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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.05.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 95/06
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1906
FGG § 70 h
FGG § 69 f
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 95/06

In dem Betreuungsverfahren (Unterbringungsverfahren)

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Jennissen, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm

am 17. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 24.04.2006 - 4 T 119/06 - abgeändert und festgestellt, dass die im Wege der einstweiligen Anordnung am 22.03.2006 durch das Amtsgericht Königswinter erteilte Genehmigung der geschlossenen Unterbringung der Betroffenen bis längstens zum 03.05.2006 rechtswidrig war.

Die außergerichtlichen Kosten der Betroffenen, die ihr in diesem Verfahren entstanden sind, fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Im Rahmen einer bereits bestehenden Betreuung sollte die Betroffene, die seit Jahren an einer paranoiden Schizophrenie mit ausgeprägter Wahnsymptomatik leidet, zur (erneuten) Einleitung einer ärztlichen Behandlung in die geschlossenen Abteilung der S Klinik C untergebracht werden. Das Vormundschaftsgericht hat am 22.03.2006 diese Unterbringung als vorläufige und damit befristete Maßnahme im Wege der einstweiligen Anordnung genehmigt, nachdem der Betreuer am 08.02.2006 und am nochmals am 21. März 2006 (telefonisch) einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. In einem fachärztlichen Attest vom 12.12.2005 hat der Sachverständige, Dr. P, ausgeführt, dass aus psychiatrischer Sicht eine Behandlung der Betroffenen unerlässlich sei, da die Betroffene inzwischen einen massiven Rückfall erlitten habe, jedoch nicht bereit sei, sich einer freiwilligen Behandlung zu unterziehen. Eine geschlossene Unterbringung sei deshalb nicht zu vermeiden.

Die gegen den Beschluss vom 22.03.2006 gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht am 24.04.2006 zurückgewiesen. Die vorgesehene geschlossene Unterbringung ist bis zum Ablauf der Befristung nicht vollzogen worden, da die Betroffene wegen eines Familienbesuchs in ihrer Heimat vom 05.04.2006 bis zum 18.04.2006 um Aufschub gebeten hatte, der ihr bewilligt wurde. Nach ihrer Rückkehr wurde - aus dem Senat nicht bekannten Gründen - die Unterbringung nicht mehr durchgeführt. Die Betroffene greift mit der weiteren Beschwerde die Entscheidung des Landgerichts an.

I.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

Zwar hat sich die Unterbringungsmaßnahme durch Ablauf der durch das Amtsgericht genehmigten Unterbringung am 04.05.2006 erledigt. Die Betroffene hat jedoch nach Ablauf der Zeitspanne, innerhalb derer der Vollzug der freiheitsentziehenden Maßnahme möglich gewesen wäre, ein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung des Grundrechtseingriffs, auch wenn die Maßnahme nicht vollzogen worden ist. Eines ausdrücklichen Feststellungsantrages bedurfte es hierzu nicht.

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg, da eine befristete geschlossene Unterbringung der Betroffenen in den S Kliniken im Wege der einstweiligen Anordnung auf der Grundlage des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts nicht hätte genehmigt werden dürfen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Maßnahme, die an § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB und §§ 70 h Abs. 1, 69 f Abs. 1 FGG zu messen ist, waren nicht gegeben.

Im Bereich der Anlasskrankheit, also der psychischen Krankheit, die zur Betreuerbestellung geführt hat, ist gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Unterbringung zur Heilbehandlung des Betroffenen, der auf Grund der Erkrankung seinen Willen nicht mehr frei bestimmen kann, nur zulässig, wenn die beabsichtigte Behandlungsmaßnahme geeignet ist, den gewünschten Behandlungserfolg herbeizuführen und die Nachteile, die ohne Unterbringung und Behandlung entstehen würden, die Schwere der Freiheitsentziehung überwiegen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, FG-Prax 2005, 136 f.; BayObLG NJW-RR 2004, 8 f.). Die Erforderlichkeit der Unterbringung ist der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, da die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut darstellt, dass sie nur aus besonders wichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfG NJW 1998, 1774, 1775). Für eine Genehmigung im Wege der einstweiligen Anordnung muss darüber hinaus eine auf konkrete Tatsachen gestützte Gefahr für den Betroffenen bestehen, die sich mit Wahrscheinlichkeit realisiert, wenn die geplante Maßnahme bis zum Vorliegen eines ärztlichen Gutachtens aufgeschoben wird (vgl. Keide./Kuntze/Kayer, FGG, Aufl., § 70 h, Rdnr. 5).

Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht hinreichend beachtet.

Das der Genehmigung der Unterbringung zugrunde liegende ärztliche Attest ist weder zeitnah, noch zeigt es in erforderlichem Umfang die mit der Behandlung für die Betroffene zu erwartenden Vorteile, bzw. die ihr ohne Behandlung entstehenden Nachteile auf.

