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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.08.2009
Aktenzeichen: 16 Wx 84/09
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 68 b
FGG § 69 g Abs. 5 Satz 4
BGB § 1896 Abs. 1
BGB § 1908 b Abs. 1
BGB § 1908 b Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

2. Auf die weitere und sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 03.06.2009 - 4 T 231/09 -aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die Rechtsmittel, die sich allein gegen den Beschluss des Landgerichts vom 03.06.2009 - 4 T 231/09 - (Zurückweisung der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 27.07.2006) richten, sind zulässig. In der Sache führen sie zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung an das Landgericht, dessen Entscheidung aus Rechtsgründen (§§ 27 FGG , 546 ZPO) nicht bestehen bleiben kann.

Die vom Landgericht bisher getroffenen Feststellungen vermögen die Bestellung eines Betreuers für den Betroffenen nicht zu rechtfertigen. Es bedarf weiterer gerichtlicher Ermittlungen nach § 12 FGG.

Aus dem in erster Instanz eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. G. vom 17.04.2009 ergibt sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass der Betroffene an einer psychischen Erkrankung leidet und deswegen seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 BGB). Dies wird von dem Betroffenen in der Rechtsbeschwerde zu Recht gerügt.

Zwar hat die Sachverständige den Untersuchungsbefund, aus dem sie ihre Diagnose ableitet, im Einzelnen anhand der Vorgeschichte des Betroffenen, der persönlichen Kommunikation mit ihm sowie sonstiger Erkenntnisse mitgeteilt und die Folgerungen aus den einzelnen Befundtatsachen auf die Diagnose wissenschaftlich begründet und nachvollziehbar dargestellt. Der Betroffene rügt jedoch zu Recht, dass es sich bei der Diagnose der Sachverständigen nach ihren eigenen Ausführungen um eine reine Verdachtsdiagnose handelt. Die Sachverständige stellte bei dem Betroffenen ausgeprägte Störungen der Informationsverarbeitung sowie eine annähernd aufgehobene Umstellungsfähigkeit fest, desweiteren Störungen der Ausdauer, der Belastbarkeit, der Konzentration sowie ein mangelhaftes Kommunikationsvermögen und ausgeprägte, geradezu zwanghafte Perseverationen. Nach ihren Ausführungen sind diese Störungen typischer Ausdruck sogenannter Basisstörungen, die entweder (mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 %) in eine manifeste Paranoide Schizophrenie münden oder als Ausdruck einer blanden Psychose bestehen bleiben können. Wenn die Sachverständige sodann ausführt, dass regelmäßige Vorstellungen beim Facharzt "die Verdachtsdiagnose, die sich aus dem Längsschnitt mit Persistenz der Basisstörungen ergibt" erhärten könnten, bestehen begründete Zweifel, ob die Sachverständige von einer bereits bestehenden behandlungsbedürftigen Psychose des Betroffenen ausgeht. Da für die Erfüllung des medizinischen Tatbestandes des § 1896 Abs. 1 BGB allein ein Verdacht nicht genügt (Senatsbeschluss vom 22.06.2005 - 16 Wx 70/05 = OLGR Köln 2005, 680 m.w.N.), hätte das Landgericht von Amts wegen eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen einholen müssen.

Bildet das in erster Instanz eingeholte Gutachten keine hinreichende Tatsachengrundlage, so ist es verfahrensfehlerhaft, wenn das Beschwerdegericht sich gemäß § 69 g Abs. 5 Satz 4 FGG hierauf stützt und von einer erneuten bzw. ergänzenden Begutachtung nach Satz 1 dieser Norm i.V.m. § 68 b FGG absieht.

Die angefochtene Entscheidung ist deshalb aufzuheben und das Landgericht wird nach Zurückverweisung weitere Ermittlungen anzustellen haben. In Anbetracht der Einwendungen, die der Betroffene gegen das Gutachten vom 17.04.2009 erhebt, spricht vieles für eine mündliche Anhörung der Sachverständigen im Beisein des Betroffenen und seines Verfahrensbevollmächtigten, zumal die Anhörung des Betroffenen vor dem Beschwerdegericht jedenfalls nach ergänzender Beweisaufnahme in zweiter Instanz zwingend geboten ist. Dabei wird sich das Landgericht auch einen persönlichen Eindruck darüber zu verschaffen haben, ob der Betroffene - wie die Sachverständige in ihrem Gutachten ausführt - nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen (§1896 Abs. 1 a BGB), insbesondere ob er Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell nicht zu erfassen vermag.

