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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 28.03.2003
Aktenzeichen: 19 U 171/02
Rechtsgebiete: BeurkG, StGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

BeurkG § 17
StGB § 223
BGB § 2336 III
BGB § 2333 Nr. 2
BGB § 2333 Nr. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 109
ZPO § 543 II n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln Im Namen des Volkes Urteil

19 U 171/02

Verkündet am 28.03.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21.2.2003 durch die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe, den Richter am Oberlandesgericht Conzen und den Richter am Landgericht Knechtel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das am 28.8.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 20 O 71/02 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, ist die Schadensersatzklage des Klägers, die dieser wegen behaupteter anwaltlicher Pflichtverletzungen gegen die Beklagten erhoben hat, zurückgewiesen worden. Der Kläger, der aufgrund eines notariellen Testamentes der 1995 verstorbenen Frau Y zu deren Alleinerben eingesetzt worden war, wurde in dem von dem Sohn der Erblasserin gegen ihn geführten Rechtsstreit (LG Köln, 15 O 499/95) mit Teilurteil vom 21.11.1996 zur Auskunftserteilung über den Nachlaß verurteilt. Dem lag die Erwägung zugrunde, daß die zum Nachteil des Sohnes in dem Testament verfügte Pflichtteilsentziehung gemäß § 2333 Nr. 2 und 3 BGB mangels konkreter Niederlegung der Gründe dieser Pflichtteilsentziehung unwirksam war. Die von dem Kläger gegen dieses Urteil eingelegte Revision wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Köln (1 U 111/96), das sich diesen Erwägungen anschloß, zurückgewiesen. Durch Urteil des Landgerichts Köln vom 19.11.1998 (15 O 499/95) wurde der Kläger sodann zur Zahlung eines Betrags von 569.443,03 DM an den Sohn der Erblasserin verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision wurde zurückgewiesen. Im Jahr 1997 beauftragte der Kläger die Beklagten mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den das Testament beurkundenden Notar Dr. M2. Diese Klage wurde mit Urteil vom 10.11.1998 durch das Landgericht Köln (5 O 205/98) rechtskräftig abgewiesen. Der Kläger stützt seine nunmehrige Klage darauf, daß die Beklagten jenen Prozeß gegen den Notar fehlerhaft geführt und ihm nicht zur Einlegung einer Berufung geraten hätten; sie hätten ihm daher den durch das Fehlverhalten des Notars entstandenen Schaden, d.h. die von ihm zu begleichenden Pflichtteilsansprüche, zu ersetzen.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, da dem Kläger gegen die Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus anwaltlicher Pflichtverletzung zusteht. Unabhängig davon, daß den Beklagten zur Überzeugung des Senates schon eine Pflichtverletzung nicht vorzuwerfen ist, ist hierdurch jedenfalls kein Schaden des Klägers verursacht worden.

1. Eine Pflichtverletzung der Beklagten ergibt sich nicht daraus, daß die Beklagten dem Kläger nicht zur Einlegung einer Berufung geraten haben. Nach Ansicht des Senates ist mit dem Landgericht davon auszugehen, daß das Schreiben der Beklagten vom 4.12.1998, mit dem der Kläger unter Übersendung des landgerichtlichen Urteils und unter deutlichem Hinweis auf die Berufungsfrist zur Stellungnahme aufgefordert worden ist, letztlich zur Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten ausreichend war. Die Beklagten haben damit zunächst der ihnen in jedem Fall obliegenden Pflicht, den Mandanten vom Lauf der Berufungsfrist in Kenntnis zu setzen und ihm die Möglichkeit zu verschaffen, die Frage zu beurteilen, ob Berufung einzulegen ist, durch die erfolgte Übersendung des Urteils unter Hinweis auf den Ablauf der Berufungsfrist Genüge getan (vgl. BGH VersR 1963, 435). Ob sie darüber hinaus verpflichtet waren, bei dem Kläger noch einmal nachzufragen, ob er Berufung einlegen wolle, bedarf hier letztlich ebensowenig einer Entscheidung wie die Frage, ob sie den Kläger auch ohne besonderen Auftrag über die Aussicht eines Rechtsmittels aufzuklären hatten. Eine Nachfragepflicht ist vom Bundesgerichtshof (aaO, S. 436; VersR 1958, 789) für den Regelfall verneint worden. Während eine Beratungspflicht über die Aussichten eines Rechtsmittels jedenfalls zu den Aufgaben eines Berufungsanwalts gehört (BGH NJW-RR 1989, 1109), erscheint es demgegenüber zweifelhaft, ob eine solche Prüfung auch ohne einen entsprechenden Auftrag des Mandanten ebenfalls dem erstinstanzlich zugelassenen Rechtsanwalt obliegt (vgl. hierzu auch: Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und Notars, 6. Auflage 1998, Rn. 1436; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, 1999, Rn. 730 und 733; jeweils mwN). Jedenfalls für den vorliegenden Fall, in dem der Kläger selbst aufgrund der mehreren bereits von ihm geführten Verfahren als durchaus "prozeßerfahren" auch im Umgang mit der Einlegung von Rechtsmitteln anzusehen ist, ist eine solche Prüfungspflicht ohne entsprechenden Auftrag nicht anzunehmen.

