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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 18 U 152/01
Rechtsgebiete: AktG, GmbHG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AktG § 23
AktG § 83
AktG § 112
AktG § 41 Abs. 1 Satz 2
AktG § 30 Abs. 4
GmbHG § 11 Abs. 2
BGB § 628 Abs. 1
BGB § 628 Abs. 2
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

18 U 152/01

Anlage zum Protokoll vom 20. Dezember 2001

Verkündet am 20. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Reppel, den Richter am Oberlandesgericht Bodens und den Richter am Landgericht Pamp

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 5. Juli 2001 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 14 O 18/01 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 56.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheitsleistung kann auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt als ehemaliger Vorstand einer nicht zur Eintragung gelangten Aktiengesellschaft die Beklagten zu 1) und 2) als Aufsichtsratsmitglieder sowie die Beklagte zu 3) als Rechtsnachfolgerin eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds der Gesellschaft auf Zahlung von Vergütung und Schadensersatz in Anspruch; darüber hinaus begehrt er die Feststellung, daß die Beklagten zum Ersatz weiteren Schadens verpflichtet sind. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit notarieller Urkunde vom 26. März 1999 (UR-Nr. für 1999T des Notars Dr. T. in D.) errichteten J.H. sowie die M. Treuhand GmbH & Co. Kommanditgesellschaft für Wohnungswesen und Denkmalpflege die G.P. AG mit dem Sitz in E.. In Ziffer III. der notariellen Errichtungsurkunde bestellten die Gründer die Beklagten zu 1) und 2) sowie den Ende Januar 2001 verstorbenen Ehemann der Beklagten zu 3), T.S., der von dieser beerbt worden ist, zu Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift vorgelegte Ablichtung der Notarkunde Bezug genommen. Ausweislich der ebenfalls vom 26. März 1999 datierenden Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der G.P. AG (Anlage B 5 zum Schriftsatz der Beklagten zu 1) vom 23. Juni 2000) wurden T.S. zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats und die Beklagte zu 1) zu seiner Vertreterin gewählt. Gemäß Ziffer 2 der Niederschrift wurde unter anderem der Kläger für die Dauer von fünf Jahren zum Vorstandsmitglied der Gesellschaft bestellt. Abschließend heißt es in der von T.S. unterzeichneten Niederschrift, der Vorsitzende des Aufsichtsrats oder der Stellvertreter werde ermächtigt, die vom Aufsichtsrat beschlossenen Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern zu schließen. Die Beklagten zu 1) und 2) unterzeichneten am 26. März 1999 jeweils Niederschriften über die "Beschlußfassung des Aufsichtsrats der G.P. AG im schriftlichen Verfahren"; wegen des Inhalts wird auf die Anlagen K 2 und K 3 zur Klageschrift verwiesen.

Der Kläger trat seine Tätigkeit als Vorstand der G.P. AG entsprechend Ziffer 9 des Dienstvertrages vom 30. März 1999, auf dE. als Anlage K 4 zur Klageschrift zu den Akten gereichte Ablichtung wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, am 1. Juli 1999 an. Am 15. Oktober 1999 erklärte er die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses wegen Nichtzahlung der Bezüge. Zuvor - unter dem 21. September 1999 - hatte er gemeinsam mit einem weiteren Vorstand den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G.P. AG gestellt, dem das Amtsgericht E. mit Beschluß vom 14. Oktober 1999 entsprach. Die finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft haben nach der Behauptung des Klägers ihre Ursache in Finanzmanipulationen des dritten Vorstandsmitglieds, G.M., des Ehemanns der Beklagten zu 1) und Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der M. Treuhand GmbH & Co. Kommanditgesellschaft für Wohnungswesen und Denkmalpflege.

Die G.P. AG wurde nicht in das Handelsregister eingetragen.

