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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.04.2008
Aktenzeichen: 17 W 68/08
Rechtsgebiete: ZPO, RpflG


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
RpflG § 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 3.520,00 €.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin im Rahmen eines Eilverfahrens darauf in Anspruch, dass dieser verboten werden möge, zu Zwecken des Wettbewerbs ein bestimmtes Kaubonbon mit der Angabe "30 % weniger Zucker als herkömmliche Kaubonbons zu bewerben und/oder abzugeben. Die Antragsschrift, die auf den 13. Dezember 2006 datierte, ging am folgenden Tag beim Landgericht Köln ein. Dieses ließ die beantragte einstweilige Verfügung mit Kostenregelung zu Lasten der Antragsgegnerin. Diese wurde in der Folgezeit nicht mehr angegriffen. Eine Abmahnung seitens der Antragstellerin wurde zuvor nicht vorgenommen.

Zur Festsetzung angemeldet hat die Antragstellerin u. a. die Kosten für ein vorprozessual eingeholtes Privat-Gutachten in Höhe von 3.520,00 €. Hierzu trägt sie vor, die Einholung des Gutachtens habe der Erlangung eines Beweismittels zur Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruches im Eilverfahren gedient, nicht aber dazu, um sich erst dadurch Klarheit über die eigene Rechtsposition zu verschaffen. Sie habe zunächst im hauseigenen Labor Untersuchungen durchgeführt. Anlässlich dessen habe sich ergeben, dass die Werbeaussage der Antragsgegnerin nicht zutreffe. Entsprechende Ergebnisse hätte am 13. November 2006 zur Verfügung gestanden. Aufgrund dessen habe man sich entschlossen, eine wettbewerbsrechtliche Untersagungsverfügung gegen die Antragsgegnerin zu erreichen. Zu diesem Zwecke habe sie den Erwerb von 32 verschiedenen Kaubonbons für eine komplette Marktübersicht veranlasst und am 23. November 2006 ein Fachinstitut in C zur Durchführung einer lebensmittelrechtlichen Untersuchung zur Erlangung eines zur Vorlage bei Gericht geeigneten Glaubhaftmachungsmittels beauftragt. Eine derart umfassende Untersuchung könne sie sich selbst durch ihr eigenes Labor nicht leisten. Nach Vorlage der Ergebnisse am 6. Dezember 2006 habe sie am 13. Dezember 2006 - wie unstreitig ist - das Verfügungsverfahren eingeleitet.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die in Rede stehenden Kosten für das Privat-Gutachten seien nicht erstattungsfähig. Da die Antragstellerin ihrem eigenen Vortrag nach bereits aufgrund eigener Untersuchungen ein sicheres Bild gehabt habe, habe diese sie aufgrund dessen bereits abmahnen können und müssen. In diesem Fall wäre eine Unterwerfung erfolgt, was sich schon daraus ergebe, dass sie die erlassene einstweilige Verfügung nicht angegriffen habe. Der Einholung des Privat-Gutachtens habe es nicht bedurft. Zudem habe die Antragstellerin die aufgrund eigener Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse durch eidesstattliche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung in das Verfügungsverfahren einführen können.

Die Antragstellerin erwidert, die Frage der Abmahnung sei nur im Hinblick auf § 93 ZPO von Bedeutung.

Hierzu ist die Antragsgegnerin der Ansicht, dass es gerade Sinn der Abmahnung sei, ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden.

Der Rechtspfleger hat die begehrte Festsetzung nicht vorgenommen und auch der Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er sich auf die unterlassene Abmahnung gestützt und gemeint, das Privat-Gutachten sei schon deshalb nicht nötig gewesen, weil es im Verfügungsverfahren nicht des Vollbeweises, sondern nur der Glaubhaftmachung bedürfe, wozu die Ergebnisse der eigenen Untersuchungen der Antragstellerin ausreichend gewesen seien.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinen Erfolg. Zu Recht hat der Rechtspfleger die begehrte Festsetzung abgelehnt.

1.

