Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.12.2005
Aktenzeichen: 17 W 279/05
Rechtsgebiete: RVG VV


Vorschriften:

RVG VV Nr. 3201
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

17 W 279/05

In der Kostenfestsetzungssache

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 23. September 2005 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom 08. September 2005 - 65 O 9/03 - durch den Richter am Oberlandesgericht Schütz als Einzelrichter

am 23. Dezember 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Kostenfestsetzung für die zweite Instanz aufgrund des Kostenfestsetzungsantrages der Antragsgegnerin vom 01. August 2005 wird abgelehnt. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom 08. September 2005 - 65 O 9/03 - wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 3.695,53 €.

Gründe:

I.

In erster Instanz waren die Antragsteller mit ihrem Klagebegehren vor dem Landgericht Köln gescheitert. Zeitgleich war zwischen ihnen ein weiterer Rechtsstreit vor dem Landgericht Bonn anhängig. Im Hinblick auf eine vergleichsweise Regelung unterbreitete die Antragsgegnerin den Antragstellern durch ihren Prozessbevollmächtigten einen Vorschlag, der unter der ausdrücklichen Bedingung stand, dass bezüglich des Kölner Verfahrens seitens der Antragsteller kein Rechtsmittel eingelegt werde. Diesem Wunsch entsprachen die Antragsteller jedoch nicht und legten unter dem 01. März 2005 Berufung per Fax-Schriftsatz ein. Das Original dieses Schriftsatzes gelangte am 03. März 2005 zu den Akten. Unter dem selben Datum ging beim Landgericht Köln per Fax ein weiterer Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ein mit der Erklärung, die Berufung werde zurückgenommen. Erst am 08. März 2005 erging seitens der Geschäftsstelle der 65. Zivilkammer des Landgerichts Köln eine Verfügung, wonach dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin sowohl der Schriftsatz vom 01. März (Berufungseinlegung) als auch der vom 03. März 2005 (Berufungsrücknahme) zuzustellen waren. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses erhielt der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin beide Schriftsätze am 09. März 2005. Eine schriftsätzliche Stellungnahme der Antragsgegnerin erfolgte sodann nicht mehr. Am 14. April 2005 legte das Oberlandesgericht Köln den Antragstellern gemäß § 516 Abs. 3 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens auf.

Die Antragsgegnerin hat für die Berufungsinstanz eine 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG nebst Auslagenpauschale sowie Mehrwertsteuer zur Festsetzung angemeldet, insgesamt 3.695,53 €. Der Rechtspfleger hat diesen Betrag antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen richten sich die Antragsteller mit ihrem Rechtsmittel.

Sie sind der Ansicht, der Einschaltung von Prozessbevollmächtigten für die Berufungsinstanz habe es auf Seiten der Antragsgegnerin nicht bedurft. Dort sei weder etwas von der Berufung bekannt gewesen, noch hätten die Prozessbevollmächtigten irgend eine Tätigkeit entfaltet im Berufungsrechtszug. Vor allem aber seien deshalb schon keine Gebühren zu erstatten, weil die Berufung schon vor Kenntnisnahme von deren Einlegung zurückgenommen worden sei.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, für die Beschwerde fehle es schon am Rechtsschutzinteresse, weil seitens der Antragsteller der festgesetzte Betrag bereits gezahlt worden sei. Ihr sei im Übrigen die Tatsache der Berufungseinlegung bekannt gewesen, da ihr Prozessbevollmächtigter bei der Geschäftsstelle der 65. Zivilkammer des Landgerichts Köln angerufen und dieses dort erfahren habe. Der Gebührenanspruch sei deshalb entstanden durch Entgegennahme und Prüfung der Berufungsschrift und deren kommentierte Weiterleitung an die Mandantschaft.

Die Antragsteller erwidern, bezahlt worden seien von ihnen die festgesetzten Kosten für die erste, nicht aber diejenigen für die zweite Instanz.