Mit der Klage verlangt der Kläger von den Beklagten die Begleichung der - unstreitig - rückständigen Dienstbezüge für die Monate Juli bis Oktober 1999 in Höhe von insgesamt 86.664,00 DM. Darüber hinaus begehrt er die Zahlung weiterer 143.658,00 DM als Differenz zwischen seinen Einkünften aus neu aufgenommenen Tätigkeiten in den Monaten November 1999 bis einschließlich November 2000 einerseits und dem vertraglich vereinbarten monatlichen Einkommen als Vorstand der G.P. AG andererseits sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz sämtlicher weiterer Schäden. Er hat die Auffassung vertreten, die Haftung der Beklagten ergebe sich aus §§ 83, 112, 41 Abs. 1 Satz 2 AktG.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 230.322,00 DM zuzüglich 4 % Zinsen auf 86.664,00 DM seit dem 14. Mai 2000 (Zustellung der Klageschrift) und auf 143.658,00 DM seit dem 14. Dezember 2000 (Beklagte zu 2 und 3) und dem 19. Dezember 2000 (Beklagte zu 1) zu zahlen;

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm auch sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Ansicht vertreten, bereits aus Rechtsgründen komme ihre Haftung nach § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht in Betracht. Im übrigen haben sie den geltend gemachten Schaden der Höhe nach bestritten. Die Beklagte zu 1) hat zudem die behaupteten Finanzmanipulationen ihres Ehemanns in Abrede gestellt. Die Beklagte zu 2) hat behauptet, der Dienstvertrag mit dem Kläger vom 30. März 1999 sei nicht vom Aufsichtsratsvorsitzenden S. genehmigt worden; überdies hat sie den Feststellungsantrag schon für unzulässig erachtet.

Durch Urteil vom 5. Juli 2001 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe bereits nach seinem eigenen Vorbringen keinen Anspruch aus § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG gegen die Beklagten als Aufsichtsratsmitglieder der Vor-Aktiengesellschaft bzw. als Rechtsnachfolger eines solchen Mitglieds; andere Anspruchsgrundlagen seien nicht ersichtlich. Als Handelnde im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG kämen Vorstandsmitglieder und andere Personen in Betracht, wenn sie faktisch wie ein Vorstandsmitglied im Rechtsverkehr aufgetreten seien. Außerhalb dieses Bereichs bestehe ein Anspruch gegen sonstige Personen als Handelnde nach heute nahezu einhelliger Auffassung nicht. Die Schutzfunktion der Vorschrift greife insbesondere nicht gegenüber Vorständen als Organen der Gesellschaft, die über die inneren Verhältnisse der Gründervereinigung unterrichtet seien.

Im übrigen sei die Bestellung des Klägers auch nicht als rechtsgeschäftliches Handeln im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG zu werten. Bei der Bestellung des ersten Vorstands durch den Aufsichtsrat gemäß § 30 Abs. 4 AktG handele es sich um einen körperschaftlichen Akt. In Annexkompetenz hierzu werde der Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag sei daher ebenfalls wie ein körperschaftlicher Akt anzusehen, weil er nicht gegenüber einem Dritten ergehe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 19. Juli 2001 zugestellte landgerichtliche Urteil hat der Kläger mit einem am 17. August 2001 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel darin auch begründet. Er vertritt die Auffassung, aus der vom Landgericht zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung lasse sich keinesfalls der Schluß ziehen, daß im Falle der Vor-Aktiengesellschaft die Aufsichtsratsmitglieder nicht als Handelnde im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht kämen. Der Kreis derer, die in die Handelndenhaftung einbezogen seien, müsse vielmehr weit gezogen werden. Gegen den Ausschluß der Aufsichtsratsmitglieder sprächen zudem der Wortlaut der Vorschrift und deren systematische Stellung im Gesetz. Überdies verbiete sich eine undifferenzierte Übertragung der Rechtsprechung zur Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG auf die Aktiengesellschaft. Das Landgericht sei auch rechtsirrig davon ausgegangen, daß die Schutzfunktion des § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG lediglich zugunsten Dritter eingreife. Zwar sei der Vorstand bezüglich seiner gründungsspezifischen Aufgaben nicht schutzbedürftig. Er bedürfe aber des Schutzes, wenn ihm gegenüber wie im Verhältnis zu einem gesellschaftsfremden Dritten gehandelt werde, was hier der Fall gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Landgerichts liege beim Abschluß des Anstellungsvertrages mit einem Vorstandsmitglied auch rechtsgeschäftliches Handeln vor. Der Anspruch bestehe als akzessorische Haftung gegenüber allen drei Beklagten. Er sei überdies der Höhe nach gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen in erster Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres schon erstinstanzlichen vertretenen Rechtsstandpunkts, wonach die Bestellung des Vorstandes und der damit einhergehende Abschluß des Anstellungsvertrages in einer Vor-Aktiengesellschaft nicht die Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG auslösen könne. Darüber hinaus bestreiten sie weiterhin die Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs. Die Beklagte zu 1) verweist zudem auf die erstinstanzlichen Ausführungen der Beklagten zu 2) zur Unzulässigkeit des Feststellungsantrags.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht eine Haftung der Beklagten für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG - der einzigen im Verhältnis der Parteien zueinander in Betracht kommenden Haftungsgrundlage - verneint. Das Berufungsvorbringen des Klägers gibt keinen Anlaß zu einer abweichenden Betrachtung.

