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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 31.03.2000
Aktenzeichen: 19 U 128/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 894
BGB § 1901 Abs. 2
BGB § 1908 i
BGB § 1822
BGB § 1902 n.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 128/99 20 O 623/98 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 31.03.2000

Verkündet am 31.03.2000

Schmitt, J.S.z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 10.03.2000 durch Richter am Oberlandesgericht Pütz, Richterin am Oberlandesgericht Caliebe und Richterin am Amtsgericht Wester

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.06.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 20 O 623/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist seit 01.06.1995 Testamentsvollstrecker über den Nachlass der am 09.08.1994 verstorbenen C.J..

Zum Nachlass gehört das bebaute Grundstück in K.-E., L.er Straße , S.straße , Grundbuch von E., Blatt 0071, Flurstück 566, 567, lfd. Nr. 1 + 2. Es ist mit einer zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld in Höhe von 300.000,-- DM belastet.

Zu dieser Eintragung kam es wie folgt:

Am 15.05.1975 hatte die verstorbene C.J. ihrer Enkeltochter H.M. eine notarielle Vollmacht für ihren Grundbesitz in K.-P., L.er Straße , Flur T, Flurstücke Nr. 567 und 566 erteilt. Darin heißt es wörtlich:

"Ich erteile hiermit für mich und meine Erben Frau H.M. geborene J., Bankangestellte, wohnhaft in E.-B., S.weg 2,

VOLLMACHT,

mich in allen diesen Grundbesitz betreffenden Angelegenheiten, insbesondere was die Verwaltung dieses Grundbesitzes anbetrifft, in jeder Weise gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten."

Am 26.10.1984 wurde für C.J. eine Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet, die mit Wirkung vom 01.01.1992 in eine Betreuung überging. Als Pflegerin bzw. Betreuerin war wiederum H.M. bestellt.

Am 29.04.1992 bewilligte und beantragte H.M. - handelnd für sich und als Bevollmächtigte ihrer Großmutter C.J. - die Eintragung einer Grundschuld auf dem o.g. Grundstück in Höhe von 300.000,-- DM zu Gunsten der Beklagten.

Damit sollte ein Darlehen der Eheleute H.-J. M. und H. geborene J. gesichert werden.

Dem Antrag war die am 15.05.1975 erteilte, nicht widerrufene Vollmacht in beglaubigter Abschrift beigefügt.

Die Eintragung erfolgte am 03.06.1992.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung dieser Grundschuld.

Er hat die Auffassung vertreten, das Grundbuch sei unrichtig. Die Bestellung der Grundschuld durch H.M. sei durch die Vollmacht aus dem Jahre 1975 nicht gedeckt gewesen.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von E., Blatt 0071, Gemarkung F, Flur 14, Flurstück 566, 567 zu Gunsten der Beklagten in der III. Abteilung eingetragenen Grundschuld über 300.000,-- DM zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, H.M. sei aufgrund der Vollmacht auch zum Verkauf oder der Belastung des Grundstücks berechtigt gewesen. Das zeige bereits die in notarieller Form vorgenommene Vollmachtserteilung.

Durch Urteil vom 23.06.1999, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt und dies damit begründet, dass Frau H.M. bei der Grundschuldbestellung als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt habe.

Gegen das ihr am 05.07.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 04.08.1999 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Fristverlängerung bis zum 04.10.1999 mit einem am selben Tage bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Sie hat zudem Herrn Notar W. den Streit verkündet.

In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen beide Parteien ihren Vortrag zum Umfang der Vollmacht und zur Wirksamkeit der Grundschuldbestellung.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des am 23.06.1999 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Aktenzeichen: 20 O 623/98, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen eingereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Grundbuch ist unrichtig, da die Grundschuld nicht wirksam bestellt worden ist. Dem Kläger steht daher gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 894 BGB auf Einwilligung in die Löschung der Grundschuld zu.

I.

Aufgrund der am 15.05.1975 erteilten Vollmacht (Bl. 21 AH) war Frau H.M. nicht berechtigt, das Grundstück mit einer Grundschuld zu belasten, die der Absicherung eines ihr und ihrem Ehemann durch die Beklagten gewährten Darlehens diente.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Vollmacht vom 15.05.1975 um eine Außenvollmacht (§ 172 BGB) handelt, die von ihrem Wortlaut her nicht eindeutig ist. Der Umfang der Vollmacht ist daher durch Auslegung zu ermitteln, wobei es - wie hier - im Fall der Außenvollmacht auf die Verständnismöglichkeiten des Geschäftsgegners, hier also der Beklagten, ankommt (BGH NJW 1991, 3141; NJW 1983, 1906). Die Auslegung richtet sich danach, wie der Geschäftsgegner die Vollmacht nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB). Der Empfänger/Geschäftsgegner darf sich daher nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn aussuchen. Er ist verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Vollmachtgeber gemeint hat. Hierbei muss er den Wortlaut der Erklärung, die Begleitumstände und die Entstehungsgeschichte (soweit bekannt), den Zweck und vor allem die Interessenlage berücksichtigen. Bei Zweifeln über den Umfang der Vollmacht ist der geringere Umfang anzunehmen (OlG Frankfurt NJW-RR 1987, 482 m.w.N.).

