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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.06.2002
Aktenzeichen: 16 Wx 41/02
Rechtsgebiete: AuslG, FEVG


Vorschriften:

AuslG § 42 Abs. 1
AuslG § 69 Abs. 3
AuslG § 103 Abs. 2
AuslG § 44 Abs. 1 Nr. 3
FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 41/02

In der Freiheitsentziehungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 19.06.2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10.03.2000 - 3 T 12/00 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene reiste erstmals am 13.05.1990 in die Bundesrepublik ein und stellte einen Asylantrag, der seit dem 20.10.1992 bestandskräftig abgelehnt ist. Da er am 11.05.1992 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte, erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis, die letztmalig am 04.04.1996 bis zum 03.04.1998 verlängert wurde. Ebenfalls unter dem 04.04.1996 wurde in der Ausländerakte vermerkt, dass der Betroffene im Mai wegen einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wieder vorsprechen werde, und es wurde ein "Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ausgefüllt, der am 20.05.1996 um den Vermerk ergänzt wurde, dass der Reisepass der Ehefrau vorgelegen habe.

Von Mai 1996 bis zum 08.03.1999 befand sich der Betroffene in Belgien in Strafhaft. In dieser Zeit reichte seine Ehefrau einen Antrag auf Scheidung der Ehe ein, die inzwischen erfolgt ist. Ferner teilte die Ausländerbehörde ihm über seinen damaligen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 08.09.1997 mit, dass die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis gem. § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erloschen sei, da er sich seit mehr als 6 Monaten nicht mehr im Bundesgebiet aufhalte.

Mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 28.07.1999 ließ der Betroffene ohne Angabe einer Anschrift mitteilen, dass er am 08.03.1999 aus der Haft entlassen sei. Daraufhin wurde er durch die Ausländerbehörde zur Fahndung und Festnahme ausgeschrieben. Am 10.01.2000 wurde er dann bei der Einreise von Deutschland in die Niederlande von den niederländischen Behörden festgehalten und der Grenzschutzinspektion Aachen überstellt. Bei der Festnahme benutzte der Betroffene einen Pass auf den Namen O..

Am 11.01.2000 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen für die Dauer von drei Monaten Sicherungshaft angeordnet, nachdem er zuvor Gelegenheit zu einer telefonischen Rücksprache mit seinem Verfahrensbevollmächtigten erhalten und er anschließend keine Angaben zur Sache gemacht hatte. Mit der gegen den Haftanordnungsbeschluss gerichteten sofortigen Beschwerde erklärte sich der Betroffene bereit, nunmehr Angaben zur Sache machen zu wollen. Das Landgericht hat daraufhin den Betroffenen, der in der JVA Büren einsaß, durch das Amtsgericht Paderborn anhören lassen und anschließend mit Beschluss vom 10.03.2000, auf den Bezug genommen wird, das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Am 23.03.2000 wurde der Betroffene aufgrund einer entsprechenden Anordnung des Verwaltungsgerichts Aachen vom gleichen Tag aus der Haft entlassen. Eine am 29.03.2000 eingereichte weitere sofortige Beschwerde hat der seinerzeit zuständige 9. Zivilsenat des hiesigen Oberlandesgerichts unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1998, 2829) mit Beschluss vom 04.07.2000 als unzulässig verworfen, weil wegen der Haftentlassung kein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen an einer Sachentscheidung mehr bestehe. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - , auf den ebenfalls verwiesen wird, aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen (BVerfG DVBl. 2002, 688 = InfAuslR 2002, 132).

Der Betroffene vertritt die Meinung, dass die Anordnung der Haft unzulässig gewesen sei, weil er wegen seines nicht beschiedenen Antrags auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis eine durch den Aufenthalt in Belgien nicht erloschene fiktive Aufenthaltserlaubnis nach § 69 Abs. 3 AuslG gehabt habe und weil er nicht die Absicht gehabt habe, sich der Abschiebung durch Flucht zu entziehen. In diesem Zusammenhang rügt er, dass die Befragung durch den ersuchten Richter zu einer etwaigen Entziehungsabsicht unzureichend gewesen sei und die Beschwerdekammer ihn selbst hätte anhören müssen. Ferner macht er geltend, dass die Kammer in Abschiebungshaftsachen nahezu nie Anhörungen vor dem Spruchkörper durchführe.

