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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: 18 U 182/08
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 32b
GmbHG § 32b Satz 1
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 23.10.2008 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 136.218,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 20.06.2008 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 10 % derjenigen des Rechtsstreits in erster Instanz und 5 % derjenigen des Rechtsstreits in zweiter Instanz; die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die die Vollstreckung betreibende Partei zuvor Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. Juwelier GmbH, deren früherer Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagte war. Das Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 08.05.2004 eröffnet. Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Anspruch wegen einer kapitalersetzenden Sicherheitsleistung gemäß § 32b GmbHG geltend.

Die Schuldnerin war Eigentümerin des Grundstücks Y. XX in L.. Zur Absicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs war auf diesem Grundstück zugunsten der E. I. Lebensversicherung AG eine Grundschuld über 300.000 DM (= 153.387,56 €) eingetragen. Daneben hatte der Beklagte sich persönlich am 11.08.1995 für diese Forderung gegen die Schuldnerin bis zur Höhe von 300.000 DM verbürgt. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens ist das Grundstück zwangsversteigert worden. Der Versteigerungserlös belief sich auf 435.000 €; hieraus wurde die auf dem Grundstück lastende Grundschuld der E. I. Lebensversicherung AG abgelöst.

Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei bereits zum 31.12.2001 überschuldet gewesen. Zu diesem Datum habe der Jahresabschluss der Schuldnerin einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 34.713,03 € ausgewiesen. Tatsächlich sei der Fehlbetrag aber noch deutlich höher gewesen, zum einen, weil die Aktiva teilweise zu hoch angesetzt gewesen seien und zum anderen, weil in der Bilanz ein gezeichnetes Kapital von 1 Mio. € ausgewiesen worden sei, dieses tatsächlich aber nur 100.000 € betragen habe. Der Differenzbetrag, der aus einer Einzahlung auf eine noch nicht beschlossene Kapitalerhöhung resultiere, sei deshalb als Verbindlichkeit der Schuldnerin gegenüber ihren Gesellschaftern auszuweisen gewesen. Außerdem hätte noch Steuerverbindlichkeiten in Höhe von über 2,5 Mio. € bestanden, die in der Bilanz nicht berücksichtigt worden seien.

Der Beklagte bestreitet, dass sich die Schuldnerin Ende 2001 in einer Krise befunden habe. Hinsichtlich der 900.000 DM habe ein Rückforderungsanspruch der Gesellschafter nicht bestanden. Die Steuerforderungen seien nicht berechtigt gewesen; nur habe es der Kläger im Rahmen des Insolvenzverfahrens versäumt, hiergegen vorzugehen. Die bilanzielle Überschuldung sei durch stille Reserven kompensiert worden.

Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren die zunächst auf Zahlung vom 153.387,56 € gerichtete Klage in Höhe von 5.591,40 € im Hinblick darauf zurückgenommen, dass er in Höhe dieses Teilbetrages die Aufrechnung gegenüber zwei Forderungen des Beklagten gegen ihn aus Kostenfestsetzungsansprüchen erklärt hatte. Das Landgericht hat die Forderung jedoch nur in Höhe von 141.809,80 € als berechtigt angesehen. In diesem Umfang hat das Landgericht die Forderung auch zugesprochen, weil es davon ausgegangen ist, dass der Kläger in dem Parallelverfahren (22 O 330/08 LG Köln = 18 U 180/08 OLG Köln) die Aufrechnung mit einem letztrangigen - über den zuletzt noch geforderten Betrag von 147.796,16 € hinausgehenden - Teilbetrag der Forderung erklärt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit seiner form- und fristgerecht eingereichten und begründeten Berufung wendet sich der Kläger gegen die Feststellung des Landgerichts, die Schuldnerin habe sich im fraglichen Zeitraum in einer Krise befunden. Der in der Berufungsverhandlung erklärten weiteren Klagerücknahme in Höhe von 5.591,40 € auf 136.218,40 € hat er nicht zugestimmt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 23.10.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat im Rahmen des Berufungsverfahrens seinen Vortrag zur Überschuldung der Schuldnerin in der Zeit seit dem 31.12.2001 wiederholt und vertieft. Er hat insbesondere dargelegt, warum die Aktiva in der Bilanz der Schuldnerin zum 31.12.2001 deutlich zu hoch angesetzt gewesen sein sollen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber nur in dem Umfang Erfolg, in dem der Kläger seine Klage im Hinblick auf die in dem Parallelverfahren erklärte Aufrechnung ohnehin zurücknehmen wollte. Nachdem dies wegen der fehlenden Zustimmung des Beklagten nicht wirksam geschehen konnte, war die Klage in Abänderung des angefochtenen Urteils insoweit abzuweisen, weil die Forderung in der Höhe von 5.591,40 € durch die erklärte Aufrechnung gegenüber zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Beklagten erloschen ist (§ 389 BGB).

Im Übrigen ist die Berufung jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch in Höhe von noch 136.218,40 € aus § 32b Satz 1 GmbHG zu.