Grundsätzlich obliegt es dem Prozessgericht, im Wege der Beweisaufnahme den streitigen Sachverhalt aufzuklären. Es ist nicht Sache der Parteien, die gerichtliche Beweisaufnahme vorwegzunehmen. Deshalb sind die Kosten für ein vorprozessual eingeholtes Parteigutachten nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits als erforderlich im Sinne der §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 103 Abs. 1 ZPO anzusehen. Dies nur dann, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Dabei muss sich das Gutachten auf einen konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf diesen in Auftrag gegeben worden sein. Nur dann ist von einer Prozessbezogenheit auszugehen (BGH MDR 2003, 413; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rdn. 13 "Privat-Gutachten"). Hierzu hat der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung ausgeführt: "In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit darüber, dass die Kosten für vorprozessual erstattete Privat- Gutachten nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits angesehen werden können. Insoweit genügt es nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet wird, sondern das Gutachten muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Deshalb sind Aufwendungen, die veranlasst werden, bevor der Rechtsstreit sich einigermaßen konkret abzeichnet, nicht erstattungsfähig...".

Anerkannt ist allerdings, dass die Anforderungen, wann die Kosten für ein vorprozessual eingeholtes Privat-Gutachten zur Vorbereitung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als notwendig und zweckentsprechend im Kostenfestsetzungsverfahren festsetzbar sind, geringeren Anforderungen unterliegen. Der Grund liegt darin, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren die Partei auf präsente Beweismittel angewiesen ist und eine Heranziehung durch das Gericht aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt (s. für den Verfügungskläger: OLG Schleswig JB 1979, 1518; OLG Koblenz JB 1990, 365; OLG Hamburg OLGR 2006, 575; für den Verfügungsbeklagten: BGH ZSW 1989, 100; OLG Düsseldorf ZIP 1981, 540; KG AnwBl 1987, 239).

2.

Allerdings scheidet auch unter Beachtung dieser geringeren Anforderungen eine Erstattung vorliegend aus, da die Kosten für die Einholung eines Gutachtens bei einem Fremdlabor nicht als für die Rechtsverfolgung notwendig anzusehen sind. Nach ihrem eigenen Sachvortrag war die Antragstellerin bereits aufgrund der von ihrem eigenen Labor vorgenommenen Untersuchungen zum Ergebnis gelangt, dass die Werbeaussage der Antragsgegnerin nicht der Wahrheit entsprach. Mit ihrem Einwand, sie habe eines Gutachtens eines unabhängigen Labors bedurft, um sich für das Verfügungsverfahren ein präsentes Beweismittel zu verschaffen, kann sie keinen Erfolg haben. Denn dabei handelt es sich beweisrechtlich nur um qualifizierten Parteivortrag, so dass insoweit ein Unterschied zu den durch eigene Untersuchungen gewonnenen Erkenntnissen nicht besteht.

3.

Gegen die Festsetzbarkeit der in Rede stehenden Kosten dem Rahmen der Kostenfestsetzung spricht des Weiteren, dass die Antragstellerin schon aufgrund der Ergebnisse, die sie durch eigene Untersuchungen gewonnen hatte, in der Lage gewesen wäre, die (spätere) Antragsgegnerin abzumahnen. Da aber die Kosten der Abmahnung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH AGS 2006, 146; s. a. KG JB 2006, 84; Senat, Beschluss vom 30. Mai 2005 - 17 W 108/05 -) nicht zu denjenigen des Rechtsstreites zählen, weil sie gerade anlässlich des Versuchs der Vermeidung eines solchen entstehen, dann können vorliegend die Kosten für die Einholung eines Privat-Gutachtens, die vor einer solchen Abmahnung entstanden sind, erst recht keine Kosten des Rechtsstreites darstellen. Erst wenn eine Abmahnung erfolglos bleibt, steht der Abmahnende vor der Entscheidung, ob er ein gerichtliches Verfahren einleiten soll. Mithin kann sich erst für anschließend aufgewandte Kosten die Frage stellen, ob es sich bereits um solche handelt, die im Hinblick auf einen konkret bevorstehenden Rechtsstreit veranlasst wurden und - falls diese Frage zu bejahen ist - bei der Kostenfestsetzung Berücksichtigung finden können.

Aus all dem ergibt sich, dass die in Rede stehenden Kosten als zur Rechtsverteidigung notwendig nicht anzusehen sind. Denn die Antragstellerin hat gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, verstoßen. Dieser ist auch im Kostenrecht anzuwenden (Zöller/Herget, § 91 Rdn. 12 m. w. N.). Hiernach ist jede Partei gehalten, überflüssige Kosten zu vermeiden. Maßgeblich ist dabei die Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei. Und bei Beachtung dieser Grundsätze war es - wie bereits dargelegt - der Antragstellerin bereits aufgrund der durch eigene Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse möglich, ein Verfügungsverfahren gegen die Antragsgegnerin einzuleiten.

4.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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