr als vier Monate, vgl. OLG Hamm, NJW 1989,2203; unter zwei Jahren bzw. bei mehr als sechs Monaten Wartezeit seit Absendung eines Rechtshilfeersuchens, OLG Köln -14. Senat -, NJW - RR 1998, 1683 = FamRZ 1998,561; ähnlich AG Bonn, NJW 1991, 1430), wobei das Schrifttum unter Verweis auf die Rechtsprechung regelmäßig bei einer Dauer von mehr als sechs Monaten ein unzumutbares Verfahren annehmen will (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 185 Rdnr. 10; Wieczorek/Rohe, ZPO, 3. Aufl., § 185 Rdnr. 28; MünchKommZPO/Wenzel, Aktualisierungsband, § 185 Rdnr.7; a. A. Musielak/Wolst, a.a.O.: 1 Jahr).

Im vorliegenden Fall kann ein Rechtshilfeersuchen nach Thailand zwar nicht auf eine vertragliche Grundlage gestützt werden, tatsächlich wird im Verhältnis der beiden Staaten indes Rechtshilfe geleistet, wie aus der in den Akten befindlichen Auskunft des Justizministeriums NRW erkennbar ist. Die dort erwähnte "längere Erledigungsdauer" hat sich nach derzeitigem Kenntnisstand dahin konkretisiert, dass in den - wenigen - in NRW durchgeführten Rechtshilfeersuchen diese bis zu ihrer Erledigung zehn bis zwölf Monate dauerten. Wieso das Amtsgericht eine Wartezeit von 18 - 24 Monaten angenommen hat, ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht ersichtlich. Nach Ansicht des Senats ist eine Erledigungsdauer in diesem Rahmen, d. h. bis zu einem Jahr, für das vorliegende Verfahren noch angemessen und der Antragstellerin zumutbar. Dafür sprechen die besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhalts. Zum einen handelt es sich mit dem Zahlungsantrag um eine gewöhnliche vermögensrechtliche Streitigkeit, und nicht um ein Eilverfahren. Zum anderen ist das Rechtshilfeverlangen an einen asiatischen Staat zu richten, mit dem ein Rechtshilfeabkommen nicht besteht, was für sich schon eine längere Dauer eines Rechtshilfeersuchens zur Folge hat. Immerhin hat der Gesetzgeber schon bei einer vertraglichen Regelung eine Dauer bis zu acht Monaten als noch zumutbar angesehen (s. Art. 17 Abs. 2 des deutsch-tunesischen Rechtshilfevertrags). In Anbetracht der besonderen Erschwernisse im vorliegenden Fall ist es der Antragstellerin zuzumuten, die zu erwartende Dauer von 10 bis 11 Monaten für die Zustellung der Antragsschrift und der Entscheidung abzuwarten. Soweit in der Literatur eine kürzere Zustellungsfrist als angemessen betrachtet wird, liegen dem allgemeine Überlegungen als Richtschnur für Durchschnittsfälle zugrunde, die die Besonderheiten eines Falles nicht berücksichtigen. Der Senat sieht sich deshalb nicht gehindert, in diesem Fall eine längeren Frist von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen, so dass eine Zustellung in Thailand hätte versucht werden müssen.

Im übrigen leidet die durchgeführte öffentliche Zustellung auch deshalb an einem Verfahrensmangel - ihre Zulässigkeit unterstellt -, weil sie dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht hinreichend Rechnung getragen hat.

Da die Anschrift des Antragsgegners in Bangkok bekannt war, hätte dieser durch einfachen Brief, durch Einschreiben mit Rückschein, Telefax oder durch eine e-mail über die öffentliche Zustellung in Kenntnis gesetzt werden müssen. Diese Information neben der öffentlichen Zustellung wird einhellig verlangt, wenn die Anschrift des Antragsgegners oder Beklagten im Ausland bekannt ist (OLG Köln, a.a.O:, AG Bonn, a.a.O., MünchKomm/Wenzel, a.a.O., Musielak/Wolst, a.aO.). Nur auf diese Weise kann die materielle Gewährung des rechtlichen Gehörs des Antragsgegners ausreichend gewährleistet werden. Selbst bei Schwierigkeiten der Übermittlung von Postsendungen an die Adresse in Bangkok, wie die Antragstellerin geltend macht, hätte das erstinstanzliche Gericht eine Mitteilung per Telefax oder über die zu erfragende e-mail -Adresse hinausgeben können.

Der Zustellungsmangel ist nicht gemäß § 189 ZPO geheilt worden, da der Beschluss vom 31.01.2007 dem Antragsgegner nicht auf andere Weise durch das Gericht mit Zustellungswillen zur Kenntnis gebracht worden ist.

2.

Die unter Verstoß gegen § 185 Nr. 2 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung der Antragsschrift und des Beschlusses vom 31.01.2007 hat keine Zustellungsfiktion zur Folge. Mithin bedarf es auch keiner Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist, so dass es auf das Vorliegen der Wiedereinsetzungsvoraussetzungen - entgegen der Meinung des Landgerichts - nicht ankommt. Vielmehr wird durch die unzulässig bewilligte öffentliche Zustellung der Entscheidung des Amtsgerichts die Frist für die sofortige Beschwerde nicht in Gang gesetzt (so ausdrücklich BGH, NJW 2002, 827 unter Bezug auf BVerfG, NJW 1988, 2361). Dies gilt jedenfalls für eine Fallgestaltung, bei der die Anordnung der öffentlichen Zustellung auf einem Fehler des Gerichts beruht.

