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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.11.1999
Aktenzeichen: 17 W 201/99
Rechtsgebiete: ZPO, ZSEG, RpflG, BRAGO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 575
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 91 ff.
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 78 Abs. 1
ZSEG § 2 Abs. 2
ZSEG § 2 Abs. 3
RpflG § 11 Abs. 1
BRAGO § 118
BRAGO § 33 Abs. 3
BRAGO § 53
BRAGO § 6 Abs. 1
BRAGO § 7 Abs. 2
BGB § 2303 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
17 W 201/99 25 O 381/95 LG Köln

OBERLANDESGERICHT KÖLN

BESCHLUSS

In der Kostenfestsetzungssache

pp.

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung der Beklagten vom 16. Februar 1999 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Rechtspflegers des Landgerichts Köln vom 5. Februar 1999 - 25 O 381/95 - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Siegburg sowie die Richter am Oberlandesgericht Heitmeyer und Winn am 3. November 1999

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluß des Landgerichts Köln aufgehoben und die Sache dem Rechtspfleger der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln zur Prüfung nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe zurückgegeben.

Gründe:

Der Rechtspfleger hat die von den Klägern angemeldeten Verkehrsanwaltskosten von DM 4.216,02 in Höhe ersparter Kosten für drei Informationsreisen je Kläger von DM 3.540,00 als erstattungsfähig anerkannt und der Kostenausgleichung zugrunde gelegt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, es hätte zur Information des Prozeßbevollmächtigten ausgereicht, wenn nur ein Kläger gereist wäre.

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Rückgabe an den zuständigen Rechtspfleger entsprechend § 575 ZPO. Verkehrsanwaltskosten sind nur auf seiten der Klägerin zu 1. zu berücksichtigen.

Die Kosten eines Verkehrsanwalts (Korrespondenzanwalts) werden allgemein als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und damit als erstattungsfähig angesehen, wenn es der Prozeßpartei, die den Verkehrsanwalt einschaltete, aus sachlichen Gründen unmöglich oder aus persönlichen Gründen unzumutbar gewesen ist, ihren auswärtigen Prozeßbevollmächtigten über den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt unmittelbar zu informieren (vgl. z.B. OLG München, Beschl. v. 17.10.1984 - 11 W 2583/84, AnwBl. 1985, 47; OLG Bamberg, Beschl. v. 28.06.1994 - 1 W 32/94, Jur-PC 1995, 3117; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.04.1995 - 9 W 1103/95, JurBüro 1995, 592; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.07.1996 - 10 W 41/96, NJW-RR 1997, 126; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.04.1997 - 18 WF 17/97, OLGR 1998, 36; OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.1997 - 3 W 102/97, OLGR 1998, 244) oder wenn die Kosten einer unmittelbaren Information des auswärtigen Prozeßbevollmächtigten die eines Verkehrsanwalts (nahezu) erreichen oder sogar übersteigen würden (OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.04.1995 - 9 W 1103/95, JurBüro 1995, 592). Bei der Beurteilung der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der mündlichen Information des Prozeßbevollmächtigten durch die Partei sind grundsätzlich sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.09.1984 - 7 W 374/84, AnwBl 1985, 46; Beschl. v. 10.12.1984 - 4 WF 249/84, JurBüro 1985, 452; v. Eicken, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 52 Rz. 30; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 91 Rz. 220 m.w.N.). Aufgrund dieser gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände hat der im Bezirk des OLG Köln für Kostensachen zuständige erkennende Senat in der Vergangenheit die Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten grundsätzlich verneint, wenn - die Prozeßpartei als größeres Unternehmen eine eigene Rechtsabteilung besitzt oder ihr die Einrichtung einer solchen zuzumuten ist, insbesondere, wenn das Unternehmen überregional tätig ist, wie z.B. bei einer deutschen Großbank (OLG Bamberg, Beschl. v. 25.06.1997 - 4 W 75/97, OLGR 1998, 68); ausgenommen, d.h. erstattungsfähig sind hier etwaige notwendige, durch die Einschaltung des Verkehrsanwaltes ersparte Aufwendungen wie zum Beispiel Porto- und Fernsprechauslagen (OLG Köln, Beschl. v. 29.01.1986 - 17 W 626/85, RPfl 1986, 235; vgl. auch OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.1985 - 3 W 34/85, JurBüro 1986, 102); - die Prozeßpartei aufgrund ihrer eigenen personellen Ausstattung in der Lage ist, einen Rechtsstreit in Routineangelegenheiten ohne die Hilfe eines beratenden und korrespondierenden Anwalts zu führen. Die Beschaffung von Rechtskenntnissen, auf die ein Unternehmen nach Umfang und Eigenart seiner Geschäfte zur Bewältigung häufig vorkommender typischer Rechtsangelegenheiten angewiesen ist, gehört ebenso wie sonstiger Bearbeitungsaufwand - auch im Rechtsstreit - zur allgemeinen Aufgaben- und Belastungssphäre der Partei und kann daher nicht auf dem Weg über die Erstattung von Verkehrsanwaltskosten auf den jeweiligen Prozeßgegner abgewälzt werden. In erstattungsrechtlicher Hinsicht ist es dabei unerheblich, ob die betreffende Partei eigene Mitarbeiter beschäftigt, um in der Lage zu sein, branchenübliche Vorgänge zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens zu machen, oder ob sie sich statt dessen der Hilfe frei praktizierender Rechtsanwälte bedient (OLG Köln, Beschl. v. 11.10.1995 - 17 W 180/95, unveröffentlicht; vgl. auch OLG Hamburg, Beschl. v. 01.10.1986 - 8 W 236/86, JurBüro 1987, 430; OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.1996 - 23 W 224/96, OLGR 1997, 268). Eine Erstattung von Verkehrsanwaltskosten kommt hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt ersparter Rats- und/oder Reisekosten in Betracht (OLG Köln, Beschl. v. 10.07.1991 - 17 W 153/91, OLGR 1992, 126 = JurBüro 1992, 197).

