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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: 16 Wx 87/00 (1)
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 4
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
WEG § 47
WEG § 48 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 87/00 29 T 137/96 - LG Köln - 202 II 175/95 - AG Köln -

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage pp.

an der beteiligt sind

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 16.08.2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 03.02.2000 - 29 T 137/96 - aufgehoben, soweit hierin die sofortige Beschwerde des Antragstellers wegen der Anfechtungsanträge zu TOP 2, TOP 5 und TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 06.04.1995 zurückgewiesen worden ist.

Bezüglich des Rechtsmittels zu TOP 2 und TOP 5 der Versammlung vom 06.04.1995 wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen wird.

Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15.300,00 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein Miteigentümer, hat die in der Versammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 06.04.1995 zu den TOP 1 - 5 und 9 gefassten Beschlüsse angefochten. Er war kurze Zeit nach Beginn der Versammlung, die in einem separaten Raum einer Gaststätte stattfand erschienen und hatte beantragt das Rauchen einzustellen. Nachdem er mit diesem Antrag nicht durchgedrungen war, entfernte er sich.

Der Antragsteller hat gerügt, dass die Beschlüsse nicht ordnungsgemäß zustande gekommen seien. Er habe die Versammlung aus Gesundheitsgründen verlassen müssen, weil der Versammlungsleiter - der Generalbevollmächtigte der damaligen Verwalterin - sich geweigert habe, über seinen Antrag abstimmen zu lassen. Ferner hat er sich auf seiner Meinung nach bestehende inhaltliche Mängel der angefochtenen Beschlüsse berufen.

Demgegenüber haben der Versammlungsleiter und zwei zum Verhandlungstermin des Amtsgerichts erschienene Wohnungseigentümer behauptet, es sei darüber abgestimmt worden, ob in der Versammlung geraucht werden dürfe oder nicht. Dabei hätten sich sämtliche Erschienenen mit Ausnahme des Antragstellers für ein Rauchen ausgesprochen.

Das Amtsgericht hat den Anfechtungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht ersichtlich, dass die Abwesenheit des Antragstellers Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten bzw. Abstimmungsergebnis gehabt hätte. Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht die zu den TOP 1 und 4 gefassten Beschlüsse aus inhaltlichen Gründen für ungültig erklärt und im übrigen das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, soweit es in den Vorinstanzen erfolglos geblieben war, weiter.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 FGG, § 45 Abs. 1 WEG) und teilweise begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1.

Das Landgericht hat den Beteiligten zu 3. nicht mehr am Verfahren beteiligt, insbesondere nach Terminsverlegungen nicht mehr zum Verhandlungstermin geladen, nachdem sich für die Antragsgegner Rechtsanwälte bestellt hatten. Hierbei wurde nicht bedacht, dass der Beteiligte zu 3. im vorliegenden Fall eines Beschlussanfechtungsverfahrens nicht nur Vertreter der Antragsgegner, sondern auch selbst als Verwalter der Anlage gem. § 43 Abs. 4 Nr. 2 materiell Beteiligter ist, und zwar auch dann, wenn er - wie hier - erst nach Einleitung des Verfahrens zum Verwalter bestellt worden ist (vgl. BGH NJW 1998, 755 = NZM 1998, 78 = MDR 1998, 29). Da aber insoweit - anders als bei dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung und Einleitung des Anfechtungsverfahrens amtierenden Verwalter (vgl. dazu Ziff. 2 am Ende) - die formelle Beteiligung nur zur Wahrung rechtlichen Gehörs diente und die Beteiligung deshalb noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden konnte (BGH a.a.O.), hat der Verfahrensfehler keine weiteren Auswirkungen.

2.

Soweit das Landgericht den Anfechtungsantrag zu TOP 2 (Verwalterabrechnung der früheren Verwalterin und deren Entlastung) zurückgewiesen hat, hat es zum einen den zu allen Tagesordnungspunkten geltend gemachten Anfechtungsgrund bezüglich des Rauchens nicht für durchgreifend erachtet, weil kein Anspruch auf Erlass eines Rauchverbots bestanden und die Beschlussfassung inhaltlich nicht zu beanstanden sei.

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

Bezüglich des Rauchverbots hat das Landgerichts verkannt, dass sich die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Erlass eines Rauchverbots hat, nicht stellt, sondern vorab eine Befassung mit dem Vorbringen des Antragstellers, der Versammlungsleiter habe sich geweigert, über das von ihm beantragte Rauchverbot abstimmen zu lassen, hätte erfolgen müssen.

