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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.04.2001
Aktenzeichen: 16 Wx 53/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, KostO, FGG


Vorschriften:

ZPO § 550
BGB § 1896
BGB § 1896 Abs. 1
Kost0 § 131 Abs. 3
FGG § 13 a
FGG § 19
FGG § 15
FGG § 68 b Abs. 1 S. 1
FGG § 28 Abs. 2
FGG § 28 Abs. 2 S. 1
FGG § 69f Abs. 3
FGG § 21 II
FGG § 29 I
FGG § 27
FGG § 19
FGG § 68 b Abs. 3 S. 1
FGG § 68 b Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 53/01 3 T 318/00 3T 323/00 LG Aachen

In dem Betreuungsverfahren

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm

am 2.April 2001

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde vom 5.3.2001 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 13.12.2000 - 3 T 318 /00 und 3 T 323/00 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Anordnung der Betreuung und Bestellung einer Betreuerin im Wege einer einstweiligen Anordnung richtet (Beschluss des Amtsgerichts vom 27.Juni 2000). Sie wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Bestimmung einer Sachverständigen sowie deren Beauftragung zur Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit gemäß Beschluss des Amtsgerichts vom 3.7.2000 wendet.

Gründe

I.

Aufgrund einer Anregung des behandelnden Arztes hat das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 27.6.2000 im Wege der einstweiligen Anordnung die Beteiligte zu 2) zur vorläufigen Betreuerin des Betroffenen für die Aufgabengebiete Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge bestimmt und die Maßnahme auf 6 Monate befristet. Mit weiterem Beschluss vom 3.7.2000 hat das Amtsgericht eine Fachärztin zur Sachverständigen bestimmt und diese mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit beauftragt. Gegen beide Entscheidungen hat der Betroffene Rechtmittel eingelegt, die das Landgericht als Beschwerden behandelt hat. Nach Einholung der Stellungnahmen des Betroffenen, seines für die 2. Instanz bestellten Verfahrenspflegers und der Betreuerin sowie der Anhörung des Betroffenen durch den Berichterstatter hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.12.2000 die Beschwerde gegen den Beschluß vom 3.7.2000 als unzulässig verworfen und die Beschwerde gegen den Beschluss vom 27.6.2000 zurückgewiesen, weil sie unbegründet sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen vom 5.3.2001, die dieser am 5.3.2001 zu Protokoll des Rechtspflegers am Landgericht Aachen erklärt hat und die inhaltlich nicht beschränkt wurde.

II.

1.

Soweit sich die weitere Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung der Betreuung wendet, ist das Rechtsmittel mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, denn die Hauptsache hat sich durch Zeitablauf am 27.12.2000 erledigt. Derzeit besteht für den Betroffenen keine Betreuung mehr.

Im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Hauptsache erledigt, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- oder Rechtslage herbeiführt, weggefallen oder gegenstandslos geworden ist. Das ist der Fall bei Beendigung einer vorläufigen Betreuung durch Zeitablauf ( vgl. BayObLG, FamRZ 93, 720; FamRZ 94,1190 m.w.N.). Vorliegend endet die nach § 69f Abs. 3 FGG vorläufige Bestellung der Betreuerin mit Ablauf der 6-Monatsfrist von selbst ( vgl. Damrau/ Zimmermann, Betreuung und Vormundschaft, 2.Aufl., § 69 f FGG, Rz. 15 ). Dasselbe gilt für die damit zusammenhängende vorläufige Betreuerbestellung nach § 69f Abs.3 FGG.

Mithin hat sich im vorliegenden Verfahren die Hauptsache erledigt, soweit Verfahrensgegenstand die Anordnung der Betreuung und die Bestellung einer Betreuerin sind. Die am 5.3.2001 eingelegte Rechtsbeschwerde war somit von Anfang an unzulässig. Die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Anordnung darf mithin nicht mehr vom Beschwerdegericht überprüft werden ( vgl. Damrau/Zimmermann, aaO., § 69f FGG, Rz. 28 b ).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht in Anbetracht der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtsschutzinteresse bei Rechtsmitteln gegen bereits abgeschlossenen Maßnahmen. Trotz Hauptsacheerledigung kann in Ausnahmefällen ein solches Rechtsmittel als zulässig angesehen werden, wenn ein nicht mehr andauernder, tiefgreifender Grundrechtseingriff vorgelegen hat und dessen direkte Belastung durch den Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt war, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozeßordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann ( BVERfG v. 30.4.1997, NJW 97, 2163; BVerfG v. 10.5.1998, NJW 98, 2432 ). Effektiver Rechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, dem Betroffenen Gelegenheit zur gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit auch des bereits beendeten Grundrechtseingriffs zu geben.

