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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: 19 U 160/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 326 Abs. 1
BGB a.F. § 631
BGB a.F. § 633
BGB a.F. § 636
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 160/05

Anlage zum Protokoll vom 10.03.2006

Verkündet am 10.03.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 03.02.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Ketterle, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schmitz und den Richter am Amtsgericht Heider

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 05.08.2005 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen (8 0 66/03) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Softwarevertrages.

Der Kläger plante im Jahre 2001 die Abwicklung seines gesamten Seminar- und Tagungsprogramms über eine neue Computersoftware. Er beauftragte mit Schreiben vom 04.10.2001 die Beklagte auf der Grundlage ihres Angebots vom 20.09.2001 mit Ausnahme der Positionen 18, 19, 20 (u.a. Fernwartung) mit der Lieferung und Installation des Programms "W" Version 5.0. Dabei handelt es sich in der Ursprungsversion um eine Standardsoftware zur Adress- und Mitgliederverwaltung. Die vertraglichen Leistungen der Beklagten, die in dem überarbeiteten Pflichtenheft vom 01.11.2001 im Einzelnen abschließend festgelegt worden sind, beinhalteten erhebliche Umarbeitungen und individuelle Anpassungen der Software, darüber hinaus Schulungen und Datenübernahmen.

Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung von geleisteten a`conto Zahlungen in Höhe von 37.407,34 € brutto Zug um Zug gegen Rückgabe der Software. Er hat vorprozessual zahlreiche Mängel des Programms behauptet, die von der Beklagten trotz mehrerer Nachbesserungen nicht vollständig abgestellt worden seien. Der Kläger hat schließlich nach vorheriger Mahnung und Fristsetzung mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 08.08.2002 Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt. Wegen der zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Fehler hat er sich zuletzt auf die Auflistungen in den Anlagen K 21 und K 22 bezogen.

Die Beklagte hat in erster Instanz zunächst das Bestehen von Mängeln zum Zeitpunkt des Ablaufs der ihr gesetzten Nachfrist in Abrede gestellt. Sie hat behauptet, die von ihr mit Schreiben vom 12.07.2002 zusammen mit der sog. "Workflow-Dokumentation" übersandte Version der Software habe zuletzt allen Anforderungen des Pflichtenheftes genügt. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass einzelne Rügen vom Kläger erstmals mit Schreiben vom 08.08.2002 erhoben worden seien. Sie hat ferner eingewandt, der Kläger habe die ihm aus dem Vertrag obliegenden Mitwirkungs- und Prüfungspflichten bei der Einrichtung und Datenübertragung verletzt.

Die Beklagte hat Widerklage erhoben, mit der sie vom Kläger die Zahlung restlicher Vergütung aus dem Angebot vom 20.09.2001 sowie im Frühjahr 2002 erbrachter Dienstleistungen gem. Rechnung vom 31.07.2002 in Höhe von insgesamt 8.318,31 € sowie den Kaufpreis für ein vom Kläger erworbenes Zusatzmodul in Höhe von 712,24 € - jeweils nebst Zinsen - begehrt.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 18.07.2003 in der Fassung des Beschlusses vom 26.08.2003 zu einzelnen streitigen Mängeln Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. I. Der Sachverständige hat sein Gutachten unter dem 05.03.2004 erstattet. Die Kammer hat ihn im Verhandlungstermin vom 17.06.2005 ergänzend befragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 05.08.2005 (8 O 66/03), auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch gem. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. zu, weil die Beklagte ihre Verpflichtungen aus dem Werklieferungsvertrag nicht erfüllt habe. Sie habe eine mangelhafte und insgesamt nicht abnahmereife Leistung abgeliefert. Die Software habe jedenfalls teilweise Fehler aufgewiesen, deren Beseitigung einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert hätte. Diese Mängel habe die Beklagte nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist beseitigt; dem Kläger könne dagegen ein vertragswidriges Verhalten nicht vorgeworfen werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag und den Zahlungsantrag aus der Widerklage in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Beklagte rügt, das Landgericht sei fehlerhaft von einer wirksamen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ausgegangen. Der Kläger habe nämlich - wie sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensablauf ergäbe - zunächst eine erhebliche Anzahl von Mängeln zu Unrecht benannt. Angesichts der massiven Zuvielforderung sei von einer unwirksamen Fristsetzung auszugehen. Die Beklagte sei gleichwohl um eine Nachbesserung ständig bemüht gewesen und sei auch jetzt noch dazu bereit, diese sei vom Kläger aber vereitelt worden. Hinsichtlich des Mangels "Mehrwertsteuer" sei zu beachten, dass der Kläger den Projektverlauf mehrfach geändert habe und dieser Mangel letztlich auch nicht besonders gewichtig sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 05.08.2005 (8 O 66/03) die Klage abzuweisen und auf die Widerklage den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 9.030,55 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2002 zu zahlen,