Bei dem von dem Antragsteller in der Eigentümerversammlung gestellten Antrag handelt es sich um einen Geschäftsordnungsantrag, der ohne Ankündigung in der Tagesordnung zulässig und über den vor den Sachanträgen per Mehrheitsbeschluss abzustimmen war (vgl. Bub in Versammlung der Wohnungseigentümer, Partner im Gespräch Bd. 25, S. 55; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 24 Rdn. 95). Wenn der Versammlungsleiter sich geweigert haben sollte, dem nachzukommen, würden die im weiteren Verlauf der Versammlung getroffenen Beschlüsse an einem formellen Mangel leiden; denn das Abschneiden des Rechts eines Wohnungseigentümers, Anträge zum Ablauf einer Versammlung zu stellen, durch die ein Passivrauchen unterbunden werden kann, das nach heute herrschender wissenschaftlicher Überzeugung in geschlossenen Räumen als gesundheitsgefährdend eingestuft wird (vgl. BayObLGR 1993, 649; BayObLGR 1999, 41 = NZM 1999, 504), konnte ihm begründeten Anlass für ein Verlassen des Versammlungsraums geben und kam daher in seinen Auswirkungen einem rechtswidrigen Ausschluss von der Versammlung gleich.

Da Entschließungen bzw. Maßnahmen der Versammlungsleitung zur Geschäftsordnung nicht selbständig anfechtbar sind, hätte der formelle Mangel die Folge, dass die Beschlüsse anfechtbar sind, soweit sich die Beschneidung von Teilnahmerechten des Antragstellers auf die Beschlussfassung ausgewirkt hätte (Senat OLGR Köln 1996, 209 u. 1998, 311 = WE 1998, 311; BayObLGR 1993, 2; OLGR Düsseldorf 1997, 59; OLGR Celle 1996, 265; KGR Berlin 1993, 17; OLGR Hamm 1992 194 kritisch hierzu Merle in Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 23 Rdn. 156 u. § 24 Rdn. 91). Dabei trifft die Wohnungseigentümer, die sich auf die Wirksamkeit eines Beschlusses berufen, das Risiko dafür, dass sich die Unbeachtlichkeit des formellen Mangels feststellen lässt. Die Beschlussanfechtung bleibt daher nur dann erfolglos, wenn feststeht, dass der Beschluss auch ohne den Einberufungsmangel ebenso zustande gekommen wäre ( BayObLGZ 1985, 436; BayObLGR 1999, 75; BayObLG DWE 1999, 120 = NZM 1999, 865 LS; OLG Hamm OLGZ 1992, 309, 312).

Die Ursächlichkeit eines formellen Mangels ist in diesem Sinne dann zu verneinen, wenn unter Anlegung eines strengen Maßstabes bei tatrichterlicher Würdigung ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller auf den Diskussionsverlauf und das Abstimmungsverhalten in der Eigentümergemeinschaft Einfluss genommen hätte, wozu bisher keine Feststellungen getroffen worden sind und auch kaum getroffen werden können. Der Ausschluss eines Eigentümers von der Stimmberechtigung berührt nämlich seiner Natur nach den Ablauf einer Eigentümerversammlung so wesentlich, dass sich eine Auswirkung auf die Beschlussfassung im Normalfall aufdrängt. Denn dieser Mangel betrifft nicht nur den Abstimmungsvorgang als solchen, sondern auch die vorausgegangene Willensbildung der Eigentümer, in die bei einem ordnungsgemäßen Verlauf der Versammlung Wortmeldungen und Beiträge des nicht (mehr) anwesenden Wohnungseigentümers hätten einfließen können (vgl. Senat OLGR Köln 1998, 311 = WE 1998, 311; BayObLGR 1999, 75).

Formelle Mängel rechtfertigen die Anfechtung aber auch dann nicht, wenn die angegriffene Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach und die übrigen Wohnungseigentümer (Antragsgegner) einen gerichtlich gemäß §§ 21 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG durchsetzbaren Anspruch auf Umsetzung der angegriffenen Beschlüsse haben. In diesem Fall ist der formelle Mangel aus Rechtsgründen unbeachtlich, weil der getroffene Beschluss ohnehin gefasst werden musste. Auch insofern liegt das Risiko der Aufklärbarkeit allerdings nicht beim Antragsteller, der von der - unterstellt - unberechtigten Verweigerung einer Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag wegen des Rauchens betroffen war, sondern bei den Antragsgegnern (Senat OLGR Köln 1998, 311 = WE 1998, 311).

