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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 31.03.2000
Aktenzeichen: 19 U 159/99
Rechtsgebiete: StVO, StVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

StVO § 8 Abs. 1
StVO § 8 Abs. 2 S. 2
StVO § 2 Abs. 2
StVG § 17 Abs. 1
BGB § 284
BGB § 288
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 4
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 159/99 21 O 190/98 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 31. März 2000

Verkündet am 31. März 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, den Richter am Oberlandesgericht Gedig und die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16. August 1999 - 21 O 190/98 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über die bereits gezahlten 10.815,74 DM hinaus weitere 4.326,29 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13.1.1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage werden der Kläger sowie die Widerbeklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte zu 1) 1.233,48 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.1.1998 zu zahlen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen der Kläger 53 %, der Kläger und die Widerbeklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu 11 %, die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu 36 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu 36 %, die der Beklagten zu 1) der Kläger zu 53 % und der Kläger und die Widerbeklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu 11 %, die der Beklagten zu 2) und 3) der Kläger zu 60 %; im übrigen trägt sie jede Partei selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 50 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 50 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

Der Kläger begehrt von den Beklagten den Ersatz seines gesamten Schadens, den er anlässlich eines Verkehrsunfalls am 17.11.1997 erlitten hat. Das Landgericht hat ihm eine Quote von 50% zuerkannt und ihn und die Widerbeklagten zu 2) und 3) auf die Widerklage der Beklagten zu 1) hin verurteilt, 50 % des der Beklagten zu 1) anlässlich dieses Unfalls entstandenen Schadens zu ersetzen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt. Er meint, das Landgericht habe nicht hinreichend gewürdigt, dass die Zeugin B. (Widerbeklagte zu 2)) gegenüber der Beklagten zu 2) vorfahrtsberechtigt gewesen sei; diese habe wegen der Pflanzkübel nicht strikt rechts fahren können. Die Beklagte zu 2) habe mit dem Einbiegen eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung begangen. Der Kläger behauptet, der Unfall habe sich im übrigen im Einmündungsbereich ereignet, die Beklagte zu 2) sei über die Mittellinie in die Fahrbahn der Zeugin B. gefahren.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme im Zusammenhang mit der Aussage der vom Senat vernommenen Zeugin B. sieht es der Senat als erwiesen an, dass die Beklagte zu 2) das Vorfahrtrecht der Zeugin B. schuldhaft verletzt hat. Nach § 8 Abs. 1 StVO hatte die Zeugin B. die Vorfahrt, weil sie von rechts kam. Nach Abs. 2 S. 2 dieser Vorschrift durfte die Beklagte zu 2) als Wartepflichtige nur weiterfahren, wenn sie übersehen konnte, dass sie die Zeugin B. weder gefährdete noch wesentlich behinderte. Da es nach dem Abbiegen der Beklagten zu 2) in die von der vorfahrtsberechtigten Zeugin befahrene Straße "Auf dem B." zum Zusammenstoß kam, spricht schon der Anschein für eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung durch die Beklagte zu 2). Die höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt einen Anscheinsbeweis für eine Vorfahrtverletzung des Wartepflichtigen regelmäßig dann an, wenn auf einer Kreuzung oder Straßeneinmündung zwei Kraftfahrzeuge zusammenstoßen (BGH, NJW 1964, 1371 = VersR 1964, 639 (640); NJW 1976, 1317; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 31. Aufl., § 8 StVO Rn 69). Eine derartige Konstellation lag auch hier vor, der Unfall hat sich im Gegensatz zur Behauptung der Beklagten im Einmündungsbereich ereignet, wie sich aus der glaubhaften Bekundung der Zeugin B. ergibt. Sie deckt sich im übrigen mit den Angaben der den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten in der Verkehrsunfallanzeige vom 18.11.1997, in der als Unfallbereich ebenfalls der Einmündungsbereich/Anschluss markiert worden ist, so dass es der von den Beklagten beantragten Vernehmung dieser Beamten, durch die die Richtigkeit der Angaben in der Verkehrsunfallanzeige unter Beweis gestellt werden sollte, nicht mehr bedurfte. Soweit das Landgericht und der Sachverständige S.-E. demgegenüber auch einen Zusammenstoß außerhalb der Einmündungsbereiches, nämlich ca. 20 m dahinter, für möglich angesehen haben, beruht dies auf einem Missverständnis der Aussage, die die Zeugin B. schon erstinstanzlich bei ihrer informatorischen Anhörung gemacht hat; das hat sich aus ihrer Vernehmung vor dem Senat ergeben. Denn die Zeugin hat nach Vorlage eines Fotos (Bl. 82 d.A.) laut Protokoll bekundet, das hierauf ersichtliche, in Richtung des Betrachters entgegenkommende Fahrzeug fahre so, wie sie seinerzeit gefahren sei, hinter der auf dem Foto erkennbaren schraffierten Fläche hätten sich zwei Mültonnen befunden, die auf der Straße abgestellt gewesen seien (Bl. 84 d.A.). Stellte man auch bezüglich der Mülltonnen auf die Sicht des Betrachters ab, was das Landgericht und der Sachverständige getan haben, so war die Aussage der Zeugin widersprüchlich; denn sie hatte zuvor ausgesagt, die hintere Stoßstange des von der Beklagten zu 2) gesteuerten Fahrzeugs sei beim Zusammenstoß etwa einen halben Meter von der Kreuzungsecke entfernt gewesen, während, bezogen auf die protokollierte Aussage zum Foto die Zeugin wesentlich früher nach rechts hätte einscheren können, wie auch der Unfallbereich weiter vom Einmündungsbereich weg hätte verlagert werden können. Tatsächlich hat die Zeugin B. aber, wie sie vor dem Senat richtiggestellt hat, auch schon vor dem Landgericht die Ortsangabe "hinter" auf ihre eigene Fahrtrichtung bezogen. Standen aber die Mülltonnen aus Fahrtrichtung der Zeugin hinter der schraffierten Fläche, so ergibt sich aus dem vom Sachverständigen gefertigten Vermessungsprotokoll und den von ihm gefertigten Fotos der Unfallörtlichkeit zweifelsfrei, dass sich der Unfall nicht - aus der Sicht der Zeugin - 20 m vor dem Einmündungsbereich, sondern nur im Einmündungsbereich ereignet haben kann. Der Senat hegt nach dem anlässlich ihrer Vernehmung gewonnenen persönlichen Eindruck keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Die Zeugin vermochte sich noch präzise zu erinnern, ihre Aussage war frei von Widersprüchen und bestätigte schlüssig ihre schon erstinstanzlichen Angaben. Persönliche Bindungen zum Kläger, wie sie zur Unfallzeit bestanden und die ihre Aussage beeinflussen könnten, sind entfallen, wie sie bekundet hat. Ihre Aussage ließ auch keinerlei Tendenzen erkennen, zugunsten des Klägers unrichtig auszusagen, vielmehr hat sie im Gegenteil selbst eingeräumt, im Unfallzeitpunkt nicht soweit rechts gefahren zu sein, wie es ihr möglich gewesen wäre.