1.) Klageantrag zu 1)

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 230.322,00 DM. Es kann offen bleiben, ob dem Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Vorstand der G.P. AG für die Monate Juli bis einschließlich Oktober 1999 ein Vergütungsanspruch gemäß § 611 Abs. 1, § 628 Abs. 1 BGB in Höhe von 86.664,00 DM und für den Zeitraum von November 1999 bis einschließlich November 2000 gemäß § 611 Abs. 1, § 628 Abs. 2 BGB oder aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung ein Zahlungsanspruch in Höhe weiterer 143.658,00 DM gegen die Vor-Aktiengesellschaft zusteht. Jedenfalls haften die Beklagten hierfür nicht aus § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG (zur Rechtsnatur der Handelndenhaftung vgl. Kraft in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 1, 2. Aufl., § 41 Rdn. 93).

a) Allerdings war die G.P. AG schon als Vor-Aktiengesellschaft errichtet (§ 23 AktG). Auch hatte der Aufsichtsrat - wie bereits in erster Instanz zuletzt außer Streit stand und im Berufungsverfahren von keiner Partei mehr in Zweifel gezogen worden ist - den Kläger ordnungsgemäß zum Vorstand bestellt und den Dienstvertrag vom 30. März 1999 wirksam namens der AG abgeschlossen. Denn die Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung vom 26. März 1999 ist vom Aufsichtsratsvorsitzenden S. unterzeichnet worden; die Beklagten zu 1) und 2) als weitere Aufsichtsratsmitgliedern haben den darin vorgeschlagenen Regelungen durch ihre eigenen schriftlichen Erklärungen vom 26. März 1999 ausdrücklich zugestimmt. Aufgrund der in der Sitzungsniederschrift enthaltenen Vertretungsregelung, zu der die beiden anderen Aufsichtsratsmitglieder gleichfalls ihre schriftliche Zustimmung erteilt haben, war die Beklagte zu 1) als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende auch berechtigt, den Anstellungsvertrag mit dem Kläger abzuschließen. Weder in der Bestellung des Klägers zum Vorstand noch im Abschluß des Dienstvertrages mit ihm lag jedoch ein "Handeln" für die Vor-Aktiengesellschaft im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG.

b) Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG besteht die Aktiengesellschaft vor Eintragung in das Handelsregister als solche nicht. Gemäß Satz 2 der Bestimmung haftet persönlich, wer vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen handelt; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. Diese sog. Handelndenhaftung in der Vor-Aktiengesellschaft findet im Verhältnis des Klägers als vom ersten Aufsichtsrat bestelltem Vorstand zu den Beklagten als Mitgliedern dieses Aufsichtsrats (bzw. als Rechtsnachfolgerin eines Mitglieds) keine Anwendung, weil die Aufsichtsratsmitglieder insoweit nicht "Handelnde" im Sinne der Vorschrift sind. Das folgt zwar noch nicht aus dem Gesetzeswortlaut, ergibt sich aber - wie schon das Landgericht mit Recht entschieden hat - aus Sinn und Zweck der in ihrem historischen Kontext zu verstehenden Norm:

Zuzugeben ist der Berufung allerdings, daß aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht hervorgeht, daß die Mitglieder des Aufsichtsrats im Verhältnis zum Vorstand aus dem Handelndenbegriff herauszunehmen sind. Indes führt allein das Wortlautargument nicht weiter, weil § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG sonst eine grundsätzlich uneingeschränkte Haftung begründen würde, für die aus den nachfolgend dargestellten Gründen kein Raum ist.

Die Vorschrift muß nämlich in ihrem historischen Kontext, d. h. insbesondere vor dem Hintergrund der mit ihr von Anbeginn an verfolgten gesetzgeberischen Zwecke gesehen werden. § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG geht auf Art. 211 Abs. 2 ADHGB und die dieser Norm zugrunde liegende traditionelle Ablehnung einer handlungsfähigen Vorgesellschaft zurück (vgl. zum Ganzen MünchKommAktG/Pentz, 2. Aufl., § 41 Rdn. 4; Barz in Großkommentar, bearbeitet von Gadow u. a., 3. Aufl., § 41 AktG Anm. 19; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 308). Nach dieser Vorstellung diente die Handelndenhaftung zum einen dem Schutz des Geschäftspartners davor, ohne Schuldner dazustehen (sog. Sicherungsfunktion), zum anderen sollte mit ihr aus ordnungspolitischen Erwägungen das Handeln im Namen einer noch nicht "konzessionierten" juristischen Person "verboten" bzw. "bestraft" werden (sog. Straffunktion); darüber hinaus sollte auf zügiges Betreiben von Anmeldung und Eintragung hingewirkt werden (sog. Druckfunktion). Diese Gesichtspunkte (vgl. dazu Kraft aaO § 41 Rdn. 89 ff.; Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 41 Rdn. 18) sind heute durch die Anerkennung der Vorgesellschaft als (teil)rechtsfähiger Organisationsform eigener Art sowie die Aufgabe des Vorbelastungsverbots (vgl. Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 Aktiengesellschaft, 2. Aufl., § 3 Rdn. 30) weitgehend hinfällig geworden. Die Handelndenhaftung gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG weist deshalb nach dem gegenwärtig erreichten Stand des Rechts der Vorgesellschaft keine überzeugende gedankliche Grundlage mehr auf (vgl. Hüffer aaO § 41 Rdn. 19), ihr Anwendungsbereich ist gegenüber dem ursprünglichen Regelungsgehalt nunmehr erheblich eingeschränkt (vgl. MünchKommAktG/Pentz aaO). Es besteht Einigkeit, daß die Auslegung der Vorschrift vor dem Hintergrund dieser Entwicklung (vgl. Hüffer aaO § 41 Rdn. 2) vorzunehmen ist und daher im Ergebnis restriktiv ausfallen muß (vgl. Hüffer aaO § 41 Rdn. 19 a. E.).

Ausgehend hiervon ist für die vom Kläger vertretene Auslegung des § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG, wonach die Bestellung des ersten Vorstands (§ 30 Abs. 4 AktG) bzw. der Abschluß des Anstellungsvertrags mit ihm die persönliche Haftung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (§ 30 Abs. 1 AktG) auslösen soll, kein Raum:

(1) § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG ist - nicht anders als die Parallelvorschrift des § 11 Abs. 2 GmbHG (vgl. dazu bereits RGZ 105, 152, 153 sowie BGHZ 15, 204, 206; 47, 25,29) - auf Geschäfte der werdenden Gesellschaft mit außenstehenden Dritten zugeschnitten, nicht aber auf gesellschaftsinterne Vorgänge wie die Bestellung des Vorstands nebst Anstellungsvertrag (vgl. auch Kraft aaO § 41 AktG Rdn. 94; krit. hierzu allerdings Riedel NJW 1970, 405).

