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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 26.05.2006
Aktenzeichen: 18 U 78/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 247
BGB § 269
BGB § 269 Abs. 1
BGB § 270
BGB § 270 Abs. 4
BGB § 286
BGB § 286 Abs. 3 Satz 1
BGB §§ 676 a ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Soweit die Klägerin Verzugszinsen auf Forderungen aus dem Interconnection-Vertrag geltend macht, soll die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft zur Beantwortung der nachfolgenden Frage vorgelegt werden:

Steht eine nationale Regelung, dass es für die den Eintritt des Schuldnerverzugs vermeidende oder den eingetretenen Schuldnerverzug beendende, per Banküberweisung abgewickelte Zahlung nicht auf den Zeitpunkt der Gutschrift des Betrages auf dem Gläubigerkonto, sondern auf den Zeitpunkt des von dem Schuldner bei ausreichender Kontodeckung oder entsprechendem Kreditrahmen erteilten und von der Bank angenommenen Überweisungsauftrags ankommt, in Einklang mit Art. 3 Abs. 1 lit. c) ii) der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.06.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ?

Gründe:

I.

Die eingangs formulierte Frage stellt sich in einem Rechtstreit, in dem die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Verzugszinsen wegen vermeintlich zu spät gezahlter Rechnungsentgelte in Anspruch nimmt.

Im Einzelnen liegt dem folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Parteien befassen sich mit dem Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit und für Netzbetreiber. Die Beklagte bietet darüber hinaus für andere Netzbetreiber - wie die Klägerin - Fakturierungsleistungen an.

1.

Die Parteien stehen seit 1998 in einem durch eine Zusammenschaltungsvereinbarung bzw. einen "Interconnection-Vertrag" (im folgenden auch: "IC-Vertrag") geregelten gegenseitigen Leistungsaustausch. Die in diesem Rahmen jeweils erbrachten Leistungen stellen sie sich wechselseitig in Rechnung und verrechnen daraus resultierende Rechnungsentgelte. Der erwähnte IC-Vertrag wurde in der Folgezeit mehrfach geändert, zuletzt durch Beschluss der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 25.10.2002. Unter den Abschnitten 17.4 und 17.5 des IC-Vetrages in der von beiden Parteien zugrundegelegten Fassung vom 26.06.2002 finden sich die nachfolgenden Bestimmungen betreffend die Fälligkeit und den Zahlungsverzug:

"17.4 Fälligkeit

Die Entgeltforderungen zwischen den Vertragspartnern werden mit Zugang der Rechnung fällig.

Der Rechnungsbetrag ist auf ein in der Rechnung angegebenes Konto zu zahlen.

17.5 Zahlungsverzug

Der Verzug tritt, sofern er nicht bereits mit einer Mahnung begründet wurde, 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung ein.

Kommt einer der Vertragspartner mit den Zahlungen in Verzug, so wird folgender Schadensersatz berechnet:

- Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem im Verzugszeitraum geltenden Basiszinssatz gem. § 247 des Bürgerlichen

Gesetzbuchs (BGB); ...".

2.

Im Jahre 2001 haben die Parteien überdies einen sogenannten Fakturierungs- und Inkassovertrag (im folgenden: F+I-Vertrag) unter Einbezug Allgemeiner Geschäftsbedingungen und einer "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso" geschlossen, die unter Ziffer 8 folgende, auszugsweise wiedergegebene Klausel enthält:

"Der Vertragspartner kann jeweils in der Mitte und am Ende eines Kalendermonats in einer Rechnung die von ihm gelieferten und von der ... als fakturierbar erkannten Nettoentgelte zu den Leistungen zuzüglich Umsatzsteuer mit der ... abrechnen.....Der Rechnungsbetrag muss spätestens 30 Tage nach dem Zugang der Rechnung auf dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben oder verrechnet sein."

3.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die letztgenannte, in dem F+I-Vertrag enthaltene Regelung, nach welcher es zur Vermeidung oder Beendigung des Verzugs und damit der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen u. a. auf den Eingang bzw. die Gutschrift des Rechnungsbetrags ankomme, sei auch bei dem IC-Vertrag anzuwenden. Dies entspreche einer durch entsprechende praktische Übung zwischen den Parteien zustande gekommenen Vereinbarung. Sie verlangt von der Beklagten daher Zahlung von Verzugszinsen, die sie jeweils für einen Zeitraum ermittelt, der mit dem 30. Tag ab Zugang der betroffenen Rechnung einsetzt und - bleibt nach einer beklagtenseits vorgenommenen Verrechnung ein Restbetrag - bis zu dessen vollständiger Gutschrift reicht. Die Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, dass die behauptete Vereinbarung nicht zustande gekommen ist. Sie habe die nach dem IC-Vertrag auf sie entfallenden Rechnungsentgelte daher, soweit diese nicht durch Verrechnung entfallen seien, jeweils bereits dadurch in verzugsvermeidender oder -beendender Weise gezahlt, dass sie rechtzeitig von ihrer Bank angenommene Überweisungsaufträge erteilt habe.

4.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von Verzugszinsen in einer Gesamthöhe von 601.466,40 € gerichteten Klage teilweise, nämlich in Höhe eines Betrages von 539.013,59 € stattgegeben.

Die von der Beklagten geschuldete Leistung, so hat es zur Begründung seiner Entscheidung im hier betroffenen Kontext ausgeführt, habe auch bei dem IC-Vertrag in der Gutschrift des zu zahlenden Betrages auf dem Konto der Klägerin und nicht schon in der Vornahme der Überweisung bestanden. Die bisher zu den nationalen Bestimmungen der §§ 269, 270 BGB in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretene Meinung, dass es sich bei Geldschulden um sog. "qualifizierte Schickschulden" handele, bei denen es für die Rechtzeitigkeit der Leistung auf die Vornahme der Leistungshandlung am Wohnsitz des Schuldners ankomme, rechtfertige keine abweichende Wertung. Aus Art. 3 Abs. 1 c) ii) der mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.03.2000 (BGBl. I, S. 330) durch den nationalen Gesetzgeber weitgehend umgesetzten Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.06.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (im folgenden: Zahlungsverzugs-Richtlinie) ergebe sich zwingend, dass der Gläubiger berechtigt sei, bei Zahlungsverzug Zinsen insoweit geltend zu machen, als er den fälligen Betrag "nicht rechtzeitig erhalten" hat. Die damit zum Ausdruck gebrachte Wertung, dass es für den Verzugsbeginn nicht auf die verspätete Absendung, sondern auf den verspäteten Erhalt des Geldes ankomme, sei nunmehr maßgeblich.

5.

Die Beklagte greift diese Wertung mit ihrer Berufung an. Die Zahlungsverzugs-Richtlinie könne die Maßgeblichkeit des Eingangs der auf den IC-Vertrag zu leistenden Rechnungsentgelte nicht tragen. Im Wege der ergänzenden Auslegung der oben dargestellten Vertragsbestimmungen könne die Zahlungsverzugs-Richtlinie schon deshalb nicht herangezogen werden, weil diese im Zeitpunkt des Vertragsschlusses - die in Frage stehende Zahlungsbestimmung werde seit 1998 zwischen den Parteien praktiziert - noch nicht existent gewesen, für die ergänzende Vertragsauslegung aber auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen sei. Auch die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 269, 270 BGB, wonach sich Geldschulden als qualifizierte Schickschulden darstellten, könne durch die Zahlungsverzugs-Richtlinie nicht beeinflusst werden, weil diese insoweit durch den nationalen Gesetzgeber nicht umgesetzt worden sei.

II.

Soweit die Berechtigung der auf der Grundlage des IC-Vertrages geltend gemachten Zinsforderung betroffen ist, kommt es nach Auffassung des im Berufungsstadium mit dem Rechtstreit befassten Senats entscheidungserheblich auf die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 lit. c) ii) der Zahlungsverzugs-Richtlinie an. Denn ist die genannte Bestimmung der Richtlinie tatsächlich dahin zu verstehen, dass es für die eine Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen vermeidende Rechtzeitigkeit der Zahlung einer als Entgelt für ein Handelsgeschäft geschuldeten Geldforderung ausschließlich auf den Zeitpunkt des Eingangs des entsprechenden Betrages bei dem Gläubiger ankommt und sich danach eine abweichende nationale Regelung verbietet, die den Zeitpunkt einer den Verzug vermeidenden oder beendenden Leistung vorverlagert, so hat das Rechtsmittel des Beklagten keinen Erfolg und kann die Klägerin die aus dem IC-Vertrag geltend gemachte Zinsforderung in der ihr zugesprochenen Höhe verlangen.

Im Einzelnen:

1.

Allerdings ist es richtig, dass die vorbezeichnete Frage betreffend die Auslegung der Zahlungsverzugs-Richtlinie dann der Entscheidungsrelevanz entbehrte, wenn die Parteien sich auch im Rahmen ihrer Zusammenarbeit nach dem IC-Vertrag wie bei dem F+I-Vertrag dahin geeinigt hätten, dass es auf den Eingang bzw. die Gutschrift des jeweiligen Rechnungsbetrages ankommen soll. Eine solche Übereinkunft wurde für den IC-Vertrag indessen nicht erzielt.

1.1.

Eine ausdrückliche, in den Vertrag aufgenommene Regelung haben die Parteien nicht getroffen. Die unter Ziff. 17.4 enthaltene Bestimmung, dass die "Rechnungsforderung auf ein ..Konto zu zahlen" ist, lässt keine Regelung zu der Frage erkennen, wann die Zahlung auf das Konto als bewirkt anzusehen ist.

1.2.

Eine daher nur als stillschweigende Einigung denkbare Übereinkunft ist ebenfalls nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Parteien im Rahmen des F+I-Vertrags eine solche Regelung festgeschrieben und praktiziert haben, lässt angesichts der uneinheitlichen Verfahrensweise im übrigen nicht darauf schließen, dass sie auch im Rahmen der IC-Vereinbarung konkludent eine solche Einigung erzielt haben. Selbst wenn die Beklagte ihrerseits die für angeblich verspätete Zahlungen der Klägerin berechneten Verzugszinsen teilweise bis zur Gutschrift des entsprechenden Rechnungsbetrages ermittelt hat, lässt sich allein daraus nicht auf ein damit erklärtes rechtsgeschäftliches Angebot zur Abänderung der bisherigen vertraglichen Bestimmungen des IC-Vertrages schließen. Dem kann vielmehr ebenso gut ein rechtsfehlerhaftes Vertragsverständnis oder schlichtes Versehen zugrunde liegen. Aus diesem Grund liegt in der durch die Klägerin vorgenommenen Zahlung der solcher Art berechneten Zinsen auch keine Annahme eines Angebots, welche die Folge nach sich zieht, dass der IC-Vertrag im hier betroffenen Punkt geändert und inhaltlich an die in den F+I-Vertrag aufgenommene Regelung angepasst worden wäre.

2.

Die Entscheidungserheblichkeit der Auslegung der Zahlungsverzugs-Richtlinie ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil ein sich womöglich aus ihr ergebendes Hindernis, die verzugsvermeidende oder -beendende Zahlung der Rechnungsforderung in dem eingangs dargestellten Sinne zu verstehen, bei der Anwendung des bereits im Jahr 1998 geschlossenen IC-Vertrages bzw. wiederum dessen Auslegung ohnehin keine Berücksichtigung finden könnte, sondern ausschließlich auf die im Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsschlusses im Jahre 1998 maßgebliche Situation abzustellen wäre.

2.1.

Die Parteien haben zwar im Jahre 1998 bereits einen Zusammenschaltungsvertrag geschlossen. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Beschluss der Regulierungsbehörde geht jedoch hervor, dass (u.a.) die Parteien ihre vertragliche Beziehung auf der Grundlage eines von der Beklagten vorgelegten "Vertragsentwurfes einer Zusammenschaltungsvereinbarung (Stand 26.06.02) Hauptteil einschließlich der Anlagen ...." neu geordnet, zumindest aber überarbeitet haben. Der von der Beklagten vorgelegte Auszug des IC-Vertrages, der die hier betroffenen Vertragsbestimmungen 17. 4 und 17.5 aufweist, trägt an seinem unteren Rand auch den Vermerk "Hauptteil ....Stand 26.06.2002". Das spricht dafür, dass die maßgebliche Zusammenschaltungsvereinbarung, deren Regelungslücke im hier betroffenen Punkt zu füllen ist, nicht aus 1998, sondern dem Jahre 2002, mithin einer Zeit entstammt, zu der die Verzugsrichtlinie aber bereits existierte.

2.2.

Diese Sichtweise stimmt überdies mit dem eigenen Vorbringen der Beklagten überein, wonach es - soweit der IC-Vetrag betroffen ist - bei der "Fassung 'Stand: 26.06.2002"..." verbleibe. Die Beklagte hat auch nicht etwa behauptet, es sei eine frühere Vertragsfassung maßgeblich, sondern ausgeführt, dass die "...zitierte Zahlungsbestimmung ...seit 1998 ...zwischen den Parteien praktiziert" werde. Es kann unterstellt werden, dass dies zutrifft. Indessen kommt es - soweit die bestehende Regelungslücke geschlossen werden soll - darauf an, welche Vertragsfassung der Klageforderung zugrunde zu legen ist. Wurde aber die seit 1998 praktizierte Vertragsbestimmung in die Vertragsfassung vom 26.06.2002 übernommen, so ist sie wie eine zu diesem späteren Zeitpunkt erstmals eingeführte Regelung zu behandeln, so dass auf den Vertrag aus dem Jahr 2002 abzustellen ist. Da die Zahlungsverzugs-Richtlinie vom 29.06.2000 zu diesem Zeitpunkt bereits existent war, kann sie daher ohne weiteres das Verständnis und die Anwendung des IC-Vertrages beeinflussen.

3.

Nach den gesetzlichen Bestimmung der §§ 269, 270 BGB in der ihnen durch die nationale Rechtsprechung und Literatur gegebenen Ausprägung reicht es zur Abwendung einer den Eintritt des Verzugs vermeidenden oder aber dessen Beendigung herbeiführenden Zahlung einer Geldschuld aus, dass der Schuldner das zur Übermittlung des Geldes seinerseits Erforderliche getan hat (BGH Z 44, 179; BGH, NJW 1964, 499; OLG Köln, NJW-RR 90, 285; Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 270 Rdn. 6 f mit weiteren Nachweisen).

3.1.

§ 269 Abs. 1 BGB regelt, dass - ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen - die Leistung an dem Orte zu erfolgen hat, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. § 270 Abs. 4 BGB bestimmt wiederum, dass die in § 270 BGB im übrigen speziell für Geldschulden getroffenen Regelungen die Vorschriften über den Leistungsort nicht berühren. Hieraus folgert die auch von dem Senat geteilte herrschende Meinung, dass Leistungsort für Geldschulden in der Regel der Wohnsitz des Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses ist. Der Schuldner ist verpflichtet, das Geld auf seine Gefahr und Kosten an den Wohnsitz des Gläubigers zu übermitteln. Bei der Geldschuld handelt es sich danach um eine sog. "qualifizierte Schickschuld", nämlich eine Schickschuld mit der Besonderheit, dass der Schuldner die Gefahr der Übermittlung trägt. Letztgenannte Gefahr ist hier indessen nicht betroffen, da die Rechnungsentgelte unstreitig bei der Klägerin eingingen. Die Parteien streiten allein darüber, ob diese Zahlungen rechtzeitig und daher geeignet waren, den Eintritt der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen zu verhindern oder aber eine bereits bestehende Zinsverpflichtung entfallen zu lassen.

3.2.

Ist aber - wie aufgezeigt - der Wohnsitz des Schuldners Leistungsort, so kommt es für die Rechtzeitigkeit entscheidend darauf an, wann der Schuldner das zur Übermittlung der geschuldeten Geldsumme Notwendige veranlasst hat, also auf die Vornahme der Leistungshandlung. Bei Zahlung durch Überweisung ist die Leistungshandlung nach herrschender Meinung dann rechtzeitig vorgenommen, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei dem Geldinstitut eingeht und auf dem Konto Deckung vorhanden ist oder eine Kreditzusage in ausreichender Höhe vorliegt (vgl. für viele: BGH, NJW 1964 64, 499; OLG Düsseldorf, DB 84, 2686; OLG Koblenz, NJW-RR 1993, 583; OLG Nürnberg, NJW-RR 2000, 88; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 270 Rdn. 7; Krüger in Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 270 Rdn. 22 - jeweils m. w. Nachw). Die in Umsetzung u.a. der Überweisungsrichtlinie (Nr. 97/5/EG vom 27.01.1997) installierte Neuregelung des Überweisungsrechts in den §§ 676 a ff BGB hat dabei zwar zur Folge, dass nunmehr auch die - fristgerechte - Annahme des Überweisungsauftrags des Schuldners durch die Bank hinzukommen muss, weil Grundlage für die Überweisung nunmehr ein vom Schuldner mit seiner Bank abzuschließender Überweisungsvertrag und nicht lediglich eine bloße Weisung im Rahmen des Giroverhältnisses (§ 665 BGB) ist. Das ändert indessen nichts daran, dass es auf der Grundlage der aufgezeigten Erwägungen nicht auf die Gutschrift bzw. den Leistungserfolg, sondern auf die rechtzeitige Vornahme der Leistungshandlung ankommt.

4.

Der in Umsetzung u.a. der Zahlungsverzugs-Richtlinie mit dem Schuldrechtmodernisierungsgesetz überarbeiteten Bestimmung des § 286 BGB lässt sich keine entgegenstehende Wertung entnehmen.

4.1.

§ 286 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens dann in Verzug kommt, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung "leistet". Anhaltspunkte dafür, dass der nationale Gesetzgeber von dem mit Ausnahme einiger weniger Gegenstimmen (vgl. Schön in AcP 198 [1998], 401/442 ff; siehe auch Staudinger/Bittner, BGB, 2004, § 270 Rdn. 3) bisher einheitlichen Verständnis und der in ständiger Rechtsprechung praktizierten Anwendung der §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB in den Fällen der Zahlung durch Banküberweisung abweichen wollte, gibt der Gesetzestext nicht vor.

4.2.

Sie lassen sich auch den Materialien (BT-Drs. 14/6857, BT-Drs. 14/6040 und BT-Drs. 14/6040) des der Umsetzung u.a. der Zahlungsverzugs-Richtlinie dienenden Schuldrechtsmodernierungsgesetzes nicht entnehmen. Die erwähnten Gesetzesmaterialien enthalten bei den Ausführungen zur Neufassung von § 286 BGB keine Hinweise darauf, auf welche Weise die zur Abwendung des Verzugseintritts vorzunehmende Leistung zu bewirken ist. Dass bei der Beurteilung dieser Frage die §§ 269, 270 BGB in der Ausprägung, die sie durch die Rechtsprechung erfahren haben, eine Änderung erfahren sollten und haben, ist daher nicht zu erkennen.

5.

Vor dem dargestellten Hintergrund spricht somit alles dafür, dass die Beklagte bereits mit der rechtzeitigen Erteilung der - von ihrer Bank ausgeführten und daher angenommenen - Überweisungsaufträge die jeweiligen Rechnungsentgelte in einer die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen vermeidenden oder jedenfalls beendenden Weise geleistet hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Konten der Beklagten, von denen die Überweisungen vorzunehmen waren und tatsächlich vorgenommen wurden, keine ausreichende Deckung aufwiesen oder aber keine die Ausführung der Überweisungen sicherstellende Kreditzusage der Bank bestand, liegen nicht vor.

6.

Einer dieser Wertung zur Geltung verhelfenden Entscheidung könnte indessen Art. 3 Abs. 1 lit. c) ii) der Zahlungsverzugs-Richtlinie vom 29.06.2000 entgegenstehen.

6.1.

Der Anwendungsbereich der genannten Richtlinie ist zweifelsohne mit Blick auf den Umstand eröffnet, dass die Klägerin Verzugszinsen für Entgeltforderungen beansprucht, die aus Geschäftsvorgängen resultieren, welche sich für beide Parteien als Handelsgeschäfte darstellen (Art. 1 der Zahlungsverzugs-Richtlinie in Verbindung mit dem Erwägungsgrund 13).

6.2.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit c) ii) der Zahlungsverzugs-Richtlinie ist der Gläubiger berechtigt, bei Zahlungsverzug Zinsen insoweit geltend zu machen, als er den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, es sei denn, dass der Schuldner für die Verzögerung nicht verantwortlich ist.

6.3.

Der in dieser Bestimmung der Richtlinie verwendete Begriff "erhalten" könnte darauf hindeuten, dass eine die Pflicht zur Zahlung von Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Verzugs vermeidende oder beendende Zahlung erst und nur dann vorliegt, wenn der Geldbetrag bei dem Gläubiger eingegangen ist. In diese Richtung könnten auch die in englischer und französischer Sprache vorliegenden Textfassungen von Art. 3 Abs. 1 lit. c) ii) der Richtlinie weisen, die jeweils folgende Wortlaute haben:

"1. .....c) the creditor shall be entitled to interest for late payment to the extent that:

...

(ii) he has not received the amount due on time, unless the debtor is not responsible for the delay..."

"1. ...c) le créancier soit en droit de réclamer des intérêts de retard dans la mesure

où :

...

(ii) il n'a pas reçu le montant dû à l'échéance,à moins que le débiteur ne soit pas responsable du retard... »

Die in diesen beiden Sprachfassungen verwendeten Begriffe "receive" bzw. "recevoir", denen in der deutschen Übersetzung neben "erhalten" gleichermaßen die Bedeutung von "empfangen" zukommt, könnten im gegebenen Zusammenhang dafür sprechen, dass es in der Tat ausschließlich auf den (rechtzeitigen) Eingang des fälligen Betrages ankommen soll, um die an den Zahlungsverzug anknüpfende Pflicht zur Zahlung von Zinsen abzuwenden oder zu beenden.

6.4.

Eine abweichende Würdigung, die Raum für die hier zu beurteilende Konstellation der - rechtzeitigen - Zahlung einer Geldschuld durch Banküberweisung lässt, könnte sich indessen aus den unter den Ziffern 7 und 16 der Richtlinie formulierten Erwägungsgründen ergeben: Der mit der Richtlinie verfolgte Zweck besteht danach erklärtermaßen u.a. darin, den Problemen entgegenzuwirken, die insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen dadurch entstehen, dass übermäßige Zahlungsfristen und Zahlungsverzug große Verwaltungs- und Finanzlasten verursachen, die zu den Hauptgründen für Insolvenzen zählen (Erwägungsgrund 7). Der Zahlungsverzug stelle überdies einen Vertragsbruch dar, der für die Schuldner in den meisten Mitgliedstaaten durch niedrige Verzugszinsen und/oder langsame Beitreibungsverfahren finanzielle Vorteile bringe. Um diese Entwicklung umzukehren und um sicherzustellen, dass die Folgen des Zahlungsverzugs von der Überschreitung der Zahlungsfristen abschrecken, sei ein durchgreifender Wandel erforderlich. Den dargestellten Problemen solle auf Gemeinschaftsebene dadurch entgegengewirkt werden, dass sowohl die Zahlungsfristen verkürzt als auch die für den Fall des Zahlungsverzugs zu zahlenden Entschädigungen auf ein von der Überschreitung der Zahlungsfristen abschreckendes Niveau erhöht werden (Erwägungsgrund 16). Die innerhalb der vereinbarten Zahlungsfrist durch Abschluss eines die Ausführung der Banküberweisung gewährleistenden Überweisungsvertrages mit einem Kreditinstitut vorgenommene Leistungshandlung bewegt sich aber, gemessen an den vorstehenden Erwägungsgründen, im Rahmen der mit der Zahlungsverzugs-Richtlinie verfolgten Zwecke. Die Erfordernisse, dass nicht nur die Bank den Überweisungsauftrag des Schuldners annehmen, sondern überdies das Konto, von dem das Rechnungsentgelt überwiesen werden soll, eine hinreichende Deckung aufweisen oder aber eine Kreditzusage in ausreichender Höhe vorliegen muss, stellen in der Summe sicher, dass die Überweisung ausgeführt wird und der Gläubiger den Betrag alsbald tatsächlich erhält. Hinzu kommt, dass Artikel 3 Abs. 1 lit. c) ii) - letzter Halbsatz - der Richtlinie seinem Wortlaut nach die Möglichkeit offen lässt, dass der Schuldner selbst dann, wenn der Gläubiger den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, nicht zur Zahlung von Zinsen verpflichtet ist, falls er die Verzögerung nicht zu verantworten hat. Das spricht dafür, dass die Richtlinie grundsätzlich Raum für Fälle lässt, in denen der Schuldner das zur Übermittlung des Rechnungsentgelts seinerseits Erforderliche getan hat und diese, selbst wenn der Zahlungserfolg verspätet eintritt, vom Standpunkt des Gläubigers aus als rechtzeitig "erhalten" anerkennt. Das alles könnte aber ein Verständnis von Art. 3 Abs. 1 lit c) ii) der Zahlungsverzugs-Richtlinie dahingehend rechtfertigen, dass der Gläubiger dann nicht berechtigt ist, Zinsen wegen Zahlungsverzugs geltend zu machen, wenn - bei Zahlung durch Banküberweisung - der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei dem Geldinstitut eingeht und von diesem angenommen wird sowie ferner auf dem Konto hinreichende Deckung vorhanden ist oder eine Kreditzusage in ausreichender Höhe vorliegt.

7.

Der Senat legt die Sache daher zur Beantwortung der eingangs formulierten Frage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vor, dem die Auslegung der Zahlungsverzugs-Richtlinie gemäß Art. 234 Abs. 1 lit b) des EG-Vertrages vorbehalten ist.

Ende der Entscheidung

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