Die mit Schreiben vom 23.09.2007 eingelegte sofortige Beschwerde ist demnach rechtzeitig eingegangen.

3.

Dem Senat ist eine Entscheidung in der Sache verwehrt, da die Antragstellerin nach Teilerledigterklärung ihren Antrag wird überprüfen müssen.

Zu Recht ist das Landgericht in seinen - hilfsweise angeführten - Überlegungen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsgegner die geltend gemachten Wohngeldbeträge aufgrund des am 29.06.2005 mit Mehrheit gefassten Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft schuldet. Voraussetzung dieser Verpflichtung ist allein eine entsprechende Beschlussfassung der Gemeinschaft, wie sie hier vorliegt. Mit dieser Beschlussfassung wurden der Spitzenbetrag aus der Jahresabrechnung 2004 wie auch die Wohngeldzahlungen für 2006 fällig gestellt. Die Verpflichtung zu monatlichen Zahlungen auf das Wohngeld 2005 wurde bereits mit Beschluss vom 28.06.2004 begründet. Für die Wirksamkeit der Wohngeldverpflichtungen spielt es keine Rolle, ob der Antragsgegner Kenntnis von der Beschlussfassung und der Abrechnung bzw. des Wirtschaftsplanes hatte. Auch bedarf es keines Abrufs durch den Verwalter mehr, um die Forderungen fällig zu stellen. Vielmehr haben die Wohnungseigentümer - inzwischen bestandskräftig - beschlossen, dass die Abrechnungsergebnisse für 2004 sofort und die Wohngeldvorauszahlungen ab dem 01.01.des betreffenden Jahres fällig sind. Dies ergibt sich aus TOP 4 und TOP 5 der Versammlung vom 29.06.2005, dessen Protokoll der Antragsgegner in diesem Verfahren hätte einsehen können.

Soweit er darüber hinaus eine Zahlung im Januar 2004 auf diese Forderungen geltend macht, liegt diese zeitlich vorher und kann schon deshalb nicht auf die erst im Juni 2005 begründeten Forderungen bzw. auf Wohngeldforderungen für 2005 geleistet worden sein.

Der Sachverhalt bedarf jedoch weiterer Aufklärung, soweit die Antragstellerin eine Teilerledigung erklärt hat, der sich der Antragsgegner nicht widersetzt hat, und soweit die Antragstellerin Zinsen bereits ab August 2005 verlangt.

Der Antragstellerin stehen Zinsen erst ab Rechtshängigkeit zu, somit ab 13.09.2007. Zu diesem Zeitpunkt hat der Antragsgegner erstmals Kenntnis von dem Beschluss vom 31.01.2007 und damit auch von der Antragsschrift erhalten.

Ein früherer Zinsbeginn lässt sich nicht aus der Teilungserklärung herleiten. Zwar sieht diese für die Wohngeldvorschüsse 8 % Zinsen bei Verzug des Wohnungseigentümers vor (§ 11 Nr. 2). Einer Mahnung bedurfte es für die ab dem Dritten eines Monats fälligen Wohngeldbeträge gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ebenso wenig wie für den Abrechnungsbetrag 2004, der bis zum 1.8.2005 zu leisten war. Verzugszinsen setzen weiterhin voraus, dass der Wohnungseigentümer schuldhaft nicht leistet, § 286 Abs. 4 BGB. Der Antragsgegner beruft sich in diesem Zusammenhang mit Erfolg auf seine Unkenntnis vom Wirtschaftsplan bzw. der Jahresabrechnung. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass dem in Bangkok lebenden Antragsgegner die Jahresabrechnung 2004 oder die Wirtschaftspläne 2005 und 2006 mitgeteilt worden sind, was zumindest über den e-mail-Kontakt möglich gewesen wäre, so dass die Nichtzahlung unverschuldet war.

Da die Antragstellerin bei der Teilerledigterklärung, deren Grundlage erfolgreiche Pfändungen sind, die Tilgungen auch auf - nach dem oben Dargelegten - nicht geschuldete Zinsen verrechnet hat, bedarf ihre Abrechnung vom 06.03.2008 insoweit der Überprüfung und ihr Sachantrag einer Neuformulierung.

Für das weitere Verfahren sind die Beteiligten darauf hinzuweisen, dass die durch die Pfändungen eingegangenen Zahlungen zwar mit angefallenen Gerichtskosten verrechnet werden dürfen, nicht aber mit vermeintlichen Zinsen, die vor dem 13.09.2007 entstanden sein sollen. Die Zinshöhe von 8 %, die die Teilungserklärung bei verspäteter Zahlung des Wohngeldes vorsieht, dürfte auch für Prozesszinsen gelten.

Das Landgericht wird ferner auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Dem bedürftigen Antragsteller ist für das Verfahren der Rechtsbeschwerde, das zunächst zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt, Prozesskostenhilfe zu gewähren, §§ 14 FGG, 114, 115 ZPO.

Ende der Entscheidung

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