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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 17 U 57/06
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B


Vorschriften:

ZPO § 301
ZPO § 538 Abs. 2 S. 3
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 7
VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 2 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05.05.2006 verkündete II. Teil-Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 O 179/02 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden niedergeschlagen.

Gründe:

1. Hinsichtlich des Sachverhalts und der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Gegen das Teilurteil des Landgerichts, auf das auch wegen aller weiteren Einzelheiten verwiesen wird, wendet sich die Berufung der Klägerin, die den Erlass eines Teilurteils für verfahrensfehlerhaft hält und die vom Landgericht abschlägig beschiedenen Forderungsteile weiterhin für begründet hält.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 9.790.901,77 € nebst Zinsen in Höhe von 1 % über dem Satz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank vom 16.11.2000 bis zum 20.05.2002 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.05.2002 zu zahlen,

hilfsweise das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Streithelferin hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

2. Die zulässige Berufung der Klägerin führt gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Das Teilurteil ist entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO ergangen.

Hierzu hat der Senat den Parteien bereits unter dem 29.01.2007 Hinweise erteilt. Darin heißt es:

"1. Das Landgericht hat ein unzulässiges Teilurteil erlassen (§ 301 ZPO). Es hat den Klageanspruch in Höhe von 9.790.901,77 € für entscheidungsreif gehalten. In Höhe dieses Betrags hat es die Klage abgewiesen. Zu dem noch verbleibenden Teil des Anspruchs, hat das Landgericht keine Entscheidung getroffen.

1. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann nur dann durch Teilurteil entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht (§ 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das Landgericht hat über einige der in der Schlussrechnung enthaltenen Positionen entschieden, die nur unselbständige Rechnungsposten des eingeklagten Anspruchs darstellen (vgl. BGH, BauR 2003, 536; 1999, 251 = ZfBR 1999, 94). Über diese Rechnungsposten durfte keine isolierte Teil-Entscheidung ergehen. Es handelt sich insoweit weder um Forderungen noch um Forderungsteile, die im Rahmen eines Teilurteils als bestehend oder nicht bestehend behandelt werden konnten. Sie stellen lediglich unselbständige Aktivpositionen einer saldierten Abrechnung dar (vgl. BGH Baur 2003, 536; 1999, 251). Eine Forderung im Rechtssinne ist beim VOB-Vertrag lediglich der Schlussrechnungssaldo, d. h. der Anspruch auf restliche Vergütung aus dem Werkvertrag (vgl. BGH, a. a. O.). Dabei sind auch die Abschlagszahlungen lediglich Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen des Vertrages bezogen werden können (vgl. BGH BauR 1997, 468). Der Saldo hat dabei keinen inhaltlichen Bezug zu den einzelnen Leistungspositionen, d. h. er ist nicht die Vergütung für solche Einzelpositionen (vgl. BGH BauR 1999, 251). Dies gilt auch für Nachtrags und Eventualpostionen, die in die Schlussrechnung eingeflossen sind, denn einzelne Rechnungspositionen können generell nicht selbständig abgewiesen oder zugesprochen werden (vgl. dazu den von BGH BauR 2003, 536 entschiedenen Sachverhalt).

2. Bei dieser Sachlage steht durchgreifend in Frage, ob über einzelne Posten einer werkvertraglichen Abrechnungsforderung überhaupt durch Teilurteil entschieden werden kann, denn es wird schon nicht greifbar, wie das obligatorische Grundurteil über den Anspruchsrest in solchen Fällen ausgestaltet sein sollte. Dies bedarf hier indessen keiner Vertiefung. Für den Fall der Abweisung bestimmter Rechnungsposten verbietet sich der Erlass eines Teilurteils jedenfalls wegen der fehlenden materiellen und verfahrensrechtlichen Selbständigkeit solcher Ansätze (vgl. OLG Zweibrücken MDR 1982, 1026; Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 301 Rdn. 9). Auch ein aberkennendes Teilurteil darf nur erlassen werden, wenn ein bestimmter quantitativ feststehender Teil des Klageanspruchs dergestalt zur Entscheidung reif ist, dass er für das weitere Verfahren gänzlich ausscheidet. Nach ganz h. M. in Rechtsprechung und Literatur muss die durch ein Teilurteil getroffene Entscheidung unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand sein. Das Erfordernis dieser Unabhängigkeit soll die Gefahr eines Widerspruchs zwischen dem Teilurteil und dem Schlussurteil ausschließen (vgl. nur BGH NJW 1997, 1709; 2000, 800; 2000, 2512; FamRZ 2002, 1097; Musielak, a. a. O. Rdn. 12; weit. Nachw. bei MüKo/Musielak, ZPO, § 301 Rdn. 7).