Hier ist ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben. Ob bereits ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vorliegt, ist hier sehr zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Die gesetzlich vorgesehene Zeitspanne von ( längstens ) 6 Monaten für eine vorläufige Betreuerbestellung ist jedoch zeitlich so bemessen, dass in diesem Zeitraum der Betroffene oder ein anderer Beteiligter bei typischem Verfahrensablauf eine gerichtliche Entscheidung erlangen könnte, die die Verfahrensordnung hierfür einschließlich der eröffneten Instanzen vorsieht. In 6 Monaten kann nämlich bei typischem Verfahrensgang, auf den abzustellen ist, eine vorläufige Betreuungsanordnung sowohl vom Beschwerdegericht wie vom Rechtsbeschwerdegericht überprüft werden.

Im Übrigen ist darüber hinaus ein rechtliches Interesse des Rechtsmittelführers an einer Entscheidung über die Zulässigkeit der abgelaufenen einstweiligen Anordnung auch aus anderen Gründen nicht ersichtlich. Im Gegensatz zu den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen geht es bei der einstweiligen Anordnung einer Betreuung nicht um einen abgeschlossenen Sachverhalt, vielmehr hängt die Frage der Erforderlichkeit einer Betreuung von dem jeweiligen Zustand und den Lebensumständen des Betreuten ab. Diese Beurteilung kann nicht ohne aktualisierte Tatsachenfeststellung erfolgen. In der Beschwerdeinstanz wird deshalb darüber entschieden, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts die Voraussetzungen einer Betreuung gem. § 1896 BGB ( noch ) gegeben sind.

2.

Soweit die weitere Beschwerde sich gegen die Beweisanordnung vom 3.7.2000 richtet, wovon in Anbetracht der uneingeschränkten Rechtsmitteleinlegung auszugehen ist - die Bezugnahme auf das Schreiben vom 15.12.2000 soll ergänzend zur Begründung herangezogen werden -, ist die nach §§ 19, 21 II, 27, 29 I FGG nunmehr zulässige weitere Beschwerde unbegründet.

a. Das Landgericht hat die Erstbeschwerde in diesem Punkt mit der Begründung als unzulässig verworfen, es handele sich um eine lediglich vorbereitende Zwischenverfügung, die im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist, § 19 FGG. Es läge auch keine Ausnahme vor, da nicht in die Rechte des Betroffenen eingegriffen werde. Im Übrigen folge aus der Regelung des § 68 b Abs. 3 S. 1 und 2 FGG, dass lediglich die Anordnung, ein Sachverständigengutachten zu erstellen, noch nicht einer Überprüfung durch die Obergerichte unterliegen solle.

b. Dies hält der Nachprüfung auf Rechtsfehler stand, § 27 FGG, § 550 ZPO. Die Erstbeschwerde hat das Landgericht mit Recht als unstatthaft angesehen. Grundsätzlich sind Beweisanordnungen als Zwischenverfügungen auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit keine beschwerdefähigen Verfügungen. Ob eine anfechtbare Verfügung vorliegt, beurteilt sich nach § 19 FGG. Anfechtbare Verfügungen im Sinne dieser Vorschrift sind sachliche Entschließungen des Gerichts mit Außenwirkung, die auf eine Feststellung oder Änderung der Sach- und Rechtslage abzielen oder einen Antrag ablehnen (vgl. Keidel/Kuntze/Kahl, FGG, 14.Aufl., § 19 Rz. 4 ). Nicht anfechtbar sind dagegen vorbereitende Verfügungen wie Beweiserhebungen nach §§ 12, 15 FGG, die eine Endentscheidung vorbereiten und dieser vorausgehen, da die Rechte der Beteiligten dadurch nicht berührt werden. Für die Anordnung der Begutachtung im Betreuungsverfahren nach § 68 b Abs. 1, S. 1 FGG entspricht dies herrschender Meinung ( vgl. beispielsweise Damrau/ Zimmermann, Betreuung und Vormundschaft, 2. Aufl., § 68 b FFG Rz. 30; Bumiller/Winkler, FGG, 6.Aufl., § 68 b Anm. 4; BayObLG v. 6.7.87, FamRZ 87,966; FamRZ 94, 50 (LS); v. 5.1.96 FamRZ 96,499 (LS); v. 7.9.2000, FamRZ 01, 255 f; OLG Hamm, FAmRZ 97,440; OLG Brandenburg v. 18.7.1996, FAmRZ 97, 1019; Senat vom 20.11.2000 - 16 Wx 167/00 - nicht veröffentlicht).