Der Beklagte hat die Bürgschaft für eine Forderung der E. I. Lebensversicherung AG gegen die Schuldnerin zwar nicht in einer Krise der Gesellschaft übernommen, jedoch hat er diese Sicherheit nicht in der seit 2002 bestehenden Krise der Schuldnerin abgezogen. Jedenfalls auf der Grundlage des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren, der gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen ist, ist auch ohne einen Überschuldungstatus davon auszugehen sein, dass Ende 2001 eine Überschuldung und damit eine Krise der Schuldnerin vorgelegen hat. Auf den grundsätzlich erforderlichen Überschuldungsstatus kann nämlich verzichtet werden, wenn hinreichend dargelegt ist, dass keine Aktiva vorhanden sind, die in dem Jahresabschluss nicht berücksichtigt worden sind (BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07 -, Rdnr. 10). Das ist hier der Fall.

Die Bilanz der Schuldnerin weist Aktiva in Höhe von 6.803.366,21 DM aus. Dieser Summe ist zumindest um folgende Beträge nach unten zu korrigieren:

 - nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag 34.713,03 DM
- sonstige Vermögensgegenstände 994.747,95 DM

Diese Position in der Bilanz beläuft sich auf 1.075.447,14 DM. Darin sind in zwei Teilbeträgen von 152.314,25 DM und 842.433,70 DM, insgesamt also 994.747,95 DM, Forderungen aus Verrechnungen gegen das Hauptzollamt Köln enthalten. Diese Beträge waren von der Schuldnerin zur Auslösung beschlagnahmter Waren aufgrund von streitigen Abgabenforderungen gezahlt worden. Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass es den Grundsätzen vorsichtiger Bewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) entsprach, in Höhe dieser Zahlungen einen Rückforderungsanspruch als Aktivposten anzusetzen. Dagegen spricht vielmehr, dass es in erheblichem Umfang Abgabennachforderungen gab und eine Rückzahlung der zur Auslösung aufgewendeten Beträge nie erfolgt ist.

- Grundstücke| 43.111,00 DM

Der Grundstückswert ist in der Bilanz mit 1.213.111,00 DM angesetzt, ein Verkehrswertgutachten aus dem Jahre 1998 hat allerdings nur einen Verkehrswert in Höhe von 1.170.000 DM ergeben. Der tatsächliche Erlös in der Zwangsversteigerung liegt noch deutlich darunter. Dies rechtfertigt den vom Kläger vorgenommenen Abzug.

|1.072.571,98 DM

Die Aktiva belaufen sich demnach höchstens auf (6.803.366,21 DM - 1.072.571,98 DM =) 5.730.794,23 DM.

Dem stehen ausweislich der Bilanz Verbindlichkeiten in Höhe von 6.775.171,21 DM gegenüber, so dass eine Unterdeckung in Höhe von (6.775.171,21 DM - 5.730.794,23 DM =) 1.044.376,98 DM besteht. Angesichts dieses Fehlbetrages kommt es nicht darauf an, ob die Unterdeckung entsprechend dem Vortrag des Klägers sogar noch deutlich höher anzusetzen ist, weil zum einen auf der Aktivseite die Position "fertige Erzeugnisse und Waren" von 3.313.858,00 DM um 682.771,60 DM nach unten und die Position "Firmenwert" in Höhe von 15.993,00 DM zu streichen und zum anderen auf der Passivseite die Verbindlichkeiten um weitere 900.000 DM Zahlungen auf eine noch nicht beschlossene Kapitalerhöhung sowie die angeblichen Zoll- und Steuerforderungen zu erhöhen ist.

Diese Unterdeckung in Höhe von 1.044.376,98 DM reicht zur Feststellung einer Überschuldung und damit auch zur Feststellung der Krise aus. Der Beklagten hat nicht dargelegt, dass tatsächlich ein höheres Aktivvermögen oder geringere Verbindlichkeiten als sie hier berücksichtigt wurden, bestanden haben.

Geht man dementsprechend davon aus, dass die Schuldnerin seit dem Jahre 2002 überschuldet war, stellt das Belassen der Bürgschaft in dieser Situation eine Kapitalersatzleistung dar. Der Beklagte hätte die Bürgschaft zwar nicht kündigen, sehr wohl aber von der Schuldnerin Freistellung verlangen können, was er nicht getan hat. Die Krisensituation der Schuldnerin wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Schuldnerin noch über das Grundstück verfügte und sie selbst eine Sicherheit, die Grundschuld, zur Absicherung des Darlehens der E. I. AG stellen konnte. Zwar schließt die Möglichkeit der Gesellschaft, Sicherheiten für Darlehen zur Verfügung stellen zu können, regelmäßig eine Krise der Gesellschaft aus (BGH, Beschluss vom 05.11.2007 - II ZR 298/06 -, DStR 2007, 2337). Dies gilt aber dann nicht, wenn sich die Krisensituation aus der Überschuldung der Gesellschaft ergibt, denn diese Situation wird durch die Möglichkeit, noch Darlehen zu erhalten, nicht beseitigt, sondern allenfalls verschärft (vgl. BGH NJW 1989, 1219, 1221; Heidinger, in: Michalski, GmbHG, 2002, §§ 32a, 32b Rdnr. 52). Nur deshalb kann ja auch die in Rechtsprechung und Literatur anerkannte Fallkonstellation des Rückgriffs der Gesellschaft gegen den Gesellschafter gemäß § 32b GmbHG nach Verwertung der von ihr selbst gestellten Sicherheit überhaupt auftreten (vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., 2006, § 32a Rdnr. 87 m. w. N.)

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen, unter denen die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist, liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den konkreten Einzelfall. Entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Fall nicht auf.

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 141.809,80 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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