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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.06.2009
Aktenzeichen: 17 W 151/09
Rechtsgebiete: RVG, ZPO, VV RVG


Vorschriften:

RVG § 13
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
VV RVG Nr. 3201 Nr. 1
Wird der Antrag auf Zurückweisung bzw. Verwerfung der Berufung erst nach dem gerichtlichen Hinweis auf die Verfristung der eingereichten Berufungsbegründung gestellt und erfolgt deren Übermittlung an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten erst zugleich mit dem Kostenbeschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO, so ist lediglich die ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG erstattungsfähig.
Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 716,00 Euro

Gründe:

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, hat die Rechtspflegerin durch den angefochtenen (Abhilfe-) Beschluss in Abänderung der mit Beschluss vom 25.07.2008 (gl. Az.) zunächst erfolgten Kostenfestsetzung hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits anstelle der ursprünglich in Ansatz gebrachten vollen 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin lediglich eine 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG festgesetzt:

Allerdings ist davon auszugehen, dass der Beklagte nach Einlegung der Berufung durch die Klägerin seinerseits anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen konnte und nach Rücknahme des Rechtsmittels grundsätzlich Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verlangen kann. Das entspricht der - im vorliegenden Verfahren auch von keinem Beteiligten in Zweifel gezogenen - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 2007, 3723). Ebenfalls unzweifelhaft ist auch, dass der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 28.05.2008 angekündigte Antrag, "die Berufung zu verwerfen oder zurückzuweisen", einen Sachantrag iSv Nr. 3200, 3201 darstellt, der eine 1,6 Verfahrensgebühr entstehen lässt (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 18. Aufl. VV 3201 Rn. 8).

Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist aber die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen der bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf, insbesondere ob die erst bei Stellung eines Sachantrags nach Nr. 3200, 3201 VV RVG anfallende volle Verfahrensgebühr auch dann in dieser Höhe erstattungsfähig ist, wenn der Antrag gestellt wird, bevor feststeht, dass das Rechtsmittel tatsächlich durchgeführt wird (zur Frage der Erstattungsfähigkeit bei vorzeitiger Verfahrensbeendigung durch Berufungsrücknahme vgl. eingehend AnwK-RVG/N. Schneider, 4. Aufl. VV 3201 Rn. 32 ff.). Dies ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt (vgl. Beschluss vom 13.10.2008 - 17 W 242/08), zu verneinen (vgl. BGH aaO m. zahlr. weit. Nachw.) Zwar kommt es für die Entstehung einer Gebühr nicht darauf an, ob die den gesetzlichen Gebührentatbestand ausfüllenden Maßnahmen erforderlich waren. Die Erstattungsfähigkeit nach § 91 ZPO ist jedoch grundsätzlich von der Notwendigkeit der Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung abhängig. Die Erstattung der aufgewandten Kosten kann eine Partei nur insoweit erwarten, als sie der ihr aus dem Prozessrechtsverhältnis obliegenden Pflicht nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten. Insoweit stellt die vorstehend zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, darauf ab, dass im Normalfall kein Anlass für den Berufungsgegner besteht, bereits vor dem Vorliegen der Rechtsmittelbegründung den Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung anzukündigen. Der Berufungsbeklagte kann sich nämlich erst nach Vorliegen der Berufungsbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf das erstinstanzliche Urteil sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern (vgl. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe aaO VV 3200 Rn. 62). Es ist nicht ersichtlich, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung der Berufung ausgehen könnte, solange mangels einer Berufungsbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich ist; das gilt unabhängig davon, ob die Berufung zunächst ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt wurde oder nicht (vgl. BGH aaO).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend lediglich eine 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG angefallen. Zwar hatte die Klägerin mit ihrem am 26.05.2008 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom 23.05.2008 die ursprünglich lediglich fristwahrend eingelegte Berufung begründet; der den Sachantrag enthaltende Schriftsatz des Beklagten vom 28.05.2008 datiert also nach diesem Zeitpunkt. Unter Erstattungsgesichtspunkten muss aber Berücksichtigung finden, dass dem Beklagten bzw. seinem Prozessbevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt die Berufungsbegründung noch gar nicht inhaltlich bekannt war. Denn der für die Durchführung des Berufungsverfahrens zuständige 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat nach Eingang der verfristeten Berufungsbegründung zunächst von deren Weiterleitung abgesehen und die Klägerin als Berufungsführerin mit richterlicher Verfügung vom 26.05.2008 auf den verspäteten Eingang der Rechtsmittelbegründung hingewiesen sowie dem Beklagten eine Abschrift dieses Hinweises zugeleitet. Die Berufungsbegründung selbst ist der Beklagtenseite erst einige Wochen später, nämlich mit dem Kostenbeschluss des Berufungssenats vom 10.06.2009, also erst nach zwischenzeitlich mit Schriftsatz der Klägerin vom 06.06.2008 erfolgter Rücknahme des Rechtsmittels zugestellt worden. Erstmals zu diesem Zeitpunkt wäre dem Beklagten eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Berufungsbegründung möglich gewesen; hierfür bestand jedoch nunmehr keinerlei Anlass mehr. Allein der vorangegangene gerichtliche Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung führt nicht zur Erstattungsfähigkeit der vollen 1,6 Verfahrensgebühr für den Antrag auf Zurückweisung der Berufung (vgl. auch OLG Koblenz AGS 2007, 274). In einer solchen Situation hat der Berufungsbeklagte - jedenfalls dann, wenn sich, wie hier, aus dem Hinweis zweifelsfrei die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ergibt - keinen unter Erstattungsgesichtspunkten billigenswerten Anlass, noch einen Sachantrag zu stellen. Ob anderes dann zu gelten hätte, wenn vorliegend dem Beklagten zugleich mit dem gerichtlichen Hinweis auf die Verfristung auch die Berufungsbegründung übermittelt worden wäre, bedarf keiner Entscheidung.

Dass der Beklagte bzw. sein Prozessbevollmächtigter, wie mit der Beschwerde geltend gemacht wird, aufgrund der Mitteilung des 8. Zivilsenats vom 26.05.2008 "auch mit der ergänzenden Frage der Zulässigkeit und der Prüfung der Verwerfung befasst" gewesen und hierdurch die volle 1,6 Verfahrensgebühr ausgelöst worden sein soll, ist nicht einmal ansatzweise plausibel. Die "Prüfung" des Beklagten konnte sich hier im Wesentlichen nur in der Kenntnisnahme vom Inhalt des gerichtlichen Hinweises erschöpfen; dass bei Fristablauf am 23.05.2006 ein erst am 26.05.2006 erfolgter Eingang verspätet war, lag im Übrigen ohne Weiteres auf der Hand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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