Eine solche Beweisanordnung beinhaltet der amtsgerichtliche Beschluß vom 3.7.2000, wonach Notwendigkeit, eventueller Umfang und Dauer einer Betreuung durch einen Sachverständigen aus medizinischer Sicht geprüft werden sollen.

Ausnahmsweise können allerdings verfahrensleitende Verfügungen anfechtbar sein, wenn sie unmittelbar und in nicht völlig unerheblicher Weise in die Rechte eines Beteiligten eingreifen (vgl. BayObLG v. 6.3.1987, FamRZ 87,966 m.w.N.; Keidel/Kuntze/Kayser, a.a.aO., § 68 b, Rz. 13 ). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die bloße Anordnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie sie der Beschluß vom 3.7.2000 beinhaltet ( Bl. 15 f GA ), greift noch nicht in die Rechte des Betroffenen ein, da sie diesem keine Handlungs- oder Duldungspflichten auferlegt, ihn insbesondere nicht zu dazu verpflichtet, sich untersuchen und/oder explorieren zu lassen (BayObLG, FamRZ 01,256; OLG Brandenburg a.a.O.). In der Anordnung der Begutachtung als solcher zu der Frage, ob eine die Betreuung als notwendig erscheinende Krankheit vorliegt, vermag der Senat keinen tiefgreifenden Eingriff in die persönliche Sphäre des Betroffenen, noch eine Verletzung seiner Würde als Person zu sehen( so aber KG, FamRZ 01, 311). Die Anordnung der medizinischen Begutachtung des Betroffenen, die gesetzliche Voraussetzung einer Zwangsbetreuung ist ( § 68 b Abs. 1 S. 1 FGG ), geschieht nämlich im Interesse des Betroffenen und zu seinem Wohl, um eine Betreuung als staatlichen Beistand in Form der Rechtsfürsorge vorzubereiten. Dem geht die Einleitung eines Betreuungsverfahrens durch das Vormundschaftsgericht - auf Antrag oder von Amts wegen - voraus, wenn ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer Behinderung nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, § 1896 Abs. 1 BGB. Wenn das Vormundschaftsgericht nicht auf Antrag des Betroffenen, sondern von Amts wegen tätig wird, liegen bereits Anhaltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit vor, sei es durch Anregungen aus dem familiären Umfeld, sei es durch Hinweise seitens der behandelnden Ärzte. In diesem Fall dient die Anordnung der Begutachtung, die den Betroffenen selbst nicht zu bestimmten Handlungen verpflichtet, letztlich seinem Interesse. So ist es auch im vorliegenden Fall, in dem der ehemals behandelnde Facharzt auf die mögliche Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen aufmerksam gemacht hat. Demnach ist die weitere Beschwerde insoweit unbegründet und zurückweisen.

Eine Verpflichtung zur Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG in Hinblick auf die Entscheidung des Kammmergerichts vom 12.9.2000 ( FamRZ 01, 311 ) besteht nicht, da diese inhaltlich abweichende Entscheidung nicht infolge einer weiteren Beschwerde ergangen ist, wie es § 28 Abs. 2 S. 1 FGG verlangt. Vielmehr hat das Kammergericht in der Entscheidung vom 12.9.2000 als Gericht der Erstbeschwerde und damit als zweite Tatsacheninstanz entschieden, da der angegriffene Beschluss vom Landgericht erlassen worden war. In diesen Fällen besteht keine Vorlagepflicht für ein von dieser Entscheidung abweichendes Gericht, das auf Rechtsbeschwerde zu entscheiden hat (vgl. auch Keidel/Kuntze/Kahl, a.a.O., § 28 Rz. 23 f ).

Eine Kostenentscheidung ist wegen § 131 Abs. 3 Kost0, § 13 a FGG nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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