(2) Da die Vor-Aktiengesellschaft, nicht anders als die eingetragene Gesellschaft, nach außen durch den Vorstand als ihren organschaftlichen Vertreter handelt (vgl. Hoffmann-Becking aaO Rdn. 32; MünchKommAktG/Pentz aaO § 41 Rdn. 53), erschöpft sich die praktische Bedeutung der Vorschrift im wesentlichen in der Haftung der Vorstandsmitglieder oder derjenigen, die wie ein solches Organmitglied im Rechtsverkehr auftreten. Das ist - soweit ersichtlich - im Schrifttum einhellige Meinung bzw. wird dort ohne weiteres als selbstverständlich vorausgesetzt (vgl. Hüffer aaO § 41 Rdn. 20; MünchKomm/Pentz aaO § 41 Rdn. 132; Hoffmann-Becking aaO Rdn. 36; Kraft aaO § 41 Rdn. 94; Barz aaO Rdn. 21 f.). Daß die Literatur in diesem Zusammenhang, worauf die Berufung abstellen möchte, die Aufsichtsratsmitglieder, die den ersten Vorstand bestellen, in der Regel nicht ausdrücklich aus dem Kreis der Haftenden ausnimmt (vgl. insoweit aber - mit abweichendem Begründungsansatz - Barz aaO Rdn. 21 f. sowie Riedel aaO 407), führt nicht zu der dem Kläger günstigen Annahme. Es mag nämlich nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein, daß auch Aufsichtsratsmitglieder im Einzelfall nach außen für die (Vor-)Gesellschaft Geschäfte tätigen und dann auch persönlich haften. Entscheidend ist hierfür indes nicht die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gesellschaftsorgan, sondern das Auftreten nach außen. Nur dieses Tätigwerden löst den besonderen Verkehrsschutz aus, der durch § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG sichergestellt werden soll. Dagegen ist die Bestellung des ersten Vorstands nach § 30 Abs. 4 AktG, unabhängig davon, ob neben dem entsprechenden Aufsichtsratsbeschluß noch - wie hier - ein separater Dienstvertrag abgeschlossen wird, ein Gesellschaftsinternum. Der Umstand, daß der zu bestellende Vorstand zunächst bis zu seiner Bestellung noch nicht Organ der Gesellschaft ist, ändert daran nichts; er rechtfertigt insbesondere nicht die Gleichbehandlung mit einem gesellschaftsfremden Dritten. Der Gründungsvorgang kann insoweit nicht in formalistischer Betrachtungsweise in den Zeitraum vor und den nach der Bestellung aufgespalten werden. Auch auf den im Bereich des Tatsächlichen liegenden Umstand, in welchem Maße der zu Bestellende sich vor diesem Akt mit den inneren Verhältnissen der im Gründungsprozeß befindlichen Gesellschaft vertraut gemacht hat, kommt es nicht an. Über das Eingreifen oder Nichteingreifen der persönlichen Haftung des Aufsichtsrats kann nicht das Ausmaß der vom potentiellen Vorstand zuvor eingeholten konkreten Informationen oder der von ihm vorgenommenen Prüfungen entscheiden.

(3) Da der von den Gründern bestellte Aufsichtsrat gemäß § 30 Abs. 4 AktG stets den ersten Vorstand zu bestellen hat, wäre nach dem Verständnis der Berufung für die Aufsichtsratsmitglieder mit der Bestellung immer ein entsprechendes Haftungsrisiko verbunden; daß der Gesetzgeber eine derart weitreichende persönliche Haftung des Aufsichtsrats beabsichtigt hat, ist dem Gesetz nirgends zu entnehmen. Insbesondere aus dem Umstand, daß gemäß § 112 AktG die Gesellschaft Vorstandsmitgliedern gegenüber durch den Aufsichtsrat vertreten wird, läßt sich zugunsten der Berufung nichts herleiten. § 112 AktG ist eine Regelung zur unbefangenen Wahrung der Gesellschaftsbelange (vgl. Hüffer aaO § 112 Rdn. 1), nicht aber eine Haftungsregelung und erst recht keine haftungserweiternde Bestimmung. Schließlich kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung aus der Zeit vor der Aufgabe des Vorbelastungsverbots durch den Bundesgerichtshof (vgl. BGHZ 80, 129, 133 ff.) berufen. Abgesehen davon wird etwa die von der Berufung angeführte Entscheidung BGHZ 65, 378 von Hüffer (aaO § 41 Rdn. 20) gerade als Beleg dafür angeführt, daß § 41 AktG im allgemeinen nur auf Vorstandsmitglieder Anwendung findet.