Es kann ferner nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger sich den Vortrag der Beklagten, sie hätten ihm mit Schreiben vom 10.12.1998 ausdrücklich von der Einlegung einer Berufung abgeraten, zu eigen machen will; denn er hat den Erhalt dieses Schreibens ebenso wie ein von den Beklagten behauptetes Beratungsgespräch nachhaltig bestritten. Auch dies kann jedoch im Ergebnis dahinstehen.

2. Letztlich offenbleiben kann auch, ob den Beklagten eine fehlerhafte Prozeßführung vorzuwerfen ist. Insoweit schließt sich der Senat den dahingehenden Erwägungen des Landgerichts an, daß die Beklagten insbesondere nicht gehalten waren, die Schadensersatzansprüche gegen den Notar darauf zu stützen, daß dieser es pflichtwidrig unterlassen habe, die Erblasserin auf die Möglichkeit einer Feststellungsklage bezüglich der zur Pflichtteilsentziehung berechtigenden Gründe hinzuweisen. Der Notar hat im Rahmen seiner Prüfungs- und Belehrungspflichten gem. § 17 BeurkG grundsätzlich über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Notar eine rechtswirksame Urkunde über den wahren Willen der Beteiligten errichtet. Aus diesem Zweck folgt die inhaltliche Begrenzung der Pflicht zur Rechtsbelehrung: Sie geht nur so weit, wie eine Belehrung für das Zustandekommen einer formgültigen Urkunde erforderlich ist (BGH DnotZ 1989, 45). Darüber hinaus kann sich seine Belehrungspflicht auch auf Umstände erstrecken, die außerhalb des zu beurkundenden Vorgangs liegen, insbesondere darauf, daß Beteiligte, die über die rechtlichen Folgen ihrer Erklärung falsche Vorstellungen haben, durch Abgabe der Erklärung ihre Vermögensinteressen vermeidbar gefährden (BGHZ 58, 343). Hiernach ist zwar eine Belehrungspflicht des Notars des Inhaltes anzunehmen, daß entsprechend § 2336 III BGB im Streitfall der Erbe gegebenenfalls die materielle Berechtigung der Pflichtteilsentziehung zu beweisen hat. Die Forderung, daß der Notar darüber hinaus auf Schwierigkeiten der Beweissituation, auf die Möglichkeit einer entsprechenden Feststellungsklage oder auf die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe hinzuweisen hat, überspannt demgegenüber auch zur Überzeugung des Senates die ihm obliegenden Belehrungspflichten.

Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich aber auch nicht bei Unterstellung einer solchen Hinweispflicht. Aufgrund der gesamten Umstände kann schon nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Erblasserin, die - dem klägerischen Vortrag folgend - in ständiger Angst vor ihrem Sohn lebte, sich beratungsgerecht verhalten und tatsächlich eine Feststellungsklage erhoben hätte, da sie in einem solchen Falle weitere Übergriffe ihres Sohnes hätte gewärtigen müssen.

3. Selbst wenn man entgegen den obigen Ausführungen von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgehen würde, wäre diese nicht ursächlich für einen Schaden des Klägers gewesen (§ 287 ZPO). Die Klage gegen den Notar wäre unter keinen Umständen erfolgreich gewesen. Denn selbst bei ordnungsgemäßer Beurkundung wäre die Pflichtteilsentziehung unwirksam gewesen.

Wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger den ihm obliegenden Nachweis der Ursächlichkeit einer etwaigen Pflichtverletzung für einen ihm entstandenen Schaden nicht geführt. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die vom Landgericht verneinte Frage an, ob die vom Kläger benannten Zeugen als bloße Zeugen vom Hörensagen überhaupt als Beweismittel ausgereicht hätten, seine Behauptungen mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu belegen, wobei allerdings die Möglichkeit einer mittelbaren Beweisführung nicht von vornherein von der Hand zu weisen sein dürfte (vgl. BGH NJW 1992, 1899). In diesem Zusammenhang kann auch offenbleiben, ob der Kläger den einzigen, von ihm annähernd konkretisierten Vorfall, bei dem Mitte des Jahres 1991 die Erblasserin gegen die Heizung gestoßen worden sein soll, angesichts seines wechselnden und in den Einzelheiten auch bezüglich der benannten Zeugin U widersprüchlichen Vortrages überhaupt hinreichend substantiiert und beweiszugänglich vorgetragen hat; einen hinreichend substantiierten Vortrag hat bereits das Oberlandesgericht Köln im Urteil vom 5.6.1997 (1 U 111/96 = 15 O 499/95) bezweifelt. In jenem Verfahren ist mit Schriftsatz vom 27.2.1997 (dort Bl. 142 d.A.) behauptet worden, der Kläger habe die Erblasserin Mitte des Jahres 1991 aufgesucht und körperlich mißhandelt, weil sie sich geweigert habe, mit ihm einen Mietvertrag abzuschließen; die dort neben der Zeugin C benannte Zeugin Q hat in der Folgezeit keinerlei Erwähnung mehr gefunden. Mit Schriftsatz vom 1.10.1998 im Verfahren 5 O 204/98 (dort Bl. 40 d.A.) ist insoweit behauptet worden, der Sohn habe die Erblasserin, von der er regelmäßig Geld verlangt habe, gewürgt; einmal sei sie gegen einen Heizkörper gefallen und laut um Hilfe schreiend zum Nachbarn, dem zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen C, gerannt. Seit 1991 habe die (für diesen Vorfall indes bei dieser Gelegenheit nicht benannte) Zeugin U - zwischenzeitlich die Ehefrau des Klägers - bei der Erblasserin gewohnt. Mit Berufungsschriftsatz vom 4.12.2002 (Bl. 145 d.A.) hat der Kläger vortragen lassen, der Sohn habe die Mutter gewürgt und so gestoßen, daß sie gegen einen Heizkörper gefallen sei und sich verletzt habe; dies habe die Zeugin U von der Erblasserin erfahren. Im Schriftsatz vom 17.2.2003 (Bl. 227 d.A.) heißt es erstmalig, der Sohn habe seine Mutter stranguliert und gegen die Heizung geworfen; die Erblasserin habe daraufhin den Kläger in seinem Frisörsalon angerufen und auch die Nachbarn, die Eheleute C, alarmiert. Diese seien noch in der Wohnung gewesen, als der herbeigeeilte Kläger dort eingetroffen sei. Im selben Schriftsatz heißt es (Bl. 228 d.A.) weiter, der Zeuge C sei von der Erblasserin unmittelbar nach dem Vorfall angerufen worden. Im Verlauf des Schriftsatzes (Bl. 229 d.A.) wird sodann vorgetragen, die Zeugin U habe seit 1992/93 Kontakt mit der Erblasserin gehabt, habe zunächst in M gewohnt und sei 1994 in eine Wohnung an der B-Straße in L2 gezogen (und habe mithin nicht seit 1991 bei der Erblasserin gewohnt).

Ob demzufolge überhaupt der von dem Kläger behauptete Vorfall aufgrund einer - gleichwohl unterstellten - Beweisaufnahme nachweisbar gewesen wäre, erscheint vor diesem Hintergrund mehr als zweifelhaft.

Doch auch diesen Nachweis unterstellt, wäre ein berechtigter Grund für eine Pflichtteilsentziehung nicht anzunehmen. Voraussetzung für eine Pflichtteilsentziehung wegen vorsätzlicher körperlicher Mißhandlung ist nämlich, wie der Bundesgerichtshof im Urteil vom 6.12.1989 (BGHZ 109, 306 ff mit Nachweisen der bisherigen Rechtsprechung sowie aus dem überwiegend übereinstimmenden Schrifttum) ausgeführt hat, eine schwere Verletzung der dem Erblasser geschuldeten Achtung, d.h. eine "schwere Pietätsverletzung". Dem schließt sich der Senat an. Nach § 2333 Nr. 2 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn dieser sich einer vorsätzlichen körperlichen Mißhandlung des Erblassers schuldig macht. Diese Pflichtteilsentziehung ist jedoch nicht in allen Fällen einer vorsätzlichen Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB möglich, sondern setzt, wie schon das Reichsgericht (in seiner Entscheidung vom 21.11.1912, WarnR 1913 Nr. 102) verlangt hat, zugleich eine solche schwere Verletzung der Achtung voraus, die Kinder ihren Eltern schulden. Eine Pflichtteilsentziehung, die mit ihrem außerordentlichen Gewicht und ihrem demütigenden Charakter einer "Verstoßung über den Tod hinaus" nahekommt (BGHZ 94, 36, 43; BGH NJW 1989, 2054, 2055), auch ohne eine schwere Verletzung der dem Erblasser geschuldeten familiären Achtung von Rechts wegen zuzubilligen, wäre mit dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot nicht zu vereinbaren (BGHZ 109, 306, 309). Ob die Tätlichkeit eines Abkömmlings gegen den Erblasser eine so schwere Pietätsverletzung darstellt, daß sie die darauf gestützte Pflichtteilsentziehung rechtfertigt, ist eine Wertungsfrage (BGH aaO).