Der Betroffene beantragt,

festzustellen, dass die Anordnung von Abschiebungshaft rechtswidrig war,

hilfsweise,

die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Antragsteller meint, dass die Haftanordnung gerechtfertigt war und der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts Aachen unzutreffende tatsächliche Annahmen zugrunde gelegen hätten.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27, 29 FGG zulässig; insbesondere hat der Betroffene trotz der Haftentlassung vor Einlegung des Rechtsmittels ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung, dass die Haftanordnung rechtswidrig war, wie das Bundesverfassungsgericht für den Senat bindend festgestellt hat. Hierbei legt der Senat das Begehren des Betroffenen dahin aus, dass sich die von ihm begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht nur auf die Haftanordnung, sondern auch auf die Aufrechterhaltung der Haft durch das Landgericht bezieht, da insoweit wegen seiner ursprünglichen Weigerung, sich zur Sache zu äußern, unterschiedliche Ergebnisse in Betracht kommen können.

Das rechtlich geschützte Interesse des Betroffenen an einer Sachentscheidung führt weiter dazu, dass der Senat dann, wenn die Voraussetzungen für eine eigene Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht vorliegen, also die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung anhand der bisherigen Aktenlage nicht möglich sein sollte, die Sache schon von Amts wegen - entsprechend dem Hilfsbegehren des Betroffenen - an das Landgericht zurückverweisen müsste.

In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg. Weder die Anordnung noch die Aufrechterhaltung der Haft waren rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Sicherungshaft lagen - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - vor. Es bestand der Haftgrund der vollziehbaren Ausreisepflicht auf Grund einer unerlaubten Einreise (§ 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG).

1. Der Betroffene war gem. § 42 Abs. 1 AuslG ausreisepflichtig, da er eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr besaß. Sein Asylgesuch war bestandskräftig abgelehnt worden und seine - ohnehin nach der Inhaftierung in Belgien widerrufene - bis zum 03.04.1998 befristete Aufenthaltsgenehmigung war abgelaufen.

Zutreffend ist auch die Auffassung des Landgerichts, dass der Aufenthalt des Betroffenen nach der Rückkehr aus Belgien nicht mehr gem. § 69 Abs. 3 AuslG als erlaubt galt.

In tatsächlicher Hinsicht ist zwar davon auszugehen, dass der Betroffene im Mai 1996 einen Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung gestellt hat und dieser noch nicht beschieden war. Die hierdurch erlangte fiktive Aufenthaltsgenehmigung ist indes in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 1 AuslG erloschen. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts und des Verwaltungsgerichts Aachen in der ersten der verschiedenen in dieser Sache ergangenen Eilentscheidungen ((Beschluss vom 08.03.2000 - 8 L 101/00 -, insoweit in InfAuslR 2000,227 nicht abgedruckt), dass die unmittelbar nur für erteilte Aufenthaltsgenehmigungen geltende Norm des § 44 Abs. 1 AuslG entsprechend anzuwenden ist; denn die Rechtmäßigkeitsfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG kann keine stärkere Rechtsposition als eine erteilte Genehmigung verschaffen (ebenso OVG Hamburg, NVwZ-RR 1996, 709; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht § 69 Rdn. 10 und zu der gleichen Rechtslage aufgrund des AuslG 1965 - dort §§ 21 Abs. 3 S. 1, 9 Abs. 1 - bereits BVerwG DVBl. 1978, 888 = NJW 1979, 505, die mit der Neufassung übernommen wurde, vgl. BT-Drucksache 11/6321 S. 80). Die Auffassung von Renner (AuslG, 7. Auflage, § 69 Rdn. 12) stützt die gegenteilige Rechtsauffassung des Betroffenen nicht. Wenn er ausführt, dass die fiktive Aufenthaltserlaubnis bei Ausreise nicht erlösche, so handelt es sich lediglich um eine verkürzte und schlagwortartige Wiedergabe dessen, was das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O.) zur früheren Rechtslage ausgeführt hat und sich jetzt aus § 44 Abs. 1 AuslG ergibt. Nach dieser Norm führt die Ausreise gerade noch nicht zu einem Erlöschen einer Aufenthaltsgenehmigung. Vielmehr sind hierfür weitere Voraussetzungen erforderlich, nämlich dass entweder die Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund erfolgt (Ziff. 2.) oder aber dass der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist (Ziff. 3.).