An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat auch weiterhin fest.

Weitere Fallgestaltungen, in denen die Erstattung der Verkehrsanwaltskosten abzulehnen ist, sind denkbar, wie etwa in dem Fall, daß die Entfernung zwischen dem Sitz der Partei und der Kanzlei des Verkehrsanwalts nicht wesentlich kleiner ist als die Entfernung zu dem beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 05.02.1986 - 8 W 20/86, JurBüro 1986, 1240) oder zum Prozeßgericht, ferner wenn der Kostengläubiger eine kostenerhöhende Betriebsorganisation vorgenommen hat in der Weise, daß die Partei, die ihren Hauptsitz nicht am Ort des Prozeßgerichts hat, über ihren an ihrem Hauptsitz ansässigen Vertrauensanwalt als Verkehrsanwalt die Korrespondenz mit dem Prozeßbevollmächtigten führt, obwohl sie im Bezirk des Prozeßgerichts ein Filialunternehmen unterhält, das den gesamten fallbezogenen Schriftverkehr, die Durchführung und die Abwicklung des Geschäfts in ihrem Zuständigkeitsbereich betrieben hatte (OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.05.1995 - 12 W 65/95, JurBüro 1996, 39; OLG Köln, Beschl. v. 19.04.1996 - 17 W 108/96, unveröffentlicht). Ebenso ist die Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten abzulehnen, wenn die Partei beispielsweise selbst Anwalt oder Juraprofessor (Zivilrecht) und damit fachkundig ist. Desgleichen ist es der innerhalb des Bezirks des Prozeßgerichts domizilierenden Prozeßpartei zumutbar, direkt einen Prozeßbevollmächtigten zu beauftragen, so daß die durch die Zwischenschaltung eines Verkehrsanwalts entstandenen Mehrkosten vom unterlegenen Kostenschuldner grundsätzlich nicht zu erstatten sind. Ferner sind die Kosten eines Verkehrsanwalts nicht erstattungsfähig, wenn die Partei ihn zu Informationszwecken nicht aufgesucht und ihn nicht mündlich informiert hat, sondern die Information schriftlich erfolgte. In diesem Falle scheidet auch eine Erstattung ersparter Reisekosten für eine Informationsfahrt zum auswärtigen Prozeßbevollmächtigten aus (Kammergericht Berlin, Beschl. v. 15.07.1996 - 1 W 6066/94, OLGR 1996, 216). Sofern die Partei einen Verkehrsanwalt an ihrem Wohnsitz oder in einem Umkreis von 40 km beauftragt, ist regelmäßig davon auszugehen, daß sie ihren Verkehrsanwalt mündlich informiert hat. Bei Einschaltung eines Verkehrsanwalts am sog. dritten Ort gilt diese - widerlegbare - Vermutung nicht. Die Partei, die Erstattung ihrer Verkehrsanwaltskosten begehrt, hat hier darzulegen und evtl. glaubhaft zu machen (§ 104 Abs. 2 ZPO), daß sie tatsächlich ihren Verkehrsanwalt aufgesucht und mündlich informiert hat. Tut sie dies nicht, sind die Verkehrsanwaltskosten nicht erstattungsfähig, weil für diesen Fall davon auszugehen ist, dass sie ihren Prozeßbe-vollmächtigten wie den Verkehrsanwalt schriftlich/fernmündlich hätte informieren können. Hat sie den Verkehrsanwalt in einem persönlichen Gespräch informiert und hat dieser seine Kanzlei an einem Ort, der weiter als 40 km von dem Wohnsitz oder Geschäftssitz der Partei entfernt liegt, so sind die Verkehrsanwaltskosten allenfalls in Höhe anderweit ersparter Kosten erstattungsfähig. In Fällen dieser Art kann der Partei zugemutet werden, zu ihrem Prozeßbevollmächtigten zu reisen.

