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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.05.2005
Aktenzeichen: 16 Wx 52/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 III
WEG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 52/05

In dem Wohnungseigentumsverfahren

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Jennissen, Appel-Hamm und Wurm am 30.05.2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 09.03.2005 wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 08.02.2005 (29 T 244/04) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner vom 24.09.2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 16.09.2004 (35 II 127/04) wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Antragsgegner zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 50.000 €

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft I-Straße 10 in T. Hinsichtlich der Wohnung der Antragsgegner bestimmt § 8 Ziffer 2 der Teilungserklärung vom 13.01.1988 folgendes:

"Der jeweilige Eigentümer der Wohnung Nr. 4 hat das ausschließliche Recht, das derzeitige Flachdach - nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften - ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer so auszubauen, dass eine andere Dachform entsteht, die gegebenenfalls ein zusätzliches Wohngeschoss ermöglicht. Die neu entstehenden Räume sind sodann Bestandteil der Wohnung Nr. 4. Andererseits trägt der Berechtigte alle Kosten des Aus- und Umbaus allein, ebenso schon jetzt die laufenden Erhaltungs- und Unterhaltungskosten für das Dach. Entsprechendes gilt für den Anbau eines Balkons an die Wohnung Nr. 4 mit Stützen."

Die Antragsgegner beabsichtigen, auf dem Flachdach ihrer Wohnung Nr. 4 ein Staffelgeschoss mit zwei begehbaren Dachterrassen und einem Geländer aufzusetzen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin. Sie meint, aufgrund der vorgenannten Vereinbarung sei die Antragsgegnerin zu derart weitreichenden Baumaßnahmen nicht berechtigt. Die Antragstellerin ist der Auffassung, die von ihr beabsichtigte Aufstockung des Gebäudes sei von der Formulierung in § 8 Ziffer 2 der Teilungserklärung gedeckt.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 16.09.2004 den Anträgen der Antragstellerin auf Unterlassung der Baumaßnahmen stattgegeben. Das Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner mit Beschluss vom 08.02.2005 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die nach §§ 45 Abs. 1 WEG, 22, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegner einen Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigten Baumaßnahmen aus §§ 1004 I BGB, 15 III WEG.

Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Zu Unrecht hat das Landgericht die von den Antragsgegnern beabsichtigten Baumaßnahmen für zulässig erachtet. Denn der geplante Ausbau des Dachgeschosses ist von § 8 Ziffer 2 der Teilungserklärung nicht gedeckt, so dass es einer Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 22 WEG bedurfte, die hier jedoch nicht vorliegt.

Entscheidend für die Auslegung des Inhalts einer Teilungserklärung sind die für die Auslegung von Grundbucheintragungen entwickelten Grundsätze, da die Teilungserklärung durch die zulässige Bezugnahme im Eintragungsvermerk Teil des Grundbuches geworden ist. Danach ist für die Auslegung maßgebend der Wortlaut der Eintragung und sein Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH NJW 1967, 1611; NJW 1991, 1613; NJW 1993, 1329; OLG Hamburg NZM 2003, 109, 111). Die Auslegung einer Teilungserklärung kann auch vom Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang selbst vorgenommen werden, an die Auslegung der Vorinstanzen ist es nicht gebunden.

Die Auslegung der Bestimmung des § 8 Nr. 2 in der Teilungserklärung hat sich daran zu orientieren, dass die vorweggenommene Erlaubnis zum Ausbau des Dachgeschosses dem gesetzlichen Leitbild des § 22 WEG widerspricht, wonach grundsätzlich bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, von der ausdrücklichen Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu der konkret bestimmten Baumaßnahme abhängen. Eine Bestimmung in der Teilungserklärung, die eine an sich erforderliche Zustimmung entbehrlich macht, muss daher eng ausgelegt werden und darf die Rechte des begünstigten Wohnungseigentümers nicht über den eindeutig bestimmbaren Wortlaut der Vereinbarung hinweg erweitern.

Entscheidendes Kriterium bei der Auslegung der streitigen Vereinbarung ist, dass der Ausbau so zu erfolgen hatte, dass hierdurch "eine andere Dachform" als das derzeit bestehende Flachdach entstehen sollte. Der von den Antragsgegnern beabsichtigte Ausbau entspricht dieser Vorgabe bereits deswegen nicht, weil das geplante Staffelgeschoss wiederum ein Flachdach haben soll. Auch die Schaffung neuer, selbständiger Wohneinheiten ist vom Wortlaut der Vereinbarung nicht gedeckt. Die Formulierung, dass durch die Errichtung einer anderen Dachform "gegebenenfalls" zusätzliche Wohnräume entstehen konnten, ist so zu verstehen, dass die zusätzlichen Räume gleichsam nur ein "Nebenprodukt" der neuen Dachform sein und nicht der Schaffung eigenständiger Wohneinheiten dienen sollten. Hierzu stimmig ist die weitere Formulierung in der Teilungserklärung, dass nämlich die "neu entstandenen Räume sodann Bestandteil der Wohnung Nr. 4" werden sollten. Für einen unbefangenen, objektiven Beobachter stellt sich die Sachlage damit so dar, dass die durch das Aufsetzen etwa eines Satteldaches automatisch entstehenden neuen Räume zu einer Erweiterung der Wohnfläche der Wohnung Nr. 4 führen sollten. Ein objektiver Beobachter kommt bei unbefangenem Lesen der Vereinbarung jedoch nicht auf den Gedanken, dass mit der Erlaubnis zum Ausbau selbständige, in sich abgeschlossene Wohneinheiten geschaffen werden durften. Zu Recht hat daher das Amtsgericht angenommen, die Bildung eines weiteren Baugeschosses stelle schon vom äußeren Erscheinungsbild etwas völlig anderes und weitgehenderes dar, als die "Veränderung des Flachdaches, so dass eine andere Dachform entsteht".

Dass der für das fragliche Gebäude maßgebliche Bebauungsplan nur eine Dachausführung in Form eines Flachdaches erlaubt, wie die Antragsgegner in ihrem Schriftsatz vom 23.05.2005 behaupten, ändert an diesem Ergebnis nichts: Die Teilungserklärung verlangt für den Fall des Umbaus die Schaffung einer anderen Dachform unabhängig von der - dahingestellten - baurechtlichen Zulässigkeit (""nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften"). Die öffentlich-rechtliche Einschränkung zulässiger Baumaßnahmen kann daher nicht zu einer Erweiterung der sich aus der Teilungserklärung führenden Rechte der Antragsgegner führen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, den unterlegenen Antragsgegnern die Gerichtskosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Im übrigen besteht keine Veranlassung, von dem in § 47 WEG bestimmten Kostengrundsatz abzuweichen, wonach die Verfahrensbeteiligten die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG; sie entspricht den nicht beanstandeten Wertfestsetzungen der Vorinstanzen.

Ende der Entscheidung

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