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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 01.11.2005
Aktenzeichen: 18 U 28/05
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 2
StVO § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers gegen das am 18.01.2005 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Aachen (8 O 401/02) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits in zweiter Instanz werden den Beklagten zu 70 %, dem Kläger zu 30 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz der ihm anlässlich eines Verkehrsunfalls am 21.06.2002 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch.

Im einzelnen liegt dem folgender Sachverhalt zu Grunde:

Am genannten Unfalltag befuhren der Zeuge Y. sowie der ihm folgende Kläger gegen 21.00 Uhr mit ihren Motorrädern aus O. kommend in Richtung C. die im hier betroffenen Bereich in Serpentinen sowie - aus der Sicht des Klägers und des Zeugen - abschüssig verlaufende zweispurige L. Aus der Gegenrichtung näherte sich der von dem Beklagten zu 1) gefahrene und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte LKW-Sattelzug. Als dieser dem Kläger sowie dem Zeugen in einer aus deren Fahrtrichtung gesehen nach links gezogenen Kurve in Höhe des Kilometers 1,300 entgegenkam, wichen beide jeweils nach rechts an den Fahrbahnrand aus, wobei sie die Kontrolle über ihre Motorräder verloren: Vor dem Kläger kam zunächst der ihm vorausfahrende Zeuge Y. zu Fall, anschließend stürzte der infolge des Ausweichmanövers von der Fahrbahn abgeratene und gegen die Leitplanke gestoßene Kläger, dessen Motorrad BMW hierbei erheblich beschädigt wurde und der sich eine in stationärer Krankenhausbehandlung operativ zu versorgende distale Radiustrümmerfraktur rechts zuzog.

Die Parteien streiten nunmehr über die diesen Unfall maßgeblich herbeiführende Ursache:

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte zu 1) habe mit seinem LKW die Kurve geschnitten und sei ihm weit über die Mittelinie hinaus in seine, des Klägers, Fahrspur hineinragend, zudem mit weit überhöhter Geschwindigkeit "quasi auf seiner Fahrspur" entgegengekommen. Er selbst, der dem Zeugen Y. mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h in ausreichendem Sicherheitsabstand gefolgt sei, habe eine andernfalls drohende Kollision nur durch Ausweichen an den rechten Fahrbahnrand vermeiden können.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

a)

an ihn, den Kläger, 5.568,24 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 5.361,56 € seit dem 02.08.2002 und aus 206,68 € seit dem 05.05.2004 zu zahlen,

b)

an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 €, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2003 zu zahlen;

2.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm - dem Kläger - alle materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Unfallereignis vom 21.06.2002 gegen 21.00 Uhr in O.-C. L, Kilometer 1,300 noch entstehen werden zu erstatten, soweit entsprechende Ansprüche nicht auf dritte Leistungsträger übergegangen sind.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, der Beklagte zu 1) sei - als er mit dem Sattelzug in die aus seiner Sicht nach rechts gebogene Kurve eingefahren sei - nur leicht über die Mittelinie hinaus in die Gegenfahrbahn geraten. Als ihm in der Kurve (u.a.) der Kläger mit seinem Motorrad in deutlicher Schräglage mit überhöhter Geschwindigkeit und augenscheinlich die Kurve schneiden wollend entgegengekommen sei, habe der Beklagte zu 1) sich mit dem Sattelzug jedoch bereits wieder vollständig auf seiner Fahrspur befunden.

