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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.03.2009
Aktenzeichen: 17 W 39/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, RpflG, RVG


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 104 Abs. 3 S. 1
ZPO § 278 Abs. 6
ZPO § 572 Abs. 1 S. 1
RpflG § 11 Abs. 1
RVG § 15 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten und ihrer vier Streithelfer wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom 28. Oktober 2008 - 17 O 242/07 - in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 16. Januar 2009 - 17 O 242/07 -- teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Beschlusses der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30. November 2007 sind von dem Kläger an die Beklagte 6.058,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 13. Dezember 2007 zu erstatten.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 20 % sowie die Beklagte und ihre vier Streithelfer zu je 16 %.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 2.603,19 €.

Gründe:

I.

Im Klagewege nahm der Kläger die beklagte Versicherung auf materiellen und immateriellen Schadenersatz sowie eine Geldrente in Anspruch. Nachdem sich für die Beklagte der heutige Verfahrensbevollmächtigte als Prozessbevollmächtigter bestellt und angekündigt hatte, Klageabweisung zu beantragen, teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, die Parteien hätten sich im Vergleichswege geeinigt und bäten um Protokollierung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Das Landgericht verfuhr antragsgemäß. Entsprechend der Einigung der Parteien traten dem Vergleich auf Seiten der Beklagten vier Streithelfer bei, für die sich zum Zwecke des Vergleichsabschlusses ebenfalls Rechtsanwalt Dr. L. bestellte. Die Kostenregelung im Vergleich lautete dahingehend, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreites zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10 zu tragen hat. Der Streitwert für das Verfahren wurde auf 126.145,06 €, derjenige für den Vergleich auf 146.145,06 € festgesetzt. Der Mehrvergleich deckt die Ausgleichsquittung des Zukunftsrisikos ab.

Zur Festsetzung angemeldet worden durch Rechtsanwalt Dr. L. sind u.a. eine 1,2 Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG i. H. v. 1.902,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer = 2.263,38 € sowie eine 1,3 Geschäftsgebühr aus dem Streitwert für den Mehrvergleich (20.000,00 €) i. H. v. 839,80 € zuzüglich Mehrwertsteuer = 999,36 €. Der Rechtspfleger hat die Erhöhungsgebühr nicht festgesetzt mit der Begründung, es fehle im Vergleich eine Kostenentscheidung zu Gunsten der vier Streithelfer. Die Geschäftsgebühr hat er unter Hinweis auf die Anrechnungsrechtsprechung des BGH lediglich zu 1/2 festgesetzt. Des Weiteren hat er für das vorprozessuale Tätigwerden die Verfahrensgebühr ebenfalls auf 1/2 gekürzt.

Auf das durch Rechtsanwalt Dr. L. eingelegte Rechtsmittel hat er die zweite Hälfte der Geschäftsgebühr für die Besprechung des Mehrvergleichs zusätzlich festgesetzt, die Sache im Übrigen dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst nur zu einem geringen Teil Erfolg.

1.

Entgegen der Rüge des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagtenseite entspricht die Vorgehensweise des Rechtspflegers, die Sache dem Beschwerdegericht vorzulegen, soweit er ihr auf das eingelegte Rechtsmittel nicht abgeholfen hat, dem Gesetz, § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG.

2.

Zutreffend im Ausgangspunkt ist der Rechtspfleger auch davon ausgegangen, dass für den Kläger und die Beklagte grundsätzlich insgesamt jeweils 7.568,40 € in die Kostenausgleichung einzustellen sind entsprechend des Kostenfestsetzungsantrages des Beklagten vom 12. September 2008. Allein diese Berechnung entspricht dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (s. die Berechnungsbeispiele bei: Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u. a., RVG, 18. Auflage, Nr. 1003, 1004 VV RVG Rn. 76, 98). Im Detail begegnet die Festsetzung jedoch mehreren Bedenken, und es gilt Folgendes:

a.