Offen bleiben kann es, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Nr. 2 AuslG vorliegen, nachdem der Betroffene zum Grund seiner Inhaftierung in Belgien bei seiner Anhörung durch den ersuchten Richter lediglich ausweichend erklärt hat, er habe jemandem "geholfen" und man aufgrund seines Vortrags in dem Verfahren 8 L 328/00 VG Aachen (dort Bl. 38), er habe zwei Personen nach Belgien gefahren, von denen er angenommen habe, dass sich dort legal hätten aufhalten dürfen, lediglich vermuten kann, dass es um ein von der belgischen Justiz als Einschleusen bewertetes Delikt ging. Jedenfalls ist nämlich - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - die fiktive Aufenthaltsgenehmigung nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erloschen, da der Betroffene nach seiner Ausreise nicht innerhalb von sechs Monaten wieder eingereist ist. Darauf, ob der ursprüngliche Ausreisegrund seiner Natur nach nur ein vorübergehender war, kommt es bei dieser Alternative nicht an.

2. Da nach alldem keine Aufenthaltsgenehmigung mehr bestand, war die Einreise des Betroffenen aus Belgien unerlaubt (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1. AuslG), und damit auch seine Ausreisepflicht vollziehbar (§ 42 Abs. 2 Ziff. 1 AuslG).

Auf etwaige weitere Abschiebungsvoraussetzungen oder Abschiebungshindernisse kommt es für die Haftanordnung oder Aufrechterhaltung der Haft nicht an. Dies gilt entgegen der Meinung des Betroffenen insbesondere auch für die im vorliegenden Fall von dem Verwaltungsgericht für erforderlich angesehene Abschiebungsandrohung nach § 50 AuslG (vgl. Renner a.a.O. § 57 Rdn. 13). Insoweit besteht vielmehr eine Bindung des Haftrichters an Entscheidungen der Verwaltungsbehörde, die nur der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen (vgl. z. B. OLG Naumburg FGPrax 2000, 211; VG Aachen Beschluss vom 08.03.2000 - 8 L 101/00 - InfAuslR 2000,227). Für den Haftrichter werden etwaige weitere Voraussetzungen bzw. Abschiebungshindernisse und hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidungen allerdings dann relevant, wenn sich hieraus ergibt, dass der Betroffene seiner Ausreisepflicht ledig oder die Durchführung seiner Abschiebung für längere Zeit oder auf Dauer gehindert wird, insbesondere abzusehen ist, dass eine Abschiebung innerhalb der Frist des § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG nicht möglich sein wird. Ob und inwieweit dies der Fall ist, ist vom Haftrichter in jeder Lage des Verfahrens zu überprüfen (vgl. BVerfG AuAS 2001, 54 = NVwZ-Beilage I 2001, 26; Senatsbeschluss vom 05.10.1993 - 16 Wx 179/93 - InfAuslR 1994, 54).

Vorliegend hat das Landgericht es zwar unterlassen, sich vor seiner Entscheidung vom 10.03.2000 nach dem Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens 8 L 101/00 VG Aachen zu erkundigen, von dessen Anhängigkeit es durch eine Bitte um Übersendung der Ausländerakte und einen Anruf vom 24.02.2000 bei der Geschäftsstelle des Landgerichts erfahren hatte. Die fehlende Sachaufklärung in diesem Punkt hat indes letztlich keine Auswirkungen. Zwar hatte das Verwaltungsgericht bereits am 08.03.2000 unter Zurückweisung weitergehender Anträge dem Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Betroffenen abzuschieben. Diese Entscheidung war indes alleine darauf gestützt, dass es für eine Abschiebung noch an einer rechtlichen Voraussetzung, nämlich einer im vorliegenden Fall nicht entbehrlichen Abschiebungsandrohung nach § 50 AuslG fehle und die Abschiebung auch tatsächlich unmöglich sei, weil der Betroffene noch nicht im Besitz eines Passes oder Passersatzpapiers sei. Da es sich hierbei um normalerweise leicht und relativ schnell zu behebende Gesichtspunkte handelt, wie auch der Umstand zeigt, dass nach den Darlegungen des Antragstellers vor dem geplanten Abschiebungstermin vom 24.03.2000 ein Passersatzpapier vorgelegen hat und der Antragsteller am 16.03.2000 eine Abschiebungsandrohung verfügt hat, ergab sich aus dieser verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidung gerade nicht, dass eine Abschiebung innerhalb der Frist des § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG unmöglich sein würde. Dass die Abschiebungsandrohung hinterher nicht zugestellt und damit nicht wirksam werden konnte, war seinerzeit nicht absehbar.