Das angefochtene Urteil konnte indessen keine rechtliche Trennung in verschiedene selbständige Verfahrensteile bewirken. Dass sich durch die Streichung bestimmter Posten die Summe der in der Abrechnung der Klägerin aufgeführten Forderungen und der daraus folgende Saldo verringern, reicht dafür nicht aus. Bei dem abgewiesenen Teil der Klageforderung handelt es sich nicht um eine bestimmte Teilforderung, die einer dergestalt isolierten Behandlung zugänglich wäre. Der Werklohnanspruch ist aus den bereits dargestellten Gründen nicht rechtlich teilbar. Eine Abweisung eines Teils des eingeklagten Saldos ist daher auch nicht geeignet, den Rechtsstreit in zwei selbständig voneinander unabhängige Verfahren zu trennen. Dem Senat wäre es als Berufungsgericht überhaupt nicht möglich, eine dem angefochtenen Urteil entgegengesetzte Entscheidung zu treffen, d.h. ein die Klage und sei auch nur teilweise zusprechendes Urteil zu erlassen, ohne dabei die noch beim Landgericht anhängigen Teile des Streitstoffes im Rahmen einer Gesamtabrechnung und -saldierung an sich zu ziehen. Eine der Klägerin auch nur in Teilen günstige Berufungsentscheidung würde also zwingend voraussetzen, dass die durch das Teilurteil vorgenommene Trennung des Rechtsstreits aufgegeben und der Senat auch über denjenigen Prozessstoff entscheiden würde, der nach Erlass des Teilurteils noch erstinstanzlich anhängig geblieben ist. Wenn eine den Klageanspruch - ggf. teilweise - zusprechende Entscheidung bei entgegengesetzter Auffassung des Berufungsgerichts nicht möglich ist, liegt kein verfahrensrechtlich ausscheidbarer Teilanspruch vor (BGH, MDR 1964, 123; OLG Zweibrücken, a. a. O.).

Der Senat könnte über den Gegenstand des angefochtenen Urteils auch nicht im Rahmen eines Grundurteils (§ 304 ZPO) befinden, denn auch das würde voraussetzen, dass bereits feststünde, dass der gesamte Prozessstoff zum Anspruchsgrund vollständig erledigt ist. Dies wäre wiederum nur dadurch zu bewerkstelligen, dass der Senat auch alle weiteren in die Saldierung eingestellten Positionen an sich ziehen würde. Ein Grundurteil über einzelne Elemente (Rechnungsposten) eines Klageanspruchs darf jedenfalls nicht ergehen (vgl. BGHZ 72, 36; 80, 224; 95, 308; BGH NJW 1989, 2745; BGH NJW-RR 94, 319).

Mit vorstehender Beurteilung erledigt sich auch die Frage, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass sich das Teilurteil nicht weiter zu bestimmten Teil und Nebenansprüchen verhält. Mit der beabsichtigten Aufhebung und Zurückverweisung würde jedenfalls wieder eine verfahrensrechtliche Zusammenführung aller noch zur Entscheidung stehenden Ansprüche bewirkt. Es bedarf daher keiner abschließenden Festlegung, ob der (wohl nicht zutreffenden) Ansicht der Beklagten zu folgen ist, diese Ansprüche seien auch ohne ausdrücklichen Ausspruch bestandskräftig abgewiesen..."

An diesen Hinweisen, denen die Parteien in der Sache nicht entgegen getreten sind, hält der Senat fest. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der BGH sich noch in einer weiteren Entscheidung (vgl. BauR 2007, 429) zum notwendigen Inhalt eines Grundurteils als Voraussetzung für ein Teilurteil über eine Werklohnforderung geäußert hat. Danach darf bei Rechnungspositionen, die sich als Nachtragsforderungen etwa im Sinne von § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B verstehen, ein Grundurteil nur erlassen werden, wenn das Gericht für jeden der Einzelposten in Anwendung der maßgeblichen Klauseln der VOB/B einen Anspruch dem Grunde nach bejaht. Die Möglichkeit einer isolierten Vorab-Ausscheidung einzelner Rechnungspositionen ist auch danach zu verneinen.

Die Zurückverweisung der Sache ist gemäß § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht an den Antrag einer Partei gebunden, sondern kann von Amts wegen erfolgen. Sie ist überdies von der Klägerin hilfsweise beantragt worden. Da eine Verlagerung des gesamten noch zur Entscheidung stehenden Rechtsstreits in den Berufungsrechtszug unter keinem Gesichtspunkt sachgerecht ist, muss die Sache vom Landgericht erneut verhandelt und entschieden werden.

Das Landgericht hat auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden, denn derzeit steht nicht fest, welche Partei insoweit obsiegt.

Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren schlägt der Senat gemäß § 21 GKG nieder, denn sie wären bei richtiger Sachbehandlung nicht angefallen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt.

Gegenstandswert für die Berufung: 9.790.901,77 €

Ende der Entscheidung

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