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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 24.03.2000
Aktenzeichen: 19 U 103/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1922
BGB § 1374
BGB § 2325
BGB § 2287
BGB § 528
BGB § 685
BGB § 1620
BGB § 705
BGB § 1090
ZPO § 97 I
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
19 U 103/99 20 O 602/98 LG Köln

OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Anlage zum Protokoll vom 24.03.2000

Verkündet am 24.03.2000

Schmitt, J.S. z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 25.02.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, den Richter am Oberlandesgericht Pütz und die Richterin am Amtsgericht Wester

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 02.06.1999 - 20 O 602/98 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 32.000 DM abzuwenden, wenn nicht zuvor der Gegner in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin schloss am 01.12.1994 vor dem Notar O. in F. mit dem Beklagten, ihrem Sohn, und dessen (Adoptiv-) Bruder S.K. einen Übertragungsvertrag (UR-Nr. ........; Bl. 6 ff. AH), durch den sie ihren Grundbesitz Gemarkung B., Flur .., Flurstücke ..., ... und .... nebst sämtlichen wesentlichen Bestandteilen und Zubehör dem Beklagten zu Alleineigentum übertrug. Als Gegenleistung wurde zugunsten der Klägerin ein lebenslanges Wohnungsrecht "an dem gesamten Zweifamilienhaus" eingeräumt. Zugleich verpflichtete sich der Beklagte, die Klägerin im Falle der Pflegebedürftigkeit infolge Krankheit oder hohen Alters zu pflegen bzw. pflegen zu lassen. In dem Vertrag heißt es ausdrücklich, die Übertragung erfolge im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (Ziff. IV.2., Bl. 14 AH). Beweggrund der Klägerin war unstreitig, dass sie seinerzeit als Geschäftsführerin einer in Konkurs gegangenen GmbH befürchtete, von den Gläubigern in Anspruch genommen zu werden. S.K. verzichtete der Klägerin gegenüber auf spätere, das übertragene Grundstück betreffende Pflichtteilsansprüche. Der Beklagte sollte an seinen Bruder 75.000 DM herauszahlen (Ziff. IV.1.d., Bl. 13 AH).

Am 19.12.1994 schlossen die Parteien und die Ehefrau des Beklagten einen "Übereinkommensvertrag" (Bl. 85 AH), in dem unter anderem die Klägerin ihrer Schwiegertochter für den Fall des vorzeitigen Todes des Beklagten "in dem selbst ausgebauten Dachgeschoß und dem Wohnzimmer und der Küche der 1. Etage ein Wohnrecht auf Lebenszeit" gewährte.

In der Folgezeit kam es zu verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und ihrem Lebensgefährten einerseits und dem Beklagten und seiner Ehefrau andererseits. Dabei ging es in der Regel um die Nutzung des Hauses, in dem die Klägerin, in dem außer den Parteien auch die Großmutter des Beklagten wohnte. In diesem Zusammenhang führten die Parteien eine Reihe von Rechtsstreiten, die im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2000 aufgeführt sind. Schließlich widerrief die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 21.05.1997 (Bl. 57 AH) die Übertragung des Grundbesitzes auf den Beklagten. Mit einem weiteren Anwaltsschreiben vom 23.11.1998 (Bl. 61 ff. AH) sprach sie erneut den "Widerruf der Schenkung" aus und drohte darüber hinaus den Rücktritt von dem Übertragungsvertrag an, sofern der Beklagte den von ihm genutzten Keller und die Wohnung im ersten Obergeschoss nebst Speicher nicht bis zum 11.12. 1998 räume und an sie herausgebe. Als der Beklagte dem nicht nachkam, erklärte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 05.01.1999 (Bl. 76 AH) den "Rücktritt vom Schenkungsvertrag". Mit einem weiteren Schreiben vom 08.04.1999 wiederholte sie den "Widerruf der Schenkung" (Bl. 78 AH).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, bei dem Übertragungsvertrag vom 01.12.1994 handele es sich um eine Schenkung, die sie wegen groben Undanks des Beklagten habe widerrufen können. Zu den Vorfällen, aus denen sie den groben Undank herleitet, hat sie im Einzelnen vorgetragen.

