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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.10.2005
Aktenzeichen: 17 W 91/05
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 23 Abs. 1 Satz 2 n.F.
GKG § 50 Abs. 1 Satz 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

17 W 91/05

In der Gerichtskostensache

pp.

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die weitere Beschwerde der Gläubigerin vom 29. April 2005 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 21. März 2005 - 6 T 22/05 - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dallmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Heitmeyer und Dr. Waters

am 11. Oktober 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 21. März 2005 - 6 T 22/05 - wie folgt geändert:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 24. Januar 2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 17. Januar 2005 - 19 N 74/04 - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 22.01.2004 hat die Gläubigerin wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt. Das Insolvenzgericht hat daraufhin die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die Fragen angeordnet, ob ein Eröffnungsgrund und eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorliegt. Zum Sachverständigen hat es Rechtsanwalt G bestellt, der unter dem 19.04.2004 einen Zwischenbericht erstattet hat. Nach Ausgleichung der dem Insolvenzantrag zugrunde liegende Forderung hat die Gläubigerin den Insolvenzantrag mit Schriftsatz vom 02.06.2004 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 28.06.2004 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner, der innerhalb der ihm gesetzten Frist zur Erledigungserklärung nicht Stellung genommen hatte, die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die Gläubigerin ist mit Gerichtskostenrechnung vom 11.08.2004 als Zweitschuldnerin wegen eines Betrages von 1.390,67 € in Anspruch genommen worden. Gegen den Kostenansatz hat sie mit Schriftsatz vom 25.08.2004 insoweit Erinnerung eingelegt, als in der Gerichtskostenrechnung auch für die Kosten des Sachverständigen in Höhe von 1.290,67 € enthalten sind. Sie hat unter Berufung auf § 50 Abs.1 Satz 2 GKG a.F. - dieser entspricht inhaltlich § 23 Abs.1 Satz 2 GKG n.F. - die Ansicht vertreten, diese Auslagen habe sie nur im Fall einer Antragsrücknahme oder einer Zurückweisung des Antrags zu tragen, nicht aber wenn - wie vorliegend - das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei. Das Amtsgericht hat der Erinnerung mit Beschluss vom 17.01.2005 stattgegeben und den Kostenansatz aufgehoben, soweit die Gläubigerin mit Auslagen in Höhe von 1.290,67 € belastet worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Belastung des Gläubigers mit Auslagen komme nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs.1 Satz 2 GKG n.F. nicht in Betracht. Auch fehle es an einer Regelungslücke, so dass sich eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 23 Abs.1 Satz 2 GKG auf den Fall der Hauptsacheerledigung verbiete.

Auf die hiergegen unter dem 24.01.2005 eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors hat das Landgericht die Erinnerung der Gläubigerin gegen den Kostenansatz vom 11.08.2004 unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen. Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, die Auslegung von Kostenvorschriften müsse sich an Sinn und Zweck der Norm orientieren; da die Interessenlage bei der Erledigung des Eröffnungsverfahrens derjenigen bei Abweisung und Rücknahme des Antrags entspreche, sei eine Auslagenhaftung des Antragstellers sachlich ohne weiteres gerechtfertigt. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber die Auslagenhaftung des Antragstellers im Fall der Erledigungserklärung des Eröffnungsverfahrens im Rahmen der Neufassung des Gerichtskostengesetzes zum 01.07.2004 nicht in den Katalog des § 23 Abs. 1 Satz 2 GKG n.F. aufgenommen habe. Zwar sei zu diesem Zeitpunkt die Problematik in Rechtsprechung und Literatur durchaus bekannt gewesen und umfassend erörtert worden, der Gesetzgeber habe das Problem aber ganz offensichtlich übersehen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit ihrer vom Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen weiteren Beschwerde vom 29.04.2005.

II.

Die nach § 66 Abs.4 GKG n.F. statthafte und auch im übrigen zulässige weitere Beschwerde der Gläubigerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt im Ergebnis zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 17.01.2005. Für eine Belastung der Gläubigerin mit den im Verfahren entstandenen Auslagen fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Im Hinblick darauf, dass der Insolvenzeröffnungsantrag der Gläubigerin vom 22.01.2004 datiert, ist für die Frage der Zweitschuldnerhaftung der Gläubigerin für die Gerichtskosten § 50 GKG Abs.1 a.F. maßgeblich. Diese Vorschrift trennt - ebenso wie die insoweit inhaltlich identische Norm des § 23 GKG Abs.1 n.F. - zwischen der Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und den im Verfahren entstandenen Auslagen. Während der Antragsteller für die Gebühr des Verfahrens stets nach § 50 Abs.1 Satz 1 GKG a.F. haftet, ist er Schuldner der Auslagen nach § 50 Abs.1 Satz 2 GKG a.F. (nur) bei Abweisung oder Rücknahme des Antrags.