Das Landgericht hat (u.a.) über den Unfallhergang Beweis erhoben und die Beklagten sodann mit Urteil vom 18.01.2005 jeweils gesamtschuldnerisch zum Ersatz von 70 % des geltend gemachten materiellen Schadens sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 2.000,00 € verurteilt; überdies hat es festgestellt, dass die Beklagten dem Kläger zum Ersatz von 70 % der ihm aus dem Unfallereignis künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet sind, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind oder noch übergehen. Zur Begründung dieser Entscheidung, auf welche wegen der zugrundegelegten tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Wertung Bezug genommen wird, hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, dass es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu seiner Überzeugung feststehe, dass der Beklagte zu 1) den sich für keine der Parteien als unvermeidbares Ereignis darstellenden Unfall schuldhaft verursacht habe, indem er mit dem von ihm geführten Sattelzug in der Unfallkurve unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 StVO über die Mittellinie hinaus erheblich - zu ca. einem Drittel - auf die Gegenfahrbahn geraten sei und den entgegenkommenden Kläger auf diese Weise veranlasst habe, nach rechts auszuweichen. Dem Kläger sei demgegenüber über die ihn treffende, mit einer Mithaftungsquote von 30 % angemessen berücksichtigte Betriebsgefahr seines Motorrades hinaus kein Mitverschulden anzulasten. Dass der Kläger seinerseits gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe und zu schnell gefahren sei, hätten die Beklagten nicht bewiesen; ihrem Vortrag, dass der Kläger mit seinem Motorrad zu weit zur Fahrbahnmitte hin gefahren sei, fehle mangels Darlegung, wo genau der Kläger sich auf "seiner" Fahrspur befunden habe, bereits die Schlüssigkeit. Die Einholung des von den Beklagten zu ihrer nach der erstinstanzlichen Vernehmung der Zeugen vorgebrachten Behauptung, der Kläger hätte aus seiner dem Zeugen Y. nachfolgenden Position bei einer Geschwindigkeit von 30 - 40 km/h "ohne weiteres angemessen reagieren können, um den Unfall zu vermeiden", beantragten unfallrekonstruierenden Sachverständigengutachtens erscheine mangels hinreichender Anknüpfungspunkte für den Sachverständigen nicht sachgemäß. Da andererseits der Kläger nicht habe beweisen können, dass der Beklagte zu 1) über den ihm anzulastenden Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot hinaus auch mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, führe die Abwägung der auf die unfallbeteiligten Parteien jeweils entfallenden Verursachungs- und Verschuldensbeiträge zu der vorbezeichneten, die Beklagten mit einer Quote von 70 % belastenden angemessenen Haftungsverteilung.

Mit ihrer Berufung greifen die Beklagten, die den Unfall als auf dem ganz überwiegenden, die Betriebsgefahr des Lastzuges vollständig verdrängenden Verschulden des Klägers beruhend einordnen, das vorbezeichnete Urteil in zweifacher Hinsicht an: Das Landgericht sei zum einen in fehlerhafter Würdigung der erhobenen Beweise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte zu 1) mit dem Sattelzug unmittelbar vor dem Unfall auf die Gegenfahrbahn geraten sei. Es habe sich bei seiner Beweiswürdigung zu Unrecht auf die Aussage des dem Kläger vorangefahrenen und ebenfalls mit seinem Motorrad gestürzten Zeugen Y. gestützt, die in Widerspruch zu seinem Vortrag in dem Verfahren 8 O 541/02 LG Aachen stehe und nicht glaubhaft sei. Im Ergebnis Gleiches gelte hinsichtlich der von dem Landgericht bei seiner Würdigung ebenfalls herangezogenen Bekundungen des Zeugen F., der die sich aus der Gegenrichtung nähernden Motorräder des Klägers sowie des Zeugen Y. überhaupt nicht habe wahrnehmen können und der als Besitzer und Fahrer eines Motorrades von dem Drang beseelt gewesen sei, dem Kläger mit seiner Aussage zu einer günstigen prozessualen Position gegen die Beklagten zu verhelfen. Lasse sich schon danach die durch das Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung nicht halten und stelle sich das angefochtene Urteil bereits aus diesem Grund als unrichtig dar, sei dies zum anderen auch deshalb der Fall, weil das Landgericht ihren, der Beklagten, auf die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens gerichteten Beweisantrag rechtfehlerhaft übergangen habe. Ein Sachverständiger habe sehr wohl hinreichende Anknüpfungstatsachen, um die Frage beantworten zu können, ob einem Motorradfahrer, der - was nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe - im ersten Drittel der Unfallkurve einen entgegen kommenden Tanklastzug erblicke, hinreichend viel Zeit für eine angemessene Reaktion verbleibe, wenn er eingangs der Kurve mit 50 km/h und dann, nach einem Bremsmanöver, mit etwa 30 - 40 Km/h fahre.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht die Beklagten darin zum materiellen Schadensersatz verurteilt und ihre Verpflichtung zum Ersatz künftig noch entstehender materieller und immaterieller Schäden festgestellt hat. Was allerdings das mit lediglich 2000,00 € zuerkannte Schmerzensgeld angehe, so werde das seinen, des Klägers, erheblichen unfallbedingten Verletzungen und den hiermit verbundenen Beeinträchtigungen nicht gerecht, sondern sei ein Betrag von mindestens 5.000,00 € als angemessener Ausgleich zuzuerkennen.

