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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 07.04.2000
Aktenzeichen: 16 Wx 32/00
Rechtsgebiete: WEG, ZPO, FGG, BGB


Vorschriften:

WEG § 45
WEG § 22
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 14
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1 S. 1
WEG § 48 Abs. 3
ZPO § 355 Abs. 1
ZPO § 398
FGG § 47
FGG § 29
FGG § 12
FGG § 15
BGB § 1004 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 32/00 2 T 254/98 WEG LG Aachen 12 UR II 150/97 WEG AG Aachen

In dem Wohnungseigentumsverfahren

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr.Ahn-Roth und Reinemund am 7. April 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 20.1.2000 - 2 T 254/98 WEG - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

Geschäftswert für das Verfahren der Rechtsbeschwerde: 6.000,- DM

Gründe

I.

Die Antragsteller als Eigentümer der Wohnung 1 der betroffenen Wohnungseigentumsanlage begehren von dem Antragsgegner als Eigentümer der Wohnung 4 die Wiederherstellung eines in der Wohneinheit 4 und im Dachgeschoß befindlichen 4-zügigen Kamins, den der Antragsgegner im Zuge des Ausbaus der Wohnung 4 einschließlich des Einbaus einer Dachterrasse im September 1997 hat beseitigen lassen. Die Antragsteller berufen sich auf eine unzulässige bauliche Veränderung, für die die Zustimmung aller Eigentümer fehle. Eine "erste" Eigentümerversammlung bereits vor der Versammlung vom 13.9.1997 habe nicht stattgefunden. Der Antragsgegner macht dagegen geltend, die Entfernung des Kamins sei baulich notwendig bedingt durch den Dachterrassenausbau, dem die Antragsgegner bereits bei Ankauf ihrer Eigentumswohnung mit Vertrag vom 22.7.1996 zugestimmt hätten, verbunden mit dem Einverständnis mit damit in Zusammenhang stehenden baulichen Veränderungen. Außerdem sei die Entfernung des Kamins in einer Eigentümerversammlung vom 10.5.1996, mithin vor Erwerb der Antragsteller, einstimmig beschlossen worden.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung von Zeugen den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht den Antragsgegner entsprechend dem erstinstanzlichem Begehren zur Wiederherstellung des Kamins verurteilt, ohne eine Beweisaufnahme durchgeführt zu haben. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde.

II.

Das gem. §§ 45, 43 I Nr. 1 WEG, §§ 22, 29 FGG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache insoweit Erfolg, als unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung die Sache zurückzuverweisen ist. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts leidet an verfahrensrechtlichen Mängeln, §§ 12, 15 FGG, 355 Abs. 1, 398 ZPO. Die Beschwerdekammer hat den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt und dürfte die Frage der Glaubwürdigkeit der in erster Instanz vernommenen Zeugen nicht ohne deren wiederholte Vernehmung anders beurteilen als das Amtsgericht.

Mit Recht ist das Landgericht von einem Anspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 22 Abs.1 WEG auf Wiederaufbau des Kaminzugs ausgegangen. Die Entfernung des Kaminzuges für die Schornsteine 11 - 14 von der Oberkante Fußboden des Dachgeschosses bis zum Kaminkopf und der damit verbundene Abriß der Schornsteine 11 - 14 stellt ohne Zweifel eine auf Dauer angelegte, gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, mithin eine bauliche Veränderung iSd. § 22 Abs. 1 WEG dar ( vgl. beipielsweise Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8.Aufl., § 22 Rz. 6 und Rz. 82 je m.w.N.; OLG Celle, WuM 95, 338,339; BayObLG, DWE 86,22 ).