Da es sich bei den hier allein streitgegenständlichen Kosten des vom Gericht beauftragten Sachverständigen um Auslagen i.S.d. § 1 Abs.1 GKG a.F. handelt, besteht eine Haftung der Gläubigern nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs.1 Satz 2 GKG nicht, denn der Antrag der Gläubigerin wurde weder zurückgenommen noch zurückgewiesen.

Soweit das Landgericht eine (entsprechende) Anwendung des § 50 Abs.1 Satz 2 GKG a.F. für den hier vorliegenden Fall der Verfahrensbeendigung durch übereinstimmende Erledigungserklärung befürwortet, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) sind öffentliche Abgaben für die Tätigkeit der Gerichte, also eine Justizsteuer. Sie dürfen nach § 1 GKG nur insoweit erhoben werden, als das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht. Alle Handlungen, für die das Gesetz nicht ausdrücklich Kosten vorsieht, sind kostenfrei (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., Einl II B Rz.1 und 8).

Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung ist von ihrem Wortlaut her eindeutig. Während nach § 49 GKG a.F. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Antragssteller Schuldner sowohl der Gebühren als auch der Auslagen ist, hat der Gesetzgeber für das Insolvenzverfahren eine hiervon abweichende, den Antragsteller begünstigende Regelung getroffen und ihm nur in den zwei enumerativ aufgeführten Fällen, nämlich dem der Antragsrücknahme und dem der Zurückweisung des Antrags, eine Haftung für die Auslagen auferlegt. An dieser Regelung hat er - obgleich das Rechtsinstitut der übereinstimmenden Erledigungserklärung im Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren seit längerem anerkannt ist - weder im Rahmen der Neufassung des § 50 GKG durch Art.29 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 05.10.1994 noch bei der Neufassung des Gerichtskostengesetzes anlässlich des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahre 2004 etwas geändert.

Zwar sind auch die Vorschriften des GKG auslegungsfähig, eine abgabeerweiternde Auslegung, die über den Wortlaut der Norm hinausgeht, verbietet sich jedoch. Dies gilt im Besonderen, wenn es sich - wie bei § 50 Abs.1 Satz 2 GKG a.F. - um eine Norm handelt, in welcher der Gesetzgeber detailliert geregelt hat, bei Vorliegen welcher Voraussetzungen ausnahmsweise eine Haftung des antragstellenden Gläubigers für Auslagen besteht.

Eine solche - nach Ansicht des Senats unzulässige - abgabeerweiternde Auslegung aber stellt es dar, wenn man mit dem Landgericht und einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (AG Paderborn, JurBüro 1992, 468 mit zustimmender Anmerkung von Mümmler; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 14 Rz.87; AG Frankfurt, ZVI 2003, 615) die Vorschrift des § 50 Abs.1 Satz 2 GKG a.F. im Fall der Erledigungserklärung entsprechend anwendet. Die übereinstimmende Erledigungserklärung lässt sich nämlich selbst bei extensiver Auslegung nicht unter den Begriff der Klagerücknahme in § 50 Abs.1 Satz 2 GKG a.F. fassen. Bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung handelt es sich vielmehr - schon weil die Erledigung vom Gläubiger gerade erklärt wird, um die mit einer Klagerücknahme verbundenen Folgen zu vermeiden - um ein eigenständiges Rechtsinstitut, das der Klagerücknahme nicht vergleichbar ist.

Damit verbleibt es dabei, dass im Fall der Verfahrensbeendigung durch übereinstimmende Erledigungserklärung eine Zweitschuldnerhaftung des antragstellenden Gläubigers für die Auslagen nicht besteht (so auch LG Göttingen, ZInsO 2004, 819; LG Frankenthal, NZI 2002, 265; AG Kaiserslautern, NZI 2004, 327; AG Dresden, ZInsO 2003, 385; Hartmann, a.a.O., § 23 Rz.5; Meyer, Gerichtskostengesetz, 6. Aufl., § 23 Rz.2; Schmerbach, NZI 2003, 421, 423; Gundlach/Schirrmeister, EWiR 2004, 849).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 66 Abs.8 GKG n.F.

Ende der Entscheidung

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