In deren Rahmen sind Umfang und Gewicht der Handlung ebenso zu berücksichtigen wie die hierzu führenden Gesamtumstände. Unter Abwägung dieser Umstände ist der Senat der Überzeugung, daß es sich bei der vom Kläger behaupteten Mißhandlung der Erblasserin durch ihren Sohn - ihren Nachweis unterstellt - nicht um eine solch schwere Pietätsverletzung handelt. In die erforderliche Gesamtwürdigung einzubeziehen sind die tatsächlichen Hintergründe, die sich aus den vom Senat beigezogenen Verfahrensakten insbesondere des Rechtsstreits 15 O 499/95 LG Köln ergeben. Hiernach ist von folgendem auszugehen: Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten ihrem damals 16-jährigen Sohn zunächst wegen ehrlosen Lebenswandles mit Testament vom 18.3.1977 den Pflichtteil entzogen. Aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 3.6.1976 (Az 34-34/76) geht hervor, daß der Angeklagte sich in der Familie vernachlässigt fühlte und auch der schulische Werdegang problematisch verlief. Mit gemeinschaftlichem Testament vom 18.4.1979 wurde der Sohn sodann wieder zum Nacherben eingesetzt. Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1980, zahlte die Mutter dem Sohn, der inzwischen sein Fachabitur abgelegt und ein BWL-Studium in B aufgenommen hatte, keinen Unterhalt mehr; ihm wurde Sozialhilfe gewährt mit der Folge, daß das Sozialamt übergeleitete Ansprüche gegen die Mutter geltend machte. Im Juli 1982 schloß die Mutter mit ihrem Sohn einen Abfindungsvertrag, aufgrund dessen der Sohn neben kurz zuvor übergebenen Münzen im Wert von rund 22.500,- DM Bargeld in Höhe von 25.000,- DM und eine 50 qm große Dachgeschoßwohnung in B erhielt. Das Immobilienvermögen des Vaters hatte demgegenüber aus einem Wohnhaus in L2 und drei Eigentumswohnungen bestanden, so dass der Pflichtteil, der dem Sohn zustand, sehr viel höher war als das, was die Mutter ihm im Abfindungsvertrag zukommen ließ. Mit Testament vom 30.7.1982 setzte die Mutter die Deutsche Krebshilfe zur Erbin ein und setzte den Sohn wiederum auf den Pflichtteil. Im Frühjahr 1983 zog der Sohn nach T zu seinem Großvater, den er in der Folgezeit versorgte. Kontakt zwischen dem Sohn und der Mutter gab es in der Folge soweit ersichtlich nicht mehr. Der Sohn heiratete im Oktober 1991; im April 1992 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Aus all diesen Umständen ist mithin ersichtlich, daß es zu jener Zeit zu einer deutlichen Stabilisierung der Lebensverhältnisse des Sohnes gekommen war.

Im April 1991 starb der Großvater. Schon kurz nach dem Tod des Großvaters, Anfang Mai 1991, kündigte die Mutter als Erbin des Großvaters ihrem Sohn die Wohnung in dem Haus und verweigerte den Abschluß eines Mietvertrages und erwirkte später gegen ihn ein Räumungsurteil.

Wenn, wovon aufgrund des zeitnächsten ersten Vortrags des Klägers sowie des zeitlichen Ablaufs auszugehen ist, es dann im Rahmen der Auseinandersetzung um die Wohnung infolge einer nicht auszuschließenden und angesichts der aufgezeigten Umstände durchaus verständlichen Erregung des Sohnes zu einer körperlichen Mißhandlung seiner Mutter gekommen sein sollte, kann diese nicht als schwere Pietätsverletzung gegenüber der Erblasserin gewertet werden. Sie ist vielmehr zu sehen vor dem Hintergrund der inzwischen erreichten Stabilisierung der Lebensverhältnisse einerseits und der konkreten Situation andererseits, in der die Erblasserin, die ihren Sohn bereits zuvor finanziell und in seinen Erbaussichten gegenüber dem gemeinsamen Testament benachteiligt hatte, ihm nun zu seiner verständlichen Enttäuschung auch noch das weitere Wohnen in dem Haus verweigerte, in dem er seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Großvater gelebt hatte und das er als Heim für seine Familie brauchte.

4. Mangels eines Schadensersatzanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Feststellung der Ersatzverpflichtung weiterer Schäden.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 109 ZPO nF.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO n.F. nicht vorliegen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 296.264,51 EUR

Ende der Entscheidung

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