Rechtsirrig ist der Rechtspfleger davon ausgegangen, dass auf Seiten der Beklagten die vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die prozessuale Verfahrensgebühr anzurechnen sei. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten hat in seiner Rechtsmittelschrift zu Recht und unbestritten eingewendet, da er das Mandat erst als Prozessmandat erhalten habe, sei eine Geschäftsgebühr zu seinen Gunsten nie zur Entstehung gelangt. Wenn aber zu Gunsten eines Anwalts mangels entsprechender Beauftragung und mangels entsprechendem Tätigwerden eine bestimmte Gebühr nie entstanden ist, so kann sie bereits denknotwendigerweise nicht auf eine andere zur Hälfte oder sonstwie angerechnet werden. Soweit der Rechtspfleger seine Entscheidung damit begründet hat, der Umstand, dass im Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten eine Geschäftsgebühr geltend gemacht werde, belege bereits das vorprozessuale Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, so hat er den - zum Teil allerdings nur schwer nachvollziehbaren - Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten nicht richtig erfasst. Unbehelflich ist des Weiteren der Hinweis des Rechtspflegers auf den Beschluss des Senates vom 29. Dezember 2008 - 17 W 230/08 -. Diesem lag offensichtlich ein anderer Sachverhalt zugrunde, der mit dem vorliegend gegebenen nicht vergleichbar ist.

b.

Rechtsfehlerhaft ist die Festsetzung auch insoweit, als der Rechtspfleger auf Seiten des Klägers der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zuwider eine 0,65 Geschäftsgebühr nicht auf die 1,3 Verfahrensgebühr angerechnet hat. Aus Anlage K 1 bereits ergibt sich, dass die späteren Prozessbevollmächtigten und jetzigen Verfahrensbevollmächtigten für den Kläger bereits vorprozessual tätig waren, so dass anstatt 2.332,88 € (1.960,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer) lediglich 1.166,44 € insoweit zu Gunsten des Klägers in die Kostenausgleichung einzustellen sind. Mithin reduziert sich der Gesamtbetrag zu Gunsten des Klägers von 7.568,40 € auf 6.401,96 €.

3.

Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten die Festsetzung einer "1,3 Geschäfts-/Besprechungsgebühr, VV 2400, 1,3-fach (20.000,00 €) = 839,80 €" (netto) zur Festsetzung angemeldet hat, mangelt es an einer Rechtsgrundlage.

a.

Zunächst ist im Wege der Auslegung zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass richtigerweise auf Nr. 2300 VV RVG seitens des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten abgestellt werden soll, da Nr. 2400 VV RVG entgegen der ursprünglichen Fassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes nunmehr seit Jahren die "Vertretung in sozialrechtlichen Angelegenheiten" betrifft, ein solcher Bezug der Akte aber nicht zu entnehmen ist.

b.

Ist eine Klage anhängig und wird ein Anspruch, der bisher nicht rechtshängig ist, in einen Vergleich einbezogen, der deshalb den rechtshängigen und den nicht rechtshängigen Anspruch umfasst, so fällt, worauf der zunächst sachbearbeitende Rechtspfleger die Parteivertreter mit Schreiben vom 02. September 2008 zutreffenderweise hingewiesen hat, eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG auf der Basis des rechtshängigen Anspruches sowie eine 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG auf der Grundlage des Mehrwertes an. Unter Anwendung des § 15 Abs. 3 RVG reduziert sich der Gebührenanfall allerdings auf einer 1,5 Einigungsgebühr nach dem Gesamtstreitwert (Müller-Rabe, a. a. O.). Eine zusätzliche 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf der Grundlage des Mehrwertes entsteht zusätzlich und darüber hinaus nur dann, wenn der Rechtsanwalt wegen dieses nicht rechtshängigen Anspruches aufgrund eines gesonderten Auftrages schon zuvor außergerichtlich tätig war, nicht aber dann, wenn allein eine Besprechung dahingehend erfolgt, ob in den ins Auge gefassten Vergleich über die rechtshängig gemachten Ansprüche hinaus eine nicht rechtshängige Position einbezogen werden soll (Müller-Rabe, a. a. O., Rn. 78).

So liegt der Fall hier. Den Mehrwert für die Ausgleichsquittung des Zukunftsrisikos haben die Parteien einvernehmlich auf 20.000,00 € geschätzt. Die Summe wurde als Gegenstandswert für den Mehrvergleich festgesetzt und ist gebührenmäßig erfasst durch die 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG.