Durch diese bauliche Veränderung werden die übrigen Eigentümer der Wohnanlage in ihren Rechten über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Die ursprünglich vorhandenen 4 Kaminzüge ließen für die Wohnungseigentümer verschiedene Nutzungsmöglichkeiten offen, und zwar entweder unmittelbar zum Rauchabzug ( als Schornstein ) oder auf andere Weise ( beipielsweise zur Verlegung von Versorgungsleitungen zugunsten aller Eigentümer ). Zwar müßte über eine endgültige Art der Nutzung dieser Schächte durch die Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt, und zwar regelmäßig einstimmig entschieden werden, da sich jede Veränderung an den vorhandenen Kaminzügen als bauliche Veränderung darstellt, mithin auch der von den Antragstellern geplante Anschluß eines offenen Kamins der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedürfte ( vgl. OLG Frankfurt OLGZ 86, 43, 44 ) - ihnen deshalb auch nicht ohne weiteres ein Anspruch auf Anschluß eines offenen Kamins zusteht -. Gleichwohl stünde der Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzem nach wie vor die Möglichkeit einer ihren Interessen entsprechende Nutzung der Kaminzüge offen, hätte der Antragsgegner diese nicht eigenmächtig zugemauert und die Schornsteine entfernt.

Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn bereits der der Teilungserklärung zugrundeliegende Aufteilungsplan der Stadt A. vom 15.11.1995 eine bestimmte, genau festgelegte Nutzung der Kaminzüge vorsehen würde, z.B. durch Zuordnung als Sondernutzung zu einer der vier Wohnungen oder als Versorgungsschacht. Dafür fehlen nach dem bisherigen Sachvortrag jegliche Anhaltspunkte. Indes sind auch keine Feststellungen hierzu von den Vorinstanzen getroffen worden. Insbesondere ist der Aufteilungsplan, der mit der Teilungserklärung vom 27.11.1995 verbunden ist, bisher nicht eingesehen worden. Dies hätte allerdings der in § 12 FGG verankerte Grundsatz der Amtsermittlung erfordert. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen ist nämlich für die Frage, welche Nutzung für die Schornsteine 11 - 14 rechtlich zulässig ist und wem Nutzungsrechte zustehen, auf die Bestimmungen der Teilungserklärung und im einzelnen auf den Inhalt des zugrunde liegenden Aufteilungsplanes abzustellen und nicht auf die Vereinbarungen des Kaufvertrages vom 22.7.1996 und den dort beigezogenen Plänen. Letzterer regelt nur die kaufvertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten zu 1) und 2), indes nicht deren Rechte und Pflichten innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft, um die es hier im Rahmen des Wohnungseigentumsverfahrens geht ( vgl. auch § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG ).

Ob die inzwischen zugunsten des Antragsgegners für die beiden Kaminzüge 11 und 12 eingeräumte Sondernutzung verbunden mit einer Änderung der Teilungserklärung, die dieser für sich und in Vollmacht für die weiteren Eigentümer am 11.12.1997 erklärt hat ( B. 157 ff ), wirksam ist und zu seinen Gunsten das Recht begründet, die Schornsteine 11 und 12 zu entfernen, beurteilt sich danach, ob sich die Erklärungen vom 11.12.1997 im Rahmen der Vollmachtserteilungen halten und - damit zusammenhängend-, ob der Ausbau der Wohnung Nr.4, wie er mit den anderen Eigentümern anläßlich des Verkaufs der übrigen Wohnungen vereinbart worden ist, tatsächlich diese Nutzung der Kaminzüge 11 und 12 erfordert. Dies erscheint in Hinblick auf die dem Kaufvertrag mit den Antragstellern v. 22.7.1996 beigefügten Plänen zur Gestaltung des Ausbaus der Wohnung Nr. 4 ( Bl. 40, 41 ) sehr fraglich, da diese Pläne die Kaminöffnung in der ursprünglichen Größe sowohl für das Dachgeschoß wie für das Dach vorsehen. Auch diese Frage läßt sich indes nicht abschließend ohne Bezugnahme auf den Inhalt der der Teilungserklärung vom 27.11.1995 zugrunde liegenden Pläne beantworten. Selbst bei Wirksamkeit einer Änderung der Teilungserklärung erstreckte sich ein etwaiges Sondernutzungsrecht, dessen Umfang i.e. zu klären wäre, lediglich auf 2 Kaminzüge, nicht auf alle 4 entfernten.

