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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 13.01.2006
Aktenzeichen: 17 W 302/05
Rechtsgebiete: RVG
Vorschriften:
RVG § 61 Abs. 1 S. 1 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In der Kostenfestsetzungssache
hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf das als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel der Beklagten vom 09. November 2005 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Aachen vom 18. Oktober 2005 - 8 O 156/05 - durch den Richter am Oberlandesgericht Schütz als Einzelrichter
am 13. Januar 2006
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Gegenstand für das Beschwerdeverfahren: 566,00 €
Gründe:
I.
Noch unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, also vor dem 01. Juli 2004, leitete der Kläger ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte ein. Die Klageschrift im Hauptsacheverfahren ging erst am 12. April 2005 bei Gericht ein. Das Landgericht hat die Klage rechtskräftig abgewiesen. Zur Festsetzung angemeldet hat die Beklagte 1.152,00 € das selbständige Beweisverfahren betreffend, berechnet nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, nämlich je eine 10/10 Prozess- bzw. Beweisgebühr nebst Auslagenpauschale, für das Hauptsacheverfahren eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG sowie eine Auslagenpauschale, insgesamt 1.435,00 €.
Die Rechtspflegerin hat für das selbständige Beweisverfahren die Beweisgebühr und die Pauschale nach altem Recht und für das Hauptsacheverfahren die Gebühren wie beantragt festgesetzt. Bezüglich der Prozessgebühr ist sie der Ansicht, diese sei auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Beklagten. Sie meint, eine Anrechnungsvorschrift existiere nicht.
Der Kläger verteidigt das Vorgehen der Rechtspflegerin.
II.
Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinerlei Erfolg.
In nicht zu beanstandender Weise hat die Rechtspflegerin die zur Zeit der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung bezüglich des selbständigen Beweisverfahrens entstandene Prozessgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angerechnet. Soweit ersichtlich ist der vorliegende zur Entscheidung stehende Sachverhalt in der veröffentlichten Rechtsprechung nach Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes noch nicht entschieden worden. Auch in der Literatur wird diese Konstellation - wenn überhaupt - nur kurz behandelt (s. den Überblick bei: Hansens, RVGreport 2004, 242).
Nach Goebel/Gottwald, RVG, § 61 Rn. 18 f., ist die gesamte anwaltliche Tätigkeit nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abzurechnen. Dieses Ergebnis lässt jedoch außer Acht, dass der Prozessauftrag erst zu einem Zeitpunkt erteilt wurde, als dieses Gesetz bereits durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgelöst worden war.
N. Schneider (in: Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl., § 61 Rn. 41; ders.: AGS 2004, 221, 223) ist dagegen der Ansicht, § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG sei entgegen seines Wortlautes nicht anwendbar. Solches zu tun verstieße gegen Artikel 14 GG. Bei Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes werde eine neue Vergütung ausgelöst. Der Auftraggeber aber, der den Anwalt für das selbständige Beweisverfahren (Prozess- und Beweisgebühr nach der BRAGO) bereits bezahlt hat, müsse nun, obwohl er dieses bereits mit der Zahlung getan habe, eine weitere Vergütung für den Rechtsstreit zahlen. Das stelle einen Eingriff in eine gesicherte Rechtsposition dar.
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Sie unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten höchst bedenklich. Es geht nicht an, ein Gesetz deshalb nicht anwenden zu wollen, weil man es für missglückt hält. Zum Anderen überzeugt auch die Begründung nicht, soweit ein Verstoß gegen das Grundgesetz vorliegen soll. Ob es nach dem selbständigen Beweisverfahren noch zu einem Klageverfahren kommt, weiß der Antragsteller unabhängig davon nicht, ob er seinen Rechtsanwalt schon bezahlt hat. Das hängt sowohl von dem Prozessgegner als auch von dem Ausgang des selbständigen Beweisverfahrens ab. Wodurch ein grundgesetzlich bereits geschützter Vertrauenstatbestand geschaffen werden soll, ist nicht ersichtlich.
Zu folgen ist deshalb der Ansicht von Hansens, a.a.O. Wird der Prozessauftrag erst nach dem Stichtag 30. Juni 2004 erteilt, so gilt insoweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Es findet eine Aufspaltung statt. Die Gebühren für das selbständige Beweisverfahren sind noch nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, diejenigen für das Klageverfahren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu berechnen. Allerdings gilt dann, worauf die Rechtspflegerin im Nichtabhilfebeschluss zusätzlich zu Recht hingewiesen hat, die Anrechnungsbestimmung der Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV RVG. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift, die die Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens auf diejenige des Hauptsacheprozesses regelt, hat zur Folge, dass auch die nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung im selbständigen Beweisverfahren entstandene Prozessgebühr auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheprozesses anzurechnen ist. Zur Anrechnungsproblematik s. auch: KG RVGreport 2005, 223 (Anrechnung der Prozessgebühr bei Abstandnahme vom Urkundenprozess auf die Gebühr nach Nr. 3100 VV), OLG Düsseldorf JB 2005, 474 f. (Anrechnung der im Mahnverfahren angefallenen Widerspruchsgebühr nach altem Recht auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV) und AG Freiburg JB 2005, 82 (Anrechnung der Geschäftsgebühr nach § 118 BRAGO auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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