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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 07.11.2005
Aktenzeichen: 17 W 139/05
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 97 I
ZPO § 240
InsO § 116
InsO § 115
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

17 W 139/05

In dem Rechtsstreit

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 2. Juni 2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 24. Mai 2005 - 15 O 138/05 - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dallmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Heitmeyer und Schütz

am 7. November 2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat Rechtsanwältin B L, M-Straße 1 c, xxxxx C zu tragen.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: bis zu 300,00 €

Gründe:

I.

Im Juni 2003 leiteten die Kläger ein Mahnverfahren ein. Der Beklagte ließ durch Rechtsanwältin L Rechtsbehelf einlegen. Da die Kläger die weiteren Gerichtskosten erst im März 2005 einzahlten, wurde das Verfahren erst nunmehr an das Landgericht Bonn als Streitgericht abgegeben. In ihrer Begründungsschrift nahmen die Kläger die Klage teilweise in Höhe von 3.492,09 € zurück. Es meldete sich daraufhin Rechtsanwalt Dr. T-C beim Landgericht Bonn und teilte mit, dass über das Vermögen des Beklagten bereits am 13. November 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden und er zum Treuhänder ernannt worden sei. Eine Kopie des Eröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts Bonn - 99 IK 91/03 - wurde beigefügt. Des Weiteren wandte sich in dieser Sache Rechtsanwältin L schriftsätzlich an das Landgericht Bonn. Sie teilte mit, das Mahngericht, das Amtsgericht Euskirchen, habe ihr mitgeteilt, dass der Rechtsstreit abgegeben worden sei. Zugleich verwies sie wie Rechtsanwalt Dr. T-C auf § 240 ZPO. Mit weiterem Schriftsatz beantragte Rechtsanwältin L, den Klägern die Kosten gemäß § 269 ZPO insoweit aufzuerlegen, als sie die Klage teilweise zurückgenommen haben. In der Folgezeit kam es zwischen den Klägern und Rechtsanwältin L einerseits und dem Landgericht zu wechselseitigem Schriftverkehr. Mit Beschluss vom 24. Mai 2005 wies das Landgericht "den Antrag des Beklagten", gemeint ist offensichtlich der von Rechtsanwältin L gemäß § 269 ZPO gestellte Antrag, zurück unter Hinweis darauf, dass das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen sei. Des Weiteren führte es aus, während der Zeit der Unterbrechung sei das Gericht nicht befugt, Entscheidung zu treffen, auch nicht im Hinblick auf die Verteilung von Kosten. Der Beschluss wurde Rechtsanwältin L am 1. Juni 2005 zugestellt, die hiergegen tags darauf sofortige Beschwerde einlegte.

Sie hat die Ansicht vertreten, § 240 ZPO stehe ihrem Begehren nach einer Teil-Kostenentscheidung nicht entgegen. Das Landgericht hat entsprechend dem Antrag der Kläger der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

Auf dessen Hinweis, dass wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Bedenken bezüglich des Fortbestandes ihrer Prozessvollmacht bestehen, erklärte Rechtsanwältin L, der Insolvenzverwalter sei über ihr Tun von Anfang an informiert und habe mehrfach erklärt, damit einverstanden zu sein. Auf eine dahingehende Aufforderung werde sie eine entsprechende Bestätigung vorlegen.

Nachdem die Kläger die Bevollmächtigung von Rechtsanwältin L bestritten hatten, wurde diese vom Senat um die Vorlage einer Vollmacht des Insolvenzverwalters gebeten. Nunmehr räumte Rechtsanwältin L ein, dass ihr eine solche trotz mehrfacher Kontaktaufnahme zum Insolvenzverwalter nicht erteilt worden sei. Zugleich vertritt sie aber die Ansicht, dass sie eine solche nicht benötige. Dem treten die Kläger entgegen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

Rechtsanwältin L mangelt es bezüglich des Klage- wie auch des Beschwerdeverfahrens an einer Prozessvollmacht.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten durch das Amtsgericht Bonn wurde das vorliegende Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen, weil durch den Ausgang des Rechtsstreites die Insolvenzsumme betroffen wird. Dies hatte zugleich zur Folge, dass die Prozessvollmacht von Rechtsanwältin L bereits zu einem Zeitpunkt erloschen ist, als das Verfahren noch beim Mahngericht anhängig war. Der Grund liegt darin, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag, der der Prozessvollmacht zugrunde liegt, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt, §§ 116, 115 InsO (vgl. Feiber MK-ZPO, 2. Aufl., § 240 Rdn. 5). Die Prozessvollmacht muss sich in jedem Augenblick des Rechtsstreites von einem Vollmachtgeber ableiten lassen, der (noch) prozessführungsbefugt ist. Dies war vom Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung an allein der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., vor § 50 Rdn. 21; § 51 Rdn. 7).