3. Sowohl die Anordnung wie auch die Aufrechterhaltung der Haft waren zur Sicherung der Abschiebung erforderlich.

Nach dem Wortlaut des § 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 AuslG reicht zwar bereits die Vollziehbarkeit einer Ausreisepflicht nach unerlaubter Einreise für die Haftanordnung aus. Diese Norm ist indes unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform auszulegen. Ihr Sinn und Zweck ist es ausschließlich, die Abschiebung zu sichern. Will sich der Ausländer im Einzelfall offensichtlich nicht der Abschiebung entziehen, ist allein die Erfüllung der tatbestandlichen Merkmale nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht geeignet, um zwingend die Rechtsfolge der Anordnung der Sicherungshaft auszulösen; denn die Haft ist in derartigen Fällen zur Sicherung der Abschiebung nicht erforderlich (vgl. BVerfG, NVwZ Beilage 8, 1994, 57 = InfAuslR 1994, 341; BayObLG InfAuslR 2001, 177).

a) Das Bestehen konkreter Anhaltspunkte für eine Entziehungsabsicht und damit für die Erforderlichkeit der Haft zur Sicherung der Abschiebung hat das Landgericht daraus hergeleitet, dass der Betroffene sich zwar um die Regelung seines aufenthaltsrechtlichen Status gekümmert habe, indes die Korrespondenz mit den Ausländerbehörden über seine Anwälte ohne Offenbarung seiner Adresse erfolgt sei, dass er seine Haftentlassung vom 08.03.1999 erst mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 28.07.1999 mitgeteilt habe und dass entscheidend hinzu komme, dass er beim Aufgreifen einen falschen Pass benutzt und dadurch versucht habe, die Behörden über seine tatsächliche Identität und seine Ausreiseverpflichtung zu täuschen.

Die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen, die das Landgericht seiner Bewertung zugrunde gelegt hat, wird auch von dem Betroffenen nicht in Abrede gestellt. In ihrer Gesamtheit tragen sie zweifelsohne den Schluss der Erforderlichkeit der Haft. Es handelt sich um typische Verhaltensweisen einer Person, die sich der Abschiebung entziehen will, so dass selbst die positive Feststellung einer Entziehungsabsicht und damit auch des Haftgrundes des § 57 Abs. 1 Nr. 5 AuslG möglich gewesen wäre (vgl. zur Identitätstäuschung z. B. BayObLG AuAS 1996, 89; OLG Celle InfAuslR 1994, 149a).

b) Die vorstehenden Feststellungen des Landgerichts sind auch verfahrensfehlerfrei zustande gekommen; insbesondere war es nicht rechtsfehlerhaft, von einer Anhörung des Betroffenen durch die Kammer abzusehen.

Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG scheidet aus, weil der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zunächst vor dem Amtsgericht und im Beschwerdeverfahren vor dem ersuchten Richter sowie schriftlich über seinen Verfahrensbevollmächtigten zu äußern. Auch hat er seine Angaben während des Anhörungstermins durch eine eigene - englischsprachige - schriftliche Äußerung vom 16.02.2000 ergänzt. Die aus § 5 Abs. 1 S. 1 FEVFG i. V. m. § 12 FGG folgende Pflicht zur mündlichen Anhörung des Betroffenen gehört zwar zu den nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG geforderten und mit grundrechtlichem Schutz versehenen Verfahrensgarantien. Weder nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG noch sonst ist es indes von Verfassungs wegen geboten, eine von einer Freiheitsentziehung betroffene Person, die bereits in erster Instanz Gelegenheit hatte, sich mündlich vor dem Richter zu äußern, in der Beschwerdeinstanz erneut anzuhören (vgl. BVerfG NJW 1984, 1025). Die Pflicht des Beschwerdegerichts zur erneuten Anhörung des Betroffenen dient daher primär der Sachaufklärung, und es kann von einer erneuten Anhörung dann abgesehen werden, wenn mit Sicherheit davon ausgegangen kann, dass die Anhörung keine neuen Erkenntnisse bringen wird (Senat in st. Rspr., z. B. Beschluss vom 11.01.2002 - 16 Wx 283/01 - vgl. weiter BGH NJW 1995, 2226; BayObLG InfAuslR 1999, 239; Senatsbeschluss vom 09.03.2001 - 16 Wx 33/01 -; OLG Celle Nds.Rpfl. 1995, 214; OLG Düsseldorf NVwZ-Beil. 1996, 31 = InfAuslR 1996, 146; OLG Frankfurt OLGR 1996, 105 = NVwZ-Beil. 1996, 40; OLGR 1998, 71 = NVwZ-Beil. 1998, 24 = InfAuslR 1998, 114; OLG Hamm FGPrax 1997, 77 = NVwZ-Beil. 1997, 39; KG KGR 1999, 110).