Liegen einer der vorgenannten Gründe oder sonstige vergleichbare besondere Umstände, die bei der gebotenen Gesamtwürdigung zur Verweigerung einer Erstattung der Kosten des Verkehrsanwalts führen könnten, nicht vor, ist der Senat - insoweit unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung - nunmehr in Anlehnung an die (frühere) Rechtsprechung einiger Senate des OLG Frankfurt/M. (vgl. OLG Frankfurt/M., 6. Zivilsenat, Beschl. v. 01.06.1971 - 6 W 252/71, MDR 1972, 525; 20. Zivilsenat, Beschl. v. 08.12.1982 - 20 W 387/82, JurBüro 1983, 1399) der Auffassung, daß es einer Prozeßpartei grundsätzlich nicht mehr zuzumuten ist, den auswärtigen Prozeßbevollmächtigten persönlich aufzusuchen und direkt zu informieren, wenn die Entfernung zwischen dem Ort, an dem sich ihr Wohn- oder Geschäftssitz befindet, und dem Ort des Prozeßgerichts sowie dem Kanzleiort des Prozeßbevollmächtigten mehr als 40 km beträgt. Maßgeblich ist dabei jeweils die Entfernung zwischen den Ortsgrenzen. Zur Begründung ist folgendes auszuführen:

Die Prozeßpartei, die zur persönlichen Information ihres Prozeßbevollmächtigten eine größere Entfernung als 40 km zurücklegen müßte, würde dafür angesichts der heutigen Straßen- und Verkehrsverhältnisse und unabhängig davon, ob sie mittels eines Kraftfahrzeuges oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Informationsreise vornimmt, nach der allgemeinen Lebens-erfahrung erhebliche Zeit in Anspruch nehmen müssen, die ihr an Freizeit entginge oder in ihrem Beruf zu einem (Verdienst-) Ausfall führen würde. Zwar werden der Prozeßpartei als Kostengläubiger die ihr durch Informationsreisen zum Prozeßbevollmächtigten entstandenen notwendigen Reisekosten im Regelfall ersetzt, indes ist die Höhe der Entschädigung der Partei für deren bzw. die Zeitversäumnis ihrer Organe oder Mitarbeiter (vgl. zu letzterem jetzt Senat, Beschl. v. 28.07.1999 - 17 W 70/99, bisher unveröffentlicht) kraft Gesetzes gemäß §§ 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO, 2 Abs. 2, Abs. 3 ZSEG auf 4,00 DM bis 25,00 DM je Stunde Ausfall begrenzt. Diese Stundensätze sind angesichts der heutigen Lohn- und Einkommensverhältnisse extrem niedrig. Mit Rücksicht auf diese äußerst geringen Entschädigungsbeträge für Zeitversäumnis ist es einer Prozeßpartei nach Ansicht des Senates nicht zumutbar, auf die Einschaltung eines Verkehrsanwalts zu verzichten und zeitaufwendige und unter Umständen kostspielige Informations-reisen zum Prozeßbevollmächtigten auf sich zu nehmen mit dem einzigen Zweck, den Geldbeutel seines - später unterlegenen - Prozeßgegners zu schonen.