Die Klägerin hat die im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Anträge gestellt.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er ist der Ansicht der Klägerin entgegengetreten, es handele sich um eine Schenkung; denn er habe erhebliche Gegenleistungen erbracht. Im Übrigen hat er vorgetragen, wenn auch sein Verhältnis zur Klägerin nicht gut sei, so liege doch auf seiner Seite kein grober Undank vor.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und auch rechtzeitig begründeten Berufung macht die Klägerin erneut geltend, bei der Übertragung des Grundbesitzes auf den Beklagten habe es sich um eine Schenkung gehandelt. Die Zahlungsverpflichtung des Beklagten zugunsten des Bruders S. sei als Auflage anzusehen, nicht als Gegenleistung an die Klägerin. Auch die Pflegeverpflichtung sei nach der Rechtsprechung des BGH nicht als Gegenleistung zu betrachten. Im Übrigen spreche der Übertragungsvertrag in IV.2. (Bl. 14 AH) selbst von schenkungsweise gemachten Zuwendungen. Die Klägerin meint, diese Schenkung habe sie wegen groben Undanks des Beklagten wirksam widerrufen. Dies begründet sie jetzt vorrangig mit neuen Vorfällen nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils. Bei einem Streit über das Garagenschloss am 08.06.1999 soll der Beklagte die Klägerin im Gesicht und am Oberschenkel verletzt haben; außerdem soll er am 15.06.1999 die Garage unverschließbar und für den PKW der Klägerin durch Eindübeln eines Schrankes und Ankettung von Fahrrädern unbenutzbar gemacht haben. Außerdem stützt die Klägerin den Vorwurf groben Undanks weiter darauf, dass der Beklagte den Allgemeinstrom des Hauses unberechtigterweise über ihren Zähler geleitet habe. Anlässlich der notariellen Vereinbarung vom 01.12.1994 habe der Beklagte zugesagt, den Allgemeinstrom künftig über seinen Zähler zu leiten. Schließlich erklärt sie mit Anwaltsschreiben vom 14.02.2000 (Bl. 228 d.A.) nochmals den Widerruf der Schenkung unter Berufung weitere Vorfälle.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. den Beklagten zu verurteilen, die Eigentumsumschreibung des im Grundbuch der Amtsgerichts Kerpen von B. Blatt ... eingetragenen Grundbesitzes, Gemarkung B., Flur .., Flurstücke ..., ... und ..., J. 41, zu ihren Gunsten zu bewilligen;

2. festzustellen, dass der Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerin für die im Grundbuch von B., Band 24, Blatt 0860, III. Abteilung lfd. Nr. 5, eingetragene Grundschuld zugunsten der R. Lebensversicherung AG in Höhe von 75.000 DM mit 18 % Jahreszinsen sowie einer einmaligen Nebenleistung von 5 % Wertersatz zu leisten und die insoweit entstehenden schuldrechtlichen Ansprüche an die Klägerin abzutreten, Zug um Zug gegen Freistellung des Beklagten von den dadurch gesicherten Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin;

3. den Beklagten zu verurteilen, die Räume im ersten Obergeschoss links und das Dachgeschoss des Hauses J. 41, 50226 F.-B., zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt weiter die Ansicht, es handele sich nicht um eine Schenkung, sondern um ein überwiegend entgeltliches Rechtsgeschäft, und begründet dies im Einzelnen. Den Behauptungen der Klägerin zu den Vorfällen, aus denen sie den groben Undank des Beklagten herleitet, tritt er entgegen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst allen Anlagen sowie der beigezogenen Akten, die im Sitzungsprotokoll vom 25.02.2000 verzeichnet sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

1. Eine Schenkung, die die Klägerin hätte widerrufen können, haben die Parteien in dem Übertragungsvertrag vom 01.12.1994 nicht vereinbart. Bei der Beantwortung der Frage, ob in einem solchen Vertrag eine Schenkung oder ein entgeltliches Rechtsgeschäft zu sehen ist, stützt der Senat sich auf die folgenden Ausführungen des BGH (NJW 1995, 1349, 1350):

