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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 01.03.2002
Aktenzeichen: 19 U 182/01
Rechtsgebiete: HGB, AGBG, UStG, ZPO
Vorschriften:
HGB § 89 b | |
AGBG § 9 Abs. 1 | |
UStG § 29 | |
UStG § 29 Abs. 1 | |
UStG § 29 Abs. 2 | |
ZPO § 91 | |
ZPO § 92 | |
ZPO § 97 | |
ZPO § 108 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 n.F. |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Anlage zum Protokoll vom 01.03.2002
Verkündet am 01.03.2002
In dem Rechtsstreit
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 01.02.2002 durch die Richterinnen am Oberlandesgericht Göhler-Schlicht und Caliebe und die Richterin am Landgericht Tag
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 07.06.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 86 O 87/99 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über die im angefochtenen Urteil zuerkannten Beträge hinaus weitere 1.239,74 DM (= 633,87 €) nebst 5 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i. H. von 110 % des zu vollstreckendem Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
I.
Die seinerzeit in G. ansässige Klägerin war auf der Grundlage des Händlervertrages vom 15.08./07.09.1989 Vertragshändlerin der Beklagten. Mit Schreiben vom 09.07.1996 kündigte die Beklagte den Vertrag zum 31.12.1997. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin behauptete, dass ihr das Kündigungsschreiben nicht zugegangen sei und die Beklagte den Nachweis des Zugangs nicht erbringen konnte, kam es zwischen den Parteien zu dem Rechtsstreit 86 O 8/98 LG Köln, in dem die Klägerin die Feststellung begehrte, dass das Vertragsverhältnis nicht zum 31.12.1997 beendet worden sei. Während das Landgericht mit Urteil vom 12.11.1998 der Klage stattgab, hat das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 03.08.1999 - 4 U 60/98 - die Klage abgewiesen und - nach Rücknahme der Revision seitens der Klägerin - inzwischen rechtskräftig festgestellt, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zum 31.12.1997 beendet wurde.
Im Hinblick auf die Beendigung des Vertrages hat die Klägerin in erster Instanz neben weiteren Ansprüchen unter anderem einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB geltend gemacht und von der Beklagten die Rücknahme des bei ihr vorhandenen Ersatzteil- und Zubehörteillagers Zug um Zug gegen Zahlung des ihr nach dem Vertrag dafür zustehenden Entgelts verlangt. Das Landgericht hat der Klägerin u. a. einen Ausgleichsanspruch in Höhe von Brutto 142.570,34 DM (einschließlich 15 % Mehrwertsteuer) zuerkannt und die Beklagte zur Rücknahme der Ersatz- und Zubehörteile Zug um Zug gegen Zahlung von netto 120.099,46 DM verurteilt.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung zur Zurücknahme der Ersatz- und Zubehörteile im wesentlichen mit der Begründung, eine Rücknahmeverpflichtung ihrerseits bestehe wegen des Zeitablaufs seit der Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr. Die Klägerin hat (unselbständige) Anschlussberufung eingelegt mit der Begründung, im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89 b HGB gültigen Umsatzsteuersatzes von 16 %, der für die Versteuerung ihres Umsatzes maßgeblich sei, sei die Beklagte verpflichtet, ihr den Differenzbetrag in Höhe von 1.239,74 DM zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst allen Anlagen ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Hingegen war sie auf die (unselbständige) Anschlussberufung der Klägerin hin zu verurteilen, an diese gemäß § 29 Abs. 1, 2 UStG 1.239,74 DM zu zahlen.
1.
Mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte zur Zurücknahme der Ersatz- und Zubehörteile verurteilt. Ergänzend weist der Senat noch auf folgendes hin: Da - wie das Landgericht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des BGH (NJW 1995, 524 ff.) entschieden hat - die in Ziffer 19 des gekündigten Vertrages (GA 27) enthaltene 3-Monats-Frist für die Geltendmachung des Rückkaufsanspruchs wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist, andererseits eine neue vertragliche Regelung (= 6 Monate) nicht zustande gekommen ist, wäre die Ausübung des Rückkaufsrechts durch die Klägerin, das auch bei fehlender vertraglicher Regelung aufgrund einer nachvertraglichen Treuepflicht des Herstellers besteht ( BGH a.a.O.), nur dann ausgeschlossen, wenn, wie die Beklagte meint, die Klägerin ihr Recht, den Rückkauf der Ersatzteile zu verlangen, verwirkt hätte (§ 242 BGB). Das wäre nur dann der Fall, wenn sich die Beklagte vorliegend wegen der Nichtausübung des Rückkaufsrecht seitens der Klägerin in der Zeit seit dem 01.01.1998 bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte (und auch eingerichtet hat), die Klägerin werde ihr Recht nicht mehr geltend machen (siehe hierzu BGH BGHR 2002, 140, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht erfüllt.