Es erscheint nicht mehr sachgerecht, wenn für eine Eilmaßnahme wie die befristete Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung ein ärztliches Zeugnis herangezogen wird, welches vor über drei Monaten erstellt wurde, und die Betroffene sich in dieser Zeit nach wie vor in ihrer Wohnung aufhielt. Offensichtlich hielten weder der Betreuer noch das Vormundschaftsgericht bis zum 08.02.2006 - immerhin fast zwei Monate nach der ärztlichen Untersuchung - ein Einschreiten für erforderlich. Erst nach einem telefonischen Antrag am 21.03.2006 hat das Vormundschaftsgericht die Maßnahme genehmigt. Der große Zeitabstand zu dem letzten ärztlichen Attest vom 12.12.2005 hätte es erfordert, nochmals bei dem Sachverständigen nach dem derzeitigen Zustand der Betroffenen nachzufragen und hierzu eine ärztliche Stellungnahme zu erbeten. Denn in der gesamten fraglichen Zeit befand sich die Betroffene zu Hause, ohne dass versucht worden wäre, eine ärztliche Behandlung einzuleiten, für deren Notwendigkeit sich ausreichende Hinweise aus den Akten ergeben.

Allerdings ist das ärztliche Zeugnis vom 12.12.2005 auch inhaltlich nicht ausreichend. Zwar lässt es erkennen, dass die Betroffene alsbald einer Behandlung zuzuführen ist, weil sich ihr Zustand verschlechtert hat. Insbesondere wird aus der ärztlichen Stellungnahme und den Äußerungen der Betroffenen deutlich, dass dieser jede Krankheitseinsicht fehlt, so dass in Zukunft nach Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens, das sich zu den hier angesprochenen Fragen wird äußern müssen, eine Unterbringung in einer geschlossenen Klinik durchaus im Raum steht, wenn die Betroffene sich nicht freiwillig behandeln läßt. In dem vorliegenden Arztzeugnis fehlt indes eine - wenn auch kurze - Darstellung des zu erwartenden Behandlungserfolges sowie derjenigen Nachteile, die die Betroffene zu erleiden hat, wenn die Behandlung nicht durchgeführt wird. Diese wesentlichen Punkte müssen nicht nur in dem für die Genehmigung einer längerfristigen Unterbringung erforderlichen Gutachten gem. §§ 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; 70 e FGG enthalten sein, sondern auch Inhalt eines ärztlichen Zeugnisses anlässlich einer Eilmaßnahme nach §§ 70 h, 69 f FGG sein.

Schließlich kann der Senat nach den Feststellungen der Vorinstanzen sowie dem bisherigen Verlauf nicht erkennen, aus welchen Gründen ein Aufschub der beabsichtigten geschlossenen Unterbringung mit einer Gefahr für die Betroffene verbunden gewesen sein sollte. Weder das ärztliche Zeugnis, noch der Beschluss vom 22.03.2006 enthalten hierzu konkrete Tatsachen, die eine entsprechende konkrete Gefahr begründen können, die sich mit Wahrscheinlichkeit realisieren würde, falls die geschlossene Unterbringung nicht vollzogen wird.

Der weitere Ablauf spricht vielmehr gegen die erforderliche besondere Eilbedürftigkeit. Denn Betreuer und Vormundschaftsgericht haben wegen einer familiär bedingten Reise der Betroffenen zunächst vom Vollzug der geschlossenen Unterbringung abgesehen. Auch nach Rückkehr der Betroffenen am 18.04.2006 ist eine zwangsweise Unterbringung - immerhin lief die Befristung noch mehr als zwei Wochen - nicht veranlasst worden. Aus den Akten ist keine Änderung der Sachlage, die hierfür ursächlich sein könnte, erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Betroffene sich nunmehr freiwillig einer psychiatrischen Behandlung gestellt hat oder stellen wird; ihr Verfahrensbevollmächtigter stellt dies unter dem 03.05.2006 ausdrücklich in Abrede.

Aufgrund der gesamten aufgezeigten Umstände kann die für eine einstweilige Anordnung erforderliche konkrete Gefahr für den Gesundheitszustand der Betroffenen, die ein umgehendes Handeln verlangt, nicht festgestellt werden. Demnach ist antragsgemäß die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Anordnung vom 22.03.2006 festzustellen mit der Kostenfolge des § 13 a Abs. 2 S. 1 FGG. Der Senat macht von seinem Ermessen Gebrauch, der Staatskasse die gesamten außergerichtlichen Kosten der Betroffenen aufzuerlegen, da die Feststellungen der Tatsacheninstanzen die vorläufige Genehmigung der geschlossenen Unterbringung von Anfang nicht gerechtfertigt haben.

Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 3.000,- €

Ende der Entscheidung

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