"2...a) Unter einer Vorwegnahme der Erbfolge versteht man die Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen Teiles davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als Erben in Aussicht genommene Empfänger; sie richtet sich im Grundsatz nicht nach Erbrecht, sondern muß sich der Rechtsgeschäfte unter Lebenden bedienen. In diesem Rahmen bestehen für sie vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten (BGHZ 113, 310 (312f.) = NJW 1991, 1345 = LM Vorb. z. § 1922 BGB Nr. 4). Ein typisches Mittel ist der Übergabevertrag .... Übergabeverträge bestimmen häufig zusätzlich zu der Übertragung von Vermögensgegenständen des Übergebers, daß auch den Übernehmer Verpflichtungen treffen; dabei kann es sich um Abfindungszahlungen an andere Erbberechtigte, aber auch um Verpflichtungen zur Pflege des Übergebers etwa im Sinne eines Altenteils handeln (BGH, NJW-RR 1990, 1283 (1284 unter II 1) = LM § 1374 BGB Nr. 15). Derartige Gegenleistungen aus dem Vermögen des Übernehmers sind entgeltlich. Wenn die Gegenleistung - jedenfalls in der maßgeblichen subjektiven Wertung der Parteien (BGHZ 59, 132 (135) = NJW 1972, 1709 = LM § 2325 BGB Nr. 7; BGHZ82, 274 (281) = NJW 1982, 43 = LM § 2287 BGB Nr. 12/13) - der Leistung des Übergebers äquivalent ist, liegt keine Schenkung vor. ...

b) Der bloße Hinweis im Übergabevertrag darauf, daß das Haus in Vorwegnahme der Erbfolge übergeben werde, besagt mithin nichts über die Unentgeltlichkeit (Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Aufl.,Vorb. § 2274 Rdnr. 19; Kollhosser, AcP 1994, 231 (232)). Allein das im Vertragstext festgehaltene Motiv, Eigentum in vorweggenommener Erbfolge zu übergeben, entbindet den Tatrichter nicht von der Aufgabe, den Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände auszulegen einschließlich seiner Vorgeschichte und der Interessenlage der Beteiligten.

3. a) Da der Vertrag vom 28. 6. 1983, wie das BerGer. nicht verkennt, außer dem Hinweis auf die Vorwegnahme der Erbfolge sich in seinem Wortlaut nicht zum Rechtsgrund der Eigentumsübertragung äußert, läßt sich entgegen der Auffassung des BerGer. aus der Vermutung der Vollständigkeit der Vertragsurkunde nicht entnehmen, daß der Bekl. die Entgeltlichkeit der Grundstücksübergabe zu beweisen hätte. Vielmehr ist es grundsätzlich Sache der Kl., die den Anspruch aus § 528 BGB geltend macht, die (volle oder teilweise) Unentgeltlichkeit der Zuwendung zu beweisen.

b) Eine Vermutung für den Schenkungscharakter von Leistungen unter nahen Verwandten kennt das Gesetz ausschließlich in den engen Grenzen der §§ 685, 1620 BGB (BGH, NJW 1987, 890 (892) unter 2 = LM § 705 BGB Nr. 48). Nach der Rechtsprechung des BGH ist aber demjenigen, der sich auf das Vorliegen einer gemischten Schenkung beruft, eine Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung zuzubilligen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich hinausgehendes Mißverhältnis besteht (BGHZ82, 274 (281f.) = NJW 1982, 43 = LM § 2287 BGB Nr. 12/13; BGH, NJW 1987, 890 (892) unter II = LM § 705 BGB Nr. 48). Die Einschränkung der privatautonomen Bewertung von Leistung und Gegenleistung durch eine derartige Vermutung ist zwar nur gerechtfertigt, wo schutzwerte Interessen Dritter berührt werden. ...

Die Vorinstanzen haben aber nicht festgestellt, daß hier ein grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung gegeben sei. Auch dafür ist die Kl. beweispflichtig. Ihren Behauptungen steht das Vorbringen des Bekl. über seine Pflegeleistungen entgegen, die er jedenfalls in der Berufungsinstanz hinreichend substantiiert hat. Dabei ist zu berücksichtigen, daß vertragschließende Verwandte in diesem stark von persönlichen Beziehungen geprägten Bereich den ohnehin nur schätzbaren Wert ihrer Leistungen erfahrungsgemäß kaum je exakt kalkulieren (BGH, NJW-RR 1990, 1283 (1284 unter II 1) = LM § 1374 BGB Nr. 15). ..." (Unterstreichungen diesseits)