Die Unterbrechungswirkung dauert auch fort. Eine wirksame Aufnahme des Verfahrens nach den Regeln der Insolvenzordnung ist bislang nicht erfolgt. Während der Zeit der Verfahrensunterbrechung hat sich das mit der Sache befasste Gericht aller weiteren Handlungen hinsichtlich der Hauptsache zu enthalten. Als Hauptsache in diesem Sinne ist beispielsweise auch eine instanzabschließende Kostengrundentscheidung nach Teil-Anerkenntnis und - trotz laufendem Insolvenzverfahren wirksamer - Klagerücknahme im Übrigen anzusehen (OLG Bamberg OLGR 2001, 255). Alle dennoch vorgenommenen, die Hauptsache betreffenden Handlungen des Gerichts sind daher unzulässig und ohne rechtliche Wirkung (Feiber, a. a. O., Rdn. 21; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 240 Rdn. 5; Zöller/Greger, § 249 Rdn. 7). Nichts Anderes kann für den vorliegenden Fall gelten, in dem der Kläger die Klage trotz fortbestehender Unterbrechung teilweise zurückgenommen hat.

Nun vertritt das Kammergericht (MDR 1990, 831, 832) unter Berufung auf das OLG Frankfurt (AnwBl. 1980, 291) die Ansicht, dem verklagten Gemeinschuldner könne nicht die Möglichkeit genommen werden, die Kosten, die ihm durch die ihm aufgezwungene prozessuale Verteidigung entstanden sind, nach Klagerücknahme gegen den Kläger festsetzen zu lassen, und zwar unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter, der mit der Sache bis dahin nichts zu tun hatte, das Verfahren aufnimmt. Dies deshalb, weil hierdurch die Insolvenzmasse weder positiv noch negativ berührt werde.

Diesen, letztlich allein auf Billigkeitsgesichtspunkten fußenden Entscheidungen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Zugleich geht das Verwaltung- und Verfügungsrecht auf diesen über ohne Rücksicht darauf, ob er den Rechtsstreit bereits aufgenommen hat. Verfahrensrechtlich ist er seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens - und nicht erst ab Aufnahme des Rechtsstreites - Rechtsnachfolger des Gemeinschuldners Partei (RGZ 53, 9, 10; BGH NJW 1997, 1445). Diesem selbst ist hinsichtlich des der Verwaltung unterliegenden Vermögens die Prozessführungsbefugnis entzogen (BGHZ 79, 248; NJW 1981, 1097). Wollte man nun dem Gemeinschuldner je nach Konstellation doch eine (teilweise) Prozessführungsbefugnis zuerkennen, so würde dies zu einer Aufteilung dieses Rechtes sowie der Verwaltungs- und der Verfügungsbefugnis zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Gemeinschuldner von Fall zu Fall führen. Ein derartiger Kompetenzwirrwarr würde aber zu einer Lähmung des Insolvenzverfahrens führen und ist im Hinblick auf § 80 Abs. 1 InsO = § 6 Abs. 1 KO unerwünscht (BGH NJW 1997, 1445).

Es hat deshalb bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass die Prozessführungsbefugnis mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter kraft Gesetzes übergeht und die einstmals vom späteren Gemeinschuldner seiner früheren Prozessbevollmächtigten, hier Rechtsanwältin L, erteilte Prozessvollmacht in vollem Umfang erlischt. Durch die nach Insolvenzeröffnung erklärte teilweise Klagerücknahme ist diese auch nicht automatisch und teilweise wieder aufgelebt. Eine hierfür erforderliche Rechtskonstruktion ist nicht ersichtlich. Der insoweit befugte Insolvenzverwalter hat sich, wie Rechtsanwältin L nunmehr einräumt, geweigert, sie für das hier in Rede stehende Beschwerdeverfahren zu mandatieren.

Aus alledem ergibt sich, dass Rechtsanwältin L das Beschwerdeverfahren vollmachtlos betrieben hat und auch eine Genehmigung nicht vorlegen kann. Dies hat zur Folge, dass das Rechtsmittel auf Kosten der betreibenden Rechtsanwältin als unzulässig zu verwerfen ist (BGH LM § 97 ZPO Nr. 4; Zöller/Herget, § 97 Rdn. 4).

Der Senat weist darauf hin, dass das Rechtsmittel auch dann keinen Erfolg gehabt hätte, wenn seine Einlegung in zulässiger Weise erfolgt wäre.

Ende der Entscheidung

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