Der Kläger beantragt im Wege der Anschlussberufung,

das landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn, den Kläger, ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 19.02.2003 zu zahlen, mindestens jedoch 5.000,00 €.

Die Beklagten beantragen,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf ihre in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Die beigezogene Akte 8 O 541/02 des Landgerichts Aachen betreffend den Rechtstreit zwischen den Beklagten und den diese wegen des Unfallereignisses vom 21.06.2002 auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch nehmenden Zeugen Y. lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die - jeweils zulässigen - Rechtsmittel der Parteien haben in der Sache keinen Erfolg.

Das angefochtenen landgerichtliche Urteil hält sowohl den mit der Berufung vorgebrachten Angriffen der Beklagten als auch der mit der Anschlussberufung durch den Kläger vorgetragenen Remonstration stand.

Im Einzelnen:

1. Berufung:

Soweit die Beklagten sich mit ihrem Rechtsmittel gegen die durch das Landgericht vorgenommene Würdigung der erhobenen Beweise und die auf dieser Grundlage getroffene Feststellung wenden, dass der von dem Beklagten gefahrene Tanklastzug über die Mittellinie hinaus in die von dem Kläger mit seinem Motorrad BMW genutzte Gegenfahrbahn hineingeraten ist, vermögen sie damit ebenso wenig durchzudringen wie mit ihrer weiter erhobenen Rüge des unberechtigten Übergehens ihres auf die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens gerichteten Beweisantritts.

a)

Das Landgericht hat sich bei seiner Beweiswürdigung zu Recht auf die Bekundungen der Zeugen Y. und Ralf F. gestützt und auf dieser Grundlage einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen das in § 2 Abs. 2 StVO formulierte Rechtsfahrgebot bejaht.

Der Zeuge Y. hat bei seiner Vernehmung zwar angegeben, dass der aus einer "relativ uneinsichtigen" Linkskurve entgegenkommende Lastzug der Beklagten nach seiner, des Zeugen, Schätzung "so ungefähr zu 2/3" über die Mittellinie hinaus in die Gegenfahrbahn geraten sei, was von seiner in dem Verfahren 8 O 541/02 LG Aachen als Partei gemachten Angabe abweicht, wonach sich der LKW zu "einem Drittel" auf der Fahrbahn des Zeugen befunden habe. Auf Vorhalt hat der Zeuge sich zu dieser Abweichung jedoch dahin geäußert, dass es sich bei der von ihm im aktuellen Vernehmungstermin ausdrücklich als Schätzwert deklarierten Angabe ("2/3") um einen nach langer Zeit geäußerten subjektiven Eindruck handele, was - da die zugrundeliegende Wahrnehmung zeitlich mehrere Jahre vor dem Vernehmungstermin zurückliegt - plausibel ist. Auch wenn danach letztlich nicht konkret feststellbar ist, mit welcher exakten Abmessung der von dem Beklagten zu 1) gefahrene Tanklastzug über die Mittellinie hinaus in die von dem Zeugen sowie dem Kläger befahrene Fahrbahn ragte, steht nach den Bekundungen des Zeugen im Aussagekern doch eine Überschreitung der Mittellinie erheblichen Ausmaßes fest, welche die mit ihren Motorrädern entgegenkommenden Kläger und Zeugen zu Ausweichmanövern nach rechts an den Fahrbahnrand veranlasst hat. Die Aussage des Zeugen Y. begegnet dabei weder in Bezug auf ihre Glaubhaftigkeit noch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen Bedenken. Gerade der Umstand, dass der Zeuge Y., der sich durch Lektüre des in seiner Sache ergangenen Urteils des Landgerichts Aachen vom 14.10.2003 sowie des u.a. über seine Vernehmung erstellten Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 23.09.2003 unschwer hinsichtlich der vorstehenden Abmessungen hätte "präparieren" können, im vorliegenden Prozess bei seiner Vernehmung Unsicherheiten und Abweichungen von seinen früheren Angaben zu erkennen gab, spricht dafür, dass er sich um eine wahrheitsgemäße Aufklärung des Sachverhalts bemüht hat. Gestützt werden die Angaben des Zeugen Y. durch die Bekundungen des Zeugen F., wonach der Tanklastzug bereits bei der vorangegangenen Durchfahrt von Kurven "deutlich" über die Mittellinie gefahren sei bzw. die Kurven "geschnitten" habe. Auch wenn die Bekundungen des Zeugen F. hinsichtlich der örtlichen Gegebenheiten durch den zwischenzeitlich verstrichenen zeitlichen Abstand zwanglos erklärbare Unsicherheiten aufweisen und - da er hinter dem Tanklastzug fuhr und die Sicht nach rechts durch eine Felswand beschränkt war - alles für eine jedenfalls in Teilen nur behinderte Sicht auf die mit ihren Motorrädern entgegenkommenden Kläger und Zeugen Y. spricht, hat er gleichbleibend geschildert, dass der Tanklastzug die vorher durchfahrenen Kurven jeweils geschnitten hat und dabei in erheblichem Maße in die Gegenfahrbahn geraten war. Eine solche Fahrweise, die der hinter dem Lastzug herfahrende Zeuge F. unschwer wahrnehmen konnte, ist mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse auch plausibel: Unstreitig zeichnete sich die von den Parteien befahrene L im hier betroffenen, in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) steil ansteigenden Streckenabschnitt durch kurz hintereinander liegende verhältnismäßig eng gezogene Kurven ("Serpentinen") aus. Da es sich bei dem Tanklastzug um ein schweres und langes Fahrzeug handelt, das zudem die durch "Herunterschalten" verlorene Geschwindigkeit bei ansteigenden Strecken nur langsam wieder aufholt, lag es bei freier Strecke nahe, die engen Krümmungen durch möglichst gerade Durchfahrten - konkret durch "Schneiden" - abzukürzen. Anhaltspunkte dafür, dass der in seiner Freizeit ebenfalls Motorrad fahrende Zeuge F. aus "Solidarität" mit dem Kläger und dem Zeugen Y. unter Verstoß gegen die ihn treffende Wahrheitspflicht ausgesagt hat, sind dabei nicht zu Tage getreten. Der Umstand, dass es nach den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist, dass der Zeuge F. - wie von ihm angegeben - den Versuch des Klägers und des Zeugen Y. sehen konnte, ihre Motorräder abzubremsen und dem Lastzug auszuweichen, ist dabei nicht geeignet, unter dem vorbezeichneten Aspekt durchgreifende Bedenken zu begründen. Angesichts des seit dem Unfallereignis sowie der früheren Vernehmung des Zeugen F. in dem Verfahren 8 O 541/02 bei dem Landgericht Aachen verstrichenen langen Zeitablaufs ist eine gewisse subjektive Verschmelzung einerseits der aus eigener Wahrnehmung sowie andererseits der aus anderen Quellen bekannt gewordenen maßgeblichen Umstände eines Unfallereignisses zu einem einheitlichen, im Gedächtnis verhafteten und als solches erinnerten Gesamtbild nicht ungewöhnlich. Soweit daher der das bekundete Geschehen im übrigen plausibel schildernde Zeuge F. den ihm als solchen bekannten Sturz der Motorradfahrer und deren unmittelbar vorausgehendes Fahrverhalten dargestellt hat, lässt sich das ohne weiteres mit dem vorbezeichneten subjektiven Prozess in Einklang bringen und begründet das keine seine Glaubwürdigkeit beseitigenden Zweifel an der Wahrhaftigkeit seiner Aussage insgesamt.

b)

Auf der Grundlage der erhobenen Beweise ebenfalls überzeugend ist die Würdigung des Landgerichts, dass sich ein Verstoß des Klägers gegen das Rechtsfahrgebot und eine unangepasste Geschwindigkeit danach nicht feststellen lassen.