Während des Andauerns des Rechtsstreit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung des Vertragshändlervertrages bestand für die Beklagte objektiv kein Anlass anzunehmen, die Klägerin werde, sollte der Prozess über die Wirksamkeit der Kündigung zu ihren Ungunsten ausgehen, nicht von ihrem Recht auf Geltendmachung des Rückkaufsanspruch Gebrauch machen. Ausgehend von ihrem Rechtsstandpunkt der Unwirksamkeit der Kündigung hatte die Klägerin in dieser Zeit vielmehr gar keine Veranlassung, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Sie benötigte zudem das Warenlager in dieser Zeit zur (aus ihrer Sicht berechtigten) Fortführung ihrer Vertragshändlertätigkeit. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es der Klägerin auch nicht vorzuwerfen, dass sie bis zur abschließenden rechtlichen Klärung den Vertrag als fortbestehend praktiziert hat. Denn die Rechtslage war jedenfalls nicht derart eindeutig, dass es der Klägerin verwehrt gewesen wäre, auf die Richtigkeit ihrer Rechtsansicht (= Unwirksamkeit der Kündigung) zu vertrauen. Schließlich hatte sie mit dieser Rechtsansicht in erster Instanz vor dem Landgericht obsiegt.
Hinzu kommt hier, dass die Beklagte es jederzeit in der Hand gehabt hätte, sich während des laufenden Rechtsstreits durch eine entsprechende Aufforderungen gegenüber der Klägerin, diese möge sich dazu erklären, ob sie bei rechtskräftiger Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung von ihrem Recht auf Rückkauf der Ersatz- und Zubehörteile Gebrauch machen werde oder nicht, Gewissheit darüber zu verschaffen, ob sie das Warenlager noch werde zurücknehmen müssen oder nicht (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation BGH BGHR a. a. O.).
Dies alles führt dazu, dass sich die Beklagte während des laufenden Rechtsstreits hinsichtlich ihrer Rücknahmeverpflichtung objektiv nicht in der für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Sicherheit wiegen durfte.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin hinsichtlich des zeitlichen Rahmens, in dem sie sich über die Ausübung ihres Rückkaufsrechts gegenüber der Beklagten erklären musste, durchaus auch die berechtigten Interessen der Beklagten an einer an den Umständen gemessenen schnellstmöglichen Klarheit berücksichtigen und wahren musste. Dies hat die Klägerin jedoch vorliegend getan. Bereits mit Schreiben vom 11.01.2000 (K 28), nachdem sie am 10.01.2000 ihre Revision gegen das Berufungsurteil, das die Kündigung für wirksam erklärt hatte, zurückgenommen hatte, hat sie der Beklagten mitgeteilt, dass nunmehr noch unter anderem die Ansprüche wegen Rücknahme des Ersatzteillagers geklärt werden müssten. Die Geltendmachung zu diesem Zeitpunkt war unter den gegebenen Umständen "rechtzeitig", da - wie ausgeführt - der Klägerin die Nichtausübung des Recht während des laufenden Prozesses nicht als treuwidrig vorzuwerfen ist.
Die Beklagte wird durch das Fortbestehen der Rücknahmeverpflichtung auch nicht unangemessen benachteiligt. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte ein anerkennenswertes Interesse daran hat, ältere Ersatzteile, die unbeschädigt und originalverpackt sind, nicht zurück zu nehmen. Derartige schon vor längerer Zeit gelieferte Ersatz- und Zubehörteile werden vielfach zur Reparatur älterer Fahrzeugmodelle benötigt und sind daher in anderen Vertragswerkstätten der Beklagten weiterhin verwendbar, während sie für den gekündigten Vertragshändler praktisch wertlos sind ( BGH NJW 1995, a.a.O.).