hilfsweise, den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 9.030,55 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz aus 712,24 € seit dem 05.08.2002 sowie aus 8.318,31 € seit dem 14.11.2005 zu zahlen, hinsichtlich der Zahlung von 8.318,31 € allerdings nur nach Erbringung folgender Leistungen durch die Beklagte:

der Statistiklauf "Seminarwesen" wird so geändert, dass auch das Seminar in die Dokumentation einbezogen wird, dessen Seminarnummer als kleinste Nummer in den Auswertungslauf eingegeben wird;

der in die Zimmerbelegungsliste integrierte Skriptlauf wird um eine Schleifenfunktion erweitert, so dass nicht nur eine, sondern alle möglichen Zimmerbelegungen berücksichtigt werden und die Zimmerbelegungsliste nicht mehr nur für die Einzelverarbeitung, sondern auch für Massenverarbeitung tauglich ist;

in der Datenbankdefinition wird die Mehrwertsteuerberechnungszeile entfernt, damit im Fall der Fremdteilnehmer keine doppelten Mehrwertsteuern berechnet werden;

für die 1:n-Tabelle "Seminarverwaltung" wird ein Skript erstellt, das nach der aktuellen Definition der Zuordnungslogiken bei Teilnehmerzuordnungen alle historischen Datensätze auf eine konsistente Füllung nach dieser Logik überprüft und korrigiert;

der Datenbestand wird durch Wiederholung der Sollstellungsläufe von fehlerhaften Daten bereinigt;

die Skripte zur "Sollstellung Seminargebühren" und "Sollstellung Verpflegung" werden dahingehend erweitert, dass bei Wahl einer vorläufigen Sollstellung die ebenfalls bereits vorhandenen zugehörigen Vorbereitungslistendrucke direkt nach Ausführung der Sollstellung durch das Skript aufgerufen werden;

die Jahrezahl in der Jahresstatistik Teilnahme wird insofern richtig ausgegeben, als dass das Veranstaltungsjahr des Seminars angegeben wird, welches als erstes Seminar in der Auswertung betrachtet wird;

die Eingabehilfe bei der Seminarzuordnung wird dahingehend erweitert, dass auch das Stornokonto in die Seminarzuordnung aus dem Seminarstamm übernommen wird und damit als Folge dieser Übernahme in der Teilnehmerstatistik allgemein auch ein korrekter Stornobetrag angegeben wird;

in allen Listen und in der Briefanrede werden auch Titel von Teilnehmern mit ausgedruckt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und weist insbesondere darauf hin, dass nach seiner Auffassung der Sachverständige Dr. I sehr wohl eine Reihe von erheblichen Fehlern des Programms festgestellt habe. Daher sei die Nachfristsetzung berechtigt und wirksam gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

A)

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat dem Kläger gem. §§ 636, 326 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. zu Recht einen Anspruch auf Rückerstattung der in unstreitiger Höhe von 37.407,34 € geleisteten Zahlungen zuerkannt. Diesen Betrag - nebst gem. §§ 288 Abs. 1, 291 BGB zu zahlenden Rechtshängigkeitszinsen - schuldet die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung. Die Widerklage der Beklagten auf Zahlung weiterer Vergütung ist dagegen unbegründet.

Das Urteil des Landgerichts entspricht in vollem Umfang der Sach- und Rechtslage. Es ist in der Begründung überzeugend und bietet dem Senat unter den Voraussetzungen des § 529 Abs. 1 ZPO auch keine Veranlassung zu erneuten Tatsachenfeststellungen.

1.