Ausgehend hiervon durfte die Beklagte nach Treu und Glauben und bei verständiger Würdigung der Vollmacht diese nicht so verstehen, dass von dieser auch Grundstücksbelastungen im alleinigen Interesse der Bevollmächtigten gedeckt waren.

Anders wäre dies möglicherweise zu beurteilen, wenn die Vollmacht nur den Satz enthielte "mich... in allen diesen Grundbesitz betreffenden Angelegenheiten... zu vertreten". Hier enthält die Vollmacht jedoch den Einschub "insbesondere was die Verwaltung des Grundbesitzes anbetrifft". Im Zusammenhang mit dem Einleitungssatz "in diesen Grundbesitz betreffenden Angelegenheiten" ergibt sich bei verständiger, interessengerechter Auslegung - auch - aus der Sicht der Beklagten, dass von der Vollmacht alle, aber zugleich auch nur solche Angelegenheiten umfasst waren, die entweder die Verwaltung selbst bzw. mit dieser im Zusammenhang stehende, oder "unterhalb" von Verwaltungsmaßnahmen angesiedelte Grundstücksangelegenheiten betrafen, nicht aber Geschäfte, die außerhalb der Verwaltung lagen und von daher nicht dem Grundstück im Sinne einer dieses "betreffenden" Angelegenheit dienten bzw. ihren Grund nicht im Grundstück selbst hatten. Umfasst war von der Vollmacht daher bei interessengerechter Auslegung - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch eine Belastung des Grundstücks, allerdings nur eine solche, die für die ordnungsgemäße Verwaltung des Grundbesitzes erforderlich war, also z.B. die Bestellung eines Grundpfandrechtes zur Absicherung eines Darlehen, welches aufgenommen wurde, um notwendige Renovierungsarbeiten auf dem Grundstück durchzuführen. Vor diesem Hintergrund ist dann auch erklärlich, dass die Vollmacht in notarieller Form erteilt worden ist, was lediglich zwingend für derartige Geschäfte erforderlich war. Denn im übrigen ist die Erteilung einer Vollmacht an keine Form gebunden.

Angesichts der Tatsache, dass die Bestellung einer Grundschuld zur Absicherung eines dritten Personen bewilligten Geschäftsdarlehens weder der Verwaltung des Grundbesitzes diente, noch ihren Grund in dem Grundstück selber hatte, hätte die Beklagte unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Interessenlage bei verständiger Würdigung die Vollmacht so verstehen müssen, dass von ihr die Bestellung der hier streitigen Grundschuld nicht gedeckt war, Frau H.M. mithin als Vertreterin ohne Vertretungsmacht handelte.

Da daher sowohl die Einigung als auch die Eintragung (nunmehr entgültig) unwirksam sind, ist das Grundbuch unrichtig und der Kläger hat gegen die Beklagte den Anspruch aus § 894 BGB.

II.