Dem steht der vom Gesetzgeber mit der Beschränkung der Entschädigung für Zeitversäumnis erkennbar verfolgte Zweck, das Kostenrisiko für die unterlegene und alsdann gemäß §§ 91 f. ZPO kostenpflichtige Prozeßpartei von vornherein einzugrenzen, nicht entgegen. In den Fällen der Einschaltung eines Verkehrsanwaltes - und das gilt entsprechend bei Beauftragung eines Haupt- und eines Unterbevollmächtigten - haben die Prozeßparteien oder eine von ihnen regelmäßig nicht ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz am Ort des Prozeßgerichts. In solchen Fällen ist von vornherein mit dem Entstehen von Mehrkosten zu rechnen, weil ein Verkehrsanwalt zusätzlich eingeschaltet wird und/oder erhöhte Reisekosten anfallen. Das ist für jede Prozeßpartei von vornherein erkennbar. Die tatsächliche Entwicklung in den vergangenen Jahren hat gezeigt, daß die Parteien mehr und mehr einen Verkehrsanwalt eingeschalten, um mit dessen Hilfe die Korrespondenz mit ihrem auswärtigen Prozeßbevollmächtigten zu erledigen. Vielfach haben beide Parteien jeweils einen Verkehrsanwalt angeschaltet. Unter dieser Umständen kann keine Rede davon sein, daß der unterlegenen Prozeßpartei übermäßig hohe Kosten aufgebürdet würden, mit denen nicht zu rechnen gewesen wäre.

Dies gilt umso mehr, als nicht selten die durch die Einschaltung eines Verkehrsanwalts ersparten Reisekosten pp. die Kosten des Verkehrsanwaltes nahezu erreichen oder sogar übersteigen, so daß im Ergebnis ohnehin keine Mehrbelastung auf den Kostenschuldner zukommt. Darüber hinaus gibt es weiterhin, wie die obigen Ausführungen zeigen, einige Fallgruppen, in denen ohnehin von vornherein keine Kostenerstattung in bezug auf Verkehrsanwaltskosten in Betracht kommt. Berücksichtigt man weiter, daß die hier praktizierte 40-km-Grenze gewährleistet, daß lediglich die Fälle einer nicht unerheblichen zeitlichen Mehrbelastung der Partei zu einer grundsätzlich generellen Erstattung der Verkehrsanwaltskosten führen, erscheint es bei der gebotenen Gesamtabwägung gerechtfertigt, den Begriff der "Notwendigkeit" der Kosten im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die hier fraglichen Fälle der Einschaltung eines Verkehrsanwaltes nunmehr dahin zu präzisieren und zu generalsieren, daß bei einer Entfernung von mehr als 40 km zum Gerichts- und zum Kanzleiort des Prozeßbevollmächtigten weitere Umstände für die Gesamtabwägung grundsätzlich nicht vorzuliegen brauchen.

