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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 01.09.2000
Aktenzeichen: 19 U 147/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 566
BGB § 125
BGB § 571
BGB § 566 S. 2
BGB § 285
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 147/99 21 O 221/98 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 1. September 2000

Verkündet am 1. September 2000

Schmitt, JS z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht J., den Richter am Oberlandesgericht Gedig und die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 29. Juli 1999 - 21 O 221/98 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

I. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger wegen verspäteter Rückgabe der Mietsache zum Schadensersatz verpflichtet ist und falls ja, in welcher Höhe. Der Kläger beziffert seinen Schaden in der zweiten Instanz auf 43.380,-- DM.

Der Beklagte hatte vor etwa 27 Jahren von den Eltern des Klägers eine Scheune, in der er eine Schlosserei betrieb, und eine Garage gemietet. Ein schriftlicher Mietvertrag existiert nicht. Der Kläger hat 1993 das gesamte Anwesen übernommen und gegenüber dem Beklagten das Mietverhältnis unter dem 22.12.1995 zum 30.6.1996 gekündigt. Der Beklagte hat daraufhin u.a. behauptet, der Kläger habe ihm zugesichert, während der Dauer seiner Betriebsinhaberschaft nicht zu kündigen. Das AG Wipperfürth hat die Kündigung gleichwohl für wirksam erachtet und den Beklagten durch Urteil vom 18.3.1997 - 1 C 282/96 -zur Räumung verurteilt, der Beklagte hat das Mietobjekt Ende Juni 1997 geräumt.

Der Beklagte behauptet weiterhin, der Kläger habe ihm nach Übernahme des Objekts auf Befragen erklärt, er könne, solange er selber arbeite und noch nicht in Rente sei, in dem Objekt bleiben; er habe dies kurze Zeit später im Beisein des Zeugen J. noch einmal bestätigt. Auch gegenüber dem Zeugen Sch. habe der Kläger erklärt, der Beklagte könne in dem Mietobjekt bleiben, solange er die Schlosserei betreibe (Bl. 124, 125 d.A.). Der Kläger bestreitet, derartige Äußerungen abgegeben zu haben.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Amtsgerichts, die behauptete Vereinbarung entbehre der Schriftform (§ 566 BGB) und sei deshalb unbeachtlich. Wie der BGH schon früher ausgeführt hat ( - Urt. v. 30.5.1962 - DRspr-ROM Nr. 1993, 1165) "sind Miet- und Pachtverträge grundsätzlich, auch soweit sie sich über Grundstücke verhalten, formfrei gültig (Mittelstein, Die Miete, 4. Aufl. S. 156, Roquette, Mietrecht 5. Aufl. S. 96). Schon die mündliche oder auch eine stillschweigende Einigung über alle wesentlichen Punkte verschafft den beiderseitigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen ihre Rechtsgeltung als Vertrag (vgl. RGZ 100, 131, 132; BGHZ 10, 171, 175). Für Verträge, die für eine längere Zeit als ein Jahr gelten sollen, wird jedoch der Grundsatz der Formfreiheit durchbrochen; denn sie bedürfen gemäß § 566 BGB der Schriftform. Die Nichtbeachtung der Form führt nicht, wie es nach dem Grundsatz des § 125 BGB sonst der Fall sein müsste, zur Nichtigkeit des ganzen Vertrages. Seine Rechtswirksamkeit ist nur hinsichtlich der Laufzeit beschränkt. Der Vertrag gilt als für eine unbestimmte Zeit abgeschlossen mit der weiteren Folge, dass er erst zum Schluss des ersten Jahres gekündigt werden kann (§ 566 Satz 2 BGB)."

Nichts anderes gilt für einen Vertrag, der in den Inhalt des zur Zeit der Änderung bestehenden ursprünglichen Vertrages während dessen Laufzeit in keiner Weise eingreift, sondern lediglich zur Folge haben soll, dass der Laufzeit des Vertrages ein Zeitabschnitt angefügt wird, es sich also um einen reinen Verlängerungsvertrag handelt. Denn in diesem Fall sind die Interessen des im Hinblick auf § 571 BGB in erster Linie geschützten künftigen Grundstückserwerbers ausreichend gewahrt, wenn die aus dem formgültigen Ursprungsvertrag nicht ersichtliche Verpflichtung ihn nicht über die sich aus § 566 S. 2 BGB ergebende zeitliche Grenze hinaus bindet (so BGH NJW 1994, 1649; BGHZ 50, 39 (43) = NJW 1968, 1229 = LM § 566 BGB Nr. 16; Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., § 566 Rn 18 ).