Damit steht fest, dass die Zeugin schon vorher wegen der die Straße verengenden Blumenkübel und auch danach weiter die linke Fahrbahnseite teilweise mit benutzt hat, als es zum Zusammenstoß kam; sie ist also nicht äußerst rechts gefahren. Wie der Sachverständige ausgeführt hat und auch aus den von ihm gefertigten Fotos nachvollziehbar ist, konnte die Beklagte zu 2) Das Fahrzeug der Zeugin B. bereits vor dem Einbiegen erkennen. Für die Beklagte zu 2) war, wenn sie das Verkehrsgeschehen aufmerksam genug beobachtet hätte, demnach erkennbar, dass die Zeugin B. nach links versetzt fuhr. Sie durfte nur Einbiegen, wenn sie die Zeugin gleichwohl nicht gefährdete. Da es gleichwohl im Einmündungsbereich zum Zusammenstoß kam, spricht gegen sie der Anschein einer schuldhaften Verkehrsverletzung. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 S. 2 StVO schiebt dem Wartepflichtigen die Folgen unrichtigen Verhaltens überwiegend zu (Jagusch/Hentschel, a.a.O., Rn 68). Deshalb hält es der Senat im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung der jeweiligen unfallverursachenden Beiträge für angezeigt, den Beklagten auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Zeugin B. gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) verstoßen hat, den überwiegenden Schadensanteil zuzumessen; eine Quote von 70 % zu Lasten der Beklagten trägt dem angemessen Rechnung.

Der Kläger hat durch den Unfall unstreitig einen Schaden von 21.631,47 DM erlitten, auf den die Beklagte zu 3) ebenfalls unstreitig bereits 10.815,74 DM gezahlt hat. Zu zahlen sind bei einer Quote von 70 % insgesamt 15.142,03 DM, so dass noch ein Betrag von 4.326,29 DM offen steht.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 284, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschwer für beide Parteien: unter 60.000,-- DM

Ende der Entscheidung

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