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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 19 U 142/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
BGB § 276
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.06.2006 verkündete Urteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln (30 0 387/05) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten, die in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Rechtsanwaltskanzlei betreiben, aus dem Gesichtspunkt des Anwaltsverschuldens auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagte zu 1.) hatte in den Jahren 2001 und 2002 in einem Rechtsstreit vor dem hiesigen 24. Zivilsenat (24 U 168/01) Herrn H I aus B als Beklagten gegen Herrn C S vertreten. In jenem Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2002 ein Vergleich geschlossen. Der jetzige Kläger, der als Zeuge geladen war, trat dem Rechtsstreit zum Zwecke des Abschlusses des Vergleichs bei. Der Beklagte zu 1.) übernahm insoweit die anwaltliche Vertretung. Der Vergleich hatte eine Ratenzahlungsverpflichtung des jetzigen Klägers gegenüber dem Gläubiger S zum Gegenstand.

Durch das Büro der Beklagten wurden in der Folgezeit die Ratenzahlungen des Klägers gegenüber Herrn S abgewickelt. Die letzte Rate in Höhe von 4.000 € ist indes nicht zu dem im Vergleich festgelegten Zeitpunkt gezahlt worden, so dass der Kläger eines Teilerlasses der Forderung in Höhe von 5.000 € verlustig gegangen ist. Eine von ihm gegen den Gläubiger S erhobene Vollstreckungsgegenklage vor dem Landgericht Aachen (42 O 8/03), bei der dem hiesigen Beklagten zu 1.) der Streit verkündet worden ist, ist ohne Erfolg geblieben.

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis zustande gekommen ist, aufgrund dessen die Beklagten verpflichtet waren, die nach dem Vergleich vom 23.05.2002 zu zahlenden Raten fristgemäß an den Gläubiger S weiterzuleiten. Der Kläger hat in erster Instanz als Schaden den verfehlten Erlassbetrag in Höhe von 5.000 € sowie die ihm im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage unstreitig in Höhe von 2.527,56 € entstandenen Kosten geltend gemacht.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 22.06.2006, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.000 € nebst Zinsen verurteilt. In Höhe von 2.527,56 € hat die Kammer die Klage abgewiesen, weil die Kosten der Vollstreckungsgegenklage bei Einhaltung der Schadensminderungspflicht des Klägers hätten vermieden werden können.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage insgesamt begehren. Sie sind der Auffassung, dass zwischen dem Kläger und ihnen weder bei Gelegenheit des Abschlusses des Vergleichs im Verhandlungstermin vom 23.05.2002 noch im Nachhinein ein wirksames Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis zustande gekommen sei. Der Kläger habe die Ratenbeträge jeweils unaufgefordert überwiesen; es habe sich bei der Weiterleitung der Gelder an den Gläubiger S daher lediglich um eine Gefälligkeit gehandelt, die keine Haftungsfolgen auslösen könne. Hilfsweise berufen sich die Beklagten auf die Einrede der Verjährung.

Sie beantragen,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 22.06.2006 (30 O 387/05) teilweise abzuändern und die Klage insgesamt kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie haften dem Kläger gemäß §§ 421, 280 Abs. 1, 276 BGB in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe auf Schadensersatz. Der Senat tritt der Auffassung des Landgerichts bei, dass zwischen den Parteien konkludent ein Treuhandverhältnis zustande gekommen ist, welches die Beklagten verpflichtete, die nach dem Prozessvergleich vom 23.05.2002 vom (jetzigen) Kläger zu zahlenden Raten rechtzeitig an den Gläubiger S weiter zu leiten. Diese Pflicht haben die Mitarbeiter der Beklagten schuldhaft verletzt, indem sie die letzte Rate in Höhe von 4.000 € nicht wie im Vergleich vorgesehen zum 15.10.2002 gezahlt, sondern diese Zahlung erst am 16.10.2002 mit Wirkung zum 17.10.2002 vorgenommen haben.

A)

Die gegen die Gründe der angefochtenen Entscheidung erhobenen Einwendungen rechtfertigen eine andere Beurteilung nicht.

1.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Überweisung von 2.741,20 € auf das Anderkonto der Beklagten ein an die Sozietät gerichtetes Angebot des Klägers auf Abschluss eines Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses zu entnehmen, welches die Beklagten angenommen haben. Dies folgt aus einer sach- und interessengerechten Bewertung der Gesamtumstände unter angemessener Berücksichtigung des Empfängerhorizonts des Klägers. Die Beklagten, die in verkürzender Sicht allein auf die Zahlungsvorgänge abstellen, lassen außer Acht, dass der Beklagte zu 1.) als Mitglied der Sozietät für den (jetzigen) Kläger im Rahmen des Abschlusses des Prozessvergleichs vor dem hiesigen 24. Zivilsenat als Bevollmächtigter - und zwar entgeltlich - tätig geworden war. Er war mit der Angelegenheit daher persönlich vertraut. Im Anschluss an den Verhandlungstermin war zudem die Frage der Abwicklung der Zahlungen zwischen den Beteiligten erörtert worden. Dass nicht schon bei dieser Gelegenheit ein entsprechendes Treuhandverhältnis zustande gekommen ist, dürfte zwar dem Schreiben der Beklagten vom 28.05.2002 zu entnehmen sein, in dem sie dem (jetzigen) Kläger lediglich die Bankverbindung des Gläubigers S mitgeteilt haben. Der Kläger hat sodann aber zeitnah den o.g. Betrag überwiesen. Die Summe konnte zwar dem Vorgang zunächst nicht zugeordnet werden. Was es mit der Zahlung auf sich hatte, ist jedoch in einem Telefonat der Mitarbeiterin B der Beklagten mit dem Kläger geklärt worden. Im Anschluss daran hat der Beklagte zu 1.) seinem ursprünglichen Mandanten I und dem Kläger unter dem Briefkopf der Beklagten am 02.07.2002 Folgendes mitgeteilt:

"Sie, sehr geehrter Herr X, haben hier einen Geldbetrag zur Weiterleitung eingezahlt. Bei Ihnen, sehr geehrter Herr I, gehe ich davon aus, dass Sie die Zahlung mittelbar selbst vorgenommen haben, da innerhalb der Zahlungsfrist hier keinerlei Zahlung eingegangen ist".

Angesichts der vorangegangenen Zahlung, der Abklärung der Zweckbestimmung und der Weiterleitung an den Gläubiger S konnte der Kläger diese Mitteilung nach Treu und Glauben nur so verstehen, dass auch die weitere Abwicklung des Vergleichs durch das Büro der Beklagten erfolgen würde, während dies für den früheren Beklagten I nicht der Fall sein sollte. Dementsprechend ist in der Folge auch verfahren worden, indem nämlich alle weiteren Ratenzahlungen weitergeleitet worden sind.

Das Treuhandverhältnis ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch mit allen Mitgliedern der Sozietät zustande gekommen. Soweit sie im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen haben, es habe sich vorliegend - wenn überhaupt - um ein Einzelmandat des Beklagten zu 1) gehandelt, greift dieser Einwand nicht. Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass derjenige, der einen einer Anwaltssozietät angehörenden Rechtsanwalt beauftragt, im Zweifel mit allen der Sozietät angehörenden Mitgliedern einen Anwaltsvertrag abschließt (BGH NJW 1999, 3040, 3041; OLG Celle BeckRS 2006 Nr. 08406). Nur ausnahmsweise kann die Annahme eines Einzelmandats nahe liegen, nämlich dann, wenn der Anwalt mit einer Tätigkeit betraut wird, die an sich außerhalb der eigentlichen Aufgaben des Rechtsanwalts liegt (BGH a.a.O., S. 3041). Ein solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Es ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte mit der herrschenden Auffassung davon auszugehen, dass der Kläger mit der Übertragung des Mandats anlässlich des Vergleichsschlusses die Beklagten als Sozietät beauftragte. Warum dies hier anders zu beurteilen sein soll, haben die Beklagten jedenfalls nicht dargelegt. Die anschließende Beauftragung mit der finanziellen Abwicklung des Vergleichs stand mit dem Mandat in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang. Sie stellt damit hinsichtlich der rechtlichen Würdigung keinen von der vorherigen Rechtsberatung und -vertretung zu trennenden Vorgang dar. Die von den Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (a.a.O), bei der es fernab von jeglicher rechtlich beratender Tätigkeit um die Vermittlung eines Kreditverhältnisses durch ein Scheinmitglied einer Anwaltssozietät und in diesem Zusammenhang entwickelter erheblicher Kriminalität ging, hat mit dem hier zu beurteilenden Vorgang ersichtlich nichts gemein.

2.

Auch der Einwand der Beklagten, der Prozessvergleich habe keine Sanktion für den Fall der verspäteten Zahlung der Raten enthalten, es hätte daher bezüglich der Überweisung der letzten Rate eine eigenständige Verpflichtung der Beklagten zur Weiterleitung geschaffen werden müssen, geht fehl. Zutreffend ist zwar, dass Ziffer 4. des Vergleichstextes keine Zinsverpflichtungen des Klägers für den Fall verspäteter Zahlungen vorsah. Das nimmt der nach dem Vergleich zu leistenden letzten Rate jedoch keineswegs die entscheidende Bedeutung im Hinblick auf den vorgesehenen Erlass einer Teilsumme von 5.000 €. Wenn die Beklagten die Übermittlung der Zahlungen übernommen hatten, so kann die daraus resultierende Verpflichtung nur einheitlich betrachtet und nicht in einen "Gefälligkeits-" und einen "Verbindlichkeitsteil" aufgeteilt werden. Der Senat vermag insoweit nicht die im Verhandlungstermin deutlich gewordene Auffassung der Beklagten zu teilen, sie seien aus reiner Gefälligkeit für den Kläger tätig geworden. Daher sei ihre Inanspruchnahme nicht nur ungerechtfertigt, sondern darüber hinaus auch unbillig. Die treuhänderische Abwicklung von Zahlungsangelegenheiten gehört, wie bereits ausgeführt, zu den anwaltstypischen Tätigkeiten. Das ist den Beklagten bekannt. Wenn sie sich der vertraglichen Bindung und eventuellen Haftung entziehen wollten, hätten sie bei der nächstfolgenden Überweisung des Klägers auf diesen Umstand hinweisen und eine Weiterleitung ablehnen müssen, was ihnen auch ohne weiteres zumutbar gewesen wäre. Da dies nicht erfolgt ist, müssen sich die Beklagten vorhalten lassen, dass sie sich mit der Ablehnung jeglicher Verantwortlichkeit in Widerspruch zu ihrem vorangegangenen Verhalten setzen, wie es aus objektiver Sicht zu verstehen war.

3.

Anhaltspunkte für ein eventuelles Mitverschulden des Klägers im Hinblick auf die verspätete Übermittlung der letzten Rate sind schließlich ebenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger hatte - wie zuvor auch - so zeitig auf das Anderkonto der Beklagten gezahlt, dass eine fristgerechte Weiterleitung ohne weiteres möglich gewesen wäre. Oblag den Beklagten aber die vertragliche Verpflichtung zur Abwicklung, so trifft auch sie allein die Verantwortlichkeit im Hinblick auf die verspätete Zahlung.

4.

Das Landgericht hat ferner die Einrede der Verjährung zu Recht als unbegründet angesehen. Die verjährungsunterbrechende Wirkung der Streitverkündung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO im Verfahren 42 O 8/03 LG Köln vom 26.06.2003 wird mit der Berufung nicht in Frage gestellt. Die Streitverkündung bezog sich zwar nur auf die Person des Beklagten zu 1.) und konnte daher bezüglich der weiteren Mitglieder der Sozietät wegen § 425 Abs. 1 BGB keine Wirkung entfalten. Bezüglich der übrigen Beklagten hat das Landgericht aber zu Recht eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB angenommen. Die Parteien befanden sich aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 14.11.2002 in Verhandlungen über den Anspruch. Der Begriff der Verhandlung ist nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung weit auszulegen (vgl. BGH NJW 1983, 2075). Es genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch und seine Grundlagen, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlung abgelehnt wird. Diese Anforderungen erfüllt das genannte Schreiben, denn es enthält neben einer Darstellung der Dinge aus der Sicht der Beklagten im letzten Absatz einen Vorschlag hinsichtlich einer gütlichen Beilegung der Angelegenheit. Die Beklagten haben dem Kläger angeboten, ggfs. auf ihre Ansprüche auf die Zahlung des ihnen aufgrund der Prozessvertretung vor dem OLG Köln zustehenden Honorars in Höhe zu verzichten. Damit ist die von den Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart (VersR 1971, 1178) nicht einschlägig, bei der es allein um die formularmäßige Bestätigung des Eingangs einer Regressforderung durch den Haftpflichtversicherer ging.

5.

Eine Berichtigung des Rubrums, wie von den Beklagten angeregt, ist nicht veranlasst. Zwar ist der Beklagte zu 7.), wie unwidersprochen geblieben ist, nicht mehr Mitglied der GbR der Beklagten. Damit ist er aber weder aus dem Prozessrechtsverhältnis noch aus der Haftungsverpflichtung ausgeschieden. Soweit ein Gesellschafter für im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsverhältnis stehende Verbindlichkeiten im Außenverhältnis persönlich haftet, besteht diese Haftung auch nach seinem Ausscheiden fort (vgl. Palandt-Sprau, § 736, Rn. 10).

B)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Beklagten: 5.000 €

Ende der Entscheidung

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