Außer der Feststellung der Überschreitung der 40 km-Grenze ist nicht zusätzlich zu berücksichtigen, ob die Partei, hätte sie ihren Prozeßbevollmächtigten persönlich informiert, eine bestimmte Mindestzeit, so zum Beispiel einen halben Arbeitstag (vgl. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 12.01.1984 - 7 W 86/86, HessJMBl. 1984, 232; Beschl. v. 01.06.1971 - 6 W 252/71, MDR 1972, 525, 526; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 02.02.1987 - 14 W 66/87, JurBüro 1988, 1788), verloren hätte. Ein solches Kriterium würde das Kostenfestsetzungs- und das evtl. sich anschließende Rechtsbehelfsverfahren nicht unerheblich belasten. Der Senat sieht sich zu der jetzigen Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung veranlaßt, weil die Zahl der Beschwerdeverfahren nach §§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG, in denen sich die Parteien um die gänzliche oder teilweise Erstattung von Verkehrsanwaltskosten streiten, erheblich zugenommen hat. Weit mehr als 1/3 aller beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahren gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse haben die Erstattung von Verkehrsanwaltskosten zum Gegenstand. Angesichts der allgemein bekannten knappen Ressourcen im Bereich der Justiz erscheint es nicht mehr hinnehmbar, daß zur Klärung der Frage, ob zur Schonung der Finanzen der im Prozeß unterlegenen Partei die von der obsiegenden Partei angemeldeten vollen oder teilweisen Verkehrsanwaltsgebühren ganz oder teilweise zu erstatten sind, in dem hohen Maße personelle und sächliche Mittel aufgewandt werden müssen, wie das derzeit geschieht. Es ist deshalb geboten, das Kostenfestsetzungsverfahren, das zwischenzeitlich wegen der erheblich gestiegenen Zahl der Prozesse quasi zu einem Massenverfahren geworden ist, zu vereinfachen, um seine schnellere Abwicklung gewährleisten zu können. Notfalls muß dies im Wege der Rechtsfortbildung geschehen, wenn eine Modifizierung des Begriffs der "Notwendigkeit" im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO - entgegen der hier vertretenen Ansicht - dazu nicht ausreicht.

Der vom Senat verfolgte Zweck, das Kostenfestsetzungsverfahren in bezug auf die Berücksichtigung von Verkehrsanwaltskosten zu vereinfachen, gebietet es, auf weitere Abwägungsgesichtspunkte wie zum Beispiel das Kriterium des Zeitaufwandes der Prozeßpartei für eine fiktive Informationsreise zum Prozeßbevollmächtigten zu verzichten. Aus diesem Grunde soll es zur Feststellung der 40 km-Grenze auch nicht auf die tatsächliche Entfernung vom Wohn- bzw. Geschäftssitz der Partei zum Prozeßgericht bzw. zum Kanzleiort des Prozeßbevollmächtigten ankommen, sondern auf die jeweilige Entfernung der Ortsgrenzen. Denn letztere können im Streitfalle einfacher festgestellt werden.

Die vereinfachende Anerkennung der Erstattung der Verkehrsanwaltskosten in den hier fraglichen Fällen macht darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit den immer wieder vom Kostengläubiger im Kostenfestsetzungs- und Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumenten entbehrlich, der Verkehrsanwalt sei darüber hinaus zuvor außergerichtlich gemäß § 118 BRAGO und/oder später als sog. Mahnanwalt tätig geworden.

Beträgt die Entfernung zwischen dem Ort, an dem die Partei wohnt bzw. ihren Geschäftssitz hat, und dem Ort, an dem das Prozeßgericht residiert und dem Kanzleiort des Prozeßbevollmächtigten weniger als 40 km, so sind die Kosten eines gleichwohl eingeschalteten Verkehrsanwaltes nur ausnahmsweise zu erstatten, sofern es der Partei unmöglich oder aus sonstigen gravierenden Gründen unzumutbar war, den Prozeßbevollmächtigten unmittelbar zu informieren. Letzteres kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Partei infolge hohen Alters, Krankheit oder Körperbehinderung außerstande ist, den auswärtigen Prozeßbevollmächtigten persönlich aufzusuchen und zu informieren.