4.

Zu Recht hat der Rechtspfleger des Weiteren die Festsetzung einer Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG abgelehnt. Dies kommt aus mehreren Gründen nicht in Betracht.

a.

Zum einen fehlt es an einem diesbezüglichen Kostenfestsetzungsantrag. Da mehrere Auftraggeber eines einzigen Rechtsanwaltes im Festsetzungsverfahren dem Kostenschuldner als Einzel- und nicht als Gesamtgläubiger gegenüberstehen, muss der Kostenfestsetzungsantrag erkennen lassen, zu Gunsten welchen Antragstellers welcher Erstattungsbetrag verlangt wird (Zöller/Herget, ZPO, 27. Auflage, § 104 Rn. 21 "Streitgenossen"). Denn der Erstattungsanspruch gegen den Prozessgegner steht aufgrund des Prozessrechtsverhältnisses dem Mandanten und nicht dem Rechtsanwalt zu, wovon allerdings Rechtsanwalt Dr. L. auszugehen scheint.

b.

Weiterer Kostenfestsetzungsanträge zu Gunsten der vier Streithelfer bedarf es allerdings nicht. Denn eine Kostenfestsetzung scheitert, worauf der Rechtspfleger im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung zutreffend hingewiesen hat, an einer Kostengrundentscheidung zu Gunsten der vier Streithelfer.

Schließen die Parteien ohne Beteiligung der Nebenintervenienten einen Vergleich, so ist es in Rechtsprechung und Literatur unbestritten, dass der Nebenintervenient einen Kostenerstattungsanspruch hat, und zwar unabhängig davon, ob die Parteien das Treffen einer Kostenregelung insoweit übersehen, ausdrücklich ausgeschlossen oder bewusst ausgeklammert haben (BGH MDR 1967, 392; Senat, Beschluss vom 09. November 2005 - 17 W 209/05 - = OLGR 2006, 380; Zöller/Herget, § 101 Rn. 8 m. w. N.; Musielak/Wolst, ZPO, 6. Auflage, § 101 Rn. 7).

Anders liegt es aber dann, wenn der Streithelfer an dem Vergleichsschluss beteiligt ist. Stimmt er diesem zu, obwohl die Frage der Kostenerstattung zu seinen Gunsten ungeregelt bleibt, dann steht ihm ein solcher Anspruch infolge Verzichts nicht zu (BGH, a. a. O.; Zöller/Herget, Rn. 7). Angesichts dieser eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung vermag der Senat der entgegenstehenden Entscheidung des OLG Koblenz (MDR 2006, 1078), die sich zudem noch nicht einmal mit der Entscheidung des BGH befasst, nicht zu folgen.

Im vorliegenden Fall wurden die Nebenintervenienten zu 1. bis 4. anlässlich des Vergleichsschlusses zwischen Kläger und Beklagter durch denselben Prozessbevollmächtigten wie die Beklagte vertreten. Angesichts des Umstandes, dass sie mithin anwaltlich vertreten, dem Vergleich zwischen den Hauptparteien zugestimmt haben, der in der Kostenregelung allein diejenigen des Klägers und der Beklagten erfasst, steht den Nebenintervenienten ein eigener Kostenerstattungsanspruch nicht (mehr) zu.

5.

Unter Bezugnahme auf die Berechnung im Kostenfestsetzungsbeschluss bzw. im Teilabhilfebeschluss des Rechtspflegers ergibt sich damit folgende Berechnung der zu Gunsten der Beklagten festzusetzenden Summe:

 die klagende Partei hat angemeldet, 6.401,96 €
die beklagte Partei hat angemeldet 7.568,40 €
ausgleichungsfähige Kosten insgesamt 13.970,36 €
Hiervon trägt die klagende Partei 9/10, somit 12.573,32 €
abzüglich eigene Kosten des Klägers 6.401,96 €
Erstattungsanspruch der Beklagten 6.171,36 €
abzüglich Gerichtskosten 112,80 €
Festzusetzen somit 6.058,56 €

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 ZPO.

Für eine Ermäßigung gemäß Nr. 1812 KV-GKG besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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