Diesen Ausführungen schließt der Senat sich an. Auf ihrer Grundlage kann eine Schenkung der Klägerin nicht festgestellt werden. Die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung, dass die in einem Übergabevertrag dem Übernehmer auferlegte Versorgung des Übergebers in der Regel nicht Gegenleistung, sondern aus dem zugewendeten Vermögen zu leistende Auflage sei (BGH, NJW 1989, 2122, 2123 unter Rückgriff auf BGH, NJW 1952, 50), hat zur Voraussetzung, dass der Übernehmer (hier der Beklagte) in die Existenzgrundlage des Übergebers (damals offenbar ein landwirtschaftliches Anwesen mit Gastwirtschaft) einrückt, aus der dann die Auflage zu erfüllen ist. Von einer solchen Fallgestaltung kann hier nicht die Rede sein. Außerdem werden im Vertrag die vom Beklagten zu erbringenden Leistungen (Wohnungsrecht für die Klägerin als beschränkt persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB; Ziff. IV.1.a. iVm Ziff. VI.1. des Vertrages, Bl. 9, 14 AH; Pflegeverpflichtung; Herauszahlung an den Bruder S.) ausdrücklich als Gegenleistungen bezeichnet, also nicht als bloße Auflage.

Ausgehend von der oben ausführlich zitierten Auffassung des BGH (bestätigt in NJW-RR 1996, 754), ist bei der Auslegung des Vertrages allerdings zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Anschluss an die Feststellung, es handele sich um eine Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, im Vertrag angeordnet hat, die Begünstigten sollten verpflichtet sein, "sich den Wert der ihnen in dieser Urkunde schenkungsweise gemachten Zuwendungen auf ihr ... Erbrecht anrechnen zu lassen." (Ziff. IV.2., Bl. 9 AH; Hervorhebung diesseits). Das widerspricht eindeutig den vorangegangenen Vereinbarungen, wonach der Beklagte die genannten Gegenleistungen zu erbringen hatte. Ein Widerspruch läge allenfalls dann nicht vor, wenn eine gemischte Schenkung gemeint wäre; dazu fehlt aber im Vertrag selbst jeder Ansatz. Bei der zitierten Klausel handelt es sich im übrigen um eine einseitige Anordnung der Klägerin, nicht um eine übereinstimmende Erklärung der Vertragsparteien.

Nach der vom Senat geteilten Auffassung des BGH müsste unter diesen Umständen die Klägerin beweisen, dass entweder die Parteien den Vertrag trotz der vereinbarten Gegenleistungen übereinstimmend als Schenkung betrachtet haben oder dass ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und deshalb eine gemischte Schenkung vorliegt. Diesen Beweis kann die Klägerin nicht führen. Die vom BGH im Hinblick auf eine gemischte Schenkung erörterte tatsächliche Vermutung kommt hier zu ihren Gunsten nicht Betracht, weil schutzwerte Interessen Dritter nicht berührt sind. Zum Wert des übertragenen Grundbesitzes wird in diesem Rechtsstreit nichts gesagt. In dem Verfahren der Klägerin gegen die NRV Neue Rechtsschutzvers.-AG (24 O 222/97 LG Köln) hat die Klägerin den Verkehrswert in der Klageschrift mit 350.000 DM angegeben, in der Berufungsbegründung mit über 500.000 DM. Der Wert der vom Beklagten zu erbringenden Gegenleistungen ist jedenfalls nicht unerheblich. Das Wohnungsrecht haben die Parteien im Vertrag "zu Kostenzwecken" mit 10.800 DM pro Jahr bewertet, also mit 900 DM pro Monat (Bl. 10 AH); für die Kostenberechnung wird der Wert von den Vertragsparteien erfahrungsgemäß eher zu niedrig angesetzt. In dem genannten Vorprozess hat die Klägerin auf dieser Grundlage den Gesamtwert mit rd. 150.000 DM errechnet. Bei der Pflegeverpflichtung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei Vertragsschluss erst 49 Jahre alt war, so dass zu diesem Zeitpunkt - nur darauf kommt es an - eine jahrzehntelange Pflege nicht auszuschließen war. Das ergibt auch dann einen erheblichen Wert, wenn die Klägerin nach Ziff. IV.1.b. des Vertrages Teile der Pflegekosten selbst zu tragen hatte. Sie hat selbst den Fünfjahreswert in dem Rechtsstreit 126 C 9/99 AG Köln mit 120.000 DM angegeben. Wenn sie demgegenüber im Schriftsatz vom 06.12.1999 einwendet, diese Angabe sei "ausschließlich streitwertbezogen" gewesen, so ist darauf hinzuweisen, dass auch solche Angaben darauf beruhen, wie die Partei den Wert des jeweiligen Streitgegenstandes einschätzt. Völlig von der Realität entfernen wird (und darf) sie sich dabei nicht. Die Herauszahlung an den Bruder S. war im Vertrag mit 75.000 DM beziffert, betrug tatsächlich aber nach den eigenen Angaben der Klägerin dem Verfahren 20 O 395/97 LG Köln = 19 U 163/98 OLG Köln 100.000 DM. In der Berufungsbegründung wird dieser Betrag nicht dezidiert bestritten. Berücksichtigt man, "dass vertragschließende Verwandte in diesem stark von persönlichen Beziehungen geprägten Bereich den ohnehin nur schätzbaren Wert ihrer Leistungen erfahrungsgemäß kaum je exakt kalkulieren" (BGH im oben wiedergegebenen Zitat), und dass es für die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung auf die subjektive Wertung der Parteien ankommt (BGH a.a.O.), dann liegen für ein grobes Missverhältnis keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.