Liegt ein solcher Ausnahmetatbestand nicht vor, sind die gleichwohl vom Kostengläubiger zur Kostenfestsetzung angemeldeten Verkehrsanwaltskosten lediglich bis zur Höhe der Kosten einer oder evtl. mehrerer notwendig gewordener fiktiver Informationsreisen der Partei sowie etwaige sonstige ersparte Auslagen (Porto, Telefon usw.) erstattungsfähig, gegebenenfalls kann ein fiktiver Aufwand für eine prozeßbezogene Beratung (§ 20 BRAGO) auf Seiten des Klägers (nicht des Beklagten) hinzukommen (vgl. Senat, Beschl. v. 21.10.1991 - 17 W 342/91, JurBüro 1992, 104 = OLGR 1992, 48 [L]). Die im Umfange der ersparten fiktiven Aufwendungen zu berücksichtigenden Verkehrsanwaltskosten sind von Amts wegen zu ermitteln (OLG Hamm, Beschl. v. 24.06.1983 - 23 W 89/93, AnwBl 1983, 559).

Nach der Rechtsprechung des 26. Zivilsenats des OLG Köln (Beschl. v. 17.07.1995 - 26 WF 42/95, JurBüro 1996, 942), der sich der erkennende Senat anschließt, sind die durch die Beauftragung eines Hauptbevollmächtigten am Wohnsitz der Partei und eines Unterbevollmächtigten am Ort des Prozeßgerichts entstandenen Mehrkosten nur insoweit erstattungsfähig, als sie die Kosten eines Hauptbevollmächtigten am Prozeßgericht und eines notwendigen Verkehrsanwalts am Wohnort der Partei nicht übersteigen. Diese Rechtsprechung wird insbesondere für die Zeit ab 01.01.2000 von Bedeutung, wenn nach der dann geltenden Neufassung des § 78 Abs. 1 ZPO (Wegfall des Lokalisationsprinzips) die Rechtsanwälte vor jedem Landgericht der Bundesrepublik Deutschland auftreten können. Es ist damit zu rechnen, daß alsdann viele bisher als Verkehrsanwälte (mit oder ohne Gebührenteilungsvereinbarung) tätige Rechtsanwälte sich beim Prozeßgericht als Hauptbevollmächtigte bestellen und je nach Mandant, Entfernung zum Prozeßgericht und Gebührenstreitwert einen Unterbevollmächtigten beauftragen werden, sofern der Mandant mit der Beauftragung eines Unterbevollmächtigten einverstanden ist. Durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten können, wie die Bestimmungen der §§ 33 Abs. 3, 53 BRAGO (insbesondere dessen Satz 3) zeigen, im Vergleich zum Verkehrsanwalt im Ergebnis höhere Anwaltsgebühren anfallen, die nicht erstattungsfähig sind, soweit sie eine volle Gebühr (vgl. § 52 BRAGO) übersteigen.

Die vorgenannten Grundsätze zur Erstattung der Verkehrsanwaltskosten bei Überschreitung der 40 km-Grenze gelten nach Auffassung des Senates nicht, wenn der in erster Instanz tätig gewesene Prozeßbevollmächtigte in der Berufungsinstanz als Verkehrsanwalt fungiert (zum schlüssigen Zustandekommen eines solchen Anwaltsvertrages vgl. BGH, Urt. v. 21.03.1991 - IX ZR 186/90, NJW 1991, 2084). Die dadurch entstandenen Verkehrsanwaltskosten sind grundsätzlich nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und damit im Regelfall nicht erstattungsfähig. Die beim OLG Köln tätigen Rechtsanwälte führen nach deren Auskünfte zur Durchführung der Berufung bzw. zur Vorbereitung der Rechtsverteidigung im Berufungsverfahren regelmäßig persönliche Gespräche mit ihren Mandanten, die zu diesem Zwecke in vielen Fällen auch dann zu ihrem Prozeßbevollmächtigten reisen, wenn sie außerhalb des Bezirks des OLG Köln wohnen. Zu einem solchen persönlichen Gespräch mit dem Mandanten ist der - mit dem erstinstanzlichen Anwalt nicht identische - Berufungsanwalt insbesondere verpflichtet, wenn der Sachverhalt in erster Instanz erkennbar nicht ausreichend aufgeklärt worden ist und/oder die Einlassung des Prozeßgegners im Berufungsverfahren zu einer eingehenden persönlichen Besprechung mit dem Mandanten nötigt. Sofern die Senate des OLG Köln eine ausführliche mündliche Verhandlung im Beisein der Parteien durchführen, erscheint es ebenfalls geboten, daß der OLG-Anwalt rechtzeitig zuvor mit dem Mandanten ein umfassendes Gespräch geführt hat. Auch gehört es zu den Beratungspflichten des Berufungsanwaltes, den Mandanten unmittelbar über ein etwaiges Fehlverhalten seines Kollegen aufzuklären, der die Partei in erster Instanz anwaltlich vertreten hat, so daß auch aus diesem Grunde die Zwischenschaltung des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten als Verkehrsanwalt nicht zweckmäßig erscheint. Diese Ausführungen zeigen, daß die Situation in bezug auf den Verkehrsanwalt im Berufungsverfahren nicht vergleichbar ist mit der entsprechenden in erster Instanz. Dort fungiert der Verkehrsanwalt in den überwiegenden Fällen praktisch quasi als Hauptbevollmächtiger, indem er die Schriftsätze für den Prozeßbevollmächtigten ("Stempelanwalt") fertigt. In diesen Fällen besteht aus der Sicht des Prozeßbevollmächtigten regelmäßig kein Bedürfnis zu einer persönlichen Besprechung mit dem Mandanten. Diese erheblichen Unterschiede rechtfertigen es, die Frage der Erstattung der Verkehrsanwaltskosten im Berufungsverfahren anders zu beurteilen.