In Zusammenhang mit diesen Erwägungen steht weiter die Frage, ob das Begehren der Antragsteller rechtsmißbräulich sein kann, weil sie aufgrund der Teilungserklärung sowie ihrer vertraglichen Verpflichtungen verpflichtet sein könnten, einer Änderung der ursprünglichen Teilungserklärung im Sinne des Antragsgegeners zuzustimmen. Wenngleich hierfür derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte vorliegen, läßt sich dies ebenfalls erst nach vollständiger Aufklärung des Zustandes entscheiden, der zur Zeit der Teilung des Wohneigentums bestand.

Nach dem jetzigen Verfahrensstand - vorbehaltlich des Ergebnisses einer vollständigen Aufklärung des Sachverhalts - hat der Antragsgegner mit der Veränderung der Schornsteine eine bauliche Veränderung vorgenommen, die für die übrigen Eigentümer nachteilig nach §§ 22 Abs. 1 S. 1 und 2 iVm. 14 WEG ist, so dass diese nur wirksam ist, wenn sie mit Zustimmung aller Eigentümer erfolgt ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn bei der behaupteten Eigentümerversammlung v. 10.5.1996, d.h. vor dem Erwerb des Wohneigentums durch die Beteiligten zu 1) und 4), einstimmig diese Maßnahme des Beteiligten zu 2) gebilligt worden wäre. Eine spätere Zustimmung ist nicht erfolgt.

Das Amtsgericht hat zu der Frage, ob eine solche Eigentümerversammlung stattgefunden hat, im Wege dese "Strengbeweises" eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt. Will die Beschwerdekammer das Ergebnis dieser Beweisaufnahme aus Grunden der Glaubwürdigkeit einer Zeugin abweichend beurteilen, so gilt auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, § 355 Abs.1 ZPO. Das Landgericht hat - mit guten Gründen - dargelegt, warum durchgreifende Zweifel dagegen sprechen, dass bereits am 10.5.1996 eine Eigentümerversammlung stattgefunden hat, und der Zeugin Frantzen, die die Durchführung dieser Eigentümerversammlung bestätigt hat, letzlich nicht geglaubt. Nach den Grundsätzen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme hätte die Beschwerdekammer allerdings die vom Amtsgericht vernommenen Zeugen, insbes. die Zeugin Frantzen, erneut vor der Kammer hören müssen, um sich auch unter dem persönlichen Eindruck eines jeden Zeugen ein eigenes Urteil zur Frage bilden zu können, ob die bestrittene Eigentümerversammlung tatsächlich stattgefunden hat, § 398 ZPO ( zum FGG-Verfahren : OLG Zweibrücken, OLGZ 89, 295; Keidel/Kuntze/Kahl, FGG, 14.Aufl., § 23 Rz. 8 ; zur ZPO in ständ. Rspr. BGH, NJR-RR 89,380; NJW 88,484; 82,1052 ).

Somit kann die Beweiswürdigung des Beschwerdegerichts keinen Bestand haben und ist unter Beachtung der in § 355 Abs. 1 ZPO niedergelegten Grundsätze erneut durchzuführen, wobei zugleich die oben erwähnte Sachaufklärung zum Zustand der Wohnanlage im Zeitpunkt der Teilung sowie zum Inhalt der der Teilungserklärung beigefügten Pläne erfolgen kann.

Das Landgericht wird darüberhinaus über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben, § 47 FGG.

Die Entscheidung über den Geschäftswert folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und steht in Einklang mit der nicht beanstandeten Festsetzung in den vorangegangenen Instanzen.

Ende der Entscheidung

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