c) Auf die weitere Frage, ob die Bestellung des Vorstands, wie das Landgericht ergänzend gemeint hat, zudem kein rechtsgeschäftliches Handeln im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG darstellt, sondern es sich hierbei um einen körperschaftlichen Akt handelt, kommt es hiernach nicht entscheidend an. Selbst wenn man insoweit - abweichend vom Landgericht - mit der herrschenden Trennungstheorie (vgl. Hüffer aaO § 84 Rdn. 2) im Abschluß des Anstellungsvertrags ein selbständiges schuldvertragliches Element sieht, ändert das am Ergebnis nichts. Daß mit dem Kläger - neben dem korporationsrechtlichen Element der Bestellung - ein eigenständiger Dienstvertrag abgeschlossen wurde, kann als solches nicht die Handelndenhaftung auszulösen, weil allein die Aufspaltung in verschiedene rechtliche Ebenen nicht die fehlende Außenbeziehung herzustellen vermag.

d) Der Vorstand wird durch die hier vertretene Rechtsauffassung nicht schutzlos gestellt. Es besteht - auch in der Vor-Aktiengesellschaft (vgl. Hoffmann-Becking aaO Rdn. 33, 35; Wiedenmann, ZIP 1997, 2029, 2032) - nach den vom Bundesgerichtshof zuletzt insbesondere in der Entscheidung BGHZ 134, 333 ff. entwickelten Grundsätzen eine Verlustdeckungshaftung der Gründer gegenüber der Vorgesellschaft, die sich mit dem Zeitpunkt der Entstehung der juristischen Person in Gestalt der Unterbilanzhaftung fortsetzt. Der Vorstand kann daher auf dem vom Bundesgerichtshof aufgezeigten Weg (vgl. BGHZ 134, 333, 339 f.) im Wege der Pfändung den Verlustdeckungsanspruch der Vorgesellschaft gegen die Gründer verwerten. Diese Haftung im Verhältnis des (ersten) Vorstands zu den Gesellschaftsgründern statt gegenüber den Mitgliedern des (ersten) Aufsichtsrats ist auch sachgerecht, weil die persönliche Inanspruchnahme damit diejenigen trifft, die den risikoträchtigen Gründungsvorgangs initiiert und die ihrerseits auch den ersten Aufsichtsrat bestellt haben. Daß im Streitfall jedenfalls einer der Gründer, die M. Treuhand GmbH & Co. Kommanditgesellschaft für Wohnungswesen und Denkmalpflege, wohl zwischenzeitlich ebenfalls insolvent ist und im übrigen persönliche Beziehungen zwischen den Gründern und den Beklagten zu 1) und 2) bestehen, kann nicht dazu führen, abweichend von den dargestellten Erwägungen hier ausnahmsweise eine persönliche Inanspruchnahme der Beklagten zu ermöglichen.

e) Ob die Klageforderung auch der Höhe nach unschlüssig ist, bedarf demnach im Berufungsverfahren keiner Entscheidung.

2. Feststellungsantrag:

Es kann dahinstehen, ob der Feststellungsantrag den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt oder ob die Klage - mangels Angabe des Schadensereignisses, auf das sich die Ersatzpflicht der Beklagten beziehen soll - insoweit an einem nicht einmal im Wege der Auslegung behebbaren Zulässigkeitsmangel leidet. Denn jedenfalls kann das Feststellungsbegehren aus den unter Ziffer 1. dargestellten Erwägungen in der Sache keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 480.322,00 DM Wert der Beschwer für den Kläger: über 60.000,00 DM

Ende der Entscheidung

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