Soweit die Beklagte darüber hinaus in der Berufungsinstanz weiterhin bestreitet, dass die in der Liste vorhandenen Teile neuwertig und originalverpackt und auch tatsächlich bei ihr bezogen worden sind, bzw. sie weiterhin die Ansicht vertritt, der Lagerbestand beruhe wegen des Weiterbezugs von Ersatzteilen in der Zeit bis zur rechtskräftigen Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auf dem einem Dispositionsfehler des Händlers vergleichbaren Verschulden der Klägerin, sind diese Einwendungen, wie das Landgericht, auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit voll inhaltlich Bezug genommen wird, zutreffend entschieden hat, unerheblich. Dies gilt insbesondere für den Einwand, die Klägerin habe die Teile nicht bei der Beklagten bezogen. Wie dem Senat aus der Vielzahl der bei ihm anhängig gewesenen Vertragshändlerverfahren bekannt ist, verfügt jeder Vertragshändler bei dem Hersteller über eine bestimmte Händlernummer, unter der er jedes Fahrzeug, aber auch jedes Ersatz- und Zubehörteil bezieht. Es wäre der Beklagten angesichts dessen ohne weiteres möglich gewesen, die von der Klägerin vorgelegte Liste daraufhin zu überprüfen, ob sie die dort aufgeführten Teile an die Klägerin geliefert hat oder nicht. Aus demselben Grund kann die Beklagte auch nicht damit gehört werden, die Klägerin habe die Ersatzteile nicht zu den von ihr behaupteten Preisen erworben. Auch diese Überprüfung war der Beklagten ohne weiteres möglich. Auch in soweit ist ihr Bestreiten daher unsubstanziiert.
Soweit die Beklagte meint, ihr sei die vom Landgericht zur Begründung angeführte unterlassene Untersuchung der Ersatzteile auf Neuwertigkeit nicht möglich gewesen, da die Klägerin zum 01.03.2000 das Warenlager an anderer Stelle eingelagert habe, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Wenn sie sich um eine Überprüfung der Teile bemüht hätte, wozu sie, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, verpflichtet war, spricht nichts dafür, dass die Klägerin ihr den tatsächlichen Einlagerungsort auf entsprechende Anfrage nicht mitgeteilt hätte.
2.
Die (unselbständige) Anschlussberufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Zwar hat das Landgericht entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht den Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB als am 31.12.1997 fälligen Bruttobetrag zutreffend unter Einbeziehung des zu diesem Zeitpunkt geltenden Mehrwertsteuersatzes von 15 % berechnet (BGH NJW 1973, 1744). Im Hinblick auf den zur Zeit der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs durch die Klägerin gültigen Umsatzsteuersatz von 16 %, der für die Besteuerung der Klägerin maßgeblich ist, steht der Klägerin jedoch gemäß § 29 Abs. 1, 2 UStG ein Ausgleichsanspruch in Höhe des Differenzbetrages, d. h. in Höhe von 1.239,74 DM zu. Hierbei handelt es sich um ein zivilrechtlichen Anspruch, für den die ordentliche Gerichte zuständig sind (BGH a. a. O.; LG Duisburg Urteil vom 28.05.1997 - 2 (20) O 106/94 -; Rau/Dürrwächter, UStG 1980, § 29 Rn. 85).
Die Voraussetzungen für einen Ausgleichsausspruch gemäß § 29 UStG sind vorliegend erfüllt. Gemäß dieser Bestimmung kann bei Leistungen, die auf einem Vertrag beruhen, der nicht später als 4 Kalendermonate vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (bzw. gemäß § 29 Abs. 2 UStG der Gesetzesänderung, siehe hierzu Rau/Dürrwächter a. a. O. Rn. 68) abgeschlossen worden ist, der Vertragsteil, der in Folge einer Änderung des Steuersatzes durch das Gesetz eine steuerliche Mehrbelastung hinzunehmen hat, von dem anderen Vertragsteil hierfür einen angemessenen Ausgleich verlangen. Da der Ausgleich gemäß § 89 b HGB auf dem Handelsvertretervertrag beruht und eine Vergütung für die Überlassung des Kundenstamms darstellt, bestehen keine Bedenken, auf ihn § 29 Abs. 1 UStG anzuwenden (BGH a. a. O.). Zudem besteht Einigkeit darüber, dass "angemessener Ausgleich" im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass eine steuerliche Mehrbelastung in voller Höhe auszugleichen ist, da keiner der Vertragspartner durch die Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Belastung besser oder schlechter gestellt sein soll (Rau/Dürrwächter, a. a. O., Rn. 44 m. w. N.). Hier ist der Vertrag, auf dem der Handelsvertreterausgleich beruht, im Jahre 1989 damit eindeutig mehr als 4 Kalendermonate vor der Umsatzsteuererhöhung auf 16 %, die seit dem 01.04.1998 in Kraft ist, geschlossen worden. Die Gesetzesänderung hat dadurch, dass der Ausgleichsanspruch nach dem 01.04.1998 geltend gemacht worden ist, zu einer umsatzsteuerlichen Mehrbelastung der Klägerin in Höhe von 1.239,74 DM geführt, die von der Beklagten auszugleichen ist.
III.
Die Nebenentscheidung folgen aus §§ 91, 92, 97, 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO n. F.; 291 BGB.
IV.
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1, 2 ZPO n.F. nicht erfüllt sind.
Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die Beklagte: 129.339,20 DM (= 62.039,75 €).
Ende der Entscheidung
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