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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.04.2005
Aktenzeichen: 17 W 69/05
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 117
GKG § 11 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

17 W 69/05

In der Gerichtskostensache

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 08. März 2005 - 9 O 529/04 - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dallmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Heitmeyer und Schütz

am 12. April 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der angefochtene Beschluss des Landgerichts Bonn vom 08.03.2005 - 9 O 5299/04 - abgeändert. Die Erinnerung der Klägerin gegen die Kostenrechnung des Landgerichts Bonn - Kassenzeichen #### - wird zurückgewiesen. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe: I.

Am 04. November 2004 ließ die Beschwerdegegnerin durch ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zwei Schriftsätze bei Gericht einreichen. Im ersten, aus einer Seite bestehend, datiert auf den 03. November 2004, heißt es:

"... bestellen wir uns, ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichernd, für die Klägerin gemäß in der Anlage beigefügten Klageschrift. Es wird beantragt,

der Klägerin Prozesskostenhilfe für die Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt U T aus C zu bewilligen.

Gründe:

Die Klägerin ist ausweislich der in der Anlage beigefügten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits selbst zu tragen. Die Klage hat ausweislich ihrer Begründung Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. ...

Anlage

Zwei Durchschriften sind zur Zustellung beigefügt."

Der zweite Schriftsatz trägt das Datum des 20. Oktobers 2004. Dieser beginnt mit der Überschrift "Klage". Anschließend werden die Parteien, der Grund des Rechtsstreites sowie der Gegenstandswert genannt. Sodann heißt es:

"... bestellen wir uns, ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichernd, für die Klägerin. Wir werden beantragen wie folgt zu erkennen: ..."

Es folgen diverse Anträge.. Auf das Prozesshilfegesuch wird nicht eingegangen.

Am Ende des zweiten Schriftsatzes heißt es:

"Zwei Durchschriften sind zur Zustellung beigefügt".

Der Vorsitzende der angerufenen Zivilkammer hat am 05. November 2004 u.a. Folgendes verfügt:

"Eine Abschrift der Klage und des Gesuchs auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zustellen an Beklagten zur Stellungnahme zu dem Gesuch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe... Zusatz: Die beigefügte Klageschrift soll vorerst nur als Begründung des Gesuchs auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gelten."

Ebenfalls am 04. November 2004 ging beim Landgericht Bonn ein weiterer zweiseitiger Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin mit Datum vom 03. November 2004 ein, wobei jenem Verfahren das Aktenzeichen 9 O 530/04 zugeordnet wurde. Dort heißt es u.a.:

"... bestellen wir uns, ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichernd, für die Antragstellerin gemäß des in der Anlage beigefügten Antrags auf dinglichen Arrest. Es wird beantragt,

der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für die Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt U T aus C zu bewilligen. Des weiteren wird beantragt,

die Antragsschrift unter Befreiung von der Vorschusspflicht gemäß § 14 Ziffer 3 b GKG n.F. zuzustellen." Sodann wird auf die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwiesen, und es erfolgt Sachvortrag dahingehend, dass der Antrag Aussicht auf Erfolg habe und nicht mutwillig sei. Der auf den 19. Oktober 2004 datierende zweite Schriftsatz enthält einen Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrests. Am 05. November 2004 bestimmte der Vorsitzende in der Arrestsache Termin zur mündlichen Verhandlung.

Im Terminsprotokoll vom 18. November 2004 heißt es u.a.:

"Insoweit wird besprochen, in dem Hauptsacheverfahren 9 O 529/04 den Prozesskostenhilfeantrag zurückzunehmen, und zwar im Hinblick auf eine im vorliegenden Arrestverfahren zu treffende, darüber hinaus gehende Regelung und Vereinbarung." Sodann schlossen die Parteien im Arrestverfahren einen Vergleich. In Absatz 3 zu Ziffer 1 heißt es dort: "Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt zugleich die Rücknahme des Prozesskostenhilfeantrags im Prozesskostenhilfe-Verfahren 9 O 529/04." Unter dem 16. Dezember 2004 bewilligte das Landgericht für das Arrestverfahren sowie den dort geschlossenen Vergleich Prozesskostenhilfe ab Antragstellung, nachdem die Beschwerdegegnerin auf die Bescheidung dieses Antrages bestanden hatte.

Mit Kostenrechnung vom 06. Januar 2005 stellte die Gerichtskasse der Beschwerdegegnerin für das Verfahren 9 O 529/04 eine Verfahrensgebühr gemäß KV 1211 in Höhe von 1.456,- € in Rechnung. Hiergegen legte sie Erinnerung ein. Der Bezirksrevisor hat die Ansicht vertreten, die Kostenrechnung sei zu Recht ergangen, da von der Beschwerdegegnerin nicht hinreichend deutlich gemacht worden sei, dass die Klage in der Hauptsache nur für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung als erhoben gelten sollte. In seiner Entscheidung vom 08. März 2005 hat das Landgericht die Kostenrechnung aufgehoben mit der Begründung, es sei durch das Gericht ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, da die Parteien davon hätten ausgehen dürfen, dass nur ein Prozesskostenhilfe- aber kein Klageverfahren anhängig war. Dies deshalb, weil nur das Prozesskostenhilfegesuch zugestellt worden sei; zum Anderen ergebe sich solches aus dem Terminsprotokoll im Arrestverfahren, weil der anwaltliche Vertreter der Beschwerdegegnerin dort erklärt habe, er nehme den Prozesskostenhilfeantrag zurück. In diesem Zusammenhang sei von Klagerücknahme nicht die Rede gewesen. Vor diesem Hintergrund sei der Vergleich abgeschlossen worden.

Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner Beschwerde. Das Landgericht hat dieser mit Beschluss vom 29. März 2005 nicht abgeholfen und zur Begründung nochmals auf den seiner Ansicht nach durch das Gericht ausgelösten Vertrauenstatbestand verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Landgerichts ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG n.F. statthaft und begegnet auch im übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken. In der Sache selbst hat das Rechtsmittel Erfolg, denn der Beschwerdegegnerin ist mit Recht eine Verfahrensgebühr gemäß Ziffer 1211 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) berechnet worden, was im Ergebnis zur Wiederherstellung der ursprünglichen Kostenrechnung führt.

1.)

Zu Recht und mit zutreffenden Gründen wendet sich der Bezirksrevisor gegen die Entscheidung des Landgerichts. Die Verfahrensgebühr ist angefallen. Dies entspricht der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur (BGH FamRZ 1996, 1142, 1143; NJW-RR 2000, 879 (für die Berufungseinlegung); KG RVGreport 2004, 158 f.; OVG Hamburg Rpfleger 1986, 68; OLG Köln FamRZ 1997, 375; Senat, Beschluss vom 27. Januar 2003 - 17 W 22/03 -; OLG Koblenz FamRZ 1998, 312; OLG Zweibrücken NJW-RR 2001, 1653; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 117 Rn. 9 m.w.N.; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 6 GKG Rn. 6 f.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl., Rn. 110 ff. m.w.N., Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 117 Rn. 5; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., Rn. 7 m.w.N.).

Bei gleichzeitiger Einreichung eines Gesuches auf Prozesskostenhilfe und einer Klage wird neben dem Prozesskostenhilfeverfahren auch der Rechtsstreit als solcher anhängig. Mit Eingang der Klageschrift ist die Gebühr für das "Verfahren im Allgemeinen" nach KV 1210 angefallen. Etwas Anderes gilt nicht deshalb, weil zugleich mit der Klageschrift ein PKH-Gesuch bzw. zwei dementsprechende Schriftsätze eingereicht werden. Eine als Klageschrift bezeichnete Schrift muss das Gericht als zur Terminsbestimmung und zum weiteren Klageverfahren eingereicht ansehen, sofern der Absender sie nicht eindeutig als eine bloße Beilage oder Begründung eines Prozesskostenhilfeantrags bezeichnet. Nur dann, wenn deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass die Klage nur für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung erhoben sein soll, gilt etwas Anderes. Dies kann geschehen durch eindeutige Zusätze, etwa den Hinweis auf eine "beabsichtigte" Klageerhebung, dass eine lediglich als "Klageentwurf" bezeichnete Klageschrift beigefügt wird, dass die Bitte geäußert wird, "vorab" über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden oder aber die Formulierung, dass die Klage nur "unter Vorbehalt" der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben werden soll. Auch die räumliche Trennung durch Voranstellung des PKH-Gesuches reicht nicht (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn. 110).

Werden - und so liegt der Fall hier - ein Prozesskostenhilfegesuch und eine Klageschrift ohne einen einschränkenden Zusatz bei Gericht eingereicht, dann liegt keine eindeutige und ausdrückliche nur unter dem Vorbehalt der Prozesskostenhilfebewilligung bedingt erhobene Klage vor. Die Formulierung am Ende des als "Klage" bezeichneten Schriftsatzes: "Zwei Durchschriften sind zur Zustellung beigefügt." spricht vorliegend vielmehr dafür, dass die Klage gerade nicht unter Vorbehalt erhoben werden sollte. Nur die Klageerhebung setzt die Zustellung des Schriftsatzes voraus, §§ 253 Abs. 1, 133 Abs. 1 Satz 1 ZPO, während im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren dem Antragsgegner dadurch rechtliches Gehör gewährt wird, § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass ihm ein Schriftsatz übersandt wird, dessen Zustellung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Geschieht dies dennoch, etwa weil zugleich eine Frist gesetzt wird, so erfolgt regelmäßig der ausdrückliche Hinweis, dass die Zustellung nicht zum Zwecke der Klageerhebung erfolge.

Nach alledem ist die Gerichtskostenrechnung zutreffend und rechtlich nicht zu beanstanden.

2.)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist ein Vertrauenstatbestand - sollte ein solcher entstanden sein - nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Inrechnungsstellung der Gerichtskosten nachträglich zu beseitigen. Eine spätere Klarstellung dahingehend, was in Wahrheit gewollt war, nämlich eine lediglich bedingte Klageerhebung, wirkt nicht zurück (OLG München MDR 1997, 1063; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O.). Denn bereits mit Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuches und einer Klageschrift ohne eindeutige Klarstellung im oben angeführten Sinne ist die Verfahrensgebühr entstanden.

3.)

Die Beschwerdegegnerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die angeführte Entscheidung des OVG Hamburg, a.a.O., berufen. Hiernach kommt eine Nichterhebung der Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung, § 8 GKG a.F. = § 21 GKG n.F., dann in Betracht, wenn "der Kläger" durch richterliche Verfügung dazu veranlasst wird, davon auszugehen, dass die Klage nur unter Vorbehalt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe erhoben wurde oder aber über das Prozesskostenhilfegesuch und die Klage zeitgleich ablehnend entschieden wird, so dass dem Antragsteller die Möglichkeit genommen wird, durch Rücknahme der Klage Gerichtskosten zu sparen. So liegt der vorliegende Fall ersichtlich nicht.

4.)

Auch ansonsten ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die in Rede stehenden Gerichtskosten Folge einer unrichtigen Sachbehandlung wären. Hierfür nötig wäre ein offensichtlicher schwerer Fehler in Form eines Verstoßes gegen eine eindeutige gesetzliche Norm durch das Gericht. Ein solcher ist bei einem Irrtum über die Rechtslage nicht zwingend gegeben.

5.)

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 66 Abs. 8 GKG n.F.

Ende der Entscheidung

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