II. 1.)

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthaft und begegnet auch ansonsten keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.

Insbesondere ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse auf Seiten der Antragsteller gegeben. Nachdem die Antragsgegnerin auf deren Vortrag hin, die vorgenommene Zahlung sei auf die für die erste Instanz festgesetzten Kosten geleistet worden, nicht mehr erwidert haben, ist dies als unstreitig zu behandeln.

2.)

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst vollen Erfolg. Zu Unrecht hat der Rechtspfleger dem Begehren der Antragsgegnerin nach Festsetzung von Kosten für die zweite Instanz entsprochen.

Zwar ist es allgemein anerkannt, dass es als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen ist, wenn sich der Berufungsbeklagte sofort nach Einlegung des Rechtsmittels von einem Rechtsanwalt beraten lässt und ihn mit seiner Vertretung beauftragt im Hinblick auf das kommende Verfahren. In einem solchen Fall steht dem Prozessbevollmächtigten des Rechtsmittelgegners bereits eine 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG zu. Voraussetzung dafür aber, dass überhaupt anwaltliche Gebühren für die Rechtsmittelinstanz entstehen, ist das Vorliegen eines Prozessrechtsverhältnisses (OLG München JB 1987, 1797). Für den Berufungsbeklagten ist es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Regel nicht als notwendig anzusehen, dass er vor der gesetzlich vorgeschriebenen Zustellung der Berufungsschrift, § 521 Abs. 1 ZPO, einen Rechtsanwalt mandatiert (KG KGR 2000, 16; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16 Aufl., Nr. 3200 VV Rn. 46). Die Kosten für anwaltliche Tätigkeiten vor Zustellung der Rechtsmittelschrift sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig, auch dann nicht, wenn das Rechtsmittel noch vor seiner Zustellung an den Gegner zurückgenommen wird. So muss es etwa dem Rechtsmittelgericht vorbehalten sein, den Rechtsmittelführer aus Gründen der Kostenersparnis schon vor der Zustellung der Rechtsmittelschrift auf die Aussichtslosigkeit seines Begehrens hinzuweisen (OLG München a.a.O.). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass unbeschadet dessen, dass es bei der Einlegung eines Rechtsmittels keine Rechtshängigkeit wie bei der Klageerhebung gibt, erstattungsrechtlich die selben Grundsätze anzuwenden sind, wie bei einer nicht zugestellten Klage. In diesem Fall ist allgemein anerkannt, dass kein Erstattungsanspruch besteht (Gerold/Schmidt u.a., Nr. 3200 VV Rn. 46, Nr. 3100 VV Rn. 176 f.).

Wenn auch der vorliegende Fall die Besonderheit aufweist, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin durch einen Anruf auf der Geschäftsstelle der 65. Zivilkammer des Landgerichts Köln erfahren haben mag, dass seitens der Antragsteller Berufung eingelegt wurde, so ist das Ergebnis kein anderes. Aus den oben dargestellten Gründen ist entscheidender Moment, ab dem Gebühren überhaupt ausgelöst werden bzw. werden dürfen, derjenige der Zustellung der Berufungsschrift, § 521 Abs. 1 ZPO. Nunmehr erst steht für den Rechtsmittelgegner verbindlich fest, dass der vorinstanzliche Prozessgegner die ergangene Entscheidung angreifen will. Erst ab diesem Zeitpunkt ist es für ihn überhaupt notwendig und erforderlich, sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Wollte man dies in einem Fall wie dem vorliegenden anderes sehen, so wäre damit eine nicht hinzunehmende Möglichkeit eröffnet, voreilig Gebühren auszulösen. Geht dem potenziellen Rechtsmittelgegner mithin zugleich eine Berufungsschrift sowie ein Schriftsatz zu, mit dem die Berufung wieder zurückgenommen wird, so bedarf es einer anwaltlichen Beratung nicht mit der Folge, dass erstattungsrechtliche Ansprüche nicht entstehen.

3.)

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück