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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.11.2000
Aktenzeichen: 18 U 83/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 592
ZPO § 595 Abs. 3
ZPO § 595 Abs. 2
ZPO § 599 Abs. 1
ZPO § 282 Abs. 3
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

18 U 83/00 41 O 207/99 LG Aachen

Anlage zum Protokoll vom 9.11.2000

Verkündet am 9.11.2000

Brüggen, JAng. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 7.9.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Reppel, den Richter am Oberlandesgericht Bodens sowie den Richter am Landgericht Schmitz-Justen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29.2.2000 verkündete Urkundenvorbehaltsurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen (41 O 207/99) abgeändert.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000 DM abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen im Inland zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand

Am 18.6.1993 traf der Beklagte, der Kommanditist der Klägerin ist, im eigenen Namen mit dem britischen Unternehmen I. T. eine Vereinbarung, die u.a. vorsah, dass der Beklagte der I. T. bei einer Bank einen Akkreditivkredit verschaffte. Am 9.8.1994 glich die Volksbank A. Süd das bei ihr geführte und mit 201.628,22 DM im Soll stehende Akkreditivkonto aus mittels einer Überweisung von dem Geschäftskonto der Klägerin 210 3901 025. In den folgenden Jahren wurde in der Bilanz der Klägerin eine entsprechende Forderung gegen die I. T. gebucht. Mit schriftlichem Vertrag vom 1.4.96 traf der Beklagte im Namen der Klägerin mit der Volksbank in Bezug auf das Konto ... eine "Rückführungsvereinbarung", in die zugleich als Sicherheit ein Schuldanerkenntnis der Klägerin vom 18.8.1995 einbezogen wurde. Später sah sich die Klägerin auf Druck der Volksbank gezwungen, zur Glattstellung ihres Kontos ... bei der Volksbank ein Darlehen über 150.000 DM aufzunehmen. Zur Ablösung dieses Darlehens schlossen die Klägerin und der Beklagte am 5.11.1998 einen Vertrag über die Gewährung eines Darlehens durch die Klägerin an den Beklagten in Höhe von 150.000 DM. Der Beklagte verpflichtete sich in dem Darlehensvertrag, wegen dessen Wortlauts auf die als Anlage zur Klageschrift überreichte Kopie der Vertragsurkunde Bezug genommen wird, die Zinsen, Tilgung und anderen Kosten des von der Klägerin bei der Volksbank aufgenommenen Darlehens zu tragen.

Nachdem es seitens des Beklagten zu keinen Leistungen auf das Darlehen gekommen war, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 25.2.1999 das Darlehen fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

Im Rahmen des von der Klägerin eingeleiteten Urkundenprozesses hat diese beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 150.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1.6.1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat unter Bezugnahme auf ein Schiedsvertrag vom 26.9.1995, wegen dessen Inhalts auf die im Termin vom 8.2.2000 überreichte notarielle Vertragsurkunde verwiesen wird, die Einrede des Schiedsvertrags erhoben. Der Beklagte hat darüber hinaus die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen sowie die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses in Frage und in der Sache die Kündigungsberechtigung in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat mit Urkundenvorbehaltsurteil vom 29.2.2000, auf das wegen der Begründung und des weiteren erstinstanzlichen Parteienvortrags Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben und dabei u.a. ausgeführt, die Schiedsvereinbarung erfasse nicht den Rechtstreit der Parteien und hindere deshalb die Anrufung des Gerichts nicht.

Gegen dieses dem Beklagten am 8.3.2000 zugestellte Urteil hat dieser mit bei Gericht am 28.3.2000 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist begründet.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Klage ist unzulässig, weil aufgrund der Schiedsvereinbarung vom 26.9.1995 der ordentliche Rechtsweg nicht gegeben ist.

Es handelt sich nach Auffassung des Senats bei dem vorliegenden Rechtsstreit um eine Streitigkeit im Sinne der Schiedsvereinbarung. Die maßgebliche Klausel in den "Vorbemerkungen" des Schiedsvertrags lautet:

"Für alle Streitigkeiten aus diesen Gesellschaftsverträgen, sei es von Gesellschaftern untereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft auch über Fragen der Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages und dieses Schiedsvertrages, soll der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen sein und - soweit gesetzlich zulässig - statt dessen die Entscheidung durch ein Schiedsgericht erfolgen. Dies gilt auch für die Klärung von Zweifelsfragen und die Beseitigung von Unbilligkeiten und Härten."

Mit "Streitigkeiten aus diesen Gesellschaftsverträgen"

sind nicht nur solche gemeint, die sich konkret auf eine der Satzungsbestimmungen beziehen, sondern sinngemäß alle gesellschaftsbezogenen Streitigkeiten. Die Gesellschaftsverträge begründen durch ihren Abschluss und Inhalt umfassend die Verhältnisse der Gesellschaft und bestimmen zugleich die Rechte und Pflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft. Der vorliegende Rechtstreit betrifft auch die Beziehung des Beklagten als Gesellschafters gegenüber der Klägerin. Es geht nicht (nur) um ein Darlehen, welches die Klägerin genauso gut jedem anderen auch gewährt hätte. Abgesehen davon, dass die Parteien sich darüber streiten, ob letztlich die Darlehensgewährung im Ausgangspunkt dazu diente, eine Klägerschuld oder eine Beklagtenschuld zu tilgen, lag die Darlehensgewährung jedenfalls auch im Interesse der Klägerin, weil sie bezüglich der ursprünglich zu tilgenden Verbindlichkeiten gegenüber der Volksbank mitverhaftet war, wobei es nicht darauf ankommen kann, ob dies der Beklagte unberechtigt veranlasst hat. Bestätigt wird der gesellschaftsrechtliche Bezug der Angelegenheit auch durch die in der Gesellschafterversammlung vom 01.10.1998 beschlossene Vereinbarung, dass die über 60.000,00 DM hinausgehenden Gewinnanteile des Beklagten u.a. der Tilgung der "in der Bilanz der G. KG ausgewiesenen Forderungen gegenüber den Firmen I. T. und ..." dienen sollten.

Die Einrede des Schiedsvertrags hindert die Anrufung des Landgerichts bereits im Rahmen des Urkundenprozesses.

Soweit die Klägerin unter Berufung auf die Entscheidungen BGH NJW 1994, 136 und OLG Düsseldorf WM 1995, 1488 die Meinung vertritt, im Vorverfahren des Urkundenprozesses könne der Beklagte die Einrede des Schiedsvertrags nicht erheben, kann dem nicht gefolgt werden. Im Gegenteil kann der Beklagte die Einrede wirksam nur im Urkundenverfahren erheben und ist im Nachverfahren damit ausgeschlossen.

Nach der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs üblicherweise verwendeten Formel entfaltet das Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess insoweit Bindungswirkung für das Nachverfahren, als es nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozess beruht (BGH NJW 82, 183). Prozessvoraussetzungen werden weder von § 592 ZPO noch von § 595 Abs. 2 und 3 ZPO erfasst. Das gilt auch für prozesshindernde Einreden, die der Disposition des Beklagten unterliegen wie die Einrede des Schiedsvertrags (BGH NJW 86, 2765; 82, 183). Dem Nachverfahren kann die Entscheidung über diese prozesshindernde Einrede nicht überlassen werden, da eine nur beschränkte Nachprüfung mit ihrer Natur nicht vereinbar wäre. Ein Vorbehalt (§ 599 ZPO) könnte die Einrede nicht für die Zukunft erhalten, sondern würde sie gegenstandslos machen. Ist aber der Vorbehalt ausgeschlossen, so entfällt auch die Anwendbarkeit des § 595 Abs. 2 ZPO. Soweit die Rechtsprechung aus § 599 Abs. 1 ZPO ableitet, dass der Beklagte im Vorverfahren dem geltend gemachten Anspruch - ohne Begründung - nur zu widersprechen braucht, um sich seine Rechte im Nachverfahren wirksam vorzubehalten, gilt dies gemäß § 282 Abs. 3 ZPO nicht hinsichtlich der Zulässigkeitsrügen.

Aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1994, 136) lässt sich eine Abkehr von dieser Rechtsprechung nicht ableiten.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung für das Wechselverfahren im zur Entscheidung stehenden Fall angenommen, dass ein Wechselgläubiger, der zahlungshalber die Begebung von Wechseln vereinbart, regelmäßig nicht auf die prozessualen Vorteile des Wechselprozesses verzichten will, auch wenn Streitigkeiten über Wechselforderungen von einem Schiedsvertrag erfasst sind. Der wesentliche Vorteil eines Wechsels sei der Wechselprozess; deshalb könne unter Kaufleuten angenommen werden, dass sich der Wechselgläubiger ungeachtet der vereinbarten Schiedsklausel im Regelfall das Recht auf ein Vorgehen im Wechselprozess - jedenfalls im Urkundenverfahren - vorbehält. Diese Grundsätze lassen sich aber nicht - wie es von dem Oberlandesgericht Düsseldorf (WM 1995, 1488; OLGR Düsseldorf 1998, 228) vertreten wird - dahin verallgemeinern, dass dasselbe auch für jedes andere Urkundenverfahren gelten müsse, nur weil dem Urkundenverfahren generell der Beschleunigungszweck eigen sei. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs rechtfertigt sich nur aus der Besonderheit der Wechselbegebung und der damit verbundenen Begünstigung durch das Wechselverfahren, weshalb eben angenommen werden kann, dass die Beteiligten diese Begünstigung nicht von einer Schiedsklausel aufgehoben sehen wollen. Wenn Parteien andere Rechtsgeschäfte tätigen und diese schriftlich festhalten, kann man schwerlich annehmen, die Parteien seien sich aufgrund der gewählten Schriftform, die unter Umständen ein Prozessieren im Urkundenverfahren ermöglicht, zugleich darüber einig, dass ungeachtet einer bestehenden Schiedsvereinbarung ein gerichtliches Urkundenverfahren durchgeführt werden könne. Im Gegenteil darf für die Fälle, in denen es nicht wie beim Wechsel als Zahlungsmittel auf die schnelle Realisierung der Forderung ankommt, davon ausgegangen werden, dass den Parteien nicht damit gedient ist, zur Klärung ihres Rechtstreits zunächst das ordentliche und danach das Schiedsgericht anrufen zu müssen. Gerade diese prozessual nachteilige Folge, dass zwei unterschiedliche Gerichte sich mit Rechtsstreit befassen müssten, verbietet eine Ausweitung der von dem Bundesgerichtshof für die Wechselbegebung angenommenen Grundsätze auf andere mit dem Urkundenprozess verfolgte Ansprüche.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer für die Klägerin: 150.000 DM

Ende der Entscheidung

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