Zutreffend hat die Kammer die vertraglichen Beziehungen der Parteien den Vorschriften des Werkvertragsrechts (§§ 633 ff. a. F. BGB) unterworfen. Zwar finden beim Kauf und der Lieferung von Standardsoftware nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich auch dann die Vorschriften des Kaufrechts Anwendung, wenn die Software den besonderen Bedürfnisse des Anwenders angepasst werden muss (BGH NJW 1988, 406 ff.; OLG Karlsruhe BB 1991, Beilage 23, 7 f.; OLG Düsseldorf OLGR 1994, 77 ff.). Dies gilt aber dann nicht, wenn es sich bei der Anpassung um zahlreiche, teils im zu liefernden Programm gar nicht vorhandene Funktionen handelt. Bei einer solchen Fallgestaltung überwiegt das werkvertragliche Moment des individuell geschuldeten Erfolges in einer Weise, dass die Anwendung des Werkvertragrechts gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 26.06.1992 - 19 U 261/91, OLGR 1992, 237). Anspruchsgrundlage ist danach § 326 Abs. 1 BGB a.F., der gem. § 636 Satz 2 BGB a.F auf Werkvertragsverhältnisse vor Abnahme anwendbar ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gilt dies insbesondere für Verträge, die die Verpflichtung zur Herstellung bzw. Anpassung von Software zum Gegenstand haben (CR 2003, 246 ff., 2004, 331 ff.).

Die Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 BGB a.F. sind erfüllt:

a)

Die Beklagte ist vom Kläger durch Schreiben vom 19.06.2002 in einer den Anforderungen genügenden Weise unter Fristsetzung gemahnt worden. Darin hat der Kläger angedroht, dass er die weitere Erfüllung nach fruchtlosem Fristablauf ablehne. Dagegen erhebt die Beklagte auch keine Einwendungen.

b)

Die Beklagte hat sich bei Fristablauf mit der Erfüllung einer ihr obliegenden vertraglichen Hauptpflicht, nämlich der Lieferung und Installation einer funktionsfähigen, den Bedürfnissen des Anwenders angepassten Software in Verzug befunden. Das von ihr nach dem Vertrag zu installierende Programm W 5.0 war trotz vorangegangener Nachbesserungsversuche in mehreren, jedenfalls teilweise erheblichen Punkten nicht funktionsfähig und damit mangelhaft. Die Leistung war in dieser Form auch nicht abnahmereif. Es ist zunächst festzustellen, dass nach der zusammenfassenden Bewertung des Sachverständigen Dr. I die Umsetzung des ursprünglich reinen Adress- und Mitgliederverwaltungsprogramms insgesamt "umständlich, fehlerträchtig und für den Bediener intransparent" erfolgt ist. Über diese allgemeine qualitative Einschätzung der Leistungen der Beklagten hinaus hat die Kammer auf der Grundlage der sorgfältigen Untersuchungen des Gutachters konkrete Fehlfunktionen des Programms in insgesamt neun Bereichen festgestellt. Diese Mängel waren auch nach der letzten Nachbesserung durch die Beklagte, also nach dem 12.07.2002, noch vorhanden. Davon betrafen einige Rügen des Klägers zwar verhältnismäßig wenig gewichtige Fehler, die mit geringem Aufwand zu beheben gewesen wären. Gleichwohl waren aber die fehlerhaften Funktionen für die praktische Anwendung des Programms durch die Mitarbeiter des Klägers von erheblicher Bedeutung. Fest steht, dass das Programm zum Teil falsche Informationen (etwa bei der Zimmerbelegungsliste, beim Punkt Stornogebühren in der Rubrik "Teilnehmerstatistik allgemein" oder beim Weglassen des Titels im Anschreiben an einen Seminarteilnehmer) geliefert hat. Teilweise gab es auch einen fehlerhaften Datenbestand (etwa in den Punkten 17, 18). Die beiden weiteren Funktionen "Mehrwertsteuerberechnung" und "Adressatenanschriften" waren im Rahmen der Seminarverwaltung und -abwicklung ebenfalls wichtige Programmteile. Insoweit ist vom Sachverständigen aber auch der Nachbesserungssaufwand erheblich höher als bei den übrigen Funktionen angesetzt worden. Der Gutachter hat bei seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht einen kompletten Arbeitstag allein für die Mehrwertsteuerangelegenheit veranschlagt. Hier kann von geringfügigen Änderungen zur Herbeiführung der vertragsgemäßen Leistung nicht mehr gesprochen werden.

c)

Angesichts des im Oktober 2001 ursprünglich vereinbarten Zeitrahmens von ca. drei Monaten zur Herstellung der Lauffähigkeit des Programms und der Nachbesserungsmaßnahmen, die die Beklagte innerhalb des ersten Halbjahres 2002 vorgenommen hatte, war dem Kläger ein weiteres Zuwarten, insbesondere das Setzen einer weiteren Frist, nicht zuzumuten. Dies zumal die Beklagte in ihrem Schreiben vom 03.06.2002 im Nachgang zu der streitigen Besprechung zwischen den Parteien vom 29.05.2002 einen verbindlichen Fertigstellungstermin zum 30.07.2002 versprochen und am 12.07.2002 den Standpunkt vertreten hatte, nunmehr vollständig und ordnungsgemäß erfüllt zu haben.