Vorliegend war zwar ein ausnahmsweises Absehen von einer erneuten Anhörung nicht möglich, nachdem der Betroffene angekündigt hatte, Angaben zu Sache machen zu wollen. Die Kammer hat indes auf die Ankündigung reagiert und eine erneute Vernehmung durch den für den Haftort zuständigen Richter des Amtsgerichts Paderborn angeordnet. Dies hat sie - so das nach Beratung verfasste Schreiben des Vorsitzenden vom 14.02.2000 an den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen auf dessen Gegenvorstellung hin - damit begründet, dass sie unter Einbeziehung des Umstandes, dass auch die Beschwerdebegründung keine konkreten Angaben darüber enthielt, wann und wie der Betroffene nach der Verbüßung seiner Strafhaft in Belgien in das Bundesgebiet einreiste, wo er sich seit seiner Einreise aufgehalten hatte und was er bezüglich seines künftigen Aufenthaltes plante, Zweifel daran habe, ob der Betroffene nunmehr wirklich aussagen wolle. Sollten konkrete Angaben erfolgen und es für deren Bewertung auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Betroffenen ankommen, werde die Kammer unverzüglich eine weitere - unmittelbare - Anhörung durchführen.

Diese Verfahrensweise und die Erwägungen, die ihr zugrunde liegen, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar sollen nach dem Rechtsgedanken des § 70c FGG in Freiheitsentziehungssachen Anhörungen normalerweise nicht durch den ersuchten Richter erfolgen. Indes handelt es sich bei den oben genannten Erwägungen um Gesichtspunkte mit sachgerechten Anknüpfungspunkten, welche ein Absehen von der Notwendigkeit einer Anhörung vor der Kammer oder evtl. einem Kammermitglied als beauftragtem Richter, im Rahmen einer Rechtskontrolle nicht als verfahrensfehlerhaft erscheinen lassen.

Im Rahmen seiner Anhörung durch den ersuchten Richter hat der Betroffene zwar Angaben gemacht, ist aber gerade zu Punkten, die für eine etwaige Entziehungsabsicht relevant werden konnten und zu denen er nach dem Inhalt des Protokolls entgegen den Darlegungen im Rechtsbeschwerdeverfahren befragt worden ist, bei allgemein gehaltenen und daher weder zu widerlegenden, noch zu verifizierenden Erklärungen geblieben, etwa dass er den bei der Festnahme gebrauchten Pass auf den Namen O. im März 1999 in "einem Club in Aachen gefunden" haben will, dass er in Belgien inhaftiert worden sei, weil er dort "jemandem geholfen" habe und dass er sich nach seiner Einreise mit dem Zug "zu einem Freund in Aachen" begeben habe. All dies konnte dem Betroffenen geglaubt werden und auf einen persönlichen Eindruck durch die Kammer kam es nicht an. Eine ergänzende Vernehmung vor dem Spruchkörper wäre daher nur dann erforderlich gewesen, wenn Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass der Betroffene sich nunmehr konkreter äußern werde. Dies war indes nicht der Fall. Weder seinem Schreiben vom 16.02.2000, noch dem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 07.03.2000 ließ sich eine entsprechende Erwartung entnehmen.

Darauf, wie die Praxis der Kammer bei Anhörungen des Betroffenen ist, wozu der Senat wegen der relativ seltenen Rechtsbeschwerden in Abschiebungshaftsachen aus dem Landgerichtsbezirk Aachen keine eigene Beurteilungsgrundlage hat, kommt es für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren angesichts der einzelfallbezogenen Begründung für die Vernehmung durch den ersuchten Richter nicht an. Entscheidend ist es nur, ob die Verfahrensweise im vorliegenden Fall verfahrensfehlerhaft ist, was nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall ist. Den Beweisanregungen des Betroffenen zur allgemeinen Verfahrensweise der Kammer brauchte daher nicht nachgegangen zu werden.

c) Gesichtspunkte schließlich, welche die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Haft aus sonstigen Gründen als unverhältnismäßig erscheinen lassen, sind nicht erkennbar, nachdem der Betroffene nicht bereit war, sich konkret zu seinen Lebensumständen zu äußern.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 14, 15 FEVG, § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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