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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.08.2000
Aktenzeichen: 19 U 14/00
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
19 U 14/00 21 O 543/98 LG Köln
Anlage zum Protokoll vom 11. August 2000
Verkündet am 11. August 2000
Schmitt, JS. z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, die Richterin am Oberlandesgericht Göhler-Schlicht und den Richter am Oberlandesgericht Gedig
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11. November 1999 - 21 O 543/98 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.
Die Klägerin kann von dem Beklagten keinen Ersatz der Kosten verlangen, die ihr deshalb entstanden sind, weil der Beklagte den Zeugen R. am 16.12.1995 mit zwei Faustschlägen niedergeschlagen hat. Denn der Beklagte handelte entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht widerrechtlich, weil seine Handlung durch Notwehr (§ 227 BGB) geboten war.
Notwehr ist diejenige Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (§ 227 Abs. 2 BGB, § 32 Abs. 2 StGB). Dabei ist unter Angriff die von einem Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen zu verstehen, ein Verschulden des Angreifenden ist nicht erforderlich. Gegenwärtig ist der Angriff schon vor seinem Beginn, sofern er unmittelbar bevorsteht, es genügt ein Verhalten, das unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 227 Rn 2 ff. m.w.N.). Eine derartiger, gegenwärtiger Angriff lag am 16.12.1995 vor, als der Beklagte den Zeugen R. niederschlug. Der Zeuge R. hatte bereits seit ca. zwei Stunden in alkoholisiertem Zustand am Jugendzentrum randaliert und - in Kenntnis des gegen ihn bestehenden Hausverbots - in aggressiver Weise Einlass begehrt, wobei er u.a. gegen die Tür getreten und dem Zeugen S. einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hat. R. hat bei seiner polizeilichen Vernehmung selbst bekundet, er lebe "schon lange im Streit mit denen und habe grundsätzlich dort Hausverbot". Nach der letztlich unbestritten gebliebenen Behauptung des Beklagten handelt es sich bei R. um einen stadtbekannten Schläger - mindestens 1,85 m groß und von breiter Statur -, der häufig durch seine verbalen und tätlichen Angriffe aufgefallen ist und auch schon unzählige Male versucht hat, in das Jugendzentrum zu gelangen und dort randaliert hat. Auch das Erscheinen R. am 16.12.1995 hatte nur den Sinn, zu provozieren und Streit zu suchen, weil er das seit Jahren gegen ihn bestehende Hausverbot kannte und daher wusste, dass ihm kein Einlass gewährt würde. Gleichwohl ist er zusammen mit Trinkgenossen zum Jugendzentrum gezogen und hat dort immer wieder und uneinsichtig Einlass begehrt, Konzertbesucher angepöbelt und beschimpft, gegen die Tür getreten und dem Zeugen S., der ihn von dort vertreiben wollte, einen Faustschlag in Gesicht versetzt. Auch hat sich der Zeuge R. nicht davon beeindrucken lassen, dass der Beklagte und zwei weitere Helfer ihn vom Gebäude weggezogen hatten; er kehrte zurück, beschimpfte alle drei und machte Anstalten, erneut in drohender Haltung gegen sie vorzugehen. Damit stand ein gegenwärtiger und rechtswidriger Angriff durch R. bevor, der jederzeit in eine Verletzung des Beklagten umschlagen konnte, wie R. bereits an dem Zeugen S. demonstriert hatte. Hiergegen durfte der Beklagte die erforderliche Verteidigung ergreifen; er durfte dazu zwar nur das am wenigsten schädliche oder gefährliche Mittel zur Abwehr einsetzen, brauchte sich aber nicht auf das Risiko einer ungenügenden Abwehrhandlung einzulassen (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rn 6 f. mit Rechtsprechungsnachweisen). Dabei hat das Merkmal der "mildesten Verteidigung" allein in den Fällen Bedeutung, wo dem Verteidiger mehrere geeignete Abwehrmaßnahmen zur Verfügung stehen, gibt es lediglich eine taugliche Abwehr, so ist diese "automatisch" erforderlich, weitgehend unabhängig davon, wie groß der Schaden ist, der durch sie angerichtet zu werden droht (vgl. Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, 10. Aufl., § 17 Rn 25). So lag es hier. Denn gegenüber der körperlichen Attacke R. gab es für den Beklagten letztlich nur eine taugliche Abwehr, nämlich den Einsatz körperlicher Gewalt in Form eines oder mehrerer Faustschläge, der R. beeindruckte und seine Angriffsbereitschaft endgültig beendete. Dass R. angetrunken war, steht dem nicht entgegen; sein Blutalkohol betrug zwar 1,8 0/00, R. war aber alkoholgewöhnt und hat seinen Zustand selbst nur als "mittelmäßig angetrunken" bezeichnet; er war zu körperlichen Attacken weiterhin in der Lage.
Dem Beklagten konnte auch nicht angesonnen werden, zusammen mit den anderen beiden Helfern erneut den Versuch zu starten, R. abzudrängen oder festzuhalten, bis polizeiliche Hilfe eintraf, wie das Landgericht gemeint hat. Zum einen hatte das Abdrängen keinerlei Wirkung auf R., wie auch das Eintreffen polizeilicher Hilfe eher theoretischen Charakter hatte, wie der Beklagte an Hand vorangegangener Vorfälle dargelegt hat. Zum anderen handelte sich bei dem Beklagten und den Zeugen M. und K. um keinen professionellen Ordnungsdienst, der in dergleichen Aktionen erfahren war, sondern um ehrenamtliche Helfer im Jugendzentrum, die unter anderem den Einlass kontrollierten; alle liefen Gefahr, sich bei einer solchen Aktion Faustschlägen R. ausgesetzt zu sehen und verletzt zu werden. Dieses Risiko brauchten sie nicht in Kauf zu nehmen. Schließlich brauchte sich der Beklagte auch nicht vor dem Angriff R. zurückzuziehen oder ihm auszuweichen, da dies kein Mittel zur Beendigung des Angriffs gewesen wäre, sondern eine Kapitulation vor dem Angreifer (vgl. Baumann/Weber/Mitsch, a.a.O., Rn 24).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Beschwer für die Beklagte und Berufungsstreitwert: 21.703,95 DM
Ende der Entscheidung
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