Sollte sich nach weiteren Ermittlungen die Erforderlichkeit der Betreuung verifizieren lassen, wird das Landgericht auch zu jedem Aufgabenkreis zu prüfen haben, ob der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist oder weniger einschneidende Maßnahmen in Betracht kommen (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Insoweit ist insbesondere zu klären, ob der Aufgabenkreis der Gesundheitssorge auf den nervenärztlichen Bereich zu beschränken ist, wobei es allerdings auch der weiteren Aufklärung bedarf, ob - bezogen auf den nervenärztlichen Bereich - überhaupt eine tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit des Betreuers besteht. Bedenken bestehen insoweit im Hinblick auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. G. in ihrem Gutachten, wonach sich der Betroffene nach Mitteilung des behandelnden Arztes Dr. T. einer konstanten psychiatrischen Kontrolle entzieht. Auch die Aufrechterhaltung der Betreueraufgabe "Wohnungsangelegenheiten" bedarf näherer Rechtfertigung. Nachdem der Betroffene seit Jahren in der U. XX in C. wohnhaft ist, bedürfte es näherer Feststellungen dazu, inwieweit derzeit noch eine gesetzliche Vertretung des Betroffenen in diesem Bereich wegen akuten oder unmittelbar drohenden Handlungsbedarfs erforderlich ist. Die Klärung finanzieller Angelegenheiten, z.B. die Anschaffung von Möbeln oder die Beantragung von Wohngeld, ließe sich gegebenenfalls auch im Rahmen der Aufgabe "Vermögenssorge" oder der Aufgabe "Sozialhilfe- und Behördenangelegenheiten" erreichen. Hinsichtlich der beiden letzt genannten Aufgabenkreise spricht nach den Feststellungen des Landgerichts und dem übrigen Akteninhalt viel dafür, dass sie zum Schutz des Betroffenen erforderlich sind. Dies gilt ebenso für den angeordneten Einwilligungsvorbehalt betreffend den Aufgabenkreis der Vermögenssorge (§ 1903 Abs.1 BGB), über dessen Anordnung das Landgericht nach Aufhebung seiner Entscheidung ebenfalls erneut zu entscheiden haben wird.

Soweit der Betroffene - hilfsweise - einen Betreuerwechsel begehrt ist auf Folgendes hinzuweisen:

Die Voraussetzungen für einen Betreuerwechsel nach § 1908 b Abs. 3 BGB liegen nicht vor, nachdem Herr F., den der Betroffene als Betreuer vorgeschlagen hat, sich zur Übernahme der Betreuung nicht bereit erklärt hat. Es sind deshalb für die Entlassung des bisherigen Betreuers die Voraussetzungen des § 1908 b Abs. 1 BGB zu prüfen. Hiernach hat das Vormundschaftsgericht den Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Die Eignung eines Betreuers kann auch dann nicht mehr gewährleistet sein, wenn - selbst ohne eigenen Pflichtverstoß - das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und seinem Betreuer gestört ist und der Betroffene aus diesem Grund eigenständig und ernsthaft einen anderen Betreuer wünscht. Wesentlich ist, dass durch den neuen Betreuer das Wohl des Betroffenen erheblich besser gewahrt ist. Die Entlassung eines Betreuers nach § 1908 b Abs. 1 BGB setzt damit voraus, dass das Wohl des Betroffenen bei Beibehaltung des bisherigen Betreuers nicht oder erheblich schlechter gewahrt ist als bei einem Austausch des Betreuers (OLG München FamRZ 2009, 642).

Die Kammer wird daher bei ihrer erneuten Entscheidung zu prüfen haben, in wieweit das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem Beteiligten zu 2) ernsthaft gestört ist und ob der andauernde Konflikt zwischen beiden dadurch verschärft wird, dass der Beteiligte zu 2) beruflich nicht in C. ansässig ist sondern seine Kanzlei in X. unterhält. Ist allerdings erkennbar, dass allein durch pflichtgemäße Vermögensverwaltung eines neuen ortsansässigen Betreuers eine gleiche oder ähnlich ungedeiliche Zusammenarbeit wie bei dem Beteiligten zu 2) mit dem Betroffenen erwächst, dürften die Voraussetzungen des § 1908 b Abs. 1 BGB zu verneinen sein.

Da das Rechtsmittel des Betroffenen vorläufigen Erfolg hat, war ihm die begehrte Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu bewilligen.

Ende der Entscheidung

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