Die Grundschuldbestellung ist aber noch aus einem anderen Grund unwirksam. Hier war nämlich für die Grundstückseigentümerin und Vollmachtgeberin im Jahre 1984 die Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet worden u.a. mit dem Wirkungskreis der Vermögensbetreuung, und bei dieser Anordnung war aufgrund der geistigen Situation der Grundstückseigentümerin von ihrer Anhörung gemäß § 1901 Abs. 2 BGB a.F. abgesehen worden. Hieraus folgt, dass die Grundstückseigentümerin im Zeitpunkt der Anordnung der Gebrechlichkeitspflegschaft geschäftsunfähig war, denn nur so konnte die Pflegschaft ohne ihre Anhörung/Einwilligung angeordnet werden. Diese Gebrechlichkeitspflegschaft, bei der die Vollmachtsinhaberin Frau M. zur Pflegerin bestellt worden war, wurde mit Inkrafttreten des Betreuungsrechts übergeführt in eine Betreuung u.a. mit dem Wirkungskreis Vermögenssorge (§ 1896 BGB). Es trifft zwar zu, dass eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht im allgemeinen nicht dadurch erlischt, dass der Vollmachtgeber nach ihrer Erteilung geschäftsunfähig wird. Flume (Das Rechtsgeschäft II § 51, 6 m.w.N.) vertritt jedoch mit überzeugenden Argumenten für den Fall, dass der Vollmachtgeber geschäftsunfähig geworden ist, die Ansicht, dass von diesem Zeitpunkt an die für den gesetzlichen Vertreter geltenden Handlungsbeschränkungen auch für den rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten gelten müssen. In ihrer Eigenschaft als Betreuerin hätte Frau M. für die Belastung des Grundstücks mit einer Grundschuld gemäß § 1821 in Verbindung mit § 1908 i BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft, mit der Folge, dass die Grundschuldsbestellung unwirksam ist, da die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht nachgeholt worden ist und auch nicht mehr nachgeholt werden kann. Zwar wird gegen die von Flume vertretene Ansicht eingewandt, Gefährdungen für den Vollmachtsgeber müsse durch Bestellung eines Vollmachtsbetreuers, notfalls durch Kündigung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses oder durch Widerruf der Vollmacht begegnet werden (siehe z.B. MüKo/Schwab, BGB, 3. Aufl. § 1896 Rnr. 152). Dies mag nach Ansicht des Senats ein zulässiger Einwand sein entweder für den Fall der Vorsorgevollmacht oder für den Fall, dass der gesetzliche Vertreter personenverschieden ist von der Person des Gebrechlichkeitspflegers/Betreuers. Gerade aber für den Fall des Zusammenfallens dieser beiden Funktionen ist der Ansicht von Flume uneingeschränkt zu folgen. In diesem Fall ist nämlich nicht damit zu rechnen, und dies zeigt auch gerade der hier vorliegende Fall, dass den Interessen des mittlerweile geschäftsunfähigen Vollmachtgebers, der wegen seiner Geschäftsunfähigkeit selbst seinen gesetzlichen Vertreter nicht mehr beaufsichtigen und auch die Vollmacht nicht mehr widerrufen kann, nur durch die Annahme einer Beschränkung auch der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht auf den Umfang der Betreuervollmacht ausreichend Rechnung getragen werden kann. Denn gerade bei Personenidentität fehlt es an der im übrigen bestehenden Möglichkeit der Überwachung, und im Zweifel ist auch, wie der vorliegende Fall zeigt, im Falle der Personenidentität keinerlei Interesse vorhanden, zum Schutz des Geschäftsunfähigen die rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht zu widerrufen. Wegen der somit anzunehmenden Beschränkung der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht auf den Umfang der Betreuervollmacht der Frau H.M. ist auch aus diesem Grund die Grundschuldbestellung mangels Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unwirksam.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Rechtsfolgen bei einer von den rechtlichen Wirkungen/Folgen her vergleichbaren Problematik im heutigen Betreuungsrecht, im Falle der nach Einrichtung der Betreuung durch den geschäftsfähigen Betreuten erteilten rechtsgeschäftlichen Vollmacht. Wegen der auch hier bestehenden Gefährdung der Vermögensinteressen des Betreuten durch den bevollmächtigten Betreuer vertreten Palandt/Diederichsen (BGB, 59. Aufl., § 1902 Rn. 2) und Erman/Holzhauer (BGB, 9. Aufl., § 1902 Rn. 13) die Ansicht (ähnlich Seitz in Anmerkung zu OLG Frankfurt BtE 1996/97 Seite 72 f.), der der Senat sich anschließt, der Betreute könne den Betreuer nicht dahingehend bevollmächtigen, Geschäfte nach den §§ 1821, 1822 BGB, soweit diese - wie hier - in seinen Aufgabenkreis fallen, ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vorzunehmen (offengelassen von OLG Frankfurt FamRZ 1997, 1424). In der amtlichen Begründung zu § 1902 BGB n.F. wird eine solche "Freistellung von zwingenden gesetzlichen Vorschriften" als mit der Rechtsstellung eines Betreuers, bei dem die vormundschaftsgerichtliche Aufsicht das Wohl des Betreuten sichern soll, schlechthin unvereinbar bezeichnet (BT-Drucks. 11/428, Seite 135 f.). Dieser rechtspolitischen Vorstellung ist von keiner Seite widersprochen worden. Der überwiegenden (wohl herrschenden) Gegenansicht (hier die Nachweise bei OLG Frankfurt a.a.O.), die diese Einschränkung der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung mit der Begründung ablehnt, das nur in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Ziel sei in § 1902 BGB n.F. nicht hinreichend deutlich umgesetzt worden und sei im übrigen widersprüchlich, weil die Fälle des bevollmächtigten Dritten und des bevollmächtigten Betreuers unterschiedlich behandelt würden, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vor allem das letztere Argument überzeugt nicht vor dem Hintergrund des Schutzes der Vermögensinteressen des Betreuten. Im Falle der Bevollmächtigung eines Dritten kann den damit für das Vermögen des Betreuten verbundenen Gefahren mit der Bestellung eines Vollmachtsbetreuers etwa durch Erweiterung des Umfangs der bereits bestehenden Betreuung begegnet werden. Die Gefahr, dass der bevollmächtigte Betreuer hieran kein Interesse hat und derartiges daher nicht anregen wird, liegt auf der Hand.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die Beklagte: 300.000,-- DM.

Ende der Entscheidung

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