Die vorgenannten strengeren Maßstäbe im Berufungsrechtszug gelten entsprechend für die Hinzuziehung eines Verkehrsanwalts in der Revisionsinstanz (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.11.1997 - 5 W 203/97, OLGR 1998, 72; OLG Dresden, Beschl. v. 14.08.1998 - 13 W 1163/98, MDR 1998, 1372).

In bezug auf den vorliegenden Fall ergibt sich aus den obigen Grundsätzen, dass die Klägerin zu 1. durch die Hinzuziehung des Münchener Verkehrsanwaltes für das beim Landgericht Köln rechtshängige Verfahren nicht gegen ihre Verpflichtung zur Kosten sparenden Prozeßführung verstoßen hat. Jedoch sind die Kosten des Verkehrsanwaltes bei der Kostenausgleichung zugunsten der Klägerin zu 1. nur in hälftiger Höhe zu berücksichtigen, denn die Klägerin zu 1. hat nicht dargelegt, auch hinsichtlich der auf den Kläger zu 2. im Innenverhältnis entfallenden Verkehrsanwaltskosten einstandspflichtig zu sein (vgl. ständige Rechtsprechung des Senats: JurBüro 1987, 899).

Die Frage, ob dem in O. wohnhaften Klägers zu 2. Verkehrsanwaltskosten zu erstatten sind, bedarf noch weiterer Aufklärung. Sollte der Kläger zu 2. seinen Münchener Verkehrsanwalt ausschließlich schriftlich informiert haben, so wäre die Hinzuziehung des Verkehrsanwaltes nicht notwendig gewesen, denn der Kläger zu 2. hätte in gleicher Weise seinen Kölner Prozeßbevollmächtigten informieren können. Sofern er den Verkehrsanwalt jedoch persönlich aufgesucht und mündlich informiert haben sollte, hätte der Kläger zu 2. durch die Hinzuziehung des Verkehrsanwaltes die Mehrkosten als erstattungsfähig erspart, die durch eine Informationsreise zum Prozeßort Köln gegenüber einer Informationsreise zum Sitz des Verkehrsanwaltes in München angefallen wären.

Bei der erneut vorzunehmenden Kostenausgleichung wird der Rechtspfleger desweiteren zu berücksichtigen haben, dass die von den Klägern angemeldete Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 BRAGO nicht angefallen ist. Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist in bezug auf die beiden Kläger nicht derselbe gewesen, vielmehr hat jeder der beiden Kläger seinen eigenen Pflichtteilsanspruch aus §§ 2303 ff BGB gegen die Beklagte als testamentarische Alleinerbin geltend gemacht, wie sich auch aus den gestellten Klageanträgen vom 3. Februar 1998 ergibt und in der auch Streitwertfestsetzung durch die Kammer gem. § 7 Abs. 2 BRAGO seinen Niederschlag gefunden hat.

Ende der Entscheidung

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