Soweit die Beklagten demgegenüber einwenden, der Kläger hätte, wenn er tatsächlich in ausreichendem Abstand von der Mittellinie mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h hinter dem Zeugen Y. hergefahren wäre, den Unfall ohne weiteres entweder durch bloßes Abbremsen oder aber durch Ausweichen vermeiden können, findet das in den Aussagen der vernommenen Zeugen keine Stütze. Dass der Kläger - selbst wenn objektiv genug Raum zwischen dem vor ihm mit seinem Motorrad stürzenden, nach rechts "driftenden" Zeugen Y. und dem Lastzug verblieben gewesen sein sollte - nicht weiterhin "links" blieb, um sich noch zwischen dem Lastzug und dem Motorrad des Zeugen hindurch zu zwängen, lässt nicht darauf schließen, dass er dann vorher schon zu weit links an der Mittellinie entlang fuhr bzw. seinerseits gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen hat. Zu berücksichtigen ist vielmehr das ohne weiteres nachvollziehbare Bedürfnis des Klägers, der selbst bei objektiv ausreichender Distanz gegebenen Gefahrenzone auszuweichen, um den unter teilweiser Inanspruchnahme der eigenen Fahrbahn entgegenkommenden Lastzug in möglichst sicherem Abstand passieren zu können, was das eingeschlagene Ausweichmanöver nach rechts ohne weiteres erklärt. Nicht ersichtlich ist überdies, dass das sich vor dem Kläger ereignende Sturzgeschehen des Zeugen Y. mit seinem Motorrad bereits vollständig abgeschlossen war und keine die sichere Passage des Klägers gefährdende Dynamik mehr entfalten konnte.

Was die von den Beklagten vorgebrachte Behauptung der unangepasst hohen Fahrtgeschwindigkeit angeht, so hat der Zeuge Y. bekundet, dass er bei der Einfahrt in die Kurve zwar ca. 50 km/h gefahren sei, die Geschwindigkeit indessen sodann auf ca. 30 km/h bis 40 km/h abgebremst habe. Das spricht dafür, dass der dem Zeugen Y. nachfolgende Kläger jedenfalls nicht schneller gefahren sein kann, so dass die durch das Landgericht vorgenommene Würdigung keinen Beanstandungen begegnet.

Im Ergebnis Gleiches gilt, soweit die Beklagten behaupten, der Kläger hätte, wäre er tatsächlich nur 30 - 40 km/h gefahren, ohne weiteres "angemessen reagieren" können, um den Unfall zu vermeiden. Auch dies lässt nicht ohne weiteres auf eine unangepasst hohe Geschwindigkeit des Klägers schließen. Allein der Umstand, dass der Kläger sein Motorrad nicht durch bloßes Abbremsen hinter dem gestürzten Zeugen zum Stillstand brachte, sondern ein Ausweichmanöver nach rechts einleitete und dabei die Kontrolle über sein Motorrad verlor, zwingt nicht zu dem Schluss, dass er zu schnell fuhr. Zu berücksichtigen ist zum einen, dass der Kläger sein unstreitig nach links in die Kurve gelegtes Motorrad hierfür wieder aufrichten musste, was den Abbremsvorgang verzögert. Zum anderen aber ist weder genau bekannt, wann und an welcher Stelle der nach den Bekundungen des Zeugen Y. "relativ uneinsichtigen" Kurve, die unstreitig zudem - in Fahrtrichtung des Klägers - links durch eine steile Felswand begrenzt ist, der Zeuge mit seinem Motorrad sein Ausweichmanöver begann noch ist bekannt, in welchem Abstand der Kläger auf seinem Motorrad folgte. Selbst wenn der dem Kläger vorausfahrende Zeuge Y. den Lastzug der Beklagten nach seiner als solche erkennbaren bloßen Schätzung erstmalig im "ersten Drittel" der Kurve sehen konnte, lässt sich damit nicht auf den genauen Ort der Einleitung des Ausweichmanövers schließen. Ohne Kenntnis der vorbezeichneten Parameter ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger entweder den entgegen kommenden Lastzug oder aber den sein Ausweichmanöver vor ihm einleitenden vorausfahrenden Zeugen Y. bereits zu einem solch frühen Zeitpunkt wahrnehmen konnte, dass ihm genug Zeit verblieb, um sein Motorrad noch rechtzeitig ohne Kontrollverlust hinter dem Zeugen Y. zum Stillstand zu bringen. Hinzu kommt, dass der dem Kläger für ein solches Fahrmanöver zur Verfügung stehende Zeitraum dadurch verknappt wurde, dass der Lastzug der Beklagten seine Fahrt unverändert fortsetzte und sich die Distanz zu dem Kläger dadurch kontinuierlich verringerte. Dass der Kläger dem Zeugen Y. in zu dichtem Abstand hinterherfuhr, haben die Beklagten selbst nicht behauptet, sie wollen den Kläger vielmehr an dessen Vortrag "festhalten", dass er dem Zeugen Y. in "ausreichendem Sicherheitsabstand" gefolgt sei.

c)

Aus den letztgenannten Erwägungen folgt zugleich, dass das Landgericht zu Recht mangels hinreichender tatsächlicher Anknüpfungspunkte von der Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachten abgesehen hat, wie das die Beklagten zu ihrer Behauptung, der Kläger hätte aus seiner dem Zeugen Y. nachfolgenden Position bei einer Geschwindigkeit von 30 - 40 km/h "ohne weiteres angemessen reagieren können, um den Unfall zu vermeiden", beantragt haben. Der Sachverständige könnte zwar anhand der Vermessung der Unfallstelle sowie unter Berücksichtigung der im Rahmen einer Ortsbesichtigung von ihm eruierten sonstigen örtlichen Gegebenheiten abstrakt ermitteln, bei welcher Fahrtgeschwindigkeit ab welchem Zeitpunkt aus welcher Position ein sich der streitbefangenen Kurve näherndes oder diese durchfahrendes Motorrad des streitbefangenen Typs einen diese Kurve aus der Gegenrichtung mit einer bestimmten Fahrtgeschwindigkeit durchfahrenden Lastzug der streitbefangenen Maße frühestens wahrnehmen kann. Für den vorliegenden Fall lassen sich daraus jedoch - wie dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführlich erörtert worden ist - mangels feststehender Bezugsparameter betreffend die tatsächliche Position und den Weg des klägerischen Motorrads keine entscheidungserheblichen Erkenntnisse gewinnen. Entgegen dem beklagtenseits vertretenen Standpunkt steht nicht fest, wo der dem Kläger vorausfahrende Zeuge Y. sich befand, als er den Tanklastzug erstmalig in der Kurve gesehen hat und lässt sich daher die Position des in "ausreichendem Abstand" hinter dem Zeugen Y. fahrenden Klägers zu dem Zeitpunkt, als er den entgegenkommenden LKW erstmals sehen konnte, ebensowenig bestimmen, wie das ihm zur Vermeidung eines Unfalls durch anderweitige Fahrtmanöver zur Verfügung stehende "Zeitfenster". Soweit der Zeuge Y. bekundet hat, er "....meine...,es könnte im 1/3 der Kurve gewesen sein", als er den Lastzug erstmalig gesehen habe, handelte es sich um eine bloße Schätzung des Zeugen, die dieser mit Blick auf den seit dem Unfallereignis verstrichenen langen Zeitraum relativiert hat. Steht aber schon nicht fest, an welcher Stelle des Verlaufs der streitbefangenen Kurve der Zeuge Y. den entgegenkommenden Lastzug erstmalig wahrnahm, so gilt das erst recht für die Position des dem Zeugen nachfolgenden Klägers.

2. Anschlussberufung:

Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2000,00 € zugesprochen. Diese Summe stellt sich angesichts der Art und Dauer der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen des Klägers sowie der damit verbundenen Beeinträchtigungen als angemessen und ausreichend dar. Der Kläger leidet zur Zeit unter keinen unfallbedingten Beeinträchtigungen mehr; soweit sich in der Zukunft eine verletzungsbedingte Arthrose entwickeln kann, wird das von dem Feststellungstenor abgedeckt.

III.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Der Senat sah keinen Anlass für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO). Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Bundesgerichtshofs. Das vorliegende Urteil beruht ausschließlich auf einer den Besonderheiten des individuellen Sachverhalts Rechnung tragenden Subsumtion, für die keine über den beurteilten Fall hinausreichenden, in der obergerichtlichen und/oder höchstrichterlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantworteten oder aus anderen Gründen klärungsbedürftigen Rechtsfragen entscheidungserheblich geworden sind.

Wert: insgesamt 9.597,77 € (Berufung: 6.597,77 €; Anschlussberufung: 3.000,00 €).

Ende der Entscheidung

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