d)

Ein Ausschluss des Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung von Prüfungs- oder Mitwirkungspflichten der Beklagten kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat sich vielmehr vertragstreu verhalten. Er war als Kunde grundsätzlich nicht zur Mitwirkung an der Entwicklung/Anpassung der Software verpflichtet, Insoweit erschließt sich auch nicht, was die Beklagte in ihrem Schreiben vom 22.02.2002 (Anl. B 2) mit der "Bitte um Prüfung" gemeint hat. Fest steht, dass das Programm nach den ursprünglichen Planungen der Parteien bereits Anfang des Jahres 2002 laufen sollte. Tatsächlich haben aber insgesamt vier Termine zur Installation und Anpassung mit unbefriedigenden Ergebnissen stattgefunden. Nach der Besprechung der Parteien vom 29.05.2002, bei der diese Punkte erörtert worden sind, hat sich die Beklagte zur endgültigen Herstellung der Funktionsfähigkeit bis zum 30.06.2002 bereiterklärt. Sie hat sich schließlich im Schreiben vom 12.07.2002 auf den Standpunkt gestellt, ordnungsgemäß erfüllt zu haben und den Kläger aufgefordert, bis zum 29.07.2002 die Abnahme zu erklären. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, kann es dem Kläger angesichts dieser Sachlage nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn er der Beklagten nicht ein weiteres Mal Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben hat. Deren weiteres Schreiben vom 23.09.2002 erfolgte jedenfalls zu spät, nachdem die gesetzte Frist verstrichen war.

2.

Aus dem Vorgesagten folgt, dass auch die Widerklage zu Recht abgewiesen worden ist. Mit der wirksamen Geltendmachung der Rechte aus § 326 Abs. 1 BGB a.F. sind sämtliche wechselseitigen Erfüllungsansprüche aus dem Vertragsverhältnis erloschen (vgl. Senat in CR 2004, 331, 332). Die Beklagte kann daher auch mit der erstmals in der Berufungsinstanz hilfsweise Zug um Zug angebotenen Nachbesserung nicht durchdringen.

3.

Das Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt demgegenüber keine andere Beurteilung:

a)

Soweit die Beklagte eine unwirksame Fristsetzung im Rahmen von § 326 Abs. 1 BGB a.F. im Hinblick auf vermeintlich "überzogene" Mängelrügen des Klägers annimmt, geht ihr Einwand fehl. Zwar ist in der Rechtsprechung im Grundsatz anerkannt, dass im Einzelfall eine Zuvielforderung zur Unwirksamkeit der Mahnung und Fristsetzung führen kann, wenn sich dieses Verhalten nach den Gesamtumständen als eigenes vertragsuntreues Verhalten des Gläubigers darstellt (BGHZ 146, 24, 35; NJW 1999, 3115, 3116; WM 2000, 586; OLG Celle MDR 1994, 137; Emmerich in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 326 Rdnr. 52 m.w.N.). Auch ist zutreffend, dass diese Rechtsprechung, die in erster Linie bei Entscheidungen über (quantitativ zu hohe) Geldforderungen entwickelt worden ist, grundsätzlich auch im Bereich der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen im Werkvertragsrecht Anwendung finden kann (BGH, Urteil vom 05.10.2005 X ZR 276/02). Dabei ist jedoch auf die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets Rücksicht zu nehmen. Insbesondere ist bei dem Kriterium der quantitativen Zuvielforderungen besondere Zurückhaltung angezeigt. Eine Unwirksamkeit der Mahnung/Fristsetzung kann in diesen Fällen nur in Betracht kommen, wenn die überzogenen Mängelrügen des Bestellers zugleich als Zurückweisung des geschuldeten Maßes der Nachbesserung zu verstehen sind. Der Besteller wird indes Nachbesserungen, die ihm die vertraglich vereinbarte Nutzung des Werkes gestatten, in der Regel auch dann nicht zurückweisen, wenn er meint noch mehr verlangen zu können (BGH a.a.O.). Die Unwirksamkeit der Fristsetzung wird im Bereich der Werkvertragsrechts daher am ehesten in Betracht zu ziehen sein, wenn der Besteller zu Unrecht qualitative Anforderungen an das Gewerk stellt, welche vom Werkunternehmer entweder objektiv überhaupt nicht erbracht werden können oder nach dem Inhalt des Vertragsverhältnisses jedenfalls nicht geschuldet sind.

Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Mahnung des Klägers im anwaltlichen Schreiben vom 19.06.2002 unmäßige Anforderungen an die Nachbesserungspflicht der Beklagten beinhaltete und daher als eigenes vertraguntreues Verhalten des Klägers zu bewerten wäre. Der Vortrag der Beklagten, der Kläger habe darin Fehler in einer exorbitanten Größenordnung, nämlich 285, gerügt, ist bereits aus tatsächlichen Gründen nicht zutreffend. In dem Schreiben sind auf den Seiten 1 - 6 der beigefügten Liste insgesamt lediglich 67 konkrete Beanstandungen aufgeführt worden, die die Mitarbeiter des Klägers zu diesem Zeitpunkt festgestellt hatten und die sie nach ihrer Einschätzung für Fehlfunktionen des Programms hielten. Es ist nicht ersichtlich, dass in diesem Zusammenhang Mängel "produziert" oder aufgebauscht worden wären. Bei den weiteren "Rügen" (Seiten 7 bis 30) der Anlage handelte es sich um eigene schriftliche Vermerke der Beklagten sowie um die vornehmlich zum Zwecke der Information beigefügten Ergebnisse der vorangegangenen Installationstermine vom 20.11.2001, 10.01., 21.02. und 05.03.2002. Die darin aufgeführten Punkte waren zu einem erheblichen Teil bereits erledigt, was der Beklagten auch bekannt war. Sie war im Übrigen vorprozessual durchaus in der Lage, auf sämtliche Punkte im Schreiben vom 19.06.2002 einzugehen und diese abzuarbeiten; das ergibt sich aus dem Inhalt ihres Schreibens vom 12.07.2002.

Gegenstand des Rechtsstreits waren schließlich noch 59 Mängel, von denen das Landgericht bei der Beweiserhebung deswegen nur ca. die Hälfte berücksichtigt hat, weil nicht klar war, ob diese Beanstandungen Programmerweiterungen bzw. Funktionsänderungen im Vergleich zum Pflichtenheft betrafen. Von den 27 vom Sachverständigen untersuchten Punkten haben sich im Ergebnis 9, also 1/3, als berechtigte Rügen erwiesen. Die Beklagte erhebt daher zu Unrecht den Vorwurf, der Kläger habe in maßlosem Umfang Mängel gerügt.

Das in der Berufungsbegründung genannte Urteil des LG Landshut (CR 2004, 19 ff.) gibt für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nichts her. Die zitierte Entscheidung befasst sich im Wesentlichen mit der Frage, ob auf ein Vertragsverhältnis Kauf- oder Werkvertragsrecht anzuwenden war. Dabei hat das in jenem Verfahren erkennende Gericht bezogen auf zwei gerügte Mängel einer Standardsoftware die Auffassung vertreten, diese seien nicht so wesentlich, dass ein Fehler im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB a.F. angenommen werden könne. Diese Problematik hat mit der hier streitigen Frage der (unwirksamen) Nachfristsetzung nichts zu tun.

b)

Soweit die Beklagte die angeblich zu hohe Gewichtung der Fehlfunktion des Programms beim Ausweis der Mehrwertsteuer rügt, ist auch dieser Einwand unberechtigt. Zum einen handelte es sich - wie der Senat oben bereits ausgeführt hat - nicht um den einzigen Mangel des Programms. Zum anderen hat der Sachverständige Dr. I festgestellt, dass nicht nur Doppelberechnungen der Mehrwertsteuer bei sog. Fremdteilnehmern (der Seminare) auftraten, sondern es auch fehlerhafte Ausweise der Steuer bei Stornogebührenrechnungen an interne Teilnehmer gab. Der Gutachter hat zu diesem Punkt in der zusammenfassenden Beurteilung seines Gutachtens (Seite 57) dementsprechend darauf hingewiesen, dass die Mehrwertsteuer in "verschiedenen Situationen falsch ausgewiesen" werde und dieses Verhalten des Programms ohne Einschränkung als Fehler bewertet.

B)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

C)

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

D)

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Beschwer der Beklagten: 46.437,89 € (= 37.407,34 € Klage zuzüglich 9.030,55 € Widerklage)

Ende der Entscheidung

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