Hieraus folgt, dass die Parteien wirksam eine Verlängerung des bestehenden Mietverhältnisses vereinbaren konnten, ohne dass dies der Schriftform bedurfte. Nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist auch davon auszugehen, dass der Kläger dem Beklagten die von ihm behauptete Zusage, bis zum Erreichen des Rentenalters die Schlosserei in den angemieteten Räumen weiter betreiben zu können, gemacht hat. Die hierzu gehörten Zeugen Sch. und J. waren zwar nicht zugegen, als der Kläger dem Beklagten diese Zusage gegeben hat. Der Beklagte hat dies aber gegenüber dem Zeugen J. bestätigt. Er hat dem Zeugen, der damals beim Bauamt beschäftigt war nach dessen Bekunden, im Jahr 1994 anlässlich der Schlussabnahme der beiden bereits fertig gestellten Wohnungen, als der Bau weiterer Wohnungen erörtert wurde, erklärt, das sei nicht so eilig, der Beklagte könne bis zum Erreichen des Rentenalters bleiben. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage. Der Zeuge hat kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, seine Aussage war in sich schlüssig und widerspruchsfrei, seine Erinnerungsfähigkeit steht außer Zweifel, wie die von ihm geschilderten Details der damaligen Erörterung belegen.

Die Zusage führt aber deshalb noch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern da sie bewirkt (lediglich), dass der Mietvertrag von diesem Zeitpunkt ab als auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen ist, so dass der Kläger gem. § 566 S. 2 BGB erst für den Schluss des Jahres kündigen konnte, was er auch getan hat. Gleichwohl ist der vom Kläger gem. §§ 557 Abs. 1 S. 2, 286 BGB geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht gerechtfertigt, weil der Beklagte sich mit der Rückgabe der Mieträume nicht in Verzug befand. Nach § 285 BGB gibt es keinen Verzug, ohne dass der Schuldner dies zu vertreten hat. Dabei geht die neuere Rechtsprechung davon aus, dass der Schuldner für einen unverschuldeten Rechtsirrtum nicht einzustehen braucht. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte brauchte nicht damit zu rechnen, dass die behauptete Zusage alleine wegen der fehlenden Schriftform ihm nur befristeten Aufschub gewährte, zumal auch der ursprüngliche Vertrag nur mündlich abgeschlossen war, gleichwohl aber über Jahrzehnte Bestand hatte. Darüber hinaus ist der Beklagte aber auch deshalb nicht in Verzug geraten, weil auch ein unverschuldetes tatsächliches Leistungshindernis vorübergehender Natur vorlag (vgl. hierzu Palandt, a.a.O., § 285 Rn 2 mit Rechtsprechungsnachweisen), das ihn an der fristgerechten Rückgabe der Mietsache hinderte. Denn nach den Bekundungen des Zeugen Sch. steht fest, dass der Beklagte sich zusammen mit dem Zeugen ca. 1 Jahr lang intensiv und vergeblich um die Beschaffung eines als Zwischenlösung geeigneten Objekts bemüht hat. Zwar gab es, wie der Zeuge bekundet hat, z.B. etliche leerstehende Scheunen oder Kuhställe, die grundsätzlich in Frage kamen. Eine Anmietung sei aber entweder an der nicht passenden Größe oder am fehlenden Brandschutz gescheitert, an den für den Betrieb einer Schlosserei besonders hohe Anforderungen gestellt würden. Diese Bekundung des Zeugen Sch., dass kurzfristig kein Ersatzobjekt habe angemietet werden können, hat der Zeuge J. indirekt bestätigt. Denn er hat bekundet, dass vor einer Nutzung derartiger Objekte als Schlosserei zunächst einmal die Genehmigung einer Nutzungsänderung erfolgen müsse, was naturgemäß längere Zeit in Anspruch nehme. Diese Aussage hat auch der Zeuge Sch. aus eigener Erfahrung bestätigen können; nach seinem auch vom Zeugen J. bestätigten Bekunden wartet er seit etwa vier Jahren auf die Genehmigung, in auf dem elterlichen Gehöft befindlichen Räumlichkeiten eine Schlosserei betreiben zu können. Selbst wenn der Beklagte also kurzfristig geeignete Räumlichkeiten gefunden hätte, hätte er diese nicht alsbald als Schlosserei nutzen können.

Die Kosten der hiernach erfolglosen Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen. Vorläufig vollstreckbar ist das Urteil nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschwer für den Kläger: unter 60.000,-- DM

Ende der Entscheidung

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