Ein derartiger Fall kann indes nicht angenommen werden. Den gefassten Beschluss legt das Landgericht zwar zutreffend dahin aus, dass nicht allein über die nur protokollierte Entlastung des Verwalters, sondern auch über die Abrechnung für 1994 beschlossen worden ist (vgl. BayObLGR 1992, 33) und dass Mängel der Abrechnung nicht erkennbar sind, insbesondere die anteilige Umlegung von Kosten der CO2 - Messung gerechtfertigt ist (vgl. allgemein für ähnliche Konstellationen mit einer gesamtschuldnerischen Haftung der Wohnungseigentümer im Außenverhältnis Pick in Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 16 Rdn. 39), gleichwohl wird die Feststellung der Unbeachtlichkeit des Einberufungsmangels kaum möglich sein, weil der frühere Verwalter normalerweise keinen Anspruch auf Entlastung hatte. Es ist einer Wohnungseigentümergemeinschaft zwar unbenommen, einem Verwalter Entlastung zu erteilen, und ein entsprechender Beschluss kann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Einen durchsetzbaren Anspruch hierauf hat der Verwalter indes nicht, soweit nicht anderweitige Vereinbarungen bestehen (Senat OLGR 1998, 193; OLGR Düsseldorf 1997, 1). Dazu, ob letzteres der Fall ist, etwa entsprechende Regelungen im Verwaltervertrag bestanden haben, sind keine Feststellungen getroffen.

Es wird daher darauf ankommen, ob der Vortrag des Antragstellers, dass eine Abstimmung über den Antrag verweigert worden sei, zutrifft. Hierzu bedarf der Sachverhalt der Aufklärung etwa durch Vernehmung des damaligen Versammlungsleiters als Zeugen und Anhörung von Teilnehmern der Versammlung. Sollten sich hinreichend sichere Feststellungen nicht treffen lassen, wird dies zu Lasten der Antragsgegner gehen, die eine Bescheidung des unstreitig gestellten Geschäftsordnungsantrags behaupten. Denn das Protokoll enthält zu dem ganzen Vorgang nichts (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 24 Rdn. 113).

Sollte sich umgekehrt feststellen lassen, dass der Antrag beschieden und mehrheitlich abgelehnt worden ist, wird der Anfechtungsantrag keinen Erfolg haben können, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf hat, dass in einer Wohnungseigentümerversammlung nicht geraucht wird; denn der Anfechtungsantrag ist gerade nicht darauf gestützt, dass ein entsprechender Beschluss gefasst und dieser rechtswidrig sei.

Das Landgericht wird weiter zu beachten haben, dass am weiteren Verfahren auch die frühere Verwalterin, die WEGE-GmbH, zu beteiligen ist, denn in einem Beschlußanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG bleibt ein Verwalter nach seinem Ausscheiden auch dann noch Beteiligter, wenn der Anfechtungsgrund von ihm zu vertreten ist (BGH a.a.O. - vgl. Ziff. 1. ). Dies wäre bei unterstellter Richtigkeit des Sachvortrags des Antragstellers vorliegend der Fall. Insoweit dient die Beteiligung nicht lediglich der Wahrung rechtlichen Gehörs, sondern auch der Abwehr möglicher Regressansprüche bzw. einer in derartigen Fällen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) in Betracht kommenden Kostenlast im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 47 WEG. Sie hat also durch die Tatsacheninstanz zu erfolgen und kann deshalb nicht vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden.

3.

Zu TOP 3 hat das Landgericht mit Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, den Anfechtungsantrag wegen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses zurückgewiesen, nachdem der Beschluss über die Genehmigung über die Jahresabrechnung 1995 bestandskräftig geworden ist und der Antragsteller das Verfahren insoweit nicht für erledigt erklärt hat.

4.

Zu TOP 5 (Umlegung der Rücklage auf die Untergemeinschaften) gilt das zu Ziff. 2. Ausgeführte entsprechend. Allerdings wird das Landgericht hier möglicherweise die Feststellung der Unbeachtlichkeit des formellen Mangels aus Rechtsgründen treffen können. Die bisherige Feststellung, dass der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen habe, reicht hierzu nicht nicht. Vielmehr ist noch zu klären, ob ein - ggfls, gerichtlich durchsetzbarer - Rechtsanspruch auf die beschlossene Verteilung bestand. Dies kann der Senat wegen Fehlens einer hinreichenden Tatsachengrundlage nicht selbständig beurteilen.

5.

Zu TOP 9 war die Entscheidung des Landgerichts, das ausweislich der Gründe auch insoweit die Beschwerde sachlich beschieden und zurückgewiesen hat, ersatzlos aufzuheben. Für eine Zurückweisung der Beschwerde war kein Raum mehr, da die Beteiligten zu 1. und 2. ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2000 insoweit übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben und deshalb nur noch über die anteiligen Kosten zu entscheiden ist.

III.

Die Kostenentscheidung für die dritte Instanz war wegen des noch offenen Verfahrensausgangs dem Landgericht vorzubehalten.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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