Ein Schenkungswiderruf und ein darauf gegründeter Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht.

2. Fehlt es aber an einer Schenkung, dann kommt nicht mehr darauf an, ob dem Beklagten grober Undank im Sinne von § 530 I BGB vorgeworfen werden kann. Deshalb bedarf es hierzu keiner ins Einzelne gehenden Ausführungen. Nur Folgendes sei angemerkt: Soweit das Landgericht das erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin hierzu als nicht ausreichend bewertet hat, wendet sich die Berufungsbegründung dagegen nur pauschal. Das überzeugt nicht, umso weniger wenn man berücksichtigt, dass der Senat schon in dem Urteil im Vorprozess 20 O 395/97 LG Köln = 19 U 163/98 OLG Köln hervorgehoben hat, nach dem persönlichen Auftreten beider Parteien in der mündlichen Verhandlung bestehe nicht der Eindruck, dass die möglicherweise eingetretene Zerrüttung des verwandtschaftlichen Verhältnisses, die auch in mehreren Rechtsstreiten ihren Ausdruck findet, einseitig auf den Beklagten zurückzuführen ist, sondern dass beide Parteien dazu beitragen. Verfehlungen des Schenkers seinerseits gegenüber dem Beschenkten können aber groben Undank ausschließen (Palandt/Putzo, BGB 59. Aufl., § 530 Rn. 8). Bei alledem liegt es nicht fern, dass die Klägerin alle Mittel einsetzt, um das dem Beklagten übertragene Grundstück zurück zu erlangen, nachdem sie nicht mehr befürchten muss, von Gläubigern ihrer in Konkurs gegangenen GmbH in Anspruch genommen zu werden.

Die angeblichen neuen Vorfälle, die teilweise noch Gegenstand gesonderter Prozesse sind, können auf sich beruhen.

3. Schließlich kann die Klägerin nicht unter Berufung auf das Wohnungsrecht "an dem gesamten Zweifamilienhaus" vom Vertrag zurücktreten, weil der Beklagte seine Wohnung im ersten Obergeschoss nebst Speicher nicht gemäß Schreiben der Klägerin vom 23.11.1998 geräumt habe. Das Landgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die der Klägerin eingeräumte Dienstbarkeit nach § 1090 BGB den Eigentümer nicht von der Nutzung ausschließe. Außerdem wohnte der Beklagte mit seiner Familie zur Zeit des Vertragsschlusses schon in dieser Wohnung, und es ist nicht ersichtlich, dass sich daran durch den Vertragsschluss etwas ändern sollte, ebenso wenig wie für die Wohnung der Mutter der Klägerin im Erdgeschoss. Soweit die Klägerin die Inanspruchnahme eines restlichen Speicherraumes im Jahre 1997 nach dem nicht beanstandeten Ausbau 1994/95 beanstandet, ist darauf zu verweisen, dass sie bereits am 19.12.1994, als auch der erste Ausbau noch im Gange war, der Ehefrau des Beklagten in dem "Übereinkommensvertrag" für den Fall des vorzeitigen Todes des Beklagten u.a. "in dem selbst ausgebauten kompletten Dachgeschoß" ein Wohnrecht auf Lebenszeit gewährte. Da das Dachgeschoss damals noch nicht komplett ausgebaut war, kann damit nur der noch folgende weitere Ausbau gemeint gewesen sein.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Das Urteil ist nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer der Klägerin